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Wohnsituation und Wünsche der jüngeren Generation

03. Oktober 2024

Die schweizweite Wohnzufriedenheit hat sich 2024 gemäss der Immo-Barometer-Befragung von Wüest Partner auf hohem Niveau stabilisiert, nachdem sie in den letzten Jahren leicht gesunken war. Über 90 Prozent der Mieterhaushalte geben an, entweder «zufrieden» oder «sehr zufrieden» zu sein, bei den Eigentümerhaushalten sind es nahezu alle Haushalte. Auffällig ist jedoch die geringere Zufriedenheit der unter 35-jährigen, sowohl bei Mietenden als auch bei Eigentümer:innen. Diese jüngere Altersgruppe zeigt zudem eine grössere Umzugsbereitschaft. Was sind die Gründe und wie möchten junge Menschen wohnen? Welche Kriterien sind ihnen wichtig, und worauf sind sie bereit zu verzichten?

Hohe Wohnzufriedenheit – doch der Glanz bleibt für die Jüngeren aus

Ein Vergleich nach Altersklassen zeigt, dass die unter 35-jährigen etwas weniger glücklich mit ihrer aktuellen Wohnsituation sind als die älteren Haushalte. Der Anteil der jüngeren Befragten, welchen es «ziemlich gut» oder «sehr gut» in ihrer derzeitigen Wohnung gefällt, liegt leicht unter jenen der beiden anderen Alterskategorien. Grösser sind die Unterschiede beim Anteil der Befragten, welchen es «sehr gut» gefällt. Im ersten Blogbeitrag zur Immo-Barometer-Befragung von Wüest Partner haben wir aufgezeigt, dass es den Eigentümerinnen und Eigentümern unter den Umfrageteilnehmenden deutlich öfter «sehr gut» in ihren eigenen vier Wänden gefällt als Mietenden. Als erster möglicher Erklärungsansatz springt daher die Eigentumsquote ins Auge, welche bei den höheren Altersklassen natürlicherweise höher ausfällt als in der jüngsten Altersgruppe. Obwohl dies auch innerhalb der jeweiligen Altersgruppen zutreffend ist, fällt der Anteil der Befragten, welchen es aktuell unabhängig von der Wohnform «sehr gut» in ihrem jeweiligen Zuhause gefällt, bei den unter 35-jährigen spürbar tiefer aus. Die Gründe dafür sind vielfältig, dürften jedoch vor allem in den gestiegenen Wohnkosten liegen, wie im folgenden Abschnitt erläutert wird.

Wie gut gefällt es Ihnen aktuell in Ihrer Wohnung/ihrem Haus?

Abbildung 1

Gründe für tiefere Zufriedenheit und höhere Umzugsbereitschaft

Die jüngste Altersgruppe zeigt sich mit vielen Aspekten ihrer Wohnsituation weniger zufrieden. Sowohl bei objektspezifischen als auch bei Umfeldfaktoren liegen die Zufriedenheitswerte in der aktuellen Befragung deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt. Besonders stark gesunken ist die Zufriedenheit mit den Hypothekar- und Mietzinsen sowie mit der Nachhaltigkeit und dem Energieverbrauch der Haushaltsgeräte. Der Rückgang bei der Zufriedenheit mit den Hypothekar- und Mietzinsen fällt bei den unter 35-jährigen im Vergleich zu den anderen Altersgruppen besonders stark aus. Dass die Zufriedenheit bei der jüngsten Gruppe der Befragten niedriger ausfällt ist jedoch nachvollziehbar, da hier oft auch ein Vergleich zum Elternhaus gezogen werden dürfte. Zudem verfügen die unter 35-Jährigen in der Regel über geringere Einkommen und damit über begrenzte finanzielle Möglichkeiten, um ihre Wohnträume zu realisieren. Die daraus resultierenden Kompromisse zwischen Preis und Qualität des Wohnobjekts dürften wesentlich dazu beitragen, dass die Wohnzufriedenheit der 15- bis 34-Jährigen geringer ausfällt als bei den älteren Generationen.

Bei der Bewertung der Nachhaltigkeit und des Energieverbrauchs zeigt sich in dieser Altersgruppe ein ähnliches Bild: Der Anteil der «eher» oder «sehr» Zufriedenen ist hier um 12 Prozent tiefer als im Durchschnitt der Befragungen seit 2015 – im Gesamtdurchschnitt aller Befragten resultierte lediglich ein Minus von 6 Prozent. Eine der wenigen Ausnahmen, bezüglich welcher die unter 35-jährigen heute eher zufriedener sind als im Mittelwert seit 2015, bildet das kulturelle Angebot in der Umgebung. Dieser Anstieg könnte jedoch, wie bereits im ersten Blogbeitrag erwähnt, auf einen Basiseffekt nach der Pandemie zurückzuführen sein.  

