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Wohnzufriedenheit im Kontext der Innenverdichtung

30. November 2023

City, Urban, Apartment Building

Die erste Etappe des Raumplanungsgesetzes schob der Zersiedelung einen Riegel und die Kantone wurden angehalten, die Verdichtung nach innen zu forcieren. Inzwischen ist die Umsetzung auf kantonaler Ebene in allen Kantonen abgeschlossen, und der Ball liegt nun bei den Gemeinden. Hier zeigen sich grosse Unterschiede in der Umsetzung: Während in gewissen Agglomerationsräumen bereits spürbar verdichtet wurde, lassen entsprechende Vorstösse in den Städten auf sich warten und es besteht Aufholbedarf.

Das Bestreben nach Innenverdichtung wirft die Frage nach der Akzeptanz auf: Wie steht es um die Wohnzufriedenheit in dicht besiedelten Gebieten im Vergleich zu weniger dicht besiedelten? Welche Aspekte des Wohnens werden in diesen verdichteten Zonen positiver und welche negativer wahrgenommen? Diesen Fragen widmen wir uns im dritten und letzten Teil der Blogtrilogie zur Haushaltsbefragung «Immo-Barometer» (siehe Infobox), in welcher wir im Jahr 2023 erstmals die wahrgenommene Dichte des Wohnumfeldes der Umfrageteilnehmenden ermittelt haben.

Geringere Wohnzufriedenheit in dicht bebauten Gebieten

Zu diesem Zweck haben wir die Antworten der Umfrageteilnehmenden bezüglich der wahrgenommenen Dichte im Wohnumfeld den Antworten zur Wohnzufriedenheit gegenübergestellt. Es zeigt sich, dass sowohl Mietende als auch Eigentümerinnen und Eigentümer, die ihr Umfeld als dichter bebaut empfinden, tendenziell weniger zufrieden sind. Der Anteil der Mietenden, denen es in ihren vier Wänden aktuell sehr gut gefällt, ist im Wohnumfeld mit 3- oder mehrgeschossigen Bauten (mittlere bis sehr hohe Dichte) mit rund 38 Prozent etwas tiefer als in weniger dicht besiedelten Gebieten, wobei dies in verschiedenen Wohnfaktoren begründet ist. Bei den Eigentümerinnen und Eigentümern bewegt sich die Zufriedenheit insgesamt auf höherem Niveau als bei den Mietenden, tiefere Zufriedenheitswerte bei höherer Dichte sind jedoch auch in diesem Segment feststellbar.

Wie gefällt es Ihnen aktuell in Ihrer Wohnung / in Ihrem Haus?

Klare Unterschiede bei objektspezifischen Faktoren

Differenzierte Analysen der Wohnzufriedenheit und der Wohnfaktoren nach Dichte haben wir nur in der Gruppe der Mietenden vorgenommen, denn die Zahl der Eigentümerinnen und Eigentümer in dichten und sehr dichten Wohnumfeldern ist zu gering für tragfähige Aussagen. Bei vielen internen Faktoren ist der Anteil der zufriedenen Mietenden deutlich kleiner im Wohnumfeld mit mittlerer oder hoher Dichte. Am grössten ist der Unterschied zwischen der Zufriedenheit bei hoher Wohndichte gegenüber tiefer Wohndichte bei dem Faktor «Erscheinung der hauseigenen Grün- und Aussenflächen». Hier ist der Anteil der Befragten, die aktuell eher oder sehr zufrieden sind, in Gebieten mit mittlerer Wohndichte rund 12 Prozentpunkte und in Gebieten mit hoher Dichte sogar 22 Prozentpunkte tiefer als in Siedlungszonen mit geringer Dichte. Dies dürfte zu einem gewissen Grad auch die zusätzliche Zahlungsbereitschaft für öffentliche Räume in den dicht besiedelten Grossstädten erklären (siehe «Der Wert des öffentlichen Raums»).

In dicht bebauten Gegenden ist ein weiträumiger Ausblick oft stark eingeschränkt. Erwartungsgemäss ist daher eine der grösseren Abweichungen zwischen den Befragten auch beim Wohnfaktor «Aussicht» zu finden. Dabei gilt es festzuhalten, dass beim Wohnfaktor Licht und Sonne kaum Abweichungen auszumachen sind. Trotz Einschränkungen der Aussicht profitieren viele befragte Haushalte offenbar noch von genügend Sonnenlicht.

Wie wichtig sind/wären die folgenden Punkte für Sie bzw. für Ihren Haushalt aktuell bei der Objektauswahl?

