Nachhaltige Schulraumplanung: Lebenszyklusgerechte Planung
Veröffentlicht am: 14. Juli 2025 Letzte Aktualisierung: 14. Juli 2025

Drei Beiträge zur nachhaltigen Schulraumplanung befassen sich jeweils mit einem zentralen Aspekt: Der erste Beitrag legte den Fokus auf die Schülerprognose, während der zweite Beitrag strategische Überlegungen bei der Schulraumplanung in den Mittelpunkt stellte. Dieser dritte Beitrag widmet sich der ökologischen, ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit in der Schulraumplanung.
Nachhaltigkeit spielt in der Schulraumplanung eine zentrale Rolle. Der finanzielle Aufwand für Bau und Betrieb von Schulgebäuden ist gross, ebenso der Ressourcenverbrauch und die Bedeutung für die Gesellschaft. Viele Gemeinden sehen sich einer Vorreiterrolle in Bezug auf nachhaltiges Bauen, und stellen hohe Anforderungen an die Planung, die Realisierung und den Betrieb von Schulgebäuden. Eine umfassende Nachhaltigkeitsprüfung gehört mittlerweile zum Standardprozess bei Schulraumplanungen. Deren Ziele und Prozesse sind meist auf eine langfristige Nutzung der Gebäude ausgerichtet; der Betrachtungshorizont für die Energie- und Treibhausgasbilanz beispielsweise beträgt 60 Jahre. Angesichts schwankender und zukünftig immer öfter auch sinkender Schülerzahlen ist es angezeigt, die Nachhaltigkeitsbeurteilung neu zu denken. Dabei sollen die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit — Ökologie, Ökonomie und Soziales — gleichberechtigt betrachtet werden, um angemessene Entscheidungsgrundlagen für die Abwägung zwischen Fixbauten, Provisorien und Umnutzungen zu bieten.
Ökologische Nachhaltigkeit
Die wichtigsten Kriterien ökologischer Nachhaltigkeit umfassen den Ressourcenverbrauch, den Klimaschutz, die Biodiversität und das Wassermanagement. Im Zentrum steht die Betrachtung der Ökobilanz über den gesamten Lebenszyklus – von Bau, Betrieb und Erneuerung bis zum Rückbau. Während bei Altbauten der Ressourcenverbrauch primär im Betrieb anfällt, ist bei Neubauten der Resourcenverbrauch der Erstellung entscheidend. Neubauten unterliegen hohe Effizienzstandards und erfordern aufwändige Dämmung und Technik, die sich nur bei langer Nutzung ökologisch und finanziell amortisieren. Entsprechend herausfordernd sind provisorische Schulgebäude: Sie gelten als ordentliche Neubauten und müssen daher auch deren hohe baulichen Anforderungen erfüllen. Dies treibt den Ressourcenverbrauch und erschwert die Wiederverwendung von Modulen.
Schulbauten weisen einen erheblichen Bodenverbrauch auf. Sie verfügen meist über grosse Umgebungsflächen mit hoher Nutzungsintensität. Aussenflächen wie Pausen- oder Sportplätze sind häufig versiegelt, obwohl sie – besonders in innerstädtischen Lagen – zur Biodiversität und zur Regenwasserspeicherung beitragen könnten. Mehrzweckräume und Turnhallen erfordern grosse Bauvolumen. Eine Alternative ist, Flächen in den Untergrund zu verlagern, was jedoch hohe Kosten und Emissionen verursacht. Nichtzuletzt ist Bodennähe auch pädagogisch wichtig. Das Raumprogramm von Schulbauten wird somit meist flächig verteilt.
Ökonomische Nachhaltigkeit
Finanzielle Aspekte sorgen bei der Schulraumplanung oft für Diskussionen, da Bau und Betrieb von Schulen in allen Gemeinden einen grossen Budgetposten darstellen. Eine vorausschauende strategische Planung kann helfen, unnötige Debatten zu vermeiden.
Für eine langfristige Flexibilität sind Mehrfachnutzungen von Räumen entscheidend. Da sich die Nachfrage nach Schulraum auch kurzfristig verändern kann, ist es hilfreich, wenn Räume für verschiedene Nutzungen funktionieren.
Ausgaben für die Volksschule sind Investition in die Zukunft. Steuerzahler finanzieren nicht nur die Ausbildung ihrer eigenen Kinder, sondern auch die der zukünftigen Generationen.
Soziale Nachhaltigkeit
Schulen sind zentrale Institutionen unserer Wissensgesellschaft und sichern die langfristige Prosperität und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Viele Schulbauten verkörpern diese Rolle architektonisch und dienen auch als Quartierzentren und Begegnungsorte.