Die insgesamt geringere Wohnzufriedenheit und die grössere Mobilität jüngerer Menschen spiegeln sich auch in einer höheren Umzugsbereitschaft wider. Nur etwa 30 Prozent der unter 35-jährigen schliesst einen Umzug aus. Dem steht in etwa dieselbe Anzahl gegenüber, welche gelegentlich oder möglichst bald umziehen möchten. Diese Werte liegen deutlich über jenen der älteren Altersgruppen. Die Hauptgründe für einen potenziellen Umzug sind laut den Befragten neben den Veränderungen in der Lebenssituation (76 Prozent) auch die zu hohen Wohnkosten (70 Prozent).

Welche der nachfolgenden Aussagen trifft aus Sie / Ihren Haushalt am ehesten zu?

Abbildung 2

Wie also möchten die jungen Menschen wohnen?

Bei der Frage nach dem gesuchten Objekt konnten die Umfrageteilnehmer mehrere Wohnformen angeben, wurden aber gebeten, ihre derzeitige Situation zu berücksichtigen. Für rund 60 Prozent der unter 35-jährigen kommt realistisch gesehen eine Mietwohnung in Frage. Erstaunlicherweise gaben bei dieser Frage rund 37 Prozent der Befragten an, dass für sie ein Hauskauf, und für etwa 27 Prozent der Erwerb einer Eigentumswohnung infrage käme. Diese Aussagen könnten auf der Erwartung beruhen, Immobilien zu erben. Das ist gut möglich, denn für viele Befragte unter 35 Jahren bleibt Wohneigentum vermutlich weiterhin keine realistische Option. So haben die Preisanstiege der letzten Jahre – trotz der jüngsten Verlangsamung – dazu geführt, dass Wohneigentum für einen grossen Teil der Schweizer Bevölkerung unerschwinglich geworden ist oder dessen Erwerb zumindest ein deutlich überdurchschnittliches Haushaltseinkommen erforderlich macht (zu den Transaktionspreisindizes).

Was kommt für Sie bzw. für Ihren Haushalt realistisch gesehen am ehesten in Frage? Bitte beantworten Sie diese Frage auch unter Berücksichtigung Ihrer finanziellen Möglichkeiten.

Abbildung 3 - berücksichtigt wurden nur die Antworten der unter 35-jährigen

Exkurs: Tragbarkeit vor allem in ländlichen Gebieten gegeben

Abbildung 4 zeigt, in welchen Gemeinden das mittlere Haushaltseinkommen der unter 35-jährigen ausreicht, respektive um wieviel über dem mittleren Einkommen das Haushaltseinkommen in der jeweiligen Gemeinde liegen müsste, um die Tragbarkeitsrichtlinien der Banken für den Kauf einer Eigentumswohnung zu erfüllen (zu den Modellannahmen). Mit dem mittleren Einkommen sind die Tragbarkeitskriterien vor allem noch im ländlichen Raum erfüllt, während im städtischen Raum deutlich höhere Einkommen zur Finanzierung benötigt werden. Jedoch ist es nur für rund ein Drittel der Befragten unter 35 überhaupt eine Option, ihr zukünftiges Zuhause in der Peripherie (in einer sehr kleinen Stadt oder einem Dorf) zu beziehen.

Tragbarkeit eines mittleren Objektes pro MS Region

Abbildung 4 - Die Abbildung zeigt, wo das durchschnittliche schweizweite Haushaltseinkommen der unter 35-jährigen ausreicht um die Tragbarkeitsrichtlichen für den Kauf einer Eigentumswohnung zu erfüllen (dunkelblau) respektive um wie viel Prozent das Einkommen über dem Durchschnitteinkommen der unter 35-jährigen liegen müsste.

