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Schweizer Gebäudepark: Der aktuelle Stand im Absenkpfad

22. Oktober 2024

Der Schweizer Gebäudepark befindet sich auf dem Absenkpfad Richtung Netto-Null. Diese erfreuliche Botschaft ist allerdings im Kontext der engen Methodik des Treibhausgasinventars zu sehen, wonach nur Emissionen aus der Verbrennung von Öl und Gas dem Gebäudesektor angerechnet werden. Der Strom, der in Gebäuden verbraucht wird, oder die grauen Emissionen, die beim Um- und Neubau von Gebäuden entstehen, werden dem Industrie- und nicht dem Gebäudesektor zugeordnet.

Dieser Beitrag erläutert die Definitionen, die im Treibhausgasinventar verwendet werden und interpretiert die relevantesten Zahlen und Entwicklungen.

Deutlicher Rückgang der Emissionen trotz mehr Fläche

Der Schweizer Gebäudesektor emittierte 2022 total 9.4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente1, das sind 22.6 Prozent der CO2– Emissionen der Schweiz. Dieser Wert stammt aus dem Treibhausgasinventar, welches das Bundesamt für Umwelt (BAFU) jährlich erstellt. Die neuesten verfügbaren Daten stammen aus dem Jahr 2022. Ein aussergewöhnlich milder Winter führte damals zu einem besonders ausgeprägten Rückgang der Emissionen. Solche wetterbedingten Schwankungen sind üblich und kommen immer wieder vor.

Aber auch der langfristige Trend zeigt in die gleiche Richtung: Zwischen 1990 und 2022 gelang eine Reduktion um 43.8 Prozent (das Jahr 1990 wurde im Pariser Klimaabkommen als Referenzjahr definiert). Zu den vielschichtigen Gründen für den bedeutenden Rückgang zählen technologische Fortschritte, striktere Baugesetze und vielversprechende wirtschaftliche Überlegungen.

Die Wirtschaftlichkeit haben wir kürzlich in einer umfassenden Studie beleuchtet. Demnach sind grosse Investitionen zu tätigen, dafür sinken die Heizkosten und steigen die Marktwerte. Insgesamt halten sich Investitionen (nach Abzug von Fördergeldern und Steuerersparnissen) und Marktwertsteigerungen für die Eigentümerschaft in etwa die Waage, jedoch gibt es erhebliche Unterschiede nach Objekt. Die Rentabilität für den Eigentümer variiert je nach Objekt und Sanierungsmassnahme, zeigt jedoch klare Muster. Sie sinkt typischerweise mit der Sanierungstiefe, steigt jedoch mit der Höhe der staatlichen Unterstützung, der Grösse der Liegenschaft und dem lokalen Preisniveau.

Der Rückgang der Emissionen ist umso bemerkenswerter, als die beheizte Gebäudefläche, die sogenannte Energiebezugsfläche (EBF), im gleichen Zeitraum um 46.6 Prozent auf 796 Mio. m2 zugenommen hat (gemäss der auf der Webseite des BFE ausgewiesenen Schätzung von Wüest Partner). Das bedeutet, dass die Emissionsintensität, also die Emissionen pro beheizte Flächeneinheit, noch stärker zurückging, und zwar um 61.7 Prozent. Dividiert man die gesamten Emissionen des Gebäudesektors durch die totale Energiebezugsfläche, resultierte im Jahr 2022 ein Durchschnittswert von noch 11.8 kg CO2-Äquivalenten pro Quadratmeter EBF.

Die zentrale Rolle der Heizung

Die Reduktion der Treibhausgasemissionen von Gebäuden ist in erster Linie auf die verwendeten Heiztechnologien zurückzuführen. Als Folge der neuen kantonalen Baugesetze, die sich auf die MuKEn 2014 abstützen, werden Öl- und Gasheizungen am Lebensende mittlerweile mehrheitlich durch erneuerbare Systeme ersetzt. In Neubauten werden schon seit einiger Zeit vor allem Wärmepumpen, Fernwärme oder Holzschnitzelheizungen eingesetzt. Mit der Substitution der fossilen Wärmeerzeuger Öl und Gas verschwinden deren Emissionen aus dem Treibhausgasinventar.

Dämmungen reduzieren Wärmebedarf

Ebenfalls einen Effekt haben Sanierungen der Gebäudehülle. Der Einbau neuer Fenster sowie das Dämmen von Fassade und Dach reduzieren den Wärmebedarf eines Gebäudes typischerweise um mehr als die Hälfte. Der reduzierte Energiebedarf senkt bei fossil beheizten Liegenschaften die Treibhausgasemissionen. Auch Dämmungen leisten einen wichtigen Beitrag zu den Energiezielen.