Ein weiteres zentrales Element ist das Wohlbefinden der Nutzenden. Ein gutes Lernumfeld fördert die Bildungsqualität – durch Tageslicht, Akustik, Rückzugsorte und Sicherheit. Da Schulen für Kinder oft der erste Aufenthaltsort ausserhalb der Familie sind, müssen sie besonders auf deren Bedürfnisse eingehen – und zugleich ein gutes Arbeitsumfeld für Erwachsene bieten. Schulbauten unterscheiden sich deshalb deutlich von generischen Gebäudetypen wie Büros oder Wohnungen.
Handlungsoptionen für Gemeinden
Grundsätzlich gibt es bei der Erstellung von Schulraum drei Handlungsoptionen:
- Fixbau
- Provisorium
- Umnutzung, Einmietung
Nicht immer fehlt es an Schulraum. Im Gegenteil es dürfte künftig mehr Gemeinden mit sinkenden als mit wachsenden Schülerzahlen geben (vgl. Blog Teil 1). Die Gemeinden können gemäss ihrer Wachstumsdynamik in vier Typen eingeteilt werden. Was sind die passenden Strategien für diese Typen?
- Schrumpfend: In diesen Gemeinden sinkt die Schülerzahl bereits und wird zukünftig weiter abnehmen. Früher oder später stellt sich dort daher die Frage, wie der nicht mehr benötigte Schulraum genutzt werden soll. Es gibt drei Optionen: anderweitige Nutzung durch Gemeinde, Vermietung oder Verkauf. Da in diesen Gemeinden meist auch die Bevölkerung schrumpft, ist es aber nicht einfach, für freiwerdende Flächen eine passende Nachnutzung zu finden.
- Peak: In einigen Gemeinden steigt die Schülerzahl derzeit noch, wird aber langfristig abnehmen. Dort droht ein vorübergehenden Schulraummangel. Diese fehlenden Kapazitäten werden am besten mit Provisorien oder durch Anmietung oder Umnutzung von Flächen überbrückt.
- Talsohle: In manchen Gemeinden sinken die Schülerzahlen vorübergehend, steigen langfristig aber wieder an. Diese Gemeinden können sich frühzeitig vorbereiten und überflüssigen Schulraum bei Bedarf zwischennutzen – etwa für Start-ups, Kulturprojekte, Kurse, Kinderbetreuung oder Vereine.
- Wachsend: Für Gemeinden mit dauerhaft steigenden Schülerzahlen sind die Erstellung von zusätzlichen Fixbauten sowie Umnutzungen die passenden Optionen.
Je nachdem, wie sich die spezifische Ausgangslage einer Gemeinde präsentiert, wird die Strategie unterschiedlich ausfallen. Im Folgenden werden Vor- und Nachteile der Handlungsoptionen diskutiert.
Handlungsoptionen für Gemeinden und ihre Vor- und Nachteile
Ausgangslage
Fixbau
Ein Neubau kann für das geforderte Raumprogramm und die aktuell geltenden Rahmenbedingungen optimiert werden.
Provisorium
Provisorien müssen nicht nur für die unmittelbar vorgesehene Nutzung, sondern auch für den Transport sowie für verschiedene Aufstellungsorte optimiert werden. Eine Weiternutzung an einem anderen Standort zu einem späteren Zeitpunkt erfordert Flexibilität und eine vorausschauende Planung.
Umnutzung
Wenn bestehende Gebäude umgenutzt werden und/oder gemietet werden, sind sie in den meisten Fällen nicht optimal geeignet für Schulzwecke. In diesem Sinne ist ein kreativer Umgang mit dem Bestand gefordert.
Treibhausgasemissionen bei der Erstellung
Fixbau
+ Optimierter Bau möglich.
+ Lange Lebensdauer ermöglicht Amortisation der grauen Treibhausgase.
– Das vollständige Raumprogramm führt meist zu einem hohen Anteil an Untergeschossen und damit zu einem hohen Betonanteil.
– Falls das Gebäude nicht so lang gebraucht wird wie vorgesehen, besteht das Risiko eines «Stranded Carbon Asset» und von ineffizient eingesetzten Ressourcen.
Provisorium
+ Mehrfache Nutzung möglich.
+ Oberirdische Bauweise mit potenziell guter Ökobilanz.
– Transport und Stapelbarkeit führen zu statischer Überdimensionierung oder Einschränkung in Bezug auf die Gebäudehöhe.
– Die energetischen Anforderungen an den Betrieb und die Dämmstandards sind gleich hoch wie für permanente Bauten. Die bei der Erstellung entstehenden Emissionen müssen aber in kürzerer Zeit amortisiert werden.
– Auch provisorische Bauten brauchen Fundamente und andere ortsfeste Massnahmen, die sinnvollerweise über einen langen Zeitraum genutzt werden sollten.
Umnutzung
+ Die Umnutzung bestehender Bauten ist ein grosser Hebel bei der Reduktion der grauen Treibhausgase.
