Bevölkerung und Haushalte: Die Entwicklung in der Schweiz bis 2050
03. Juni 2024
Die demografische Entwicklung ist eine der wesentlichen Einflussfaktoren auf den Immobilienmarkt. Sie bestimmt die Nachfrage nach Wohnungen und wirkt sich damit auf deren Preise und Mieten aus. Doch wie wird sich die Schweizer Bevölkerung in den kommenden Jahrzehnten entwickeln? Welche Veränderungen sind bei der Zusammensetzung der Haushalte zu erwarten? Und wie verteilen sich diese Entwicklungen über die Schweiz? Diese Fragen werden anhand neuer kleinräumiger Bevölkerungs- und Haushaltsprognosemodelle von Wüest Partner beleuchtet.
Die Beziehung zwischen Demografie und Immobilienmarkt ist vielseitig, komplex und von zahlreichen Wechselwirkungen geprägt. Während ein stärkeres Bevölkerungswachstum die Nachfrage nach Wohnraum ankurbelt, beeinflusst der Wohnungsmarkt seinerseits das Verhalten der Menschen bei der Haushaltsbildung. So können beispielsweise ein Mangel an Wohnraum oder hohe Preise die Menschen dazu veranlassen, vermehrt zusammenzuwohnen. Auch die Stadtplanung, die Zahl und die Art der Neubauten sowie die Distanz zu Arbeitsplätzen, Verkaufsflächen und Infrastruktur wirken sich auf die Entwicklung und die Struktur der Bevölkerung aus.
10 Millionen Einwohner im Jahr 2041?
Das Jahr 2023 zeichnete sich durch ein besonders starkes Bevölkerungswachstum von 1.6 Prozent aus. Dies entspricht rund 145 000 zusätzlichen Einwohnerinnen und Einwohnern. Diese Zunahme geht zum einen auf den Arbeitskräftemangel zurück, der viele Unternehmen dazu veranlasst hat, Arbeitskräfte aus dem Ausland anzuwerben. Der Wanderungssaldo der ausländischen Wohnbevölkerung belief sich 2023 auf 98 900 Personen, was den höchsten Wert der letzten 10 Jahre darstellt. Zum anderen wurden ukrainische Flüchtlinge, die seit mehr als einem Jahr in der Schweiz leben, 2023 erstmals zur ständigen Wohnbevölkerung gezählt (etwa 50 000 Personen).
Das Bevölkerungswachstum wird 2024 mit +0.9 Prozent voraussichtlich wieder auf sein durchschnittliches Niveau zurückkehren. Dies hat unter anderem damit zu tun, dass nicht mehr ganz so viele neue Arbeitsplätze geschaffen werden und dass sich die Fluchtbewegung aus der Ukraine deutlich reduziert hat. Trotzdem ist davon auszugehen, dass die Schweiz im laufenden Jahr die 9-Millionen-Einwohner-Marke überschreiten wird.
Die Schweizer Bevölkerung dürfte langfristig weiter wachsen, und 2041 könnte sie die 10-Millionen-Marke knacken. Die Wachstumsraten werden sich jedoch allmählich zurückbilden. Denn die Alterung der Bevölkerung und die niedrige Geburtenrate führen zu einem Rückgang des Geburtenüberschusses. Dieser betrug in den letzten 10 Jahren im Durchschnitt +16 700 Personen. Zwischen 2024 und 2030 wird er jedoch auf +10 900 Personen sinken und ab 2039 sogar negativ sein. Parallel dazu wird die Alterung der Bevölkerung in den grossen Nachbarländern Frankreich, Deutschland und Italien die Erwerbsbevölkerung in diesen Ländern und damit potenziell auch die Migrationsströme in die Schweiz verringern.
Bevölkerung und Haushalte: Unterschiedliche Dynamik
In der Schweiz gibt es heute knapp 4 Millionen Haushalte. Bis 2030 ist mit etwa 240 000, bis 2050 mit rund 750 000 zusätzlichen Haushalten zu rechnen. Obwohl das Bevölkerungswachstum und die Zunahme der Anzahl Haushalte von Natur aus eng miteinander verbunden sind, so können sie sich hinsichtlich ihrer Dynamik doch unterscheiden. Die Entwicklung der Lebensstile und der Altersstruktur der Bevölkerung wird die Art und Weise, wie die Bevölkerung zusammenlebt, und ihre Entscheidungen in Bezug auf die Haushaltsbildung prägen. Zwischen 2012 und 2022 stieg die Zahl der Haushalte im Durchschnitt um 1.3 Prozent pro Jahr. Gleichzeitig wuchs die Bevölkerung nur um 0.9 Prozent pro Jahr − und damit um rund 40 Prozent langsamer als die Haushaltszahl.
