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10 Faktoren, die den Wert von nachhal­tigen Liegen­schaften beein­flussen

Letzte Aktualisierung: 13. September 2024

Die Schweiz will bis 2050 klima­neutral werden. Immobilien müssen und können einen entschei­denden Beitrag zur Errei­chung dieses Ziels leisten – schliesslich ist der Schweizer Gebäu­depark derzeit für über ein Viertel der hiesigen CO2-Emissionen verant­wortlich. Doch was bedeutet das für den Marktwert einer Liegen­schaft? Welche Kriterien bestimmen, ob es sich für Eigentümer:innen wirtschaftlich lohnt, bauliche Massnahmen umzusetzen, die Immobilien nachhal­tiger machen?

Führt Nachhal­tigkeit zu höheren oder tieferen Markt­werten?

Dass klima­scho­nende Massnahmen etwas kosten, liegt auf der Hand – und höhere Kosten, für sich genommen, führen zu einem tieferen Marktwert. Für Eigen­tümer können sich Inves­ti­tionen in die Nachhal­tigkeit ihrer Immobilien also nur dann finan­ziell auszahlen, wenn es gelingt, dank der vorge­nom­menen Massnahmen die Erträge so weit zu steigern und/oder die Diskon­tierung so weit zu senken, dass daraus trotz der Kosten ein höherer Marktwert resul­tiert.

In vielen Fällen können klima­scho­nende Massnahmen mehr oder weniger wertneutral umgesetzt werden. Das zeigen zwei Unter­su­chungen von Wüest Partner über Wohnren­di­te­lie­gen­schaften, die sich im Besitz insti­tu­tio­neller Inves­toren befinden. Beide Studien werden in eigenen Blogar­tikeln ausführ­licher vorge­stellt, wo sie auch vollständig herun­ter­ge­laden werden können:

Energe­tische Sanie­rungen: 3 Gewinner

Die Wirkung von Nachhal­tigkeit auf Immobi­li­en­werte

Die Wirtschaft­lichkeit klima­scho­nender Massnahmen fällt je nach Liegen­schaft unter­schiedlich aus. Um einen Analy­se­raster zu haben, wie sich klima­scho­nende Massnahmen auswirken, stellen wir hier 10 Faktoren vor, die den Marktwert von Liegen­schaften beein­flussen. Sieben davon wirken wertstei­gernd, drei wertmin­dernd. Die nachfol­gende Tabelle zeigt eine Übersicht über diese Faktoren. Anschliessend werden die Faktoren einzeln erläutert.

Folgende Faktoren haben einen positiven Effekt auf den Marktwert:
FaktorBedingung für positive WirkungHäufigkeit der WirkungWertstei­gernde Wirkung
1 Rendi­te­er­wartungSinktMeistensSehr gross
2 ErträgeSteigen, wenn Neben­kosten sinkenFast immerGross
3 Präferenz der MieterHöhere Zahlungs­be­reit­schaft vonseiten der MieterTeilweiseMittel
4 Förder­gelderJe nach Massnahmen und StandortOftMittel
5 Betriebs- und
Instandhaltungs-kosten
Vom Eigen­tümer getragene Kosten sinkenTeilweiseKlein
6 BauteileFalls wieder­ver­wendbarSeltenKlein
7 Wegfall des ÖltanksVermietbare Neben­nutz­fläche wird freiTeilweiseKlein
Folgende Faktoren haben einen negativen Effekt auf den Marktwert:
FaktorBedin­gungen für negative WirkungHäufigkeit der WirkungWertmin­dernde Wirkung
8Bauliche Massnahmen zur Steigerung der Nachhal­tigkeitNur teilweise auf Miter überwälzbarFast immerGross; kann sich nach Mieter­wechsel ändern
9Bauliche Begleit­mass­nahmenNur teilweise auf Mieter überwälzbarTeilweiseSehr gross
10 Zerti­fikate (GEAK, Minergie)KostenOftSehr klein; kann Zahlungs­be­reit­schaft positiv beein­flussen

1. Rendi­te­er­wartung

Nachhaltig betriebene Liegen­schaften sind für viele Investor:innen attraktiv. Das zeigte eine Umfrage bei 237 Schweizer Immobi­li­en­in­ves­toren, die Wüest Partner Anfang 2021 im Auftrag der Senn Resources AG durch­ge­führt hat. Die Resultate dieser Umfrage bestä­tigen, dass Investor:innen eine höhere Zahlungs­be­reit­schaft für energie­ef­fi­ziente Gebäude haben. (Im Blogar­tikel «Inves­to­ren­um­frage zur Wertre­levanz der Nachhal­tigkeit» werden die Ergeb­nisse dieser Umfrage ausführlich darge­stellt.)

