Weiter zum Ihnhalt

Steigende Nachfrage nach Gesundheitsleistungen: Standort und Kapazität im Fokus

27. November 2024

Kernbotschaften

  • Der Bedarf an medizinischer Versorgung wird in Zukunft erheblich steigen, denn mit der zunehmenden Alterung der Gesellschaft steigt die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen.
  • Schweizweit wird die Klientenzahl für stationäre Behandlungen im Spital bis 2040 voraussichtlich um 29% zunehmen, bei der Pflege zu Hause um 41% und in Alters- und Pflegeheimen gar um 82%, aber es gibt erhebliche regionale Unterschiede.
  • Diese stark steigende Nachfrage nach Gesundheitsleistungen erfordern eine vorausschauende Standort- und Kapazitätsplanung.
  • Wüest Partner verfügt über ein alter- und geschlechtsspezifisches Bevölkerungsprognosemodell auf Gemeindeebene, womit wir Gesundheitsdienstleister im Rahmen ihrer langfristigen strategischen Planung bezüglich optimaler Standortwahl und Kapazitätsplanung unterstützen können.

Die Schweiz verfügt über ein hochentwickeltes Gesundheitssystem. Innerhalb eines Jahres nimmt ein Grossteil der Bevölkerung medizinische Leistungen in irgendeiner Form in Anspruch. So wurden im Jahr 2023 1’044’000 Personen stationär in Spitälern betreut, 4’753’000 ambulant in Spitälern, 168’000 in Alters- und Pflegeheimen und 409’000 durch professionelle Pflege zu Hause – sowie zusätzlich mehrere Millionen in Arztpraxen. In Zukunft wird der Bedarf an medizinischer Versorgung noch erheblich steigen, denn mit der zunehmenden Alterung der Gesellschaft steigt die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen.

Demografische Entwicklung der Schweiz

Die Alterung der Gesellschaft schreitet voran, lebten in der Schweiz 2010 noch 932’000 Personen mit Alter 70 Jahre oder älter, waren es 2023 bereits 1’287’000 Personen (+38%) und bis 2040 werden es gemäss der Bevölkerungsprognose von Wüest Partner 1’950’000 Personen sein (vgl. Abb. 1 und Abb. 2). Das sind nochmals +52% im Vergleich zum Stand 2023, während das Wachstum der Gesamtbevölkerung über diesen Zeitraum nur ungefähr +11% betragen dürfte.


Abbildung 1


Abbildung 2


Pflegebedarf steigt mit Alter

Je nach Alter und Geschlecht hat man eine unterschiedliche Wahrscheinlichkeit medizinische Leistungen in Anspruch zu nehmen. Die Betreuungswahrscheinlichkeit steigt mit dem Alter deutlich an. Dies gilt für Hospitalisierungen, die Pflege zu Hause und besonders ausgeprägt für die Betreuung in Alters- oder Pflegeheimen. Für diese drei Typen von Gesundheitsleistungen haben wir die Betreuungswahrscheinlichkeit nach Alter und Geschlecht berechnet.

Abbildung 3 zeigt die Betreuungswahrscheinlichkeit für die Pflege zu Hause. Es handelt sich um den Anteil der betreuten Personen an der Gesamtbevölkerung nach Altersgruppe und Geschlecht für 2023 basierend auf Zahlen der Spitex Seeland (ungefähr 1'600 Klient:innen). Dies kann als eine Schätzung der zukünftigen Betreuungswahrscheinlichkeit verwendet werden. Die Betreuungswahrscheinlichkeit steigt ab dem 70-Altersjahr deutlich an und erreicht ab dem 90-Altersjahr beinahe 50%.


Abbildung 3


Analog kann die Hospitalisierungswahrscheinlichkeit für eine stationäre Behandlung nach Altersklasse und Geschlecht abgeschätzt werden. Dies erfolgte basierend auf gesamtschweizerischen Zahlen aus der Medizinischen Statistik der Krankenhäuser (MS). Abgesehen von der Geburt und den schwangerschaftsbedingten Behandlungen bei Frauen, steigt die Hospitalisierungswahrscheinlichkeit ab 60 Jahren deutlich an und erreicht ab dem 90-Altersjahr beinahe 50%. Grundsätzlich ist die Hospitalisierungswahrscheinlichkeit für stationäre Behandlungen im Alter für Männer deutlich höher als für Frauen. Die Betreuungswahrscheinlichkeit für Pflege zu Hause ist ausgeglichener nach Geschlecht.

Die Alternative zur Pflege zu Hause ist die Beherbergung und Versorgung in einem Alters- und Pflegeheim. Hier steigt die Betreuungswahrscheinlichkeit ab dem 80-Altersjahr deutlich an und erreicht ab dem 90-Altersjahr mehr als 50%. Die Betreuungswahrscheinlichkeit liegt bei Frauen höher als bei Männern, da der männliche Partner oftmals zuerst verstirbt und die weibliche Partnerin anschliessend in ein Alters- oder Pflegeheim zieht.