Dieser Unterschied fiel in den Jahren 2022 und 2023 geringer aus. Die aktuelle Wohnungsknappheit drängte die Bevölkerung dazu, vermehrt grössere Haushalte zu bilden. Doch langfristig bleibt der Trend zur Individualisierung und zur Bildung kleinerer Haushalte bestehen. So werden zwischen 2023 und 2050 die Einpersonenhaushalte am stärksten wachsen (+28 Prozent), dicht gefolgt von den Zweipersonenhaushalten (+24 Prozent). Dieser Trend ist zum einen eine Folge der Alterung der Bevölkerung. Die meisten Menschen über 65 Jahre leben in Ein- oder Zweipersonenhaushalten, und ihr Anteil an der Bevölkerung wird deutlich steigen. Zum andern wird auch der relative wirtschaftliche Wohlstand in der Schweiz die Entstehung kleiner Haushalte weiter begünstigen.
Agglomerationen wachsen am stärksten, Randregionen verlieren Einwohner
Die regionalen Analysen zeigen, dass die Bevölkerung in den Agglomerationsgemeinden der grossen Städte am stärksten wachsen wird: Sowohl die Bevölkerung als auch die Zahl der Haushalte dürften dort bis 2030 um mehr als 1 Prozent pro Jahr zulegen. Diese Gemeinden sind aufgrund ihrer Nähe zu den grossen Wirtschaftszentren, der guten Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und der im Vergleich zu ihren Kernstädten tieferen Wohnkosten sehr attraktiv und können dank einer intensiven Neubautätigkeit mehr neue Haushalte aufnehmen als die Grossstädte.
Die Gemeinde Bussigny in der Nähe von Lausanne könnte im Jahr 2030 über 30 Prozent mehr Einwohnerinnen und Einwohner aufweisen als 2023. Eine starke Entwicklung wird auch in Thônex, Chêne- Bougeries und Veyrier (Grossraum Genf) oder in Opfikon, Bülach und Dübendorf (Grossraum Zürich) erwartet.
Starkes Wachstum in den Kantonen Freiburg, Waadt und Aargau
Der stärkste Bevölkerungszuwachs aller Kantone wird für den Kanton Freiburg erwartet: Er dürfte bis 2030 jährlich knapp 1.2 Prozent betragen. Die MS-Regionen La Gruyère, Glâne-Veveyse und La Broye, die teilweise nach Lausanne ausgerichtet sind, werden voraussichtlich sogar ein Wachstum von über 1.5 Prozent erreichen. Dies dürfte vor allem dann eintreffen, wenn sich die lokale Wirtschaft, vor allem auch in der Region Lausanne, weiterhin sehr positiv entwickelt. Auch die Kantone Waadt, Zürich und Genf werden aufgrund ihrer hohen wirtschaftlichen Attraktivität und der relativ jungen Bevölkerung überdurchschnittlich wachsen (der Anteil der über 65-Jährigen ist hier vergleichsweise gering).
Es gibt aber auch wachstumsschwächere Gebiete: 21 der 106 MS-Regionen müssen bis 2030 mit einem Bevölkerungsrückgang rechnen. Es handelt sich dabei um periphere Gebiete in den Kantonen Graubünden, Tessin, Bern und Neuenburg, die relativ weit von den wirtschaftlichen Zentren entfernt sind. Deren alternde Bevölkerung wird nicht durch Zuwanderung ausgeglichen. Allenfalls könnte der Trend zu Homeoffice hier für mehr Dynamik sorgen, da dadurch auch abgelegenere Gegenden attraktiv sind.
Interessant ist, dass die Zahl der Haushalte in den Kantonen Tessin und Neuenburg zunehmen dürfte, obwohl ihre Bevölkerung stagniert oder sogar schrumpft. Diese gegenläufigen Trends sind dadurch begründet, dass die durchschnittliche Zahl der Personen pro Haushalt in den kommenden Jahren, insbesondere aufgrund der Alterung, weiter sinken wird.
Die Schweiz im Jahre 2050
2050 könnte die Schweiz 10.3 Millionen Einwohner in 4.7 Millionen Haushalten zählen. Die Konzentration der Bevölkerung in den grossen Städten und deren Agglomerationen dürfte weiter zunehmen und eine starke Stadtentwicklung erforderlich machen. Dagegen werden einige Randregionen und abgelegene Berggebiete Einwohnerinnen und Einwohner verlieren.
