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Analyse wohnungspolitischer Massnahmen für den Kanton Zürich

12. Dezember 2024

Die Angebotsmieten steigen, der Neubau hinkt dem Bedarf her, und freie Wohnungen werden immer rarer. In grossen Teilen des Kantons Zürich hat sich diese Situation in den letzten Jahren akzentuiert, was den Ruf nach neuen wohnungspolitischen Massnahmen laut werden liess. Doch welche Ansätze können tatsächlich helfen, den steigenden Wohnbedarf zu decken und gleichzeitig die Mietpreis-Dynamik zu dämpfen?

Eine neue Studie von Wüest Partner im Auftrag der Volkswirtschaftsdirektion und der Baudirektion des Kantons Zürich liefert nun zusätzliche Erkenntnisse. Sie analysiert die Wirkung von 22 wohnungspolitischen Massnahmen. Die erwarteten Auswirkungen jeder einzelnen wohnungspolitischen Massnahme – unabhängig davon, ob sie bereits in Kraft ist oder künftig umgesetzt werden könnte – wurden dabei anhand von vier zentralen Dimensionen bewertet:

  • Mietpreisdämpfung: Die Massnahmen wirken sich unterschiedlich stark auf die Entwicklung der Mieten in den einzelnen Mietverhältnissen aus.
  • Angebotsausweitung: Die Massnahmen können den Wohnungsbestand und die Zahl der angebotenen Mietwohnungen im Kanton Zürich unterschiedlich stark vergrössern.
  • Wirkungsintensität: Die Wirkungsintensität zeigt, ob und wie viele Wohnungen im Kanton Zürich unmittelbar und direkt von der entsprechenden Massnahme betroffen sind.
  • Weitere Indikatoren und Nebenwirkungen: Diese Dimension umfasst soziale oder ökologische Folgen, das Kosten-Nutzen-Verhältnis sowie allfällige Nebenwirkungen.

Das Ergebnis ist eine Verortungsmatrix, die alle Massnahmen in den genannten Dimensionen einordnet. Mietpreisdämpfung auf der horizontalen Achse, Angebotsausdehnung auf der Vertikalen, Wirkungsintensität als Kreisgrösse und Nebenwirkungen als Farbcode. Siehe Legende.


Einschätzung der Wirkung von wohnungspolitischen Massnahmen
Verortungsmatrix zur Einschätzung der Wirkung von wohnungspolitischen Massnahmen

Horizontale Achse: Mietpreisdämpfung
Diese Massnahmen führen dazu, dass die Mieten in einzelnen Mietverhältnissen günstiger ausfallen, oder sie dämpfen indirekt via Angebotsausweitung generell das Mietpreisniveau.
Vertikale Achse: Angebotsausweitung
Eine angebotsausweitende Wirkung bedeutet, dass die jeweilige Massnahme den Wohnungsbestand und die Zahl der angebotenen (Miet-)Wohnungen im Kanton Zürich dauerhaft vergrössert.
Kreisgrösse: Wirkungsintensität
Gibt an, ob und wie viele Wohnungen im Kanton Zürich unmittelbar und direkt von der Massnahme betroffen sind. Je grösser ein Kreis, desto stärker die Wirkungsintensität.
Farbe: Weitere Indikatoren und Nebenwirkungen
Umfasst soziale oder ökologische Folgen, das Kosten-Nutzen-Verhältnis sowie allfällige Nebenwirkungen.


Wie erwartet, gehen die Massnahmen wie Mietpreisdeckel und Renditeverbot nicht ohne erhebliche Nebenwirkungen einher. Obwohl sie zwar mietpreisdämpfend auf die Bestandesmieten wirken, wirken sie negativ auf den Wohnungsneubau und auf die Instandhaltung von Bestandsgebäuden (Qualitätsverluste bei den Mietwohnungen). Neben diesen Massnahmen werden im Beitrag Ansätze unterschiedlicher Wirkung behandelt, die sowohl positive als auch begrenzte Effekte zeigen.