+ Im Idealfall kann der durch die Umnutzung verlängerte Lebenszyklus der vorhandenen Gebäude die Defizite der nicht für die Nutzung optimierbaren Bausubstanz kompensieren.
Treibhausgasemissionen im Betrieb
Fixbau
+ Sehr hohe Energieeffizienz durch standortoptimiertes Energiekonzept.
+ Alle modernen Technologien stehen zur Verfügung.
+ Massivbau fördert die thermische Trägheit (Nachtauskühlung, passive Konzepte).
Provisorium
– Wärmepumpen und Lüftungen mit hoher Energieeffizienz lohnen sich nicht (insbesondere Erdsonden und Grundwassernutzungen).
– Leichtbau erfordert höhere Leistungen (Heizung, Kühlung).
Umnutzung
+/– Grundsätzlich abhängig von der Gebäudesubstanz.
– Intensive Nutzung bedingt oft Anpassungen an der Lüftung (z. B. im Vergleich zu Wohnungen) oder führt zu Unbehaglichkeit und sinkender Energieeffizienz (unkontrolliertes Lüften).
Ökologische Qualität des Aussenraums
Fixbau
+ Langfristige Planung ermöglicht hohe Qualität.
+ Unterirdische Bauten reduzieren Bodenverbrauch (erhöhen aber den Ausstoss grauer Treibhausgase).
Provisorium
– Aufwändige Landschaftsgestaltung lohnt sich weniger.
– Hoher Flächenbedarf.
– Wasserretention auf Dächern führt zu zusätzlichen statischen Anforderungen an Module.
Umnutzung
- Aussenraum nicht optimiert für Schulnutzung.
Wohlbefinden/Komfort
Fixbau
+ Planung erfüllt sämtliche Ansprüche (z. B. kindergerechte Architektur).
+ Hochwertige Bauweisen und Materialien.
+ Hoher Raumkomfort.
Provisorium
+ Planung erfüllt die spezifischen Ansprüche beim Zeitpunkt der Erstellung.
– Leichte Bauweise tendiert zu schlechterem Raumklima.
Umnutzung
– Bestehende Gebäude erfüllen spezifische Anforderungen nur bedingt (Raumgrössen, Belichtung, kindergerechte Architektur etc.).
– Umnutzungen und Einmietungen sind oft Kompromisse zwischen dem erwünschten Konzept und der konkret vorhandenen Bausubstanz.
Chancen, Risiken
Fixbau
Wird eine gewisse Flexibilität (Erweiterungsfähigkeit, Umnutzung, Ergänzung, Abtrennung etc.) in die Planung miteinbezogen, ist der permanente Bau langfristig eine adäquate Strategie mit guter Nachhaltigkeitsbilanz. Insbesondere weist sie der Institution Schule den Wert zu, der ihr in unserer Gesellschaft zukommt.
Provisorium
Temporäre Bauten bieten insbesondere als kurzfristige Ergänzungen bei Sanierungen, als Überbrückung während des Neubaus einer grossen Schulanlage oder zur Brechung von Spitzen eine gute Lösung. Die ökologische Nachhaltigkeit hängt primär von der Nutzungsdauer und der Weiter- oder Wiederverwendbarkeit ab («Design to Disassemble»). Sind die einzelnen Lebenszyklen nicht gut aufeinander abgestimmt, fällt die Ökobilanz negativ aus.
Umnutzung
Schulen in bestehenden Bauten unterzubringen, birgt ein grosses Potenzial für eine hohe Ressourcen- und Energieeffizienz. Dem stehen die meist nicht optimale Erfüllung der programmatischen und pädagogischen Anforderungen gegenüber.
Dies zeigt die Herausforderungen, denen Gemeinden bei der Schulraumplanung begegnen. Zentrales Prinzip der ökologischen Nachhaltigkeit ist die lebenszyklusgerechte Planung. Temporäre Bauten mit einer Lebensdauer von 10 Jahren sollten für ihre kurze Nutzungsdauer optimiert werden und entsprechend weniger stark gedämmt werden als Fixbauten. Wichtiger sind hier die Flexibilität und Wiederverwendbarkeit von Modulen.
Die passende Wahl zwischen Fixbau, Provisorium und Umnutzung hängt stark von der Bedarfsentwicklung ab. Um gut vorbereitet zu sein, sollten Gemeinden, mittels einer strategischen Schulraumplanung ihre spezifische Ausgangslage klären und laufend überprüfen (vgl. Teil 2).
Fazit
Angesichts des hohen Ressourcenverbrauchs und der zentralen Rolle von Schulen in unserer Wissensgesellschaft ist eine nachhaltige Schulraumplanung in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht besonders relevant. Gute Lösungen berücksichtigen vorausschauend den künftigen Bedarf sowie die individuelle Ausgangslage der Gemeinde. Dabei ist die Bautypologie und der Standard von neuen Schulanlagen optimal auf die vorgesehene Nutzungsdauer abzustimmen.
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