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Stadt aus Holz

Letzte Aktualisierung: 12. September 2024

«Innova­tives Wohnen» am 11. Mai 2022

Immer mehr und immer höher – derzeit ist in Winterthur mit «Rocket» das höchste Holzhochhaus der Welt geplant. Holz gewinnt gerade auch in der Schweiz als Bauma­terial an Bedeutung und hat in den letzten 15 Jahren seinen Anteil sowohl bei Tragkon­struk­tionen als auch bei Fassaden von Mehrfa­mi­li­en­häusern mehr als verdoppelt. 

Seit 2016 führt Wüest Partner im Auftrag des Bundes­amtes für Umwelt und in Zusam­men­arbeit mit Espazium die Veran­stal­tungs­reihe «Stadt aus Holz» durch. Ziel dieser mehrmals pro Jahr abwechs­lungs­weise in der Deutsch- und Westschweiz statt­fin­denden Veran­stal­tungs­reihe ist es, das Bauen mit Holz einer­seits wissen­schaftlich und anderer­seits anhand von reali­sierten Projekten auch praktisch aus verschie­densten Perspek­tiven zu beleuchten. Die erste Veran­staltung des Jahrs 2022 fand am 11. Mai zum Thema «Innova­tives Wohnen» statt. Wir durften eine Rekordzahl von Teilnehmern begrüssen und widmen dem freudigen Ereignis einen eigenen Blog-Beitrag. 

Hoch hinaus

Bereits reali­siert ist das Wohnge­bäude «HAUT», ein in Holz-Hybridbauweise erstelltes Hochhaus in Amsterdam, mit stolzen 21 Geschossen auf 73 Metern eines der höchsten seiner Art. Der für den Bau verant­wort­liche Ingenieur, Mathew Vola vom inter­na­tional renom­mierten Ingenieurbüro ARUP, startete die Veran­staltung mit eindrück­lichen Worten darüber, warum Holz so wichtig ist für die Errei­chung der Klima­ziele des Inter­go­vern­mental Panel on Climate Chance (IPCC) und wie sein Holzhochhaus zu «Hot Stuff» wurde. 

Die Vorteile von Holz sind vielfältig: Es speichert CO2, es ist erneu­erbar und in grossen Mengen verfügbar, es ist Teil eines natür­lichen Kreis­laufs, es wirkt sich positiv auf Gesundheit und Wohlbe­finden der Menschen aus und bietet beim Bau Vorteile bezüglich Prozess­ef­fi­zienz und Sicherheit. Material und Konstruktion von Gebäuden sind für 11% der globalen CO2-Emissionen verant­wortlich – die Verwendung von Holz als Material, das CO2 speichert, liegt damit auf der Hand. Wieso also rückt Holz als Bauma­terial erst seit Kurzem ins Rampen­licht? Dafür verant­wortlich sind vor allem Fortschritte bei der Techno­logie. Die daraus resul­tie­renden neuen Produkte und Fabri­ka­ti­ons­me­thoden haben die Renais­sance des Holzbaus technisch ermög­licht. Für die Errei­chung der Klima­ziele ist der Einsatz von Holz mittler­weile auch aus politi­scher Sicht unver­zichtbar. So hat die Stadt Amsterdam sich verpflichtet, ab 2025 mindestens bei jedem fünften Wohnge­bäude Holz als vorherr­schendes Konstruk­ti­ons­ma­terial zu verwenden. Dies ist ein Trend, der vielerorts zu beobachten ist. In Frank­reich beispiels­weise soll noch im laufenden Jahr 2022 ein Nachhal­tig­keits­gesetz erlassen werden, das für öffent­liche Gebäude einen Anteil von mindestens 50% an natür­lichen Bauma­te­rialien und Holz vorsieht. 

Ein reiner Holzbau ist denn auch «HAUT» nicht. Das Motto lautete: Holz wann immer möglich, Beton und Stahl wann immer nötig. Schliesslich wurden 2000 Kubik­meter Holz verbaut, die 1800 Tonnen CO2 speichern.

Bis heute ist das 2021 fertig­ge­stellte «HAUT» das höchste Holzhochhaus der Nieder­lande und dient als Vorbild über die Landes­grenzen hinaus. 

Vorbild Basel-Stadt

Mit dem Stichwort «Vorbild» ging es bei Jonathan Koell­reuter weiter. Als Leiter des Portfo­lio­ma­nage­ments von Immobilien Basel-Stadt sieht er sich und den Kanton Basel-Stadt in der Verant­wortung, der Immobi­li­en­branche im Hinblick auf nachhal­tiges Bauen ein Vorbild zu sein. Dies haben er und seine Abteilung eindrücklich bewiesen, als sie 2021 für ihr Projekt «Maien­gasse» den Prix Lignum gewannen. Ursprünglich gefordert war ein Minergie-P-Haus, von Holzbau war im Wettbe­werbs­pro­gramm keine Rede. Entstanden sind zwei Gebäude, ein Holz- und ein Betonbau, die im Kosten­ver­gleich dank wohlüber­legten Verzichten gleich gut abschnitten. Bereits 2016 wurde das «Nullener­giehaus» als erstes seiner Art in Basel reali­siert und stellte sich die Nachhal­tigkeit aus ökolo­gi­scher, ökono­mi­scher und sozialer Sicht als Aufgabe. Energe­tisch stand die Betriebs­en­ergie zwar im Vorder­grund, aber auch die graue Energie wurde grob berechnet. Der Bau wurde schliesslich als Hybridbau mit Betonkern und Stahl­skelett ausge­führt, die Decken, Wände und Fassaden bestehen aus Holz. 

