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10 Faktoren, die den Wert von nachhaltigen Liegenschaften beeinflussen

25. Juli 2022

Zwischen zwei Gebäuden in der Nacht mit grünem Licht
Die Schweiz will bis 2050 klimaneutral werden. Immobilien müssen und können einen entscheidenden Beitrag zur Erreichung dieses Ziels leisten – schliesslich ist der Schweizer Gebäudepark derzeit für über ein Viertel der hiesigen CO2-Emissionen verantwortlich. Doch was bedeutet das für den Marktwert einer Liegenschaft? Welche Kriterien bestimmen, ob es sich für Eigentümer:innen wirtschaftlich lohnt, bauliche Massnahmen umzusetzen, die Immobilien nachhaltiger machen?

Führt Nachhaltigkeit zu höheren oder tieferen Marktwerten?

Dass klimaschonende Massnahmen etwas kosten, liegt auf der Hand – und höhere Kosten, für sich genommen, führen zu einem tieferen Marktwert. Für Eigentümer können sich Investitionen in die Nachhaltigkeit ihrer Immobilien also nur dann finanziell auszahlen, wenn es gelingt, dank der vorgenommenen Massnahmen die Erträge so weit zu steigern und/oder die Diskontierung so weit zu senken, dass daraus trotz der Kosten ein höherer Marktwert resultiert.

In vielen Fällen können klimaschonende Massnahmen mehr oder weniger wertneutral umgesetzt werden. Das zeigen zwei Untersuchungen von Wüest Partner über Wohnrenditeliegenschaften, die sich im Besitz institutioneller Investoren befinden. Beide Studien werden in eigenen Blogartikeln ausführlicher vorgestellt, wo sie auch vollständig heruntergeladen werden können:

Energetische Sanierungen: 3 Gewinner

Die Wirkung von Nachhaltigkeit auf Immobilienwerte

Die Wirtschaftlichkeit klimaschonender Massnahmen fällt je nach Liegenschaft unterschiedlich aus. Um einen Analyseraster zu haben, wie sich klimaschonende Massnahmen auswirken, stellen wir hier 10 Faktoren vor, die den Marktwert von Liegenschaften beeinflussen. Sieben davon wirken wertsteigernd, drei wertmindernd. Die nachfolgende Tabelle zeigt eine Übersicht über diese Faktoren. Anschliessend werden die Faktoren einzeln erläutert.

Folgende Faktoren haben einen positiven Effekt auf den Marktwert:
FaktorBedingung für positive WirkungHäufigkeit der WirkungWertsteigernde Wirkung
1 RenditeerwartungSinktMeistensSehr gross
2 ErträgeSteigen, wenn Nebenkosten sinkenFast immerGross
3 Präferenz der MieterHöhere Zahlungsbereitschaft vonseiten der MieterTeilweiseMittel
4 FördergelderJe nach Massnahmen und StandortOftMittel
5 Betriebs- und
Instandhaltungs-kosten
Vom Eigentümer getragene Kosten sinkenTeilweiseKlein
6 BauteileFalls wiederverwendbarSeltenKlein
7 Wegfall des ÖltanksVermietbare Nebennutzfläche wird freiTeilweiseKlein
Folgende Faktoren haben einen negativen Effekt auf den Marktwert:
FaktorBedingungen für negative WirkungHäufigkeit der WirkungWertmindernde Wirkung
8Bauliche Massnahmen zur Steigerung der NachhaltigkeitNur teilweise auf Miter überwälzbarFast immerGross; kann sich nach Mieterwechsel ändern
9Bauliche BegleitmassnahmenNur teilweise auf Mieter überwälzbarTeilweiseSehr gross
10 Zertifikate (GEAK, Minergie)KostenOftSehr klein; kann Zahlungsbereitschaft positiv beeinflussen

1. Renditeerwartung

Nachhaltig betriebene Liegenschaften sind für viele Investor:innen attraktiv. Das zeigte eine Umfrage bei 237 Schweizer Immobilieninvestoren, die Wüest Partner Anfang 2021 im Auftrag der Senn Resources AG durchgeführt hat. Die Resultate dieser Umfrage bestätigen, dass Investor:innen eine höhere Zahlungsbereitschaft für energieeffiziente Gebäude haben. (Im Blogartikel «Investorenumfrage zur Wertrelevanz der Nachhaltigkeit» werden die Ergebnisse dieser Umfrage ausführlich dargestellt.)

Diese Umfrageergebnisse wurden in einer empirischen Untersuchung bestätigt, bei der Wüest Partner 432 zwischen 2017 und 2021 getätigte Transaktionen von Mehrfamilienhäusern analysierte. Demnach sind bei Mehrfamilienhäusern mit geringen CO2-Emissionen tendenziell leicht tiefere Renditeerwartungen zu beobachten als bei Objekten mit hohem CO2-Ausstoss. Eine Senkung der Renditeerwartung und damit des Diskontierungssatzes erhöht den Marktwert einer Renditeliegenschaft. (Eine ausführliche Erklärung zum Einfluss der Renditeerwartung auf den Marktwert von Immobilien finden Sie in der bereits erwähnten Studie «Die Wirkung von Nachhaltigkeit auf Immobilienwerte»).

