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Steigende Nachfrage nach Gesund­heits­leis­tungen: Standort und Kapazität im Fokus

Letzte Aktualisierung: 28. November 2024

Kernbot­schaften

  • Der Bedarf an medizi­ni­scher Versorgung wird in Zukunft erheblich steigen, denn mit der zuneh­menden Alterung der Gesell­schaft steigt die Nachfrage nach Gesund­heits­leis­tungen.
  • Schweizweit wird die Klien­tenzahl für stationäre Behand­lungen im Spital bis 2040 voraus­sichtlich um 29% zunehmen, bei der Pflege zu Hause um 41% und in Alters- und Pflege­heimen gar um 82%, aber es gibt erheb­liche regionale Unter­schiede.
  • Diese stark steigende Nachfrage nach Gesund­heits­leis­tungen erfordern eine voraus­schauende Standort- und Kapazi­täts­planung.
  • Wüest Partner verfügt über ein alter- und geschlechts­spe­zi­fi­sches Bevöl­ke­rungs­pro­gno­se­modell auf Gemein­de­ebene, womit wir Gesund­heits­dienst­leister im Rahmen ihrer langfris­tigen strate­gi­schen Planung bezüglich optimaler Stand­ortwahl und Kapazi­täts­planung unter­stützen können.

Die Schweiz verfügt über ein hochent­wi­ckeltes Gesund­heits­system. Innerhalb eines Jahres nimmt ein Grossteil der Bevöl­kerung medizi­nische Leistungen in irgend­einer Form in Anspruch. So wurden im Jahr 2023 1’044’000 Personen stationär in Spitälern betreut, 4’753’000 ambulant in Spitälern, 168’000 in Alters- und Pflege­heimen und 409’000 durch profes­sio­nelle Pflege zu Hause – sowie zusätzlich mehrere Millionen in Arztpraxen. In Zukunft wird der Bedarf an medizi­ni­scher Versorgung noch erheblich steigen, denn mit der zuneh­menden Alterung der Gesell­schaft steigt die Nachfrage nach Gesund­heits­leis­tungen.

Demogra­fische Entwicklung der Schweiz

Die Alterung der Gesell­schaft schreitet voran, lebten in der Schweiz 2010 noch 932’000 Personen mit Alter 70 Jahre oder älter, waren es 2023 bereits 1’287’000 Personen (+38%) und bis 2040 werden es gemäss der Bevöl­ke­rungs­pro­gnose von Wüest Partner 1’950’000 Personen sein (vgl. Abb. 1 und Abb. 2). Das sind nochmals +52% im Vergleich zum Stand 2023, während das Wachstum der Gesamt­be­völ­kerung über diesen Zeitraum nur ungefähr +11% betragen dürfte.


Abbildung 1


Abbildung 2


Pflege­bedarf steigt mit Alter

Je nach Alter und Geschlecht hat man eine unter­schied­liche Wahrschein­lichkeit medizi­nische Leistungen in Anspruch zu nehmen. Die Betreu­ungs­wahr­schein­lichkeit steigt mit dem Alter deutlich an. Dies gilt für Hospi­ta­li­sie­rungen, die Pflege zu Hause und besonders ausge­prägt für die Betreuung in Alters- oder Pflege­heimen. Für diese drei Typen von Gesund­heits­leis­tungen haben wir die Betreu­ungs­wahr­schein­lichkeit nach Alter und Geschlecht berechnet.

Abbildung 3 zeigt die Betreu­ungs­wahr­schein­lichkeit für die Pflege zu Hause. Es handelt sich um den Anteil der betreuten Personen an der Gesamt­be­völ­kerung nach Alters­gruppe und Geschlecht für 2023 basierend auf Zahlen der Spitex Seeland (ungefähr 1’600 Klient:innen). Dies kann als eine Schätzung der zukünf­tigen Betreu­ungs­wahr­schein­lichkeit verwendet werden. Die Betreu­ungs­wahr­schein­lichkeit steigt ab dem 70-Altersjahr deutlich an und erreicht ab dem 90-Altersjahr beinahe 50%.