Diese Umfra­ge­er­geb­nisse wurden in einer empiri­schen Unter­su­chung bestätigt, bei der Wüest Partner 432 zwischen 2017 und 2021 getätigte Trans­ak­tionen von Mehrfa­mi­li­en­häusern analy­sierte. Demnach sind bei Mehrfa­mi­li­en­häusern mit geringen CO2-Emissionen tenden­ziell leicht tiefere Rendi­te­er­war­tungen zu beobachten als bei Objekten mit hohem CO2-Ausstoss. Eine Senkung der Rendi­te­er­wartung und damit des Diskon­tie­rungs­satzes erhöht den Marktwert einer Rendi­te­lie­gen­schaft. (Eine ausführ­liche Erklärung zum Einfluss der Rendi­te­er­wartung auf den Marktwert von Immobilien finden Sie in der bereits erwähnten Studie «Die Wirkung von Nachhal­tigkeit auf Immobi­li­en­werte»).

2. Erträge

CO2-frei beheizte Mehrfa­mi­li­en­häuser können bedeutend günstiger betrieben werden. Einer­seits fällt die C02-Abgabe weg, anderer­seits kommt gerade auch in der aktuellen weltwirt­schaft­lichen Phase die Strom­rechnung günstiger zu stehen als die Rechnung für Heizöl. Gemäss der erwähnten Studie «Die Wirkung von Nachhal­tigkeit auf Immobi­li­en­werte» fallen beim Umstieg auf eine Wärme­pumpe die Neben­kosten im Durch­schnitt um 33 Franken pro Wohnung und Monat. Diese Berech­nungen wurde basierend auf Daten aus dem Zeitraum 2015–2020 ermittelt und berück­sich­tigen die aktuell sehr stark gestie­genen Preise für Heizöl und Gas nicht. Mit den heutigen Preisen würde die Reduktion noch bedeutend grösser ausfallen.

Einge­sparte Neben­kosten führen bei einer Neuver­mietung zu einem höheren Ertrags­po­tenzial (vgl. die Studie «Energe­tische Sanie­rungen: 3 Gewinner»). Das liegt daran, dass die Zahlungs­be­reit­schaft von Neumieter:innen sich an der Brutto­miete orien­tiert, also an der Summe aus Netto­miete und Neben­kosten. Aufgrund der gesun­kenen Neben­kosten können Eigentümer:innen die Netto­miete erhöhen und so ihren Ertrag steigern.

3. Präferenz der Mieter

Die Bedeutung nachhal­tigen Wirtschaftens steigt konti­nu­ierlich. Viele Unter­nehmen machen ernst mit dem Klima­schutz, immer öfter wird dieser zu einem Teil des Geschäfts­mo­dells. Ein stetig wachsender Anteil der Nachfrage konzen­triert sich daher auf Geschäfts­flächen, die dem Anspruch an Nachhal­tigkeit gerecht werden. In vielen Fällen geht damit eine höhere Zahlungs­be­reit­schaft vonseiten der Mieter:innen einher. 

Im Falle von Mietwoh­nungen gibt es hingegen noch wenig empirische Evidenz, dass die Zahlungs­be­reit­schaft von Mieter:innnen durch eine erhöhte Nachhal­tigkeit signi­fikant gesteigert wird. Wüest Partner geht aber davon aus, dass je länger, je mehr Menschen bereit sind, für nachhaltige Wohnungen eine höhere Miete zu entrichten.