Annahmen für die Berechnung der Tragbarkeit: Für die Berechnung der Tragbarkeit wurde das mittlere Brutto-Haushaltseinkommen der unter 34-jährigen gemäss der Haushaltsbefragung 2018/2019 des Bundesamts für Statistik (BfS) als Basis verwendet (dabei handelt es sich um die aktuell verfügbaren Daten). Für 2024 wurde das Haushaltseinkommen anhand des Nominallohnindexes des BfS approximiert und auf monatlich rund 9'230 CHF geschätzt. Für die Berechnung der Tragbarkeit wurde eine Belehnung des Objektes von 80% des aktuellen Marktwertes einer Eigentumswohnung in der jeweiligen Gemeinde angenommen. Der verwendete kalkulatorische Zinssatz beträgt 5 Prozent. Es wurden Amortisationen von 1 Prozent des Kreditvolumens sowie Unterhalts- und Nebenkosten von 1 Prozent des Liegenschaftswertes angenommen. Die Wohnkostenbelastung sollte dabei einen Drittel des Bruttoeinkommens (resp. eines Vielfachen davon), nicht übersteigen, damit die Tragbarkeit erfüllt ist.

Auch für die übrigen Suchenden besteht jedoch Hoffnung, den Traum von den eigenen vier Wänden zu erfüllen, wenn man bereit ist, auf gewisse Qualitätsansprüche zu verzichten. Das hier verwendete Musterobjekt ist 5-jährig und hat entsprechend auch einen relativ hohen Ausbaustandard. Wenn man bereit ist, diesbezüglich Abstriche zu machen, dürfte der Kaufpreis und damit auch die Hypothek spürbar tiefer ausfallen.

Eine ähnlich angespannte Situation zeigt sich auch am Mietwohnungsmarkt. Einerseits sind die Mieten im vergangenen Jahr qualitätsbereinigt teils deutlich angestiegen und andererseits zeigen die jüngsten Zahlen des Bundesamtes für Statistik einen weiteren Rückgang des Mietwohnungsleerstands, was die Wohnungssuche zusätzlich erschwert (Leerstehende Wohnungen: Neuste Entwicklungen und Schlüsseldaten).

Kann auf gewisse Qualitätsansprüche verzichtet werden?

Sowohl bei der Suche nach Wohneigentum, als auch bei der Suche nach einer Mietwohnung zu einem vergleichbaren Preis mit der jetzigen, müssen höchstwahrscheinlich Abstriche bei bestimmten Wohnfaktoren gemacht werden. Die Frage nach den Verzichtsfaktoren zeigt aber, dass beispielsweise der allgemeine Ausbaustandard, welcher durchaus preisreduzierend wirken könnte, nur für rund 21 Prozent der der Befragten unter 35 Jahren bei der Suche nach einer neuen Bleibe zugunsten eines tieferen Mietpreises resp. Kaufpreises verzichtbar ist. Noch geringer ist die Kompromissbereitschaft beispielsweise bei der Grösse der Wohnung, dem Balkon oder einem Kellerabteil. Dafür wird weniger Wert auf den privaten Parkplatz beim Haus, einen Garten oder ein zweites resp. drittes WC oder Bad gelegt.

Worauf könnten Sie zugunsten einer geringeren Miete / eines geringeren Kaufpreises an einer Wohnung / einem Haus am ehesten verzichten?

Abbildung 5 - berücksichtigt wurden nur die Antworten der unter 35-jährigen

Jüngere Befragte mit anderen Schwerpunkten bei der Wohnungssuche

Bei der Wahl eines neuen Objekts priorisieren die jüngeren Befragten ähnliche Faktoren wie die anderen Altersgruppen, sind jedoch insgesamt etwas weniger anspruchsvoll. Da ein Grossteil der unter 35-jährigen zur Miete wohnt, basiert der Vergleich der Altersgruppen ausschliesslich auf den Aussagen der Mieterhaushalte. Die Ergebnisse dürften jedoch weitgehend auch auf die Eigentümerinnen und Eigentümer übertragbar sein.
Besonders auffällig sind die Unterschiede zu den höheren Alterskategorien bei der Aussicht und dem Abstand zum nächsten Gebäude. Hier liegen die Anteile der Befragten, für welche diese Kriterien von Bedeutung oder sogar ausschlaggebend sind, bei den unter 35-jährigen deutlich unter jenen der beiden anderen Alterskohorten. Auch beim Thema Nachhaltigkeit und Energieverbrauch gibt es klare Unterschiede, insbesondere im Vergleich zur Generation 65+. Möglicherweise ist die ältere Generation stärker sensibilisiert auf Veränderungen bei den Nebenkosten. Zusammenfassend lässt sich sagen: Jüngere scheinen ihre Ansprüche oftmals realistisch an ihre Wohnbudgets angepasst zu haben und akzeptieren eine höhere Wohndichte.

