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Stranded Assets: So werden Immobilien nicht zu Problemfälle

28. August 2023

In der Immobilienbranche geht ein Schreckgespenst um. Es heisst Stranded Assets und versetzt Bestandshalter und Investoren in Unruhe. Schliesslich bedeutet der Begriff so viel wie: Eine Immobilie verliert drastisch an Ertragskraft, ihr Marktwert sinkt deutlich, und schlimmstenfalls droht die vollständige Wertlosigkeit. Ein Alptraum für jeden Eigentümer. Die Ursache können beispielsweise Baumängel, elementare Schäden oder aber ein schlechter energetischer Standard verbunden mit einem viel zu hohen Ausstoss des Treibhausgases CO2 sein. In diesem Beitrag soll es um den letztgenannten Aspekt gehen und seine Auswirkungen auf das Immobilienmanagement. Dabei konzentrieren wir uns nicht direkt auf den Energieverbrauch, sondern auf den Ausstoss von CO2. Der Grund: Mit Blick auf das Pariser Klimaziel, den globalen Temperaturanstieg seit Beginn der Industrialisierung auf 1,5 Grad zu beschränken, ist in erster Linie die Emission von CO2 entscheidend, und erst an zweiter Stelle der Verbrauch von Energie.

Jede zweite Immobilie ist ein Stranded Asset – statistisch betrachtet

Zunächst einmal tun Immobilieneigentümer gut daran, sich klarzumachen, dass rein statistisch betrachtet etwa jede zweite Immobilie ein Stranded Asset ist. Das ist jedoch kein Grund zu Panik, sondern die logische Folge der Berechnungsmethode der sogenannten Dekarbonisierungspfade (oder CO2-Absenkungspfade) nach dem Carbon Risk Real Estate Monitor (CRREM). Das Tool wurde gezielt dafür geschaffen, die finanziellen Risiken von schlechter Energieeffizienz bei Immobilienbeständen zu erkennen. Gemäss CRREM wird zuerst einmal der durchschnittliche Energieverbrauch und der daraus abgeleitete durchschnittliche CO2-Ausstoss für definierte Immobilienklassen in einem Land ermittelt. Dieser CO2-Durchschnittswert bildet die Ausgangsbasis für den CO2-Absenkungspfad, an dessen Ende mit Blick auf das Ziel der Klimaneutralität eine Null steht. Etwa jede zweite Immobilie stösst weniger als den Durchschnittswert aus, andersherum emittiert auch ungefähr jede zweite Immobilie mehr als der Durchschnitt. Nach üblicher Definition ist dann von „stranding“ die Rede, wenn tatsächlich höhere CO2-Bedarfe als im CRREM-Pfad vorgegeben nachgewiesen werden. Damit ist die zweite Hälfte rechnerisch also bereits heute eine Ansammlung gestrandeter Vermögenswerte.

Die meisten gestrandeten Immobilien lassen sich zukunftsfit machen

Doch es gibt Entwarnung. Die allermeisten Immobilien lassen sich gewissermassen reparieren, also fitmachen für den CO2-Absenkungspfad. Eine Immobilie, die heute als gestrandet eingestuft wird, weil ihr CO2-Ausstoss überdurchschnittlich hoch ist, kann morgen nach erfolgter Sanierung oder zum Beispiel umgestellter Versorgung mit Strom, Wärme oder Kälte eine energetisch nachhaltige und perspektivisch sogar klimaneutrale Immobilie werden. Das heisst, wenn eine Immobilie derzeit wegen ihrer CO2-Emissionen als gestrandet gilt, muss das nicht schlimm sein, wenn der Eigentümer zum Beispiel weiss, dass sie im Jahr 2030 ans Fernwärmenetz angeschlossen wird und die Fernwärme CO2-reduziert oder gar CO2-neutral produziert wird. Und noch eine gute Nachricht. Der CO2-Ausstoss von Immobilien in Deutschland verringert sich derzeit und auch in den Folgejahren automatisch, weil der Anteil von regenerativ erzeugtem Strom und ebenso regenerativ erzeugter Wärme kontinuierlich wächst.

Wie Sie Ihren CO2-Ausstoß und -Absenkpfad von Liegenschaften und Portfolios berechnen, erfahren Sie hier.

