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Wohnzu­frie­denheit im Kontext der Innen­ver­dichtung

Letzte Aktualisierung: 10. September 2024

Die erste Etappe des Raumpla­nungs­ge­setzes schob der Zersie­delung einen Riegel und die Kantone wurden angehalten, die Verdichtung nach innen zu forcieren. Inzwi­schen ist die Umsetzung auf kanto­naler Ebene in allen Kantonen abgeschlossen, und der Ball liegt nun bei den Gemeinden. Hier zeigen sich grosse Unter­schiede in der Umsetzung: Während in gewissen Agglo­me­ra­ti­ons­räumen bereits spürbar verdichtet wurde, lassen entspre­chende Vorstösse in den Städten auf sich warten und es besteht Aufhol­bedarf.

Das Bestreben nach Innen­ver­dichtung wirft die Frage nach der Akzeptanz auf: Wie steht es um die Wohnzu­frie­denheit in dicht besie­delten Gebieten im Vergleich zu weniger dicht besie­delten? Welche Aspekte des Wohnens werden in diesen verdich­teten Zonen positiver und welche negativer wahrge­nommen? Diesen Fragen widmen wir uns im dritten und letzten Teil der Blogtri­logie zur Haushalts­be­fragung «Immo-Barometer» (siehe Infobox), in welcher wir im Jahr 2023 erstmals die wahrge­nommene Dichte des Wohnum­feldes der Umfra­ge­teil­neh­menden ermittelt haben.

Geringere Wohnzu­frie­denheit in dicht bebauten Gebieten

Zu diesem Zweck haben wir die Antworten der Umfra­ge­teil­neh­menden bezüglich der wahrge­nom­menen Dichte im Wohnumfeld den Antworten zur Wohnzu­frie­denheit gegen­über­ge­stellt. Es zeigt sich, dass sowohl Mietende als auch Eigen­tü­me­rinnen und Eigen­tümer, die ihr Umfeld als dichter bebaut empfinden, tenden­ziell weniger zufrieden sind. Der Anteil der Mietenden, denen es in ihren vier Wänden aktuell sehr gut gefällt, ist im Wohnumfeld mit 3- oder mehrge­schos­sigen Bauten (mittlere bis sehr hohe Dichte) mit rund 38 Prozent etwas tiefer als in weniger dicht besie­delten Gebieten, wobei dies in verschie­denen Wohnfak­toren begründet ist. Bei den Eigen­tü­me­rinnen und Eigen­tümern bewegt sich die Zufrie­denheit insgesamt auf höherem Niveau als bei den Mietenden, tiefere Zufrie­den­heits­werte bei höherer Dichte sind jedoch auch in diesem Segment feststellbar.

Wie gefällt es Ihnen aktuell in Ihrer Wohnung / in Ihrem Haus?

Klare Unter­schiede bei objekt­spe­zi­fi­schen Faktoren

Diffe­ren­zierte Analysen der Wohnzu­frie­denheit und der Wohnfak­toren nach Dichte haben wir nur in der Gruppe der Mietenden vorge­nommen, denn die Zahl der Eigen­tü­me­rinnen und Eigen­tümer in dichten und sehr dichten Wohnum­feldern ist zu gering für tragfähige Aussagen. Bei vielen internen Faktoren ist der Anteil der zufrie­denen Mietenden deutlich kleiner im Wohnumfeld mit mittlerer oder hoher Dichte. Am grössten ist der Unter­schied zwischen der Zufrie­denheit bei hoher Wohndichte gegenüber tiefer Wohndichte bei dem Faktor «Erscheinung der hausei­genen Grün- und Aussen­flächen». Hier ist der Anteil der Befragten, die aktuell eher oder sehr zufrieden sind, in Gebieten mit mittlerer Wohndichte rund 12 Prozent­punkte und in Gebieten mit hoher Dichte sogar 22 Prozent­punkte tiefer als in Siedlungs­zonen mit geringer Dichte. Dies dürfte zu einem gewissen Grad auch die zusätz­liche Zahlungs­be­reit­schaft für öffent­liche Räume in den dicht besie­delten Gross­städten erklären (siehe «Der Wert des öffent­lichen Raums»).

In dicht bebauten Gegenden ist ein weiträu­miger Ausblick oft stark einge­schränkt. Erwar­tungs­gemäss ist daher eine der grösseren Abwei­chungen zwischen den Befragten auch beim Wohnfaktor «Aussicht» zu finden. Dabei gilt es festzu­halten, dass beim Wohnfaktor Licht und Sonne kaum Abwei­chungen auszu­machen sind. Trotz Einschrän­kungen der Aussicht profi­tieren viele befragte Haushalte offenbar noch von genügend Sonnen­licht.

Wie wichtig sind/wären die folgenden Punkte für Sie bzw. für Ihren Haushalt aktuell bei der Objekt­auswahl?