Abbildung 3


Analog kann die Hospi­ta­li­sie­rungs­wahr­schein­lichkeit für eine stationäre Behandlung nach Alters­klasse und Geschlecht abgeschätzt werden. Dies erfolgte basierend auf gesamt­schwei­ze­ri­schen Zahlen aus der Medizi­ni­schen Statistik der Kranken­häuser (MS). Abgesehen von der Geburt und den schwan­ger­schafts­be­dingten Behand­lungen bei Frauen, steigt die Hospi­ta­li­sie­rungs­wahr­schein­lichkeit ab 60 Jahren deutlich an und erreicht ab dem 90-Altersjahr beinahe 50%. Grund­sätzlich ist die Hospi­ta­li­sie­rungs­wahr­schein­lichkeit für stationäre Behand­lungen im Alter für Männer deutlich höher als für Frauen. Die Betreu­ungs­wahr­schein­lichkeit für Pflege zu Hause ist ausge­gli­chener nach Geschlecht.

Die Alter­native zur Pflege zu Hause ist die Beher­bergung und Versorgung in einem Alters- und Pflegeheim. Hier steigt die Betreu­ungs­wahr­schein­lichkeit ab dem 80-Altersjahr deutlich an und erreicht ab dem 90-Altersjahr mehr als 50%. Die Betreu­ungs­wahr­schein­lichkeit liegt bei Frauen höher als bei Männern, da der männliche Partner oftmals zuerst verstirbt und die weibliche Partnerin anschliessend in ein Alters- oder Pflegeheim zieht.

Gesamt­schwei­ze­rische Prognose der Anzahl Patient:innen und Klient:innen

Wir erwarten, dass die Gesamt­be­völ­kerung in der Schweiz bis 2040 knapp 10 Millionen Personen anwächst, was einem Anstieg von 13% gegenüber 2022 entspricht. Bei den Personen über 70 Jahren beträgt der Anstieg aufgrund der Alterung gebur­ten­starker Jahrgänge hohe 58% (vgl. Abbildung 1 und Abbildung 2). Die Anzahl der Patient:innen und Klient:innen von medizi­ni­schen Leistungen wird somit ebenfalls deutlich stärker wachsen als die Gesamt­be­völ­kerung, da die Bezugs­wahr­schein­lichkeit von medizi­ni­schen Leistungen mit dem Alter ansteigt. Unter der Annahme, dass die Bezugs­wahr­schein­lichkeit gegeben Alter und Geschlecht im Jahr 2040 gleich bleibt wie heute, prognos­ti­zieren wir die zukünftig zu erwar­tende Anzahl Patient:innen und Klient:innen in der Schweiz:



Der stärkste relative Anstieg wird bei den Klient:innen der Alters- und Pflege­heime und der Pflege zu Hause erwartet, da diese stark von der Alterung getrieben sind. Den grössten absoluten Anstieg verzeichnen die ambulant behan­delten Patient:innen, da ambulante Behand­lungen von der breiten Bevöl­kerung in Anspruch genommen werden und dadurch die grösste Basis haben. Die Entwicklung der ambulanten Patient:innen verläuft in etwa im Gleich­schritt mit der Gesamt­be­völ­kerung.

Regionale Dimension

Gesell­schaft­liche Alterung bedeutet grund­sätzlich überall mehr Pflege­bedarf, aber es gibt Regionen, die aufgrund ihrer demogra­fi­schen Struktur mit einem besonders ausge­prägten Wachstum rechen müssen.

Welche Kantone altern bis 2040 am stärksten?


