Alles über Energieausweise, die Identitätspapiere für Immobilien

Inhaltsverzeichnis
- Die Entstehung des Energieausweises: Von der Idee zum Gesetz
- Was ist ein Energieausweis?
- Warum ist der Energieausweis wichtig für Immobilienprofis?
- Den Energieausweis berechnen, wie funktioniert das?
- Welche Werte stehen im Energieausweis?
- FAQ zum Energieausweis
- Wüest Partner – Ihr Partner für Energieeffizienz und ESG-Strategien
Nicht nur Bürger:innen brauchen einen Ausweis, auch bei Gebäuden ist das der Fall: sie brauchen einen Energieausweis. Dabei geht es nicht um Identität, sondern um ihre energetischen Eigenschaften – und diese beeinflussen maßgeblich den Preis und die Vermietbarkeit von Immobilien. Objekte mit besseren Energieeffizienzklassen erzielen spürbar höhere Preise und Mieten, weil Betriebskosten und Sanierungen günstiger ausfallen. Gleichzeitig sind sie leichter vergleichbar.
In diesem Artikel erläutern wir alles rund um das Thema Energieausweis, mit einem Hauptschwerpunkt darauf, wie Sie den Energieausweis berechnen.
Die Entstehung des Energieausweises: Von der Idee zum Gesetz
Die Idee eines Energieausweises für Immobilien entstand bei KIimakonferenzen in den 90er Jahren, als erstmals über Wege einer CO2-Reduktion nachgedacht wurde. Beim Gebäudesektor macht das Sinn, er ist einer der größten Energieverbraucher und CO2-Emittenten weltweit. Aus der Idee wurden Gesetze, die in den Folgejahrzehnten viele EU-Gremien und nationale Parlamente beschäftigten. Nachfolgend ein Überblick über den Werdegang des Energieausweises in der deutschen Gesetzgebung.
- 2002 bis 2007: Die erste Energieeinsparungsverordnung (EnEV) führte den Energieausweis ein und die EnEV-Neuauflage von 2007 machte ihn seitdem bei Verkauf und Vermietung verpflichtend.
- 2020: Die EnEV wurde vom Gebäude-Energie-Gesetz (GEG) abgelöst, das ab diesem Zeitpunkt den Energieausweis regelte.
- 2024: Im Januar trat die Neuauflage des GEG in Kraft, das als “Heizungsgesetz” für rege Diskussionen sorgte.
- 2024: Im Mai wurde die EU-Richtlinie 2024/1275 zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden beschlossen, die bis 2026 ins nationale Recht umgesetzt werden muss.
Blick in die Zukunft: Energieausweise sind und bleiben ein wichtiger Baustein der Klimapolitik
Neben dem Ausweis selbst legen Gesetze und Richtlinien konkrete Ziele für die gesamte Immobilienbranche fest. Laut der jüngsten EU-Richtlinie sollten Wohngebäude bis 2030 um 16 Prozent weniger Primärenergie verbrauchen als 1990. Bei Nicht-Wohngebäuden ist die Richtlinie differenzierter: 16 Prozent der energetisch ineffizientesten Immobilien müssen bis 2030 saniert werden, weitere 26 Prozent sollen bis 2033 folgen.
Neubauten müssen ab 2028 bzw. 2030 den Nullemissionsstandard erfüllen, je nachdem ob es öffentliche oder Wohngebäude sind. Sie haben Platz für Photovoltaik oder Solarthermie vorzuhalten, sowie Fahrradstellplätze und Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Bis 2033 sollen alle Gebäude der Energieeffizienzklasse D entsprechen, Subventionen für fossile Heizungen sind nicht mehr erlaubt. All diese und weitere Maßnahmen sind Teil des Fit for 55–Pakets, der den CO2-Ausstoß der EU bis 2030 um 55 Prozent reduzieren soll.
Was ist ein Energieausweis?
Ein Energieausweis hält den energetischen Ist-Zustand einer Immobilie fest. Dafür prüft er die Effizienz, den Verbrauch und die Energiekosten eines Gebäudes. Gleichzeitig beinhaltet er Empfehlungen zur Effizienzsteigerung. Damit sollen Käufer:innen und Nutzer:innen die Kosten einer Wohnung oder Hauses besser einschätzen und vergleichen können, seien es Energie- oder Sanierungskosten. Jeder Ausweis muss beim Deutschen Institut für Bautechnik registriert werden. Anschließend wird der Energieausweis berechnet.