Besonders vielversprechend in Bezug auf beide Dimensionen Angebotsausdehnung und Mietpreisdämpfung, erscheint uns die Erhöhung der Ausnützungsziffer in Kombination mit einem Anteil an preisgünstigem Wohnraum. Im Beitrag wird diese Massnahme daher zuerst analysiert, bevor weitere Ansätze summarisch betrachtet werden.

Ausnützungserhöhung – wirkungsvoll bei geeigneter Ausgestaltung

Die Erhöhung der Ausnützungsziffer in Kombination mit einem Anteil an Kostenmiete wird von uns als die vielversprechendste Massnahme bewertet, um den Wohnungsbau zu fördern und gleichzeitig die Mietpreisentwicklung zu dämpfen, respektive bezahlbaren Wohnraum direkt bereitzustellen. Besonders effektiv ist diese Massnahme, wenn durch substanzielle Aufstockungen deutlich mehr Wohnfläche geschaffen wird. Dies steigert die Attraktivität für Investoren und eröffnet den Spielraum für klug gesetzte Nebenbedingungen, wie die Vorgabe, einen bestimmten Anteil an preisgünstigem Wohnraum bei grösseren Neubauten zu realisieren.

Bereits heute erlaubt Art. 49 des kantonal-zürcherischen Planungs- und Baugesetzes (PBG) den Gemeinden, bei Aufzonungen die Schaffung von preisgünstigem Wohnraum vorzuschreiben. Damit diese Massnahme zu einer Win-Win-Win-Situation führt – hohe Investitionsattraktivität, geförderte Wohnraumentwicklung und die Bereitstellung von günstigem Wohnraum – ist es entscheidend, dass die Vorgaben nicht zu restriktiv ausfallen. Die wirtschaftliche Machbarkeit muss gewährleistet sein, damit Bauvorhaben tatsächlich realisiert werden. Konkret bedeutet dies etwa flexible Definitionen, realistische Anteile für preisgünstigen Wohnraum, angemessene Mehrwertabgaben und gleichzeitig genügend hohe Ausnützungen.

Darüber hinaus können Aufstockungen und Anbauten das Wohnungsangebot insgesamt erhöhen und gleichzeitig preisgünstigen Wohnraum erhalten und damit graue Emissionen vermeiden – ein ressourcenschonender Ansatz also. Leider ist in der Praxis oftmals die Wirtschaftlichkeit nicht gegeben. Die baulichen und energetischen Anforderungen sind oftmals zu hoch und die Kosten der Aufstockung rechtfertigen den zusätzlichen Mietertrag nicht. Pragmatischere Ansätze und realistischere bauliche Vorgaben sind daher künftig notwendig, um diese Potenziale zu nutzen. 

Zusammengefasst bieten die Erhöhung der Ausnützungsziffer und nachhaltige Bauweisen wie Aufstockungen grosse Chancen für den Wohnungsmarkt – vorausgesetzt, sie werden mit klaren, pragmatischen Rahmenbedingungen umgesetzt.

Bauliche Erleichterungen wirken vor allem angebotsorientiert

In der Verortungsmatrix sind im oberen linken Bereich Massnahmen positioniert, die auf Angebotsausweitung abzielen und den Baumarkt stärken. Zwar wirken sie indirekt und langfristig mietpreisdämpfend, besitzen aber grosses Potenzial zur Förderung des Wohnungsbaus.  