4. Förder­gelder

Staat­liche Förder­gelder reduzieren bei Sanie­rungen die Netto­in­ves­ti­ti­ons­kosten. Sie kommen sowohl den Bestandesmieter:innen als auch den Eigentümer:innen zugute. Die Bestandesmieter:innen profi­tieren, da im Vergleich zu einer Sanierung, die ohne Förder­gelder durch­ge­führt wird, eine tiefere Summe auf sie überwälzt wird. Diese Reduktion der Netto­er­träge wird aus Sicht der Eigentümer:innen mehr als kompen­siert, da die Netto­in­ves­ti­tionen tiefer ausfallen. 

Die Förder­gelder können bei gewissen energe­ti­schen Sanie­rungen in verschie­denen Kantonen oder Städten ein bedeu­tendes Ausmass annehmen. Die regio­nalen Unter­schiede bezüglich Höhe und Bedin­gungen für die Förder­gelder sind aller­dings sehr gross.

5. Betriebs- und Instand­hal­tungs­kosten

Viele bauliche Massnahmen, die die Nachhal­tigkeit von Gebäuden fördern, führen zu tieferen Betriebs- und Instand­hal­tungs­kosten. So benötigt beispiels­weise eine Wärme­pumpe weniger Wartungs­ar­beiten als eine Ölheizung. Wenn diese Kosten sinken, reduzieren sich einer­seits Kosten, die via Neben­kosten von den Mieter:innen bezahlt werden, und anderer­seits auch die Kosten, die von den Eigentümer:innen getragen werden.

6. Bauteile

Eine moderne, nachhaltige Bauweise achtet auch auf die Wieder­ver­wend­barkeit und Langle­bigkeit der Bauteile. Das erhöht den Wert dieser Bauteile und senkt gleich­zeitig die Kosten künftiger Sanie­rungen.

7. Wegfall des Öltanks

Wenn eine Ölheizung ausgebaut wird, wird die Fläche frei, die bisher vom Öltank in Anspruch genommen wurde. In einem durch­schnitt­lichen Mehrfa­mi­li­enhaus könnten in der Folge einige zusätz­liche Quadrat­meter vermietet werden. Die mittlere Markt­miete pro Quadrat­meter Keller­fläche beläuft sich auf rund 60 Franken und Jahr.

8. Bauliche Massnahmen zur Steigerung der Nachhal­tigkeit

Auf der Kosten­seite schlagen meist die eigent­lichen baulichen Massnahmen, mit denen die Nachhal­tigkeit von Gebäuden erhöht werden soll, am stärksten zu Buche. Dass von ihnen eine den Marktwert mindernde Wirkung ausgeht, hat damit zu tun, dass sie aus mietrecht­lichen Gründen nicht zur Gänze auf die Bestandesmieter:innen überwälzt werden können. Das heisst, der Mietertrag steigt nicht in demselben Masse wie die Amorti­sa­ti­ons­kosten. Generell zahlen Bestandesmieter:innen Mieten, die desto tiefer unter der Markt­miete liegen, je länger sie schon in der Wohnung leben. Nach einer energe­ti­schen Sanierung liegt die Miete daher oft weit unter der erziel­baren Markt­miete der nun moder­ni­sierten Wohnungen. 

Es gilt hier aller­dings zu beachten, dass dieser den Marktwert mindernde Faktor im Laufe der Zeit eine gegen­teilige Wirkung entfalten kann: Nach einem Mieter­wechsel nämlich haben Eigentümer:innen die Möglichkeit, die Miete an das Markt­niveau anpassen. Da aus Mieter­sicht die Brutto­miete entscheidend ist und die Neben­kosten nach einer energe­ti­schen Sanierung stark sinken, nehmen Mieter:innen in einer sanierten Liegen­schaft eine Netto­miete in Kauf, die höher liegt als in einer Liegen­schaft, in der sie hohe Neben­kosten zu berappen haben. Daher können Eigentümer:innen die für sie entschei­dende Netto­miete nach einer Sanierung und einem späteren Mieter­wechsel in vielen Fällen um einen Betrag erhöhen, der höher ist als die Amorti­sa­ti­ons­kosten der getätigten Inves­ti­tionen. Wenn also nach einer gewissen Zeit viele oder sogar alle Mieter:innen gewechselt haben, kann sich die wertmin­dernde Wirkung der baulichen Massnahmen in ihr Gegenteil wenden und wertstei­gernd wirken. (Ausführlich wird dieser Effekt in der Studie «Energe­tische Sanie­rungen: 3 Gewinner» beschrieben).