2. Erträge

CO2-frei beheizte Mehrfamilienhäuser können bedeutend günstiger betrieben werden. Einerseits fällt die C02-Abgabe weg, andererseits kommt gerade auch in der aktuellen weltwirtschaftlichen Phase die Stromrechnung günstiger zu stehen als die Rechnung für Heizöl. Gemäss der erwähnten Studie «Die Wirkung von Nachhaltigkeit auf Immobilienwerte» fallen beim Umstieg auf eine Wärmepumpe die Nebenkosten im Durchschnitt um 33 Franken pro Wohnung und Monat. Diese Berechnungen wurde basierend auf Daten aus dem Zeitraum 2015–2020 ermittelt und berücksichtigen die aktuell sehr stark gestiegenen Preise für Heizöl und Gas nicht. Mit den heutigen Preisen würde die Reduktion noch bedeutend grösser ausfallen.

Eingesparte Nebenkosten führen bei einer Neuvermietung zu einem höheren Ertragspotenzial (vgl. die Studie «Energetische Sanierungen: 3 Gewinner»). Das liegt daran, dass die Zahlungsbereitschaft von Neumieter:innen sich an der Bruttomiete orientiert, also an der Summe aus Nettomiete und Nebenkosten. Aufgrund der gesunkenen Nebenkosten können Eigentümer:innen die Nettomiete erhöhen und so ihren Ertrag steigern.

3. Präferenz der Mieter

Die Bedeutung nachhaltigen Wirtschaftens steigt kontinuierlich. Viele Unternehmen machen ernst mit dem Klimaschutz, immer öfter wird dieser zu einem Teil des Geschäftsmodells. Ein stetig wachsender Anteil der Nachfrage konzentriert sich daher auf Geschäftsflächen, die dem Anspruch an Nachhaltigkeit gerecht werden. In vielen Fällen geht damit eine höhere Zahlungsbereitschaft vonseiten der Mieter:innen einher. 

Im Falle von Mietwohnungen gibt es hingegen noch wenig empirische Evidenz, dass die Zahlungsbereitschaft von Mieter:innnen durch eine erhöhte Nachhaltigkeit signifikant gesteigert wird. Wüest Partner geht aber davon aus, dass je länger, je mehr Menschen bereit sind, für nachhaltige Wohnungen eine höhere Miete zu entrichten.

4. Fördergelder

Staatliche Fördergelder reduzieren bei Sanierungen die Nettoinvestitionskosten. Sie kommen sowohl den Bestandesmieter:innen als auch den Eigentümer:innen zugute. Die Bestandesmieter:innen profitieren, da im Vergleich zu einer Sanierung, die ohne Fördergelder durchgeführt wird, eine tiefere Summe auf sie überwälzt wird. Diese Reduktion der Nettoerträge wird aus Sicht der Eigentümer:innen mehr als kompensiert, da die Nettoinvestitionen tiefer ausfallen. 

Die Fördergelder können bei gewissen energetischen Sanierungen in verschiedenen Kantonen oder Städten ein bedeutendes Ausmass annehmen. Die regionalen Unterschiede bezüglich Höhe und Bedingungen für die Fördergelder sind allerdings sehr gross.

5. Betriebs- und Instandhaltungskosten

Viele bauliche Massnahmen, die die Nachhaltigkeit von Gebäuden fördern, führen zu tieferen Betriebs- und Instandhaltungskosten. So benötigt beispielsweise eine Wärmepumpe weniger Wartungsarbeiten als eine Ölheizung. Wenn diese Kosten sinken, reduzieren sich einerseits Kosten, die via Nebenkosten von den Mieter:innen bezahlt werden, und andererseits auch die Kosten, die von den Eigentümer:innen getragen werden.

6. Bauteile

Eine moderne, nachhaltige Bauweise achtet auch auf die Wiederverwendbarkeit und Langlebigkeit der Bauteile. Das erhöht den Wert dieser Bauteile und senkt gleichzeitig die Kosten künftiger Sanierungen.

7. Wegfall des Öltanks

Wenn eine Ölheizung ausgebaut wird, wird die Fläche frei, die bisher vom Öltank in Anspruch genommen wurde. In einem durchschnittlichen Mehrfamilienhaus könnten in der Folge einige zusätzliche Quadratmeter vermietet werden. Die mittlere Marktmiete pro Quadratmeter Kellerfläche beläuft sich auf rund 60 Franken und Jahr.

8. Bauliche Massnahmen zur Steigerung der Nachhaltigkeit

Auf der Kostenseite schlagen meist die eigentlichen baulichen Massnahmen, mit denen die Nachhaltigkeit von Gebäuden erhöht werden soll, am stärksten zu Buche. Dass von ihnen eine den Marktwert mindernde Wirkung ausgeht, hat damit zu tun, dass sie aus mietrechtlichen Gründen nicht zur Gänze auf die Bestandesmieter:innen überwälzt werden können. Das heisst, der Mietertrag steigt nicht in demselben Masse wie die Amortisationskosten. Generell zahlen Bestandesmieter:innen Mieten, die desto tiefer unter der Marktmiete liegen, je länger sie schon in der Wohnung leben. Nach einer energetischen Sanierung liegt die Miete daher oft weit unter der erzielbaren Marktmiete der nun modernisierten Wohnungen. 