Pragmatische Prozesse und einfache Abläufe sind essenziell, um Bauherren zu motivieren. Weniger Bürokratie – etwa durch die Reduzierung involvierter Ämter und frühzeitige Klärungen im Dialog statt komplizierter Formulare – kann Bauprojekte erheblich beschleunigen. Zusätzliche Baufreiheit und eine Beschleunigung der Dynamik lässt sich durch die Erhöhung der Ausnützungsziffer und gelockerte Lärmvorschriften schaffen, insbesondere an gut erschlossenen Standorten.  Planungssicherheit ist ein weiterer Schlüssel: Schnellere Verfahren und klare Regeln, wie eine zweistufige Bewilligung mit eingeschränkten Rekursmöglichkeiten, senken das unternehmerische Risiko und fördern die Umsetzung von Bauvorhaben. Zudem können speditive Revisionen von Bau- und Zonenordnungen Investitionshemmnisse abbauen. Zügige und transparente Entscheidungen schaffen Anreize, Projekte rechtzeitig zu realisieren.  

Diese Massnahmen liefern wichtige Impulse für den Wohnungsbau und unterstützen ein ausgewogenes Marktwachstum, indem das Angebot auf Nachfrageimpulse reagieren kann.

Gemeinnütziger Wohnungsbau: Punktuell wirksam

Auf der Verortungsmatrix finden sich einige Massnahmen zur Förderung des gemeinnützigen Wohnraums auf der rechten Seite, das heisst mietpreisdämpfend. Langfristig mietpreisgünstigere Alternativen gelingen den gemeinnützigen Wohnbauträgern durch tiefere Eigenkapitalverzinsung und durch das Konzept der Kostenmiete, bei der Mietpreise nur die laufenden Kosten decken und auf die Abschöpfung von Mehrzahlungen verzichtet wird. Unterstützt wird dies teils durch staatliche Förderungen, die jedoch öffentliche Ressourcen binden und unterschiedlich effizient sind, respektive Opportunitätskosten mit sich bringen.

Ineffizient sind hingegen Subventionierungen von Bauland, da sie angesichts hoher Baulandpreise im Kanton Zürich ein schlechtes Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweisen. Die staatliche Wohnungsproduktion selbst wird ebenfalls als weniger zielführend betrachtet, da keine wirtschaftlichen Vorteile gegenüber nichtstaatlichen Akteuren bestehen. Vielmehr sollte der Staat die Rahmenbedingungen schaffen, um privaten und gemeinnützigen Bauträgern die Realisierung von zusätzlichem Wohnraum zu erleichtern. Solche Ansätze gewährleisten eine langfristige und vielfältige Wohnraumversorgung.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass gemeinnütziger Wohnraum zwar gezielt bestimmte Haushalte entlasten kann, jedoch nur eine eingeschränkte Wirkung auf den gesamten Wohnungsmarkt zeigt.

Mietpreisdeckel und Renditeverbot: Mietpreisdämpfungen mit «hohem Preis»

Zwei Massnahmen stechen durch ihre starke mietpreisdämpfende Wirkung hervor: Mietpreisdeckel und Renditeverbot. Beide können Haushaltsbudgets kurzfristig entlasten, bringen jedoch erhebliche Risiken und Nebenwirkungen mit sich.  

Mietpreisdeckel führen zwar zu niedrigeren Mieten, mindern jedoch langfristig die Investitionsanreize, was weniger Neubau, schlechtere Wohnungsqualität und geringere Marktbeweglichkeit zur Folge hat. Fehlanreize wie das Verbleiben in günstigen Wohnungen verschärfen das Problem. Zudem können Bauprojekte in nicht-regulierte Regionen abwandern, wie das Beispiel Basel-Stadt zeigt. Auch die öffentlichen Finanzen werden durch ein reduziertes Steuersubstrat belastet. Anfängliche Unsicherheiten verstärken die hemmende Wirkung auf Bauaktivitäten zusätzlich. 

Renditeverbote, die die zulässige Rendite auf Wohnimmobilien begrenzen, können ebenfalls kurzfristig preisdämpfend wirken. Zwar sollen sie missbräuchliche Mietzinsen verhindern, doch sie bergen das Risiko, Investitionen unattraktiv zu machen, was langfristig die Wohnraumqualität und das Angebot erheblich beeinträchtigt.  