Ob sich diese Prognosen bestätigen, hängt in hohem Mass auch von den internationalen Entwicklungen ab. So spielt die relative Attraktivität des Schweizer Arbeitsmarkts im Vergleich zum Ausland eine wichtige Rolle beim Zuzug von Arbeitskräften. Kriege oder der Klimawandel haben einen grossen Einfluss auf Flüchtlingsströme. Was den Geburtenüberschuss betrifft, stellt sich die Frage, ob der starke Geburtenrückgang der letzten Jahre nur ein vorübergehendes Phänomen darstellt oder langfristiger Natur ist. Und schliesslich wirkt sich auch die Migrations-, Wohnungs-, Familien- und Baupolitik massgeblich auf die Entwicklung der Bevölkerung aus.
Die Prognosemodelle von Wüest Partner
Das Bevölkerungsprognosemodell von Wüest Partner
Dieses Modell ermöglicht es, die Entwicklung der ständigen Wohnbevölkerung auf Gemeindeebene nach Alter, Geschlecht und Nationalität bis 2050 vorherzusagen. Es basiert auf der Methode der Kohortenkomponenten. Als Ausgangspunkt wird die letzte verfügbare Bevölkerungsbilanz des Bundesamts für Statistik (BFS) verwendet. Die zukünftigen Entwicklungen werden auf der Grundlage von Annahmen über die Migrations-, Geburten-, Sterbe- und Einbürgerungsraten in jeder Kohorte berechnet. So werden beispielsweise altersabhängige Fertilitäts- und Mortalitätsraten beigezogen, um die Zahl der Geburten und Todesfälle in der Bevölkerung zu prognostizieren. Die Zu- und Abwanderungsströme werden getrennt geschätzt. Die langfristigen Migrationswahrscheinlichkeit sowie den Rückgang der Erwerbsbevölkerung in den Nachbarländern, der das Migrationspotenzial aus diesen Ländern schwächt, werden dabei berücksichtigt. Das Modell wird mit weiteren Daten (Attraktivität der Gemeinden gemäss Standort- und Marktrating oder Mietpreisniveau, die Kapazität der Gemeinden für die Aufnahme neuer Einwohnerinnen und Einwohner, Entwicklungsareale, Neubautätigkeit usw.) ergänzt. Damit können die lokalen Bevölkerungsprojektionen verfeinert werden. Die beiden Hauptstärken dieses Modells sind erstens die feine Granularität der Daten, die Prognosen auf Gemeindeebene ermöglicht. Zweitens wird das Modell jährlich aktualisiert, um die neuesten Zahlen und Trends zu integrieren. So haben wir beispielsweise kürzlich die Annahmen zur Fertilität nach unten revidiert. Grund dafür ist der in den letzten beiden Jahren beobachteten Geburtenrückgang.
Das Haushaltsprognosemodell von Wüest Partner
Dieses Modell schätzt die Entwicklung der Anzahl Haushalte bis 2050. Die Grundlage bilden die aktuellen Haushaltsbilanz des Bundesamts für Statistik (BFS) und das Bevölkerungsprognosemodell von Wüest Partner (siehe oben). Die Schweizer Bevölkerung wird mithilfe von Angaben zu Geschlecht, Nationalität und Altersklasse sowie der Art der Gemeinde, in der sie wohnen, in 684 Segmente unterteilt. Für jedes Segment wird die aktuelle Verteilung der Bevölkerung auf Ein- bis Fünfpersonenhaushalte ermittelt. Die Bevölkerungsprognose sagt vorher, wie viele Personen in Zukunft zu jedem Segment gehören werden. Anhand der Haushaltsgrössenverteilung dieser segmentierten Bevölkerungsgruppen sag das Modell dann vorher, wie sich die Gesamtzahl der Haushalte auf nationaler, regionaler und kommunaler Ebene entwickeln wird. Diese auf der Bevölkerungszusammensetzung basierenden Schätzungen werden mit einem nationalen Trend ergänzt. Dieser ermöglicht es, weitere Faktoren zu berücksichtigen, die die Entwicklung der Haushalte beeinflussen könnten.
Einsatzmöglichkeiten
Die Wüest Partner Bevölkerungsprognose bietet eine aktuelle, kleinräumige und altersspezifische Bevölkerungsvorhersage. Diese kann beispielsweise als Grundlage für Schulraumplanungen oder zur Abschätzung der zukünftigen Nachfrage nach Kinder- und Altersbetreuung oder Gesundheitsdienstleistungen eingesetzt werden.
Aus dem aktuellen Immo-Monitoring
Dies ist ein Auszug aus unserer aktuellen Immo-Monitoring-Publikation. Wenn Sie mehr Informationen wünschen, können Sie sich hier Ihre Ausgabe bestellen.