Es gilt hier allerdings zu beachten, dass dieser den Marktwert mindernde Faktor im Laufe der Zeit eine gegenteilige Wirkung entfalten kann: Nach einem Mieterwechsel nämlich haben Eigentümer:innen die Möglichkeit, die Miete an das Marktniveau anpassen. Da aus Mietersicht die Bruttomiete entscheidend ist und die Nebenkosten nach einer energetischen Sanierung stark sinken, nehmen Mieter:innen in einer sanierten Liegenschaft eine Nettomiete in Kauf, die höher liegt als in einer Liegenschaft, in der sie hohe Nebenkosten zu berappen haben. Daher können Eigentümer:innen die für sie entscheidende Nettomiete nach einer Sanierung und einem späteren Mieterwechsel in vielen Fällen um einen Betrag erhöhen, der höher ist als die Amortisationskosten der getätigten Investitionen. Wenn also nach einer gewissen Zeit viele oder sogar alle Mieter:innen gewechselt haben, kann sich die wertmindernde Wirkung der baulichen Massnahmen in ihr Gegenteil wenden und wertsteigernd wirken. (Ausführlich wird dieser Effekt in der Studie «Energetische Sanierungen: 3 Gewinner» beschrieben).

9. Bauliche Begleitmassnahmen

Eine energetische Sanierung kann in unterschiedlicher Eingriffstiefe erfolgen. Bei der Substitution einer Öl- oder Gasheizung durch eine Wärmepumpe sind in vielen Fällen zusätzliche bauliche Massnahmen nötig. Dabei kann es sich beispielsweise um Dämmungsmassnahmen (Gebäudehülle, Fenster, Kellerdecke) handeln, oder es kann sein, dass die vorhandenen Radiatoren durch eine Fussbodenheizung ersetzt werden müssen. Auch können beim Einbau einer Wärmepumpe je nach Standort (z. B. Geologie oder Denkmalschutz) ganz unterschiedliche Kosten anfallen; in vielen Fällen müssen andere Lösungen als eine Wärmepumpe gesucht werden (Fernwärme etc.).

Zusätzliche Dämmungsmassnahmen wirken sich in der Regel kostensteigernd aus, auch wenn zwei gegensätzliche Effekte auf die Investitionskosten wirken: Einerseits erhöhen Dämmungsmassnahmen die Kosten, andererseits kann die Heizung dank der besseren Dämmung allenfalls kleiner dimensioniert werden, was die Kosten für die neue Heizung senkt. 

10. Zertifikate (GEAK, Minergie)

Viele Investoren lassen ihre Gebäude zertifizieren. Dafür fallen Kosten an. Diese bewegen sich in der Regel in einem vierstelligen Bereich. In vielen Fällen bildet eine Zertifizierung auch die Grundlage für die danach durchzuführende energetische Sanierung. Dies ist zum Beispiel beim Gebäudeausweis der Kantone (GEAK) Plus oft der Fall. Zudem ist dieser oft eine zwingende Bedingung, um Fördergelder beantragen zu können.

Mit einem Zertifikat können Eigentümer:innen aber auch die Attraktivität ihrer Liegenschaften steigern. Für gewisse Unternehmen, bei denen nachhaltiges Wirtschaften Teil des Geschäftsmodells ist, kann ein Zertifikat sogar die Voraussetzung für das Eingehen eines Mietverhältnisses sein (vgl. Punkt 3).

Fazit

Um die Klimaziele des Bundes zu erreichen, sind grosse Investitionen nötig. Oft stehen in der öffentlichen Debatte die Kosten im Vordergrund. In der Tat erhöht sich der Investitionsbedarf. Untersuchungen zeigen jedoch, dass den zusätzlichen Investitionen in vielen Fällen höhere Mieterträge sowie eine höhere Zahlungsbereitschaft vonseiten der Investoren gegenüberstehen. Es gilt jedoch zu beachten, dass die Wirtschaftlichkeit von klimaschonenden Massnahmen je nach Liegenschaft deutlich unterschiedlich ausfallen kann. Jede Liegenschaft stellt einen Einzelfall dar und muss als solcher individuell analysiert werden, beispielsweise indem diese 10 Kriterien auf eine Liegenschaft, die energetisch saniert werden soll, angewendet werden.

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Vertiefte Einblicke zum Thema energetische Sanierung bietet Ihnen der Fachkurs «Energetisch sanieren – Gebäudetechnik und Wirtschaftlichkeit». Dieser Kurs ist ein Angebot der Wüest Academy und findet in regelmässigen Abständen statt, zum nächsten Mal am 28. September 2022 in Zürich.

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