Mit der Verdichtung am Hirtenweg entstanden innert kurzer Bauzeit 31 zusätz­liche Wohnein­heiten in modularer Massiv­holz­bau­weise, ohne dass die Mieter der Bestan­des­bauten ihre Wohnungen verlassen mussten. 

Auch bei der Entwicklung des Lysbüchel-Areals parti­zi­piert Immobilien Basel-Stadt mit einem Holzbau. Koell­reuter sieht Holz jedoch als Mittel zur Erfüllung eines Ziels – des Ziels des nachhal­tigen Bauens – und nicht als Ziel an sich. Vor diesem Hinter­grund entwi­ckelte Immobilien Basel-Stadt zusammen mit ZPF Ingenieuren ein Tool zur Schätzung der Ökobilanz von Gebäuden. Dieses Tool soll in Wettbe­werben mittels weniger Parameter aufzeigen, wie ökolo­gisch eine Konstruktion ist und dient so einer­seits den Planern als Hilfe beim Entwurf und anderer­seits der Auslo­berin als Entschei­dungs­grundlage. Nachhal­tigkeit messbar machen – ob und wie dies möglich ist, wird oft und viel disku­tiert. Immobilien Basel-Stadt schreitet mutig voran und möchte so dem Anspruch, der Immobi­li­en­branche im Hinblick auf nachhal­tiges Bauen ein Vorbild zu sein, gerecht werden. 

Holzanteil verdoppeln?

Etwas theore­ti­scher wurde es bei Jörg Schläpfer, dem Leiter Makro­öko­nomie bei Wüest Partner. Seine neue durch das Bundesamt für Umwelt unter­stützte Studie analy­siert die CO2-Substi­tu­ti­ons­wirkung von Holz und kommt zum Schluss: Würde der Anteil von Holz bei Neubauten bis 2050 verdoppelt, würde die Schweiz jährlich 500’000 Tonnen weniger CO2 ausstossen. Dies entspricht dem Verbrauch von 200’000 Haushalten, die mit Gas oder Öl heizen, oder 1% unserer jährlichen Emissionen. Ein einfacher Dreisatz legt nahe, was es bedeuten würde, wenn wir den Holzanteil bei Neubauten nicht nur verdoppeln, sondern verdrei- oder gar vervier­fachen würden.

Experi­men­telles Wohnen in Holzbauten

Nach Hochhäusern und Siedlungen ging  es dann bei der Präsen­tation des Projekts «Perfor­ma­tives Haus» um Tiny Apart­ments. Yves Rogger, Leiter Projekt­ent­wicklung bei der Bauherrin UTO Real Estate Management, die die Entwicklung von innova­tiven Wohnpro­jekten zu ihrem Kernge­schäft gemacht hat, und Christian Inder­bitzin, Partner beim Archi­tek­turbüro Edelaar Mosayebi Inder­bitzin, nahmen die Teilnehmer mit auf eine Expedition ins Reich der Wandel­barkeit. Auf relativ kleiner Grund­fläche entstehen derzeit im Quartier Unter­strass Wohnungen für Klein­haus­halte, die mittels drehbarer Wandele­mente und immer wieder neue Raumsi­tua­tionen schaffen. Dem Projekt ging eine Forschungs­arbeit an der ETH Zürich voraus: Ein Mockup dieser neuen Wohnform wurde nämlich auf dem Dach des Archi­tek­tur­de­par­te­ments von 40 Testper­sonen bewohnt. Dabei konnte das räumliche und konstruktiv-technische Zusam­men­spiel der Bauteile im Alltag getestet werden. Das «Perfor­mative Haus» steht inzwi­schen kurz vor der Fertig­stellung, die Wohnungen sind bereits seit Anfang des Jahres vermietet. Für einen Holzbau entschied man sich bei diesem Projekt nicht nur aus stati­schen Gründen, sondern auch darum, weil die Erstellung des Gebäudes so besonders schnell vonstatten gehen konnte. 

Höher = besser?

Den Abschluss der Veran­staltung bildete eine Podiums­dis­kussion über die Nachhal­tigkeit von aus Holz gebauten Hochhäusern. Darüber unter­hielten sich Jörg Lamster, Partner bei Wüest Partner und Geschäfts­leiter der Tochter­firma Durable, Marc Pointet, CEO von Ina Invest AG, der Bauherrin von «Rocket», und Jonathan Koell­reuter, Leiter des Portfo­lio­ma­nage­ments von Immobilien Basel-Stadt. Ganz klar beant­worten liess sich die Frage nicht, einig war man sich aber darüber, dass Leucht­turm­pro­jekte wie «Rocket» Vorbild­cha­rakter haben im Hinblick auf das Ziel, die Nachhal­tigkeit im Bausektor durch Bauen mit Holz zu erhöhen.

Wir freuen uns auf die nächsten Veran­stal­tungen und bedanken uns bei unserem Auftrag­geber, dem Bundesamt für Umwelt, bei unserem Partner Espazium sowie bei unseren Sponsoren, bei den Referent:innen und natürlich bei allen Teilnehmer:innen.

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