Gemäss den Energieperspektiven 2050+ des Bundes soll der Wärmebedarf von Gebäuden, in Quadratmeter EBF gerechnet, zwischen 2020 und 2050 um 35 Prozent verringert werden. Die Energieperspektiven 2050+ haben aber eine tiefere Verbindlichkeit und Legitimation als ein Gesetz.

Klimaziel: Netto-Null bis 2050

Nachdem die Stimmbevölkerung am 18. Juni 2023 das Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit (KIG) angenommen hat, sind die Absenkziele nun auch auf Gesetzesstufe kodifiziert. Gemäss Artikel 4 des KIG darf der Gebäudepark 2040 nur noch 18 Prozent der Treibhausgasemissionen von 1990 ausstossen, was bedeutet, dass die Emissionen zwischen 2022 und 2040 immer noch um 67.9 Prozent reduziert werden müssen. Ab 2050 gilt dann das Netto-Null-Ziel, welches besagt, dass die Schweiz ab 2050 nicht mehr Treibhausgase in die Atmosphäre ausstossen darf, als durch natürliche und technische Speicher aufgenommen werden können.

Für 2030 gibt es kein auf Stufe Gesetz verankertes Ziel für den Sektor Gebäude. Es gibt aber einen Eintrag in einem Verordnungsentwurf. Gemäss dem sich aktuell in der Vernehmlassung befindlichen Verordnungsentwurf über das CO2-Gesetz für die Jahre 2025 bis 2030, sollen die Emissionen des Gebäudeparks 2030 noch die Hälfte des Werts von 1990 betragen.

Bisheriges Tempo reicht, um auf dem Absenkpfad zu bleiben

Dieses Zwischenziel dürfte der Gebäudepark erreichen. Das letzte Zwischenziel, das in der Verordnung zum letzten CO2-Gesetz publiziert worden war, sah einen Rückgang der Emissionen um 40 Prozent bis 2020 vor (vergleiche Tabelle 1 in der Botschaft zur Revision des CO2-Gesetzes). Zwar verpasste der Gebäudepark diesen Zielwert knapp, er erreichte ihn jedoch im Jahr 2022.

Wie sind die Rückgänge der letzten Jahre im Vergleich zum angestrebten zukünftigen Absenkpfad einzuordnen? Damit die vom Gebäudepark emittierten 9.4 Millionen Tonnen CO2 -Äquivalente aus dem Jahr 2022 bis 2050 auf null reduziert werden können, müssen die Emissionen jedes Jahr um 340’000 Tonnen gesenkt werden. Das ist weniger als in den letzten Jahren: Zwischen 2010 und 2022 betrug der durchschnittliche Rückgang 420’000 Tonnen pro Jahr. Das Tempo des Rückgangs der 2010er Jahre wäre also ausreichend, um dem vorgesehenen Absenkpfad zu folgen. Die häufig gemachte Aussage, wonach die Sanierungsrate zu tief sei oder zu wenig investiert werde, stimmt also nicht bezüglich den Klimazielen für den Betrieb des Gebäudeparks. Dieser ist auf dem Pfad, um die anhand des Treibhausgasinventars gemessenen Klimaziele zu erreichen. Das ist vielversprechend.

Zudem war über die letzten drei Dekaden eine Beschleunigung des Rückgangs zu beobachten. In den Nullerjahren betrug der durchschnittliche Rückgang lediglich 200’000 Tonnen pro Jahr, und zwischen 1990 und 2000 war gar noch ein Anstieg von 20’000 Tonnen pro Jahr zu verzeichnen. Bei dieser vielversprechenden Einschätzung sind drei teils widersprüchliche Aspekte zu beachten:

  1. Einerseits gilt auch bei der Vermeidung von Emissionen das Pareto-Prinzip, wonach die Effizienz von energetischen Sanierungen zwar bei einem Teil der Liegenschaften hoch ist, aber bei einem anderen Teil der Liegenschaften deutlich tiefer ausfällt. Diese relativ schwer zu sanierenden Liegenschaften werden tendenziell später energetisch auf den neuesten Stand gebracht. So zeigt etwa der Blick auf die tiefe wirtschaftliche Profitabilität der energetischen Sanierung einer selten genutzten Ferienwohnung, dass das Halten des Reduktionstempos keine Selbstverständlichkeit darstellt.
  2. Es sind weitere technologische Fortschritte zu erwarten. Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit sind etwa die gesunkenen Preise von Photovoltaikanlagen oder die stetig steigende Leistung von Wärmepumpen.
  3. Mit der Umstellung auf elektrisch betriebene Wärmepumpen reduzieren sich zwar die Emissionen des Gebäudeparks, allerdings findet auch eine gewisse Verschiebung statt: So zählt der Strom, mit dem die Wärmepumpen betrieben werden, zum Industriesektor.