Gesamtschweizerische Prognose der Anzahl Patient:innen und Klient:innen

Wir erwarten, dass die Gesamtbevölkerung in der Schweiz bis 2040 knapp 10 Millionen Personen anwächst, was einem Anstieg von 13% gegenüber 2022 entspricht. Bei den Personen über 70 Jahren beträgt der Anstieg aufgrund der Alterung geburtenstarker Jahrgänge hohe 58% (vgl. Abbildung 1 und Abbildung 2). Die Anzahl der Patient:innen und Klient:innen von medizinischen Leistungen wird somit ebenfalls deutlich stärker wachsen als die Gesamtbevölkerung, da die Bezugswahrscheinlichkeit von medizinischen Leistungen mit dem Alter ansteigt. Unter der Annahme, dass die Bezugswahrscheinlichkeit gegeben Alter und Geschlecht im Jahr 2040 gleich bleibt wie heute, prognostizieren wir die zukünftig zu erwartende Anzahl Patient:innen und Klient:innen in der Schweiz:



Der stärkste relative Anstieg wird bei den Klient:innen der Alters- und Pflegeheime und der Pflege zu Hause erwartet, da diese stark von der Alterung getrieben sind. Den grössten absoluten Anstieg verzeichnen die ambulant behandelten Patient:innen, da ambulante Behandlungen von der breiten Bevölkerung in Anspruch genommen werden und dadurch die grösste Basis haben. Die Entwicklung der ambulanten Patient:innen verläuft in etwa im Gleichschritt mit der Gesamtbevölkerung.

Regionale Dimension

Gesellschaftliche Alterung bedeutet grundsätzlich überall mehr Pflegebedarf, aber es gibt Regionen, die aufgrund ihrer demografischen Struktur mit einem besonders ausgeprägten Wachstum rechen müssen.

Welche Kantone altern bis 2040 am stärksten?


Abbildung 4


Die Zunahme ist besonders ausgeprägt in den wachstumsstarken Kantonen Fribourg, Aargau, Luzern, Schwyz, Thurgau und Zug (über +70%). Aber auch in einigen wachstumsschwächeren Kantonen wie Ob-/Nidwalden oder den beiden Appenzell (über +60%), da diese eine besonders ausgeprägte Babyboomer-Generation haben. Eine geringere Zunahme der älteren Personen ist im Jurabogen und im Alpenraum zu erwarten (unter 50%), wo auch das Bevölkerungswachstum gering ist. Eine unterdurchschnittlich geringe Zunahme im Vergleich zum Bevölkerungswachstum ist in Genf, Waadt, Basel und Zürich zu erwarten, da diese urbanen Gebiete eher bei jüngeren Bevölkerungsschichten beliebt sind.

Die Ausgeprägtheit der Alterung unterscheidet sich nicht nur zwischen den Kantonen, sondern auch innerhalb der Kantone. So ist die Veränderung der Anzahl älterer Personen in den Gemeinden Plan-les-Ouates und Chêne-Bougeries, beide im Kanton Genf, sehr unterschiedlich. In Plan-les-Ouates beträgt der erwartete Anstieg von Personen über 70 Jahren bis 2040 106%, in Chêne-Bougeries hingegen nur 11%. In Plan-les-Ouates wohnen heute noch sehr wenige ältere Personen, die Bevölkerung wird aber bis 2040 altern. In Chêne-Bougeries wohnen bereits heute viele ältere Personen und deren Zahl bleibt in Zukunft relativ stabil. Das Prognosemodell berücksichtigt dabei auch die typischen Umzugsbewegungen der Gemeinden.



Daraus können unter Anwendung von bevölkerungsstruktur- und leistungstypabhängigen Betreuungswahrscheinlichkeiten langfristige Nachfrageprognosen nach Kanton oder auch Gemeinde erstellt werden. Diese widerspiegeln die grossen geografischen Unterschiede. So ist beispielsweise im Kanton Vaud bis 2040 mit einer Zunahme der stationären Patient:innen um knapp 50% zu rechnen, währenddessen es im Kanton Basel-Stadt zu einem leichten Rückgang kommen dürfte.

Implikationen für strategische Planung der Gesundheitsversorger

Die starke Zunahme der Nachfrage nach Gesundheitsleistungen hat Implikationen für die strategische Planung der Gesundheitsversorger. Diese sollen gewährleisten, dass ausreichende Betreuungskapazitäten an den richtigen Standorten verfügbar sind.
Wüest Partner verfügt über ein jährlich aktualisiertes, altersspezifisches Bevölkerungsprognosemodell auf Gemeindestufe, welches unter Anwendung von demografiespezifischen Betreuungswahrscheinlichkeiten, Klientenzahlvorhersagen als Grundlage für die mittel- bis langfristige Standort- und Kapazitätsplanung von Gesundheitsdienstleister:innen bieten kann.