Abbildung 4


Die Zunahme ist besonders ausge­prägt in den wachs­tums­starken Kantonen Fribourg, Aargau, Luzern, Schwyz, Thurgau und Zug (über +70%). Aber auch in einigen wachs­tums­schwä­cheren Kantonen wie Ob-/Nidwalden oder den beiden Appenzell (über +60%), da diese eine besonders ausge­prägte Babyboomer-Generation haben. Eine geringere Zunahme der älteren Personen ist im Jurabogen und im Alpenraum zu erwarten (unter 50%), wo auch das Bevöl­ke­rungs­wachstum gering ist. Eine unter­durch­schnittlich geringe Zunahme im Vergleich zum Bevöl­ke­rungs­wachstum ist in Genf, Waadt, Basel und Zürich zu erwarten, da diese urbanen Gebiete eher bei jüngeren Bevöl­ke­rungs­schichten beliebt sind.

Die Ausge­prägtheit der Alterung unter­scheidet sich nicht nur zwischen den Kantonen, sondern auch innerhalb der Kantone. So ist die Verän­derung der Anzahl älterer Personen in den Gemeinden Plan-les-Ouates und Chêne-Bougeries, beide im Kanton Genf, sehr unter­schiedlich. In Plan-les-Ouates beträgt der erwartete Anstieg von Personen über 70 Jahren bis 2040 106%, in Chêne-Bougeries hingegen nur 11%. In Plan-les-Ouates wohnen heute noch sehr wenige ältere Personen, die Bevöl­kerung wird aber bis 2040 altern. In Chêne-Bougeries wohnen bereits heute viele ältere Personen und deren Zahl bleibt in Zukunft relativ stabil. Das Progno­se­modell berück­sichtigt dabei auch die typischen Umzugs­be­we­gungen der Gemeinden.



Daraus können unter Anwendung von bevölkerungsstruktur- und leistungs­typ­ab­hän­gigen Betreu­ungs­wahr­schein­lich­keiten langfristige Nachfra­ge­pro­gnosen nach Kanton oder auch Gemeinde erstellt werden. Diese wider­spiegeln die grossen geogra­fi­schen Unter­schiede. So ist beispiels­weise im Kanton Vaud bis 2040 mit einer Zunahme der statio­nären Patient:innen um knapp 50% zu rechnen, während­dessen es im Kanton Basel-Stadt zu einem leichten Rückgang kommen dürfte.

Impli­ka­tionen für strate­gische Planung der Gesund­heits­ver­sorger

Die starke Zunahme der Nachfrage nach Gesund­heits­leis­tungen hat Impli­ka­tionen für die strate­gische Planung der Gesund­heits­ver­sorger. Diese sollen gewähr­leisten, dass ausrei­chende Betreu­ungs­ka­pa­zi­täten an den richtigen Stand­orten verfügbar sind.
Wüest Partner verfügt über ein jährlich aktua­li­siertes, alters­spe­zi­fi­sches Bevöl­ke­rungs­pro­gno­se­modell auf Gemein­de­stufe, welches unter Anwendung von demogra­fie­spe­zi­fi­schen Betreu­ungs­wahr­schein­lich­keiten, Klien­ten­zahl­vor­her­sagen als Grundlage für die mittel- bis langfristige Standort- und Kapazi­täts­planung von Gesundheitsdienstleister:innen bieten kann.

Modell zur Stand­ort­op­ti­mierung

Ein konkretes Anwen­dungs­bei­spiel unserer Progno­se­kom­petenz bot kürzlich die Spitex Organi­sation Seeland. Im Jahr 2023 versorgten deren 280 Spitex-Mitarbeitende rund 1’600 Klient:innen in 38 Gemeinden im Berner Seeland von 5 Spitex-Standorten aus. Im Rahmen ihrer zukunfts­ge­rich­teten Planung fragte sich die Spitex: Was ist die optimale Anzahl und Lage der Spitex-Standorte im Seeland für die nächsten Jahrzehnte unter Berück­sich­tigung der zukünf­tigen Nachfrage?

Ziel war die Minimierung der stand­ort­ab­hän­gigen Kosten durch Wahl der optimalen Anzahl und Lage der Standorte. Diese Optimierung verlangt ein Abwägen zwischen Betriebs­kosten für die Standorte und den Wegkosten zu den Klient:innen (Fahrdistanz- und Zeitkosten). Für mobile Gesund­heits­dienst­leister wie die Spitex spielen Wegkosten eine noch viel wichtigere Rolle als bei den Spitälern, da die Anfahrtszeit der Leistungserbringer:innen von der Pflegezeit abgeht und somit direkt kosten­re­levant ist.