In der Tat ist die Einteilung in Sektoren entscheidend, um die vielversprechende Einschätzung bezüglich Gebäudepark und Absenkpfad richtig einzuordnen.

Methodik des Treibhausgasinventars

Die in der Schweiz anfallenden Treibhausgasemissionen werden verschiedenen Sektoren zugeteilt. Wenn man die Logik des Treibhausgasinventars auf den häufig verwendeten Begriff der Scopes überträgt, könnte man sagen, dass für den Gebäudesektor nur Scope-1-Emissionen berücksichtigt werden.

Bei Gebäuden sind Scope-1-Emissionen solche, die direkt vor Ort bei der Verbrennung von Öl und Gas entstehen, um die Gebäude zu beheizen und Warmwasser aufzubereiten. Viele Emissionen, die im Zusammenhang mit Gebäuden entstehen, werden nicht dem Gebäudesektor zugeordnet. Dies gilt etwa für Emissionen, die bei der Produktion von Elektrizität anfallen, die zwar in Gebäuden gebraucht, aber an einem anderen Ort erzeugt wird (Scope 2). Darüber hinaus werden Emissionen aus der Güterproduktion in Gewerbe- oder Industriebauten ebenso wenig berücksichtigt wie diejenigen aus dem Einbau neuer Bauteile, die sogenannten «grauen Emissionen» (Scope 3)2.

Gebäudesektor mit stärkerer Reduktion als Verkehr und Industrie

Am meisten Emissionen verursachte der Verkehr mit 32.9 Prozent im Jahr 2022, gefolgt von der Industrie mit 23.2 Prozent. Während der Gebäudepark seine Emissionen seit 1990 um 46.6 Prozent reduzieren konnte, verzeichnete der Verkehr einen Rückgang von 7.9 Prozent und die Industrie einen solchen von 27.3 Prozent. Im Sektor «Übrige», zu dem etwa die Landwirtschaft oder die Abfallbewirtschaftung gehören, betrug der Rückgang 12.6 Prozent. Angelehnt an die unterschiedlichen Entwicklungen in der Vergangenheit sehen die eidgenössischen Klimaziele für Gebäude auch für die Zukunft raschere Senkungen vor als für die anderen Sektoren (vergleiche nachfolgendes Säulendiagramm).

Emissionen nach Sektor in Zehnjahresschritten. Index, totale Emissionen 1990 von 55.1 Mio Tonnen CO2-Äquivalente=100. Quellen: realisiert bis 2020 gemäss Treibhausgasinventar BAFU, Ziele gemäss Verordnungsentwurf CO2-Gesetz für 2030 sowie KIG für 2040 und 2050). *2050: Keine Daten für den Sektor «Übrige»

An dieser Stelle gilt es festzuhalten, dass die Bauwirtschaft nicht zum Gebäudesektor, sondern zur Industrie gerechnet wird. Der Bau und die Sanierung von Gebäuden verursachen bedeutende CO2-Emissionen. Die Reduktion dieser aus Sicht der Immobilien grauen Emissionen ist nötig, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen. Die Dekarbonisierung der Bauwirtschaft schreitet voran, insbesondere durch die Wahl der Materialien. Wir schätzten in einer Studie, dass Emissionen im Umfang von 1.2 Prozent des Treibhausgasinventars eingespart würden, wenn es gelingen sollte, den Anteil von Holz als Baumaterial in der Schweiz zu verdoppeln.

Die Rolle und Herausforderung der Kreislaufwirtschaft

Da vollständig CO2-neutrales Bauen derzeit kaum realisierbar ist, gewinnt die Kreislaufwirtschaft zunehmend an Bedeutung. Das bedeutet, dass bestehende Gebäude möglichst lange genutzt oder mit rezyklierten Materialien saniert statt neu gebaut werden sollten. Angesichts der dynamischen Siedlungsentwicklung in der Schweiz und der Tatsache, dass viele Bauteile so stark miteinander verklebt sind, dass sie nur schwer getrennt und wiederverwendet werden können, stellt dies jedoch eine erhebliche Herausforderung für die Bauwirtschaft dar. Im Vergleich dazu ist der Austausch von Heizsystemen wesentlich einfacher. Auf diesem Weg kann der Gebäudesektor den Absenkpfad Richtung Netto-Null einhalten.

Wie wichtig es zur Erreichung der Klimaziele ist, dass der Betrieb des Gebäudeparks den Absenkpfad einhalten kann, zeigt sich an dessen hohem Anteil an den Gesamtemissionen: Zwischen 1990 und 2010 war der Gebäudesektor im Durchschnitt für 30 Prozent der im Treibhausgasinventar verzeichneten Emissionen verantwortlich.

  1. Es gibt neben Kohlendioxid weitere Treibhausgase wie Methan oder Lachgas, die für eine Erwärmung des Klimas sorgen