Modell zur Standortoptimierung

Ein konkretes Anwendungsbeispiel unserer Prognosekompetenz bot kürzlich die Spitex Organisation Seeland. Im Jahr 2023 versorgten deren 280 Spitex-Mitarbeitende rund 1’600 Klient:innen in 38 Gemeinden im Berner Seeland von 5 Spitex-Standorten aus. Im Rahmen ihrer zukunftsgerichteten Planung fragte sich die Spitex: Was ist die optimale Anzahl und Lage der Spitex-Standorte im Seeland für die nächsten Jahrzehnte unter Berücksichtigung der zukünftigen Nachfrage?

Ziel war die Minimierung der standortabhängigen Kosten durch Wahl der optimalen Anzahl und Lage der Standorte. Diese Optimierung verlangt ein Abwägen zwischen Betriebskosten für die Standorte und den Wegkosten zu den Klient:innen (Fahrdistanz- und Zeitkosten). Für mobile Gesundheitsdienstleister wie die Spitex spielen Wegkosten eine noch viel wichtigere Rolle als bei den Spitälern, da die Anfahrtszeit der Leistungserbringer:innen von der Pflegezeit abgeht und somit direkt kostenrelevant ist.

Wüest Partner hat für die Spitex Seeland ein Tool entwickelt, um verschiedene Standortkonstellationen durchzuspielen und so den Trade-off zwischen Standort und Wegkosten zu optimieren. Mehr Standorte bedeuten kürzere Anfahrtswege und somit tiefere Wegkosten, aber dafür höhere Standortkosten, da mehr Flächen angemietet werden müssen. Eine solche Analyse verlangt als Grundlage eine lagespezifische Prognose der zukünftigen Nachfrage.

Hier kommt das Bevölkerungsprognosemodell von Wüest Partner ins Spiel. Das Modell prognostiziert die alters- und geschlechtsspezifische Bevölkerungsentwicklung für jede Gemeinde der Schweiz bis 2050. Zusammen mit einer Schätzung der alters- und geschlechtsspezifischen Betreuungswahrscheinlichkeit aus dem aktuellen Klientenbestand konnte daraus eine Vorhersage der zukünftigen Anzahl Klient:innen abgeleitet werden, welche der demografischen Entwicklung der einzelnen Gemeinden im Leistungsperimeter Rechnung trägt.

Unter zusätzlicher Berücksichtigung der Betreuungshäufigkeit dieser Klient:innen, ergibt sich daraus eine Indikation des zukünftigen Pflegebedarfs pro Gemeinde. Für die Standortkosten wurden Mietpreise aus den Mietverträgen der Spitex Seeland sowie Benchmarks von Wüest Partner verwendet. Für die Herleitung der Wegkosten wurden die Fahrtdistanzen und Fahrtdauern zu den bevölkerungsgewichteten Schwerpunkten der Gemeinden verwendet und ein Tourenbonus modelliert, um der Praxis Rechnung zu tragen, dass die Pflegenden nur sporadisch an die Spitex Stützpunkte zurückkehren. Ausserdem wurde die kantonale Abgeltung für die Fahrtdistanz und Fahrtdauer berücksichtigt.

Mittels verschiedener Szenarien zur Entwicklung der Pflegefrequenz und Pflegedauer sowie der Toureneffizienz konnte so die optimale Anzahl Spitex Standorte für die Zukunft abgeschätzt werden.


Abbildung 5 zeigt die aktuellen Standorte der Spitex Seeland sowie die Anzahl Klienten nach Gemeinde für den Status quo (oben) sowie die Prognose der zukünftig zu erwarteten Klienten im Jahr 2030 (unten).

Kundenverteilung im Einzugsgebiet Status Quo

Kundenverteilung im Einzugsgebiet Status Quo

Kundenverteilung im Einzugsgebiet 2030

Kundenverteilung im Einzugsgebiet 2030

Spezifische Prognose

  • Basis für die Standort- und Kapazitätsplanung von Gesundheitsdienstleistern ist eine detaillierte Bevölkerungsprognose. Wüest Partner verfügt über ein jährlich aktualisiertes, alters- und geschlechtspezifisches Bevölkerungsprognosemodell auf Gemeindestufe.
  • Unter Anwendung von demografiespezifischen Betreuungswahrscheinlichkeiten, können damit Klientenzahlvorhersagen als Grundlage für die mittel- bis langfristige Standort- und Kapazitätsplanung geschätzt werden.
  • Gerne erstellen wir eine auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Prognose.

Kontaktieren Sie unsere Expert:innen für weitere Insights.