Ausge­gli­chene Zufrie­denheit mit Preis-Leistungs-Verhältnis

Der Mietzins ist einer jener Faktoren, bei denen grosse Abwei­chungen in der Beurteilung der Zufrie­denheit festzu­stellen sind. Zunächst mag das ein wenig überra­schen. Die wahrge­nommene Dichte fällt aber in städti­schen Gebieten natur­gemäss höher aus, und im Normalfall muss dort mit einem höheren Mietzins für eine vergleichbare Wohnung gerechnet werden. Einher­gehend mit den höheren Kosten ist jedoch auch das Infra­struk­tur­an­gebot umfang­reicher. Dementspre­chend gering fallen schliesslich die Unter­schiede beim Preis-Leistungs-Verhältnis zwischen Mietenden in Gebieten mit hoher Dichte gegenüber solchen in Gebieten mit gerin­gerer Dichte aus. Die Zufrie­denheit mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis im Wohnumfeld mit geringer Dichte ist aber schliesslich doch etwas höher.

Naherho­lungs­ge­biete auch in dichtem Wohnumfeld gut erreichbar

Die Haushalts­be­fragung zeigt, dass die Differenz der Zufrie­den­heits­werte in Bezug auf die Nähe zu Naherho­lungs­ge­bieten zwischen den Befragten in einem Wohnumfeld mit hoher Dichte und jenen in einem Wohnumfeld mit gerin­gerer Dichte nur sehr klein ausfällt. Dies dürfte vor allem auch auf kurze Reise­zeiten aufgrund einer guten Erschliessung mit dem öffent­lichen Verkehr zurück­zu­führen sein. Letzterer ist einer der wenigen Wohnfak­toren, bei denen die Zufrie­denheit von Personen in dichterem Wohnumfeld höher ausfällt als bei jenen in einem Wohnumfeld mit gerin­gerer Dichte. Die gut ausge­baute Infra­struktur dürfte einer der Haupt­gründe für die Beliebtheit von Städten sein, vor allem auch, weil der Nähe zum öffent­lichen Verkehr bei der Wohnungs­suche ein überdurch­schnittlich hohes Gewicht zukommt (siehe «Schweizer Wohnzu­frie­denheit: Trends und Einfluss­fak­toren im Fokus»).

Ebenfalls auffallend ist die hohe Zufrie­denheit der Befragten in einem Wohnumfeld mit geringer Dichte bei den Faktoren Einkaufs­mög­lich­keiten in der näheren Umgebung und Nähe zu Schulen, Kinder­gärten und Kinder­ta­ges­stätten. Hier gibt es nur kleine Diffe­renzen zwischen den verschie­denen Dichte­ka­te­gorien – ein Indiz dafür, dass in der Schweiz auch in peripheren Gebieten ein gut ausge­bautes Einkaufs- und Dienst­leis­tungs­an­gebot existiert.

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Fazit

Die Umfrage zeigt auf, dass die Befragten mit zuneh­mender wahrge­nom­mener Dichte des Wohnum­felds eine abneh­mende Wohnzu­frie­denheit ausweisen. Dabei ist es oftmals eine Kombi­nation aus Faktoren, welche durch die Dichte des Wohnum­felds beein­flusst werden und die zu diesen Resul­taten führen. Um die Akzeptanz der Siedlungs­ent­wicklung nach innen zu erhöhen, muss an der Qualität der Stand­ort­fak­toren gearbeitet werden, die aktuell weniger gut einge­schätzt werden. Und bei der Umsetzung von Verdich­tungs­pro­jekten sollte darauf geachtet werden, dass die Objekt­qua­li­täten wenn immer möglich optimiert werden.

Obwohl in der Umfrage eine etwas tiefere Wohnzu­frie­denheit in dicht bebauten Gebieten festge­stellt wurde, ist davon auszu­gehen, dass sich die städtische Gebiete auch in Zukunft hoher Beliebtheit erfreuen. Denn zum einen liegt hier vieles nahe am Wohnort, was man fürs Arbeiten und fürs tägliche Leben und Geniessen braucht. Und zum andern sind in den Städten dank gutem Anschluss an den öffent­lichen Verkehr auch weiter entfernte Ziele, beispiels­weise für einen Aufenthalt in der Natur, effizient erreichbar.


Nach den Beiträgen zur allge­meinen Wohnzu­frie­denheit («Schweizer Wohnzu­frie­denheit: Trends und Einfluss­fak­toren im Fokus») und zur Thematik Nachhal­tigkeit bei der Objekt­auswahl («Nachhaltig Wohnen: Trends und Unter­schiede») war dies der dritte und letzte Teil der Blogtrio­logie zur Haushalts­be­fragung «Immo-Barometer».


Der «Immo-Barometer» von Wüest Partner
Der «Immo-Barometer» ist eine gesamt­schwei­ze­rische Umfrage zu den Themen Wohnzu­frie­denheit und Wohnbe­dürf­nisse, welche Wüest Partner auch im Jahr 2023 mit der Unter­stützung des Hausei­gen­tü­mer­ver­bandes Schweiz (HEV) und des Schwei­ze­ri­schen Verbandes der Immobi­li­en­wirt­schaft (SVIT Schweiz) durch­führte. Dabei werden jeweils rund 1000 reprä­sen­tativ ausge­wählte Haushalte in der deutsch- und franzö­sisch­spra­chigen Schweiz ausführlich zur aktuellen Wohnsi­tuation und zu allfäl­ligen Verän­de­rungs­ab­sichten befragt. Es handelt sich beim «Immo-Barometer» um eine Langzeit­studie, die erstmals im Jahr 1988 und seither mindestens alle zwei Jahre erhoben wurde.

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