Der Energieausweis nutzt die Stufen A+ bis H des Bandtachos, das den Energieeffizienzklassen von Haushaltsgeräten entspricht. Die Bandbreite des Energieverbrauchs reicht von 0 bis 250 kWh pro Quadratmeter und Jahr. Dabei werden zwei Aspekte untersucht: der Energiebedarf und die energetische Qualität eines Gebäudes. Deswegen besteht ein Energieausweis eigentlich aus zwei Ausweisen, dem Bedarfs– und dem Verbrauchsausweis, die je nach Objekt und Ausgangslage ausgestellt werden.
Arten der Energieausweise
Ein Energieausweis besteht im Wesentlichen aus vier Teilen: einem Steckbrief des Gebäudes, dem Bedarfs- und dem Verbrauchsausweis sowie den Empfehlungen zur Effizienzsteigerungen. Hier ein Überblick:
- Steckbrief des Gebäudes: Hier stehen Angaben zu Baujahr, Gebäudenutzfläche, Anzahl der Einheiten, Nutzungsart, Gebäudetechnik und Verwendung von erneuerbaren Energien. Zusätzlich wird vermerkt, ob es sich um einen Bedarfs- oder einen Verbrauchsausweis handelt.
- Der Bedarfsausweis analysiert die Lage, die Gebäudestruktur, den Sanierungsstand, die Haustechnik und das Verhalten der Nutzer:innen, um den Energieverbrauch zu schätzen. Dadurch verlangt die Erstellung Sorgfalt, denn die Genauigkeit der Datenerhebung spielt eine große Rolle.
- Ein Verbrauchsausweis blickt auf den tatsächlichen Verbrauch der drei letzten Jahre. Eine Gebäudeanalyse ist nicht notwendig, dafür jede Form von Verbrauch, von Wärmeerzeugung bis zur Lüftung. Ein dezentraler Bezug von Wärme oder Warmwasser oder ein hoher Leerstand können die Ergebnisse verzerren. Bei Neubauten oder frisch sanierten Gebäuden sind Verbrauchsausweise nicht möglich.
- Empfehlungen für Sanierungen werden knapp aufgelistet mit einem Fokus auf kostengünstige Maßnahmen. Ihr Ziel ist die Verbesserung der energetischen Effizienz. Sind keine Empfehlungen möglich, weil das Gebäude z.Bsp. gerade saniert wurde, wird dies vermerkt.
Zwei wichtige Kennwerte des Energieausweises: Primär- und Endenergie
Der Ausweis unterscheidet zwischen zwei Kennwerten, dem Primär- und Endenergiebedarf. Die Primärenergie (PE-Kennwert)umfasst die gesamte fossile Energie, auch die Verluste und Ressourcen, die für deren Gewinnung benötigt werden. Bei Gas und Öl werden z.Bsp. Abbau und Transport berücksichtigt. Mit dem PE-Kennwert wird die Auswirkung auf die Umwelt sichtbar.
Die Endenergie ist die Energie, die bei den Nutzer:innen eines Gebäudes ankommt. Werden bei einer Immobilie erneuerbare Energien verwendet, so wirkt sich dies positiv auf den Primärenergiebedarf aus: Sonne und Holzpellets haben keine bis geringe Gewinnungs- und Transportkosten. Das Verhältnis zwischen den beiden Werten erlaubt die Effizienz eines Gebäudes schnell einzuordnen: Bei ineffizienten Immobilien ist die Primärenergie viel höher als die Endenergie, bei effizienten Gebäuden ist es umgekehrt.
Welcher Energieausweis für welches Gebäude
Die Art des Energieausweises richtet sich nach der Immobilie. Neubauten brauchen zwangsläufig nur einen Bedarfsausweis, da sie noch keinen Energieverbrauch verursacht haben. Bei Bestandsimmobilien ist es nicht so einfach, wie die unten angeführte Grafik zeigt. Hier entscheiden Baujahr, Gebäudetyp und Zeitpunkt der Sanierung über den benötigten Ausweis.
Wann brauche ich einen Energiebedarfsausweis?
- Bei allen Neubauten der Bereiche Wohnen und Gewerbe, sowie bei energetisch sanierten Gebäuden
- Bei kleineren Wohngebäuden mit höchstens vier Wohnungen, wenn der Bauantrag vor dem 1. November 1977 gestellt wurde
- Ausnahme hierzu: Es sei denn die Gebäude entsprachen bei Fertigstellung der Wärmeschutzverordnung von 1977 oder wurden dafür nachgerüstet
Wann besteht Wahlfreiheit für Bedarfs- und Verbrauchsausweise?
- Bei allen Bestandsgebäuden deren Bauantrag nach dem 1.11.1997 gestellt wurde, egal ob für Wohnen oder Gewerbe
- Bei allen Gebäuden, die vor dem 1.11.1997 errichtet wurden, aber in den Jahren danach energetisch saniert wurden
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Wie sieht ein Energieausweis aus
Ein Energieausweis ist ein standardisiertes Formular mit fünf Seiten, das der oben angeführten Struktur folgt. Das festgelegte Format erlaubt Immobilien zu vergleichen – einer der wesentlichen Vorteile von Energieausweisen. Nachstehend ist beispielhaft die dritte Seite mit dem Verbrauchsausweis abgebildet. Auf der Seite des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) lassen sich aktuelle Musterausweise für unterschiedliche Gebäudetypen herunterladen.
Beispielhafter Verbrauchsausweis für Wohngebäude zur Darstellung des Energieverbrauchs /Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz
Was sagt ein Energieausweis aus: Wirtschaftlichkeit von Immobilien
In Zeiten immer schärferen Klimaregulierungen ist ein Energieausweis mehr als ein Befund über die Effizienz einer Immobilie. Es ist mittlerweile ein Faktor, der stark die Wirtschaftlichkeit, Investitionshöhe und Attraktivität eines Objekts beeinflusst. Energetisch besser gestellte Immobilien erzielen höhere Kaufpreise, schlechter gestellten droht im schlimmsten Fall das Schicksal eines Stranded Assets.
Dieses Schicksal ist das Immobilienbranche-Pendant zum Totalschaden bei einem Autounfall: Die Sanierungskosten sind so hoch, dass sie die Rentabilität vernichten. Laut einem Artikel der Wirtschaftswoche sanken von 2022 bis 2023 die Preise von Immobilien mit den Energieeffizienzklassen C und darunter um sieben Prozent, während im selben Zeitraum die Objekte mit den Klassen A und B um 2,2 Prozent stiegen.
Warum ist der Energieausweis wichtig für Immobilienprofis?
Energieausweise sind in den meisten Fällen Pflicht
Energieausweise sind eine gesetzliche Pflicht und gehören zum Alltag von Akteur:innen der Immobilienbranche. Denn bei der Vermietung, der Verpachtung und dem Verkauf von Wohnimmobilien sind Ausweise unumgänglich. Ist der Ausweis beim Inserieren einer Immobilie vorhanden, müssen sogar die wesentlichen Inhalte daraus angegeben werden. Versäumen Vermieter: und Verkäufer:innen einen Ausweis vorzulegen, drohen laut Gebäudeenergiegesetz (GEG) Geldstrafen von bis zu 10.000 Euro.
Wann ist kein Energieausweis notwendig?
Es gibt jedoch Ausnahmen bei der Energieausweis-Pflicht: Wenn Eigentümer:innen ihre Immobilie selber nutzen, ist kein Energieausweis nötig. Das gilt auch für Mietwohnungen, die seit 2006 durchgängig bewohnt sind oder für Ferienhäuser, wenn sie weniger als vier Monate pro Jahr genutzt werden. Manche Immobilientypen sind auch ausgenommen: Gebäude unter 50 Quadratmeter Wohnfläche oder wenn sie unter Denkmalschutz stehen. Abrissobjekte und die meisten Kirchen sind ebenfalls mit einer Befreiung gesegnet.
Energieausweise sind eine Entscheidungsgrundlage für Investor:innen und Mieter:innen
Energieausweise bieten Investor:innen und Mieter:innen eine verlässliche Orientierung. Sie sind vergleichbar mit einem Kompass, der auf ertragreiche Immobilien deutet. Besonders Objekte mit den Energieeffizienzklassen A und B weisen höhere Mieten und Preise auf, wie aus der Studie Die Wirkung von Nachhaltigkeit auf Immobilienwerte von Wüest Partner hervorgeht. Sie wertete über 200.000 Mietinserate von 2023 mit eindeutigen Schlussfolgerungen aus, die hier für Miethöhen und Kaufpreise dargestellt werden:Miethöhen bei Wohnimmobilien: Die nachstehende Grafik zeigt, dass bei Mieten bis zu 15 Euro den Quadratmeter die Auswirkung der zwei höchsten Energieeffizienz-Klassen am stärksten ist. A und B weisen Mieten entweder über oder um 10 Euro aus. Mieten der niedrigeren Effizienz-Klassen C bis H liegen unter 10 Euro den Quadratmeter.
Bei Miethöhen über 15 Euro den Quadratmeter ist die Korrelation weniger eindeutig, aber doch erkennbar. Hier kann das Einkommen eine Rolle spielen: Wer mehr für eine Wohnung zahlen kann, achtet vielleicht weniger auf die Höhe der Nebenkosten. Allerdings lagen über 80 Prozent der Mietangebote unter 15 Euro.
Kaufpreishöhe von Wohnungen und Mehrfamilienhäusern: Hier ist der Befund ähnlich, wenn auch weniger stärker ausgeprägt als bei den Mieten. Wohnungen und Mehrfamilienhäuser unter 8.000 Euro den Quadratmeter erzielen höhere Preise in den besten Energieklassen A und B. Die Objekte dieser Liga liegen über oder bei 4.000 Euro den Quadratmeter.
Bei Objekten über 8.000 Euro den Quadratmeter verwässert sich der Trend. Spitzenpreise werden in den Klassen B und C erreicht, aber auch in der Klasse H, energetisch betrachtet die schlechteste. Eindeutiger ist die Auswirkung der Energieträger: Objekte mit nicht-fossilen Brennstoffen hatten im Durchschnitt um 23 Prozent höhere Preise als solche mit fossilen. Allerdings hatten weniger als vier Prozent der Angebote erneuerbare Energieträger.
Den Energieausweis berechnen, wie funktioniert das?
Die Erstellung eines Energieausweises ist ein komplexes Unterfangen und wird im dritten Teil des Gebäudenergiegesetzes (GEG) sowie den DIN-Normen V 18599 und 4108-4 festgelegt. Da die zwei Ausweise jeweils die Struktur und Technik eines Gebäudes oder dessen Energieverbrauch ermitteln, werden sie anders berechnet. Hier ein genauer Überblick über die Methoden, wie Sie den Energieausweis berechnen, aufgeteilt in den Bedarfs- und Verbrauchsausweis.
Berechnung des Bedarfsausweis
Laut des Leitfadens Energieausweis Teil 1 der deutschen Energieagentur (dena) wird ein Bedarfsausweis in sechs Schritten ermittelt. Dabei werden die Unterlagen zum Gebäude, wie seine Hülle und Technik umfassend geprüft und bewertet. Nachfolgend ein umfassender Überblick mit den untersuchten Aspekten der Immobilie.
- Schritt 1: Gebäudeunterlagen zusammenstellen (wenn vorhanden)
- Grundrisse, Ansichten, Schnitte
- Baubeschreibung und Wohnflächenberechnung
- Unterlagen zur Anlagentechnik, Datenblätter, Schornsteinfegerprotokoll
- Energieverbrauchsdaten
- Durchgeführte Sanierungsmaßnahmen (Gespräche mit dem Kunden)
- Schritt 2: Grunddaten ermitteln
- Gebäude-Dimensionierung, Gebäudevolumen, Geschosshöhen, Flächen
- Beheizte Räume und Ermittlung der thermischen Hüllfläche
- Schritt 3: Gebäuderundgang außen – Gebäudehülle
- Datenaufnahme von Fassaden bzw. Außenwänden, Fenstern, Rollladenkästen und dem Dach sowie die Begutachtung der Bauteile auf mögliche Bauschäden
- Prüfung von Gebäudeabmaße und möglichen An- bzw. Umbauten
- Berücksichtigung von Besonderheiten des Gebäudes, die für spätere Modernisierungsempfehlungen wichtig sind, wie z. B. ein Dachüberstand
- Bauliche Vorgaben für den Einsatz erneuerbarer Energien prüfen (Dachneigung, Himmelsrichtung, Lagerplätze für Holzpellets z.Bsp.)
- Schritt 4: Gebäuderundgang innen – Gebäudehülle
- Datenaufnahme aller Bauteilqualitäten in Dachgeschoss, Wohneinheiten und Kellergeschoss sowie Begutachtung der Bauteile auf mögliche Bauschäden
- Prüfung von Gebäudeabmaße und Grundriss-Größen sowie der beheizten Gebäudefläche
- Berücksichtigung von Besonderheiten des Gebäudes, die für spätere Modernisierungsempfehlungen wichtig sind, wie z. B. Undichtigkeiten in der Gebäudehülle oder die Raumhöhe des Kellers
- Schritt 5: Datenaufnahme Anlagentechnik
- Begutachtung von Anlagen zur Wärme- oder Warmwassererzeugung bzw. -speicherung (Typenschilder), Kühlung, Pumpen, Ventilatoren, Verteil- und Kanalnetzen, Wärmeübergabe und deren Regelung sowie Techniken zum Einsatz erneuerbarer Energien
- Begutachtung von Anlagen zur Wärme- oder Warmwassererzeugung bzw. -speicherung (Typenschilder), Kühlung, Pumpen, Ventilatoren, Verteil- und Kanalnetzen, Wärmeübergabe und deren Regelung sowie Techniken zum Einsatz erneuerbarer Energien
- Schritt 6: Identifizierung möglicher Modernisierungsmaßnahmen
- Stehen Sowieso-Maßnahmen (z. B. Fassaden-Ausbesserungen) an?
- Sind Bauschäden vorhanden? Wenn ja, welche Maßnahmen sind zur Schadensbehebung erforderlich?
- Sind bereits Sanierungsmaßnahmen geplant und welches Budget steht für eine Sanierung zur Verfügung?
- Sind Nutzungsänderungen geplant?
- Welche sonstigen Wünsche haben die Eigentümer:innen des Gebäudes?
Berechnung der erforderlichen Wärmeleistung
Bei dieser Prüfung müssen Daten zur Gebäudehülle und Anlagentechnik erfasst werden. Dafür wird erst bei der Gebäudehülle festgestellt, mit welcherl Wärmemenge im Winter die genormte Raumtemperatur von 19 oder 20 Grad erreicht wird. Gemeinsam mit dem Warmwasserbedarf wird dadurch die erforderliche Leistung der Anlagentechnik errechnet. Bei dieser wird der Verlust ermittelt, der bei der Erzeugung, Verteilung und Speicherung der notwendigen Wärmemenge entsteht. Die für die Luftbewegung erforderliche Energie wird zusätzlich berechnet. Im nachstehenden Schema werden alle für die Datenaufnahme relevanten Bauteile dargestellt.
Bedarfsausweis: Umfassende Prüfung der Gebäudehülle
Ein Bedarfsausweis erfordert bei einer sorgfältigen Berechnung die Gebäudehülle bis ins letzte Detail zu prüfen. Nicht weniger als acht Aspekte werden untersucht, die wir hier nur schlagwortartig auflisten: Fläche der thermischen Hülle (Außenwände), deren Wärmedurchgangskoeffizient (U-Wärme), das Nettovolumen, Dichtheit des Objekts, Wärmeverluste durch unterschiedliche Temperaturen, Wärmebrücken (Stellen an denen Wärme ausweicht) und solare Wärmegewinne.
Um die Genauigkeit besser zu verstehen: Bei solaren Wärmegewinnen wird zwischen durchlässigen Flächen wie Fenster und nicht durchlässigen wie Mauern unterschieden. Für Fenster wird der Energiedurchlassgrad gemessen, bei Mauern der Strahlungsabsorptionsgrad. Abschließend sollten auch weitere Wärmegewinne ermittelt werden, wie die Abgabe von Körpertemperatur, Abwärme von Geräten und der Anlagentechnik wie Heizungsrohre und Brennkessel.
Bedarfsausweis: Prüfung der Anlagentechnik
Nicht weniger akribisch wird die Technik der Wärmeherstellung und Verteilung geprüft: Sechs Aspekte werden genauer untersucht. Die Wärmeerzeuger selbst, hier spielen Brennstoff und Effizienz der Energiegewinnung (Nutzungsgrad) eine Rolle, die Wärmeverteilung, die bei größeren Gebäuden die meisten Verluste verursacht und die Wärmeübergabe (Heizungseinheiten). Deren Effizienz hängt vom Typ ab (Boden, Heizkörper, Flächenheizungen) und wie die Wärmeabgabe gesteuert wird: Gleichmäßig für die ganze Wohneinheit oder je nach Raum unterschiedlich. Bei Warmwasserspeicher entstehen ebenfalls Verluste, die auch berücksichtigt werden. Dazu kommen noch die Hilfsgeräte wie Pumpen, Ventilatoren, Lüfter und deren Strombedarf. Der tatsächliche Warmwasserverbrauch ist nicht zwingend zu erfassen, meistens wird mit pauschalen Werten gearbeitet.
Verbrauchsausweis
Der Verbrauchsausweis untersucht die tatsächliche Energienutzung der letzten drei Jahre, wobei das Ende dieser Zeitspanne maximal 18 Monate zurückliegen darf. Beachtet werden dabei die Gebäudedaten (Lage, Typ, Größe, Nutzfläche, Baujahr), Angaben zur Wärmegewinnung (Baujahr des Wärmeerzeugers, Energieträger) sowie die Verbrauchsdaten selbst (Wärme, Strom, Wasser) mit den Angabe der Zeiträume.
Die Angaben zum Gebäude selbst, seiner energetischen Qualitäten, seines Zustandes und der Energieträger werden für die Plausibilisierung der ermittelten Werte benötigt. Anders als beim Bedarfsausweis werden die Daten nach Erhebung entlang zwei Parametern justiert. Das wird als Witterungs- und Leerstandsbereinigung bezeichnet und ist für die Genauigkeit eines Verbrauchsausweises von großer Bedeutung.
- Die Witterungsbereinigung rechnet die klimatischen Schwankungen aus, die je nach Standort und Wetterverhältnissen unterschiedlich stark ausfallen. Dafür wird ein Faktor verwendet, um ein langjähriges deutsches Normklima abzubilden – der Klimafaktor. Dieser ist je nach Lage in Deutschland natürlich anders, der deutsche Wetterdienst liefert dafür Daten nach Jahr und Postleitzahlen.
- Die Leerstandsbereinigung berücksichtigt ob Teile des Gebäudes unbenutzt sind, was sich maßgeblich auf den Energieverbrauch auswirkt. Leerstand kann eine unvermietete Wohnung in einem Mehrfamilienhaus sein, eine periodisch unbewohnte oder ungenutzte Gewerbeeinheit. Auch eine unbeheizte Etage in einem bewohnten Einfamilienhaus, wenn die Kinder einer Familie ausgezogen sind, wird als Leerstand gewertet. Die ermittelten Energieverbräuche werden jeweils mit zwei Leerstandszuschlägen, für Heizung und für Warmwasser jeweils, kompensiert.
Je nach Typ des Gebäudes, Wohnen oder Gewerbe, wird der Verbrauchsausweis unterschiedlich berechnet. Beiden Rechenarten gemein ist jedoch die Ermittlung der Bezugsfläche und des Energieverbrauchkennwerts:
- Die Bezugsfläche erfasst die beheizten Teile eines Gebäudes: Bei Mehrfamilienhäusern werden in der Regel die Gemeinschaftsflächen wie Treppenhäuser nicht beheizt, deren Volumen wird für die Berechnung vom Gesamtvolumen abgezogen. Anders verhält es sich bei Einfamilienhäusern und bei Gewerbeeinheiten: In Hotels oder Shopping Malls werden auch die gemeinschaftlichen Flächen beheizt.
- Der Energieverbrauchskennwert ist eine variable Größe, die von der Abrechnungsart der Energielieferanten abhängt. Gasanbieter geben meistens den Brennwert an, also die Menge am gelieferten Gas, die nicht mit dem Heizwert übereinstimmt. In diesem Fall wird ein Umrechnungsfaktor angesetzt, um die Verluste durch die Verbrennung zu berücksichtigen. Bei Strom und Fernwärme stellt sich dieses Problem nicht. Gewerbeobjekte werden oft gekühlt, was die Berechnung des Verbrauchsausweises von der für Wohngebäude unterscheidet.
Besonderheit Warmwasserverbrauch
Ein weiterer Faktor – und kein unwichtiger – ist der Warmwasserverbrauch. Obwohl dieser den Energieverbrauch maßgeblich beeinflusst, ist seine Erfassung nicht zwingend. Deswegen wird oft mit Richtwerten gearbeitet, was zu erheblichen Unterschieden zwischen tatsächlichen und ausgewiesenem Energieverbrauch führen kann – manchmal bis zu 100 Prozent. Der Grund dafür: Der für die Warmwassererzeugung genutzte Energieanteil kann sehr schwierig zu ermitteln sein. Hier reicht es, sich ein Mehrfamilienhaus mit unterschiedlichen Wassererwärmungs-Technologien vorzustellen, oder ein Einfamilienhaus mit bivalenter Warmwassererzeugung (z.Bsp. Solarthermie und Durchlauferhitzer).
Bei Nicht-Wohngebäuden wird der Energieanteil für die Warmwasseraufbereitung entweder gemessen oder anhand von Rechenwerten ermittelt, die bei Anlagen für größere Objekte meist belastbar geschätzt werden. Bei Wohngebäuden ist es anders, da es meist keine zentrale Warmwasseraufbereitung gibt und die Schätzung wegen der oft unterschiedlichen Systeme schwierig ist, auch wenn dafür komplexe Verfahren angewandt werden. Wird ein Gebäude mit Fernwärme beheizt, ist das Ermitteln des Warmwasseranteils einfacher. Für die Klimabilanz ist Fernwärme jedoch nicht zwangsläufig gut, da über 60 Prozent der Fernwärme in Deutschland mit fossilen Energien hergestellt wird. Bei Wohn- und Nicht-Wohnobjekten werden Messwerte bevorzugt.
Welche Werte stehen im Energieausweis?
Die wichtigsten Begriffe eines Energieausweises im Überblick
Bedarfsausweis: Dieser wird auf Grundlage des Gebäudes, der energetischen Eigenschaften und Anlagentechnik erstellt. Er wird bei Neubauten oder frisch sanierten Gebäuden benötigt und prüft eine Immobilie umfassend.
Verbrauchsausweis: Energieausweis, der auf dem tatsächlichen Energieverbrauch eines Gebäudes basiert. Die Periode für die Datenerhebung beträgt drei Jahre, er wird meist bei Bestandsbauten verwendet.
Primärenergiebedarf: Die gesamte Energie, die einem Gebäude geliefert wird, um den Bedarf zu decken. Abbau, Aufbereitung und Transport des Energieträgers werden mitgerechnet. Damit wird die Umweltbelastung in ihrem ganzen Umfang sichtbar.
Endenergiebedarf: Die Energiemenge, die tatsächlich für Wärme- und Warmwassererzeugung verwendet wird, ohne die Verluste bei Verbrennung, Umwandlung und Transport mitzurechnen. Dieser ist für die Energiekosten relevant.
Energieverbrauchskennwert: Die gemessene Energiemenge, die für Heizung und Warmwasser verbraucht wird. Er wird in Kilowattstunden pro Jahr und Fläche angegeben [kWh/(a x m2)].
Klimafaktor: Anpassungswert, mit dem die Schwankungen des Wetters während der Messperiode für einen Bedarfsausweis ausgeglichen werden. Diese rechnerische Anpassung wird Witterungsbereinigung genannt. Der Klimafaktor wird vom deutschen Wetterdienst bereitgestellt.