Ausgeglichene Zufriedenheit mit Preis-Leistungs-Verhältnis

Der Mietzins ist einer jener Faktoren, bei denen grosse Abweichungen in der Beurteilung der Zufriedenheit festzustellen sind. Zunächst mag das ein wenig überraschen. Die wahrgenommene Dichte fällt aber in städtischen Gebieten naturgemäss höher aus, und im Normalfall muss dort mit einem höheren Mietzins für eine vergleichbare Wohnung gerechnet werden. Einhergehend mit den höheren Kosten ist jedoch auch das Infrastrukturangebot umfangreicher. Dementsprechend gering fallen schliesslich die Unterschiede beim Preis-Leistungs-Verhältnis zwischen Mietenden in Gebieten mit hoher Dichte gegenüber solchen in Gebieten mit geringerer Dichte aus. Die Zufriedenheit mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis im Wohnumfeld mit geringer Dichte ist aber schliesslich doch etwas höher.

Naherholungsgebiete auch in dichtem Wohnumfeld gut erreichbar

Die Haushaltsbefragung zeigt, dass die Differenz der Zufriedenheitswerte in Bezug auf die Nähe zu Naherholungsgebieten zwischen den Befragten in einem Wohnumfeld mit hoher Dichte und jenen in einem Wohnumfeld mit geringerer Dichte nur sehr klein ausfällt. Dies dürfte vor allem auch auf kurze Reisezeiten aufgrund einer guten Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr zurückzuführen sein. Letzterer ist einer der wenigen Wohnfaktoren, bei denen die Zufriedenheit von Personen in dichterem Wohnumfeld höher ausfällt als bei jenen in einem Wohnumfeld mit geringerer Dichte. Die gut ausgebaute Infrastruktur dürfte einer der Hauptgründe für die Beliebtheit von Städten sein, vor allem auch, weil der Nähe zum öffentlichen Verkehr bei der Wohnungssuche ein überdurchschnittlich hohes Gewicht zukommt (siehe «Schweizer Wohnzufriedenheit: Trends und Einflussfaktoren im Fokus»).

Ebenfalls auffallend ist die hohe Zufriedenheit der Befragten in einem Wohnumfeld mit geringer Dichte bei den Faktoren Einkaufsmöglichkeiten in der näheren Umgebung und Nähe zu Schulen, Kindergärten und Kindertagesstätten. Hier gibt es nur kleine Differenzen zwischen den verschiedenen Dichtekategorien – ein Indiz dafür, dass in der Schweiz auch in peripheren Gebieten ein gut ausgebautes Einkaufs- und Dienstleistungsangebot existiert.

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Fazit

Die Umfrage zeigt auf, dass die Befragten mit zunehmender wahrgenommener Dichte des Wohnumfelds eine abnehmende Wohnzufriedenheit ausweisen. Dabei ist es oftmals eine Kombination aus Faktoren, welche durch die Dichte des Wohnumfelds beeinflusst werden und die zu diesen Resultaten führen. Um die Akzeptanz der Siedlungsentwicklung nach innen zu erhöhen, muss an der Qualität der Standortfaktoren gearbeitet werden, die aktuell weniger gut eingeschätzt werden. Und bei der Umsetzung von Verdichtungsprojekten sollte darauf geachtet werden, dass die Objektqualitäten wenn immer möglich optimiert werden.

Obwohl in der Umfrage eine etwas tiefere Wohnzufriedenheit in dicht bebauten Gebieten festgestellt wurde, ist davon auszugehen, dass sich die städtische Gebiete auch in Zukunft hoher Beliebtheit erfreuen. Denn zum einen liegt hier vieles nahe am Wohnort, was man fürs Arbeiten und fürs tägliche Leben und Geniessen braucht. Und zum andern sind in den Städten dank gutem Anschluss an den öffentlichen Verkehr auch weiter entfernte Ziele, beispielsweise für einen Aufenthalt in der Natur, effizient erreichbar.


Nach den Beiträgen zur allgemeinen Wohnzufriedenheit («Schweizer Wohnzufriedenheit: Trends und Einflussfaktoren im Fokus») und zur Thematik Nachhaltigkeit bei der Objektauswahl («Nachhaltig Wohnen: Trends und Unterschiede») war dies der dritte und letzte Teil der Blogtriologie zur Haushaltsbefragung «Immo-Barometer».


Der «Immo-Barometer» von Wüest Partner
Der «Immo-Barometer» ist eine gesamtschweizerische Umfrage zu den Themen Wohnzufriedenheit und Wohnbedürfnisse, welche Wüest Partner auch im Jahr 2023 mit der Unterstützung des Hauseigentümerverbandes Schweiz (HEV) und des Schweizerischen Verbandes der Immobilienwirtschaft (SVIT Schweiz) durchführte. Dabei werden jeweils rund 1000 repräsentativ ausgewählte Haushalte in der deutsch- und französischsprachigen Schweiz ausführlich zur aktuellen Wohnsituation und zu allfälligen Veränderungsabsichten befragt. Es handelt sich beim «Immo-Barometer» um eine Langzeitstudie, die erstmals im Jahr 1988 und seither mindestens alle zwei Jahre erhoben wurde.

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