Zirkuläres Bauen strategisch verankern: Von der Vision zur Umsetzung
Veröffentlicht am: 09. Oktober 2025 Letzte Aktualisierung: 09. Oktober 2025
Als ressourcen‑, emissions- und abfallintensive Branche trägt der Immobiliensektor eine grosse Verantwortung für die Schonung von Ressourcen und die Reduktion von Treibhausgasemissionen. Zirkuläres Bauen wird deshalb zunehmend eine Voraussetzung für nachhaltige Wertschöpfung im Immobiliensektor. Doch zwischen strategischem Willen und konkreter Umsetzung klafft eine Lücke.
Zirkuläres Bauen prägt zunehmend die Entscheidungslogik
In einer von Wüest Partner unter mehr als 300 institutionellen Investor:innen durchgeführten Umfrage gaben 65 Prozent der Teilnehmer:innen an, dass die Kreislaufwirtschaft bei Akquisitionsentscheiden mittelfristig von Bedeutung sein wird. Für 19 Prozent ist das Thema mittelfristig sogar ausschlaggebend (mehr dazu im Blogartikel «Kreislaufwirtschaft und Immobilien: Chance für innovative Investor:innen»).
Damit die Anwendung der Kreislaufwirtschaft in der Immobilienbranche gelingt, ist jedoch ein grundlegendes Umdenken bestehender Prozesse notwendig. Dafür haben Wüest Partner und Durable, Teil der Wüest-Partner-Gruppe, einen Leitfaden für Investor:innen und Bauherrschaften entwickelt, der einen verständlichen Einstieg in die Thematik bietet und aufzeigt, wo die grossen Hebel liegen. Elf erfolgreiche Referenzprojekte zeigen, wie unterschiedlich kreislauforientierte Massnahmen beim Planen, Bauen und Betreiben von Immobilien umgesetzt werden können. Die im Leitfaden integrierte Checkliste kann direkt in den SIA-Phasen 0 bis 6 angewendet werden.
Wirksamkeit und Massnahmen des zirkulären Bauens
Die Wirksamkeit zirkulären Bauens als Nachhaltigkeits-Instrument wird im Leitfaden mithilfe einer Massnahmenmatrix verdeutlicht. Verschiedene Messgrössen helfen die Umsetzung von zirkulären Massnahmen zu evaluieren. Dabei ist zu beachten, dass massebasierte Zirkularitätsindikatoren keine vollständige Aussage über die Umweltauswirkungen eines Gebäudes erlauben, sondern immer zusammen mit anderen Indikatoren betrachtet werden sollten.
Die Matrix umfasst 16 Massnahmen, gegliedert nach fünf Aktionsfeldern, wobei deren Reihenfolge kontextabhängig unterschiedlich priorisiert werden muss. Die Aktionsfelder lassen sich auch analog der Hierarchie der Kreislaufwirtschaftspyramide einordnen:
- REFUSE: Aktionsfeld A «Bedarf hinterfragen»
- RETHINK: Aktionsfeld B «Langfristig denken und langlebig bauen»
- REDUCE: Aktionsfeld C «Materialeinsatz reduzieren»
- REUSE: Aktionsfeld D «Wiederverwendung fördern»
- RECYCLE: Aktionsfeld E «Richtiges Material wählen»
Die in der Massnahmenmatrix aufgeführten Aktionsfelder und Massnahmen werden in einem zweiten Leitfaden «CBC-Leitfaden» detailliert beschrieben. Was die Massnahmenmatrix aber vor allem zeigt ist, dass das «zirkuläre Bauen» weit mehr umfasst als Wiederverwendung oder Recycling.
Massnahmenmatrix zum zirkulären Bauen, in Anlehnung an das Framework der Charta Kreislauforientiertes Bauen.