9. Bauliche Begleit­mass­nahmen

Eine energe­tische Sanierung kann in unter­schied­licher Eingriffs­tiefe erfolgen. Bei der Substi­tution einer Öl- oder Gasheizung durch eine Wärme­pumpe sind in vielen Fällen zusätz­liche bauliche Massnahmen nötig. Dabei kann es sich beispiels­weise um Dämmungs­mass­nahmen (Gebäu­de­hülle, Fenster, Keller­decke) handeln, oder es kann sein, dass die vorhan­denen Radia­toren durch eine Fussbo­den­heizung ersetzt werden müssen. Auch können beim Einbau einer Wärme­pumpe je nach Standort (z. B. Geologie oder Denkmal­schutz) ganz unter­schied­liche Kosten anfallen; in vielen Fällen müssen andere Lösungen als eine Wärme­pumpe gesucht werden (Fernwärme etc.).

Zusätz­liche Dämmungs­mass­nahmen wirken sich in der Regel kosten­stei­gernd aus, auch wenn zwei gegen­sätz­liche Effekte auf die Inves­ti­ti­ons­kosten wirken: Einer­seits erhöhen Dämmungs­mass­nahmen die Kosten, anderer­seits kann die Heizung dank der besseren Dämmung allen­falls kleiner dimen­sio­niert werden, was die Kosten für die neue Heizung senkt. 

10. Zerti­fikate (GEAK, Minergie)

Viele Inves­toren lassen ihre Gebäude zerti­fi­zieren. Dafür fallen Kosten an. Diese bewegen sich in der Regel in einem vierstel­ligen Bereich. In vielen Fällen bildet eine Zerti­fi­zierung auch die Grundlage für die danach durch­zu­füh­rende energe­tische Sanierung. Dies ist zum Beispiel beim Gebäu­de­ausweis der Kantone (GEAK) Plus oft der Fall. Zudem ist dieser oft eine zwingende Bedingung, um Förder­gelder beantragen zu können.

Mit einem Zerti­fikat können Eigentümer:innen aber auch die Attrak­ti­vität ihrer Liegen­schaften steigern. Für gewisse Unter­nehmen, bei denen nachhal­tiges Wirtschaften Teil des Geschäfts­mo­dells ist, kann ein Zerti­fikat sogar die Voraus­setzung für das Eingehen eines Mietver­hält­nisses sein (vgl. Punkt 3).

Fazit

Um die Klima­ziele des Bundes zu erreichen, sind grosse Inves­ti­tionen nötig. Oft stehen in der öffent­lichen Debatte die Kosten im Vorder­grund. In der Tat erhöht sich der Inves­ti­ti­ons­bedarf. Unter­su­chungen zeigen jedoch, dass den zusätz­lichen Inves­ti­tionen in vielen Fällen höhere Mieterträge sowie eine höhere Zahlungs­be­reit­schaft vonseiten der Inves­toren gegen­über­stehen. Es gilt jedoch zu beachten, dass die Wirtschaft­lichkeit von klima­scho­nenden Massnahmen je nach Liegen­schaft deutlich unter­schiedlich ausfallen kann. Jede Liegen­schaft stellt einen Einzelfall dar und muss als solcher indivi­duell analy­siert werden, beispiels­weise indem diese 10 Kriterien auf eine Liegen­schaft, die energe­tisch saniert werden soll, angewendet werden.

Hinweis:  Holen Sie sich Wissen für die Praxis in der Wüest Academy

Vertiefte Einblicke zum Thema energe­tische Sanierung bietet Ihnen der Fachkurs «Energe­tisch sanieren – Gebäu­de­technik und Wirtschaft­lichkeit». Dieser Kurs ist ein Angebot der Wüest Academy und findet in regel­mäs­sigen Abständen statt, zum nächsten Mal am 28. September 2022 in Zürich.

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