Wie wichtig sind/wären die folgenden Punkte für Sie bzw. für Ihren Haushalt aktuell bei der Objektauswahl?

Abbildung 6 - Prozent der Befragten für welches dieses Kriterium auch noch von Bedeutung oder ausschlaggebend bei der Objektausahl ist

Lagefaktoren: Jüngere Generation priorisiert Nähe zu Familie und Arbeitsweg

Bei den Umfeldfaktoren zeigen sich einige Aspekte, die für die jüngste Altersgruppe bei der Wohnungssuche wichtiger sind als für die älteren Generationen. Dazu zählen insbesondere die Nähe zu Freunden und Familie, aber auch zu Schulen und Kindergärten sowie die Länge des Arbeitswegs. Die älteren Generationen hingegen legen mehr Wert auf Faktoren, die ihre Selbstständigkeit im Alter unterstützen, wie die Nähe zu öffentlichen Verkehrsmitteln und Einkaufsmöglichkeiten. Komfortmerkmale wie Umgebungslärm und die Nähe zu Naherholungsgebieten sind ebenfalls wichtiger für die Älteren. Das Thema «Wohnen im Alter» werden wir im dritten und letzten Blogbeitrag (erscheint am 10.10.2024) zur Immo-Barometer-Befragung gesondert beleuchten.

Wie wichtig sind/wären die folgenden Punkte für Sie bzw. für Ihren Haushalt aktuell bei der Objektauswahl?

Abbildung 7 - Prozent der Befragten für welches dieses Kriterium auch noch von Bedeutung oder ausschlaggebend bei der Objektausahl ist

Fazit

Die Wohnzufriedenheit der unter 35-jährigen ist niedriger als bei älteren Altersgruppen – sowohl bei Mietenden als auch Eigentümern. Besonders gesunken ist der Anteil derer, denen es «sehr gut» in ihrer Wohnung gefällt. Gründe dafür sind vor allem höhere Hypothekar- und Mietzinsen sowie die Unzufriedenheit mit den Energiekosten. Trotz gestiegener Immobilienpreise betrachten viele junge Menschen Eigenheime weiterhin als realistische Option. Fokussieren dürfte sich dieser Wunsch jedoch vorwiegend auf ländliche Gebiete, da es dort aufgrund der niedrigeren Einkommen der jungen Generation eher realisierbar ist. Bei der Wohnungssuche legen sie ähnliche Kriterien wie ältere Generationen an, jedoch mit einer höheren Akzeptanz für ein dichteres Wohnumfeld. Einhergehend damit legen sie den Fokus auf soziale Nähe und kurze Arbeitswege.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Verdichtungsbestrebungen bei der jungen Generation durchaus auf Zustimmung stossen. Allerdings sind weitere Anstrengungen nötig, um die Wohnqualität zu verbessern, denn junge Menschen dürften von der gegenwärtig angespannten Situation auf dem Wohnungsmarkt besonders betroffen sein, da steigende Kosten und die eingeschränkte Verfügbarkeit von Wohnraum deren Optionen erheblich einschränken.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um den zweiten Teil der Blogtriologie zur «Immo-Barometer»-Befragung. Im ersten Teil «Wohnzufriedenheit: Ein Blick auf aktuelle Entwicklungen» wurden die generelle Wohnzufriedenheit und wichtige Einflussfaktoren aufgezeigt. Im dritten und letzten Teil (10. Oktober 2024) wird das Thema «Trends und Wohnwünsche für das höhere Alter» vertieft behandelt.

Der «Immo-Barometer» von Wüest Partner
Der «Immo-Barometer» ist eine gesamtschweizerische Umfrage zu den Themen Wohnzufriedenheit und Wohnbedürfnisse. Wüest Partner hat diese auch im Jahr 2024 mit der Unterstützung des Hauseigentümerverbandes Schweiz (HEV) und des Schweizerischen Verbandes der Immobilienwirtschaft (SVIT Schweiz) durchgeführt. Dabei werden jeweils rund 1000 repräsentativ ausgewählte Haushalte in der deutsch- und französischsprachigen Schweiz ausführlich zur aktuellen Wohnsituation und zu allfälligen Veränderungsabsichten befragt. Es handelt sich beim «Immo-Barometer» um eine Langzeitstudie, die erstmals im Jahr 1988 und seither mindestens alle zwei Jahre erhoben wurde.