Wüest Partner hat für die Spitex Seeland ein Tool entwi­ckelt, um verschiedene Stand­ort­kon­stel­la­tionen durch­zu­spielen und so den Trade-off zwischen Standort und Wegkosten zu optimieren. Mehr Standorte bedeuten kürzere Anfahrtswege und somit tiefere Wegkosten, aber dafür höhere Stand­ort­kosten, da mehr Flächen angemietet werden müssen. Eine solche Analyse verlangt als Grundlage eine lagespe­zi­fische Prognose der zukünf­tigen Nachfrage.

Hier kommt das Bevöl­ke­rungs­pro­gno­se­modell von Wüest Partner ins Spiel. Das Modell prognos­ti­ziert die alters- und geschlechts­spe­zi­fische Bevöl­ke­rungs­ent­wicklung für jede Gemeinde der Schweiz bis 2050. Zusammen mit einer Schätzung der alters- und geschlechts­spe­zi­fi­schen Betreu­ungs­wahr­schein­lichkeit aus dem aktuellen Klien­ten­be­stand konnte daraus eine Vorhersage der zukünf­tigen Anzahl Klient:innen abgeleitet werden, welche der demogra­fi­schen Entwicklung der einzelnen Gemeinden im Leistungs­pe­ri­meter Rechnung trägt.

Unter zusätz­licher Berück­sich­tigung der Betreu­ungs­häu­figkeit dieser Klient:innen, ergibt sich daraus eine Indikation des zukünf­tigen Pflege­be­darfs pro Gemeinde. Für die Stand­ort­kosten wurden Mietpreise aus den Mietver­trägen der Spitex Seeland sowie Bench­marks von Wüest Partner verwendet. Für die Herleitung der Wegkosten wurden die Fahrt­di­stanzen und Fahrt­dauern zu den bevöl­ke­rungs­ge­wich­teten Schwer­punkten der Gemeinden verwendet und ein Touren­bonus model­liert, um der Praxis Rechnung zu tragen, dass die Pflegenden nur spora­disch an die Spitex Stütz­punkte zurück­kehren. Ausserdem wurde die kantonale Abgeltung für die Fahrt­di­stanz und Fahrt­dauer berück­sichtigt.

Mittels verschie­dener Szenarien zur Entwicklung der Pflege­fre­quenz und Pflege­dauer sowie der Touren­ef­fi­zienz konnte so die optimale Anzahl Spitex Standorte für die Zukunft abgeschätzt werden.


Abbildung 5 zeigt die aktuellen Standorte der Spitex Seeland sowie die Anzahl Klienten nach Gemeinde für den Status quo (oben) sowie die Prognose der zukünftig zu erwar­teten Klienten im Jahr 2030 (unten).

Kunden­ver­teilung im Einzugs­gebiet Status Quo

Kundenverteilung im Einzugsgebiet Status Quo

Kunden­ver­teilung im Einzugs­gebiet 2030

Kundenverteilung im Einzugsgebiet 2030

Spezi­fische Prognose

  • Basis für die Standort- und Kapazi­täts­planung von Gesund­heits­dienst­leistern ist eine detail­lierte Bevöl­ke­rungs­pro­gnose. Wüest Partner verfügt über ein jährlich aktua­li­siertes, alters- und geschlecht­spe­zi­fi­sches Bevöl­ke­rungs­pro­gno­se­modell auf Gemein­de­stufe.
  • Unter Anwendung von demogra­fie­spe­zi­fi­schen Betreu­ungs­wahr­schein­lich­keiten, können damit Klien­ten­zahl­vor­her­sagen als Grundlage für die mittel- bis langfristige Standort- und Kapazi­täts­planung geschätzt werden.
  • Gerne erstellen wir eine auf Ihre Bedürf­nisse zugeschnittene Prognose.

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