Rigide wohnpolitische Massnahmen mit starken Nebenwirkungen können die Verlässlichkeit und Attraktivität des Standortkantons Zürich insgesamt schwächen. Besonders problematisch sind lokale oder kantonale Ansätze, die nicht mit umliegenden Regionen abgestimmt sind. Sie fördern räumliche Fehlentwicklungen und bremsen die Innenentwicklung. Wohnbauinvestitionen verlagern sich in weniger regulierte, oft schlechter erschlossene Gebiete, was die nachhaltige Siedlungsstruktur schwächt.  

Diese stark begrenzenden Massnahmen sind daher mit grosser Vorsicht anzuwenden, da ihre langfristigen Nachteile die kurzfristigen Vorteile deutlich überwiegen.

Fazit: Bezahlbare Mieten und genügend Wohnraum bedingen höhere Ausnützung

Die Analyse zeigt, dass keine der untersuchten wohnungspolitischen Massnahmen als universelle Lösung für die Herausforderungen des Wohnungsmarktes im Kanton Zürich dienen kann. Einzelne Massnahmen wie das kommunale Vorkaufsrecht weisen zwar punktuelle Effekte auf, schneiden jedoch insgesamt schlecht ab, da sie zu Unsicherheiten führen und nur geringe mietpreisdämpfende Wirkungen erzielen. Ebenso zeigen Instrumente wie die Wohneigentumsförderung oder die Limitierung von Wohnungsgrössen nur eine bescheidene Wirkung auf die zentralen Zielgrössen.

Welche wohnpolitischen Massnahmen erscheinen nun zielführend anzuwenden? Ein sequenzieller Ansatz, der zunächst die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum priorisiert, erachten wir als sinnvoll. Obwohl Neubauten häufig mit hohen Anfangsmieten verbunden sind und dies auf den ersten Blick kontraintuitiv erscheinen mag, entlasten sie den Markt segmentübergreifend und tragen langfristig zur Mietpreisdämpfung, zum Qualitätserhalt und zur adäquaten Wohnraumversorgung bei.

Zum einen werden durch den Umzug einkommensstärkerer Haushalte in Neubauten ältere Bestandeswohnungen frei, was das Angebot erweitert und die Mietpreisdynamik dämpft. Zum anderen entsteht langfristig durch das «Filtering-down» zusätzlicher bezahlbarer Wohnraum. Denn Wohnungen, die im Laufe der Zeit und mit der Alterung erschwinglicher werden, bilden die wichtigste Grundlage für günstigen Wohnraum. Ohne ein generelles Wachstum des Wohnungsangebots bleibt die Knappheit insgesamt bestehen, was die Stabilisierung der Mietpreise verhindert.

Langfristig bleibt das Ziel von genügend Wohnraum und niedriger Mieten im Kanton Zürich eine grosse Herausforderung. Moderate Mieten ziehen zusätzliche Haushalte an und fördern den Pro-Kopf-Verbrauch an Wohnfläche. Eine nachhaltige Wohnungspolitik muss diesen komplexen Marktmechanismen Rechnung tragen. Der Kanton Zürich muss Lösungen finden, die den Wohnraumbedarf, die Anforderungen des Arbeitsmarktes und die Prinzipien einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung miteinander in Einklang bringen – mit einem klaren Fokus auf ein ausreichendes Wohnungsangebot und bezahlbare Mieten. Verschiedene wohnpolitische Instrumente können dazu beitragen, das Ziel zu erreichen. Eine gezielte, substanzielle und zeitnahe Erhöhung der Ausnützung dürfte unverzichtbar werden. Im Gegenzug können Vorgaben für preisgünstiges Wohnen gemacht werden, sofern diese ausreichend attraktiv für die Entwicklung von Wohneigentum ausgestaltet werden.

Studie «Wirkung wohnungspolitischer Massnahmen»

Die vollständige Studie finden Sie hier:

Die Studie wurde am 12. Dezember 2024 an einer Medienkonferenz des Kanton Zürich vorgestellt:

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