Wüest Partner ermittelt Zeitpunkt, zu dem Immobilien zum Stranded Asset werden

Wenn Immobilieninvestoren auf uns bei Wüest Partner zukommen und uns damit beauftragen, ihre Immobilien darauf zu prüfen, wann sie wegen ihres CO2-Ausstosses stranden, also zum eklatanten Problemfall werden könnten, ist das Ergebnis unserer Prüfung stets eine konkrete Jahreszahl. Das Ergebnis kann sein, dass die Immobilie bereits gestrandet ist, oder auch bis 2050 nicht stranden wird, in vielen Fällen nennt es aber einen Strandingzeitpunkt zwischen heute und 2050. Dieser hängt ganz davon ab, wie weit die Immobilien vom CO2-Absenkungspfad abkommen und ab wann sie zu derjenigen Hälfte von Immobilien einer bestimmten Nutzungsart gehören, die hinsichtlich CO2-Emissionen überm Durchschnitt liegt. Da natürlich nicht alle Immobilien saniert werden, kann der Anteil der gestrandeten Immobilien in Zukunft sogar systembedingt steigen.

Eigentümer bringen ihre Immobilien Schritt für Schritt auf den CO2-Absenkungspfad

Für die Investoren besteht die Kerninformation hierin: Sie können aus der Einschätzung ableiten, wann sie welche Sanierungsschritte in Angriff nehmen sollten, damit ihre Immobilien eben nicht stranden, sondern weiterhin ein attraktives Asset bleiben. Wobei hinzuzufügen wäre: Der Begriff des Strandens ist im Kern falsch. Üblicherweise geht es beim Stranden zwar tatsächlich um Immobilien, die energetisch nicht gut sind. Aber in der Regel sind sie sanierbar, sodass sie die Chance haben, auf dem CO2-Absenkungspfad zu derjenigen Hälfte zu gehören, die bei der Dekarbonisierung im Soll ist. Zusätzlich werden bis 2050 viele einzelne Bauteile ohnehin auszutauschen sein, da sie an ihr erwartbares Lebensende gelangen. Die neuen Bau- oder Gebäudeteile (Fenster, Heizungen, Dächer …) werden dann natürlich nach jeweils aktuellen energetischen Anforderungen und Erkenntnissen eingebaut. Die Immobilien stranden also nicht dauerhaft, sie sind in der Regel kein Problemfall für die Ewigkeit, sondern erfordern vom Eigentümer Investitionen. Umgekehrt können diese sich üblicherweise in höheren Nettomieten niederschlagen. Das sorgt für einen wesentlichen Teil der Refinanzierung. Der andere Teil stammt womöglich aus öffentlichen Förderprogrammen und geringeren CO2-Steuern, mit denen die Dekarbonisierung vorangebracht werden soll.

Mittels einer Carbon Due Diligence ermitteln wir für Sie die wirtschaftliche Dekarbonisierungs-Strategie.

CRREM-Systematik seit Anfang 2023 verschärft

Die Investitionen mit dem unmittelbaren oder zumindest mittelbaren Ziel der Klimaneutralität sollten sich also rechnen. Allerdings werden die Massnahmen seit der Umstellung der CRREM-Systematik Anfang dieses Jahres tendenziell noch früher fällig. Der Grund: Die Umstellung vom Basisjahr 2018 auf das Basisjahr 2020 hat zur Folge, dass Immobilien im Schnitt noch früher stranden als nach der vorherigen Version. Die wesentliche Erklärung dafür besteht darin, dass der Anteil regenerativer Energien stärker gestiegen ist als bei der ursprünglichen Systematik angenommen. Das heisst, der durchschnittliche CO2-Ausstoss ist geringer als zuvor. Also sind per definitionem nunmehr auch schon eine Reihe von Immobilien Stranded Assets, die es vorher noch nicht gewesen wären.

Erst das Dach dämmen, dann über Wärmepumpe nachdenken

Auf dem Weg zur Dekarbonisierung von Immobilien ist es generell sinnvoll, mit dem Absenken des Energieverbrauchs zu beginnen, und nicht gleich die vollständige Klimaneutralität in Angriff zu nehmen. Also erst mal das Dach dämmen oder die Gasthermen in den Wohnungen durch eine Zentralheizung ersetzen. Das hat unmittelbar grosse Einspareffekte. Zudem sollten alle Bauteile einer Immobilie die Chance haben, ihre übliche Nutzungsdauer zu erreichen. Das wäre ansonsten energetisch und auch hinsichtlich des CO2-Ausstosses nicht sinnvoll und wenig nachhaltig. Immobilieneigentümer sollten bei den Sanierungen also mit den Gebäuden anfangen, die energetisch den schlechtesten Standard haben. Sie sind am weitesten vom CO2-Absenkungspfad entfernt und somit am stärksten gefährdet, zu Stranded Assets zu werden. Nach solchen elementaren Sanierungen ist dann Zeit, sich über den Einbau von Wärmepumpen Gedanken zu machen, um die Immobilien auf klimaneutralen Betrieb umzustellen.