Vision:
Nachhaltige Entwicklung
Ziel:
Planetare Grenzen einhalten: u.a. Netto-Null bis spätestens 2050
Instrument:
Zirkuläres Bauen
Messgrössen
A & B
Verbrauch nicht erneuerbarer Primärrohrstoffe (in t und %)
B – D
Ausstoss grauer Treibhausgasemissionen (in kg CO2-eq absolut oder relativ)
D & E
Kreislauffähigkeit am Ende von Nutzungszyklen (in t und %)
Aktionsfelder
A
Bedarf hinterfragen
B
Langfristig denken & langlebig bauen
C
Materialeinsatz reduzieren
D
Wiederverwendung fördern
E
Richtiges Material wählen
Massnahmen
A1
Abwägung Ersatzneubau vs. Sanierung
A2
Suffizienz im Flächenverbrauch
A3
Verdichtung im Bestand
B1
Nutzungsflexibilität & Design für Langlebigkeit
B2
Systemtrennung & Design für Rückbaubarkeit
B3
Neue Beschaffungsansätze
C1
Effizienter Materialeinsatz
C2
Low Tech vs. High Tech
C3
Bauabfälle vermeiden
D1
Bauteile & Materialien zur Verfügung stellen
D2
Bauteile & Materialien wiederverwenden
D3
Gebäuderessourcenpass & Bauteildokumentation
E1
Erneuerbare, emissionsarme Materialien
E2
Sekundärrohstoffe & Recyclinganteil
E3
Recyclebare & wiederverwendbare Materialien
Varianten vergleichen
Chancen und Risiken des zirkulären Bauens
Auch die wirtschaftlichen Chancen und Risiken des zirkulären Bauens entlang des Planungs- und Bauprozesses können in der Matrix eingeordnet werden (s. Seite 33 im Leitfaden «Zirkulär Bauen für Investoren und Bauherrschaften»).
Die Gegenüberstellung ausgewählter Chancen und Risiken zeigt, dass viele Chancen ihre Wirkung erst gegen Ende des Lebenszyklus entfalten. Für Investor:innen mit einem kurzfristigen Betrachtungshorizont weist das zirkuläre Bauen daher eine geringere Attraktivität auf. Da die meisten institutionellen Investor:innen jedoch eine langfristige Perspektive haben, rentieren sich für sie Investitionen in zirkuläres Bauen in den meisten Fällen.
Warum zirkulär bauen? Drei Argumente für Investor:innen
- Werterhalt & Resilienz
Zirkuläre Immobilien sind wertstabil, sodass sie sich durch eine hohe Nutzungsflexibilität, gute Rückbaufähigkeit und Adaptierbarkeit an veränderte Bedürfnisse anpassen können. Ebenso weisen sie eine höhere Resilienz in Bezug auf regulatorischen Wandel (z. B. CO₂-Grenzwerte, ESG-Berichtspflichten) auf. - Optimierung über den Lebenszyklus
Weniger Primärmaterialien, geringere Entsorgungskosten und potenzielles ReUse eigener Bauteile senken langfristig Investitionskosten. Durch modulare Systeme lassen sich Instandhaltungen und Umbauten planbarer und kosteneffizienter gestalten. Im besten Fall lassen sich durch den Weiterverkauf von Bauteilen sogar neue Erträge erwirtschaften. - Compliance
Zirkuläre Strategien tragen messbar zur Erfüllung von ESG-Kriterien und Disclosure-Pflichten bei – ein wachsender Vorteil bei der Kapitalbeschaffung und Portfoliobewertung.
Lesen Sie alle Insights im Leitfaden «Zirkulär Bauen für Investoren und Bauherrschaften»:
Gemeinsam von der Vision zur Praxis
Der Leitfaden wurde mit Unterstützung von EnergieSchweiz und in Zusammenarbeit mit der Charta für kreislauforientiertes Bauen verfasst. Insbesondere die Massnahmenmatrix und die Checkliste als zentrale Elemente des Leitfadens sind in engem Austausch mit Mitgliedern der Charta entstanden und sollen einen branchenweiten Standard schaffen, um ein gemeinsames Verständnis aller Akteure zu ermöglichen.
Wüest-Partner-Gruppe unterstützt Kund:innen bei Transformation
Sie wollen das zirkuläre Bauen in Ihrer Organisation strategisch verankern? Sie benötigen Unterstützung bei der Umsetzung der Strategie in einem konkreten Projekt?
Wir bieten Ihnen folgende Dienstleistungen:
- Entwicklung von unternehmensspezifischen Leitfäden und Konzepten zur Kreislaufwirtschaft
- Implementierung von Massnahmen der Kreislaufwirtschaft in den Prozessabläufen einer Organisation
- Definition von Anforderungen im Bereich Kreislaufwirtschaft für die Projektentwicklung und Planung
- Strategien zum Erhalt von bestehenden Gebäuden und Gebäudeerneuerung
- Szenarioanalysen für konkrete Bauprojekte zur Gegenüberstellung von Wirtschaftlichkeits- und Nachhaltigkeitsaspekten