FAQ zum Energieausweis
- Was ist ein guter kWh-Wert im Energieausweis?
Liegt der Energieverbrauch eines Gebäudes unter 75 kWh pro Jahr und Quadratmeter, gehört es zu den drei besten Effizienzklassen A+, A und B. Die Klasse A+ bedeutet weniger als 30 kWh pro Jahr und Quadratmeter, A weniger als 50 und B weniger als 75. Bei der schlechtesten Klasse H liegt der Verbrauch bei 250 kWh und mehr. - Den Energieausweis berechnen mit den Energiekosten?
Schwankende Energiepreise machen eine allgemein gültige Antwort schwer. Die Pauschalwerte für die Effizienzklassen sind drei Euro pro Jahr und Quadratmeter für die beste Klasse A+, für die schlechteste Klasse H sind es 50 Euro und mehr. Preisschritte zwischen den Klassen steigern sich von vier bis acht Euro. - Wie viel kostet ein Energieausweis?
Verbrauchsausweise sind für unter 100 Euro und auch online erhältlich. Bedarfsausweise sind nur mit einer Begehung machbar und kosten mindestens 300 bis 500 Euro. - Wer kann einen Energieausweis ausstellen?
Bedarfsausweise können nur zertifizierte Architekt:innen, Ingenieur:innen, Handwerker:innen und Schornsteinfeger:innen ausstellen, weil dafür eine Begehung durch Fachleute notwendig ist. Verbrauchsausweise können auch online oder von Energieanbietern erstellt werden. - Ist ein Energieausweis verpflichtend?
Für die Vermietung, Verpachtung oder den Verkauf einer Immobilie ist ein Energieausweis gesetzlich verpflichtend. Verstöße führen zu Geldstrafen bis zu 10.000 Euro. Ausnahmen gelten für Ferienhäuser, Häuser unter 50 Quadratmeter, denkmalgeschützte Gebäude oder Kirchen.
Wüest Partner – Ihr Partner für Energieeffizienz und ESG-Strategien
Obwohl ein Energieausweis dank der Skala A+ bis H leicht verständlich ist, ist seine Erstellung eine Wissenschaft für sich. Zwar gibt es jede Menge Anbieter:innen, die für wenig Geld auch online Energieausweise anbieten, deren Belastbarkeit ist jedoch mit Vorsicht zu genießen. Denn die Belastbarkeit von Verbrauchsausweisen wächst mit der Qualität der Daten, bei Bedarfsausweisen mit der Gründlichkeit der Begehung und der Qualifikation der Fachleute.
Professionelle Akteur:innen der Immobilienbranche sind daher gut beraten, Energieausweise von Spezialist:innen ausstellen zu lassen. Wenn Privatpersonen eine Wohnung oder ein Mehrfamilienhaus verkaufen, mag ein Energieausweis vielleicht ausreichen, für Halter:innen von größeren Beständen hingegen wird der Weg zu Immobilienberater:innen sinnvoller sein.
Denn Energieausweise sind eigentlich nur ein Baustein der klimapolitischen Ziele, die für den gesamten Immobiliensektor in Deutschland bis 2045 die CO2-Neutralität vorsieht. Um dieses ehrgeizige Nachhaltigkeitsziel zu erreichen, sollte sich der Energieausweis in eine umfassende Dekarbonisierungsstrategie einfügen.
Ähnlich dem Ausweis für Menschen, der eine Zugehörigkeit zu einem Land zeigt, verortet ein Energieausweis eine Immobilie auf der Landkarte der Nachhaltigkeit. Der Unterschied: Nachhaltigkeit ist eine Entwicklung – und die Immobilienberatung hilft dabei dank spezialisierten Wissens und der umfassenden Erfahrungswerte.
Als eine der führenden Immobilien Beratungsfirmen im DACH-Raum, unterstützt Wüest Partner private und öffentliche Organisationen bei den Themen Energieausweis und Nachhaltigkeit im Immobiliensektor. Dank der Kombination aus digitalen Lösungen und menschlicher Expertise hilft Wüest Partner dabei auch insbesondere bei Dekarbonisierungsstrategien und ESG-Analysen für Immobilien-Portfolien.
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Letzte Aktualisierung: 22. April 2025