Nachhaltige Lösungen: Selbst Strom produzieren und Anschluss an Fernwärme

Ein weiterer Teil der Lösung ist das Erzeugen von regenerativer Energie auf oder an Immobilien, beispielsweise mit Photovoltaikanlagen. Solcherlei trägt nicht nur dazu bei, Gebäude CO2-reduziert oder gar CO2-neutral mit Energie zu versorgen, sondern kann auch günstiger für die Nutzer der Immobilien sein, als der Bezug von Energie bei einem externen Versorger. Allerdings funktioniert die Methode Eigenstromnutzung dann am besten, wenn sich die Gebäudenutzer verpflichten, diesen Strom auch wirklich abzunehmen. Unter der Annahme von 100% Einspeisung der Energie ins Netz rechnet sich die Investition etwa in eine Photovoltaikanlage erst deutlich später.

Auf eine solche Verpflichtung können Eigentümer auch stossen, wenn in einer Stadt ein neues Fernwärmenetz geplant ist, das zumindest perspektivisch CO2-neutral betrieben wird. Auch hier funktioniert die gute Idee der regenerativen Wärmeversorgung nur, wenn viele Anlieger des Netzes das Angebot auch nutzen. Wer an einem solchen Standort Immobilien hat, kann sich glücklich schätzen, denn die Gefahr von Stranded Assets aufgrund zu hoher CO2-Emissionen ist gebannt, ohne selbst initiativ werden zu müssen, sofern man an ein solches Netz auch angeschlossen ist.

Inklusivmieten helfen, energetische Sanierungen von Wohnungsbeständen zu finanzieren

Noch ein Blick auf die Situation von Eigentümern grösserer Wohnungsbestände. Sie stehen vor der Herausforderung, ihre Immobilien mit Sanierungen und technischen Umstellungen so auf den CO2-Absenkungspfad zu führen, dass Mieter und Umwelt gleichermassen von den Investitionen profitieren – und sich der Einsatz für sie selber rechnet. Hier spricht viel dafür, dass Vermieter vermehrt auf das Thema Inklusivmieten setzen, also ihren Mietern auch gleich die ohnehin benötigte Energie mit der Miete verkaufen. Die Idee dabei: Wenn die Sanierungskosten zumindest zum Teil auf die Kaltmiete aufgeschlagen werden und im Gegenzug die Nebenkosten sinken, weil weniger Strom und Wärme benötigt werden, muss sich an der Gesamt- oder Inklusivmiete und mithin an der Bruttomietlast der Mieter nicht viel ändern. Der Nachteil besteht allerdings darin, dass es dann weniger Anreiz für die Mieter gibt, Energie zu sparen. Dem lässt sich jedoch mit Energiebudgets begegnen, die jedem Nutzer zur Verfügung gestellt werden. Reichen die Budgets aufgrund zu hohen Verbrauchs nicht aus, müssen die Nutzer nachzahlen.

Alles zum Thema Nachhaltigkeitsberatung finden Sie hier.

Nur wer weiss, wann ein Asset stranden könnte, kann etwas dagegen tun

Unterm Strich bedeutet all das: Ja, es besteht in vielen Fällen die Gefahr, dass Immobilien wegen ihrer CO2-Emissionen zu „Stranded Assets“ werden könnten, aber die Bestandshalter können auch viel tun, damit das nicht passiert. Und noch wichtiger: Eine Adressierung des Themas birgt auch Chancen bis hin zu neuen Businessmodellen, die Vorteile für die Umwelt, den Nutzer und den Eigentümer von Immobilien bieten. Wir bei Wüest Partner helfen Ihnen gerne dabei, diese Chancen zu identifizieren und Art- und Zeitpunkte der wirtschaftlichsten Massnahmen objektspezifisch für Ihre Immobilien zu ermitteln. So haben Sie die Chance, an ihren Immobilien trotz aller Herausforderungen beim Absenken der CO2-Emissionen auch langfristig noch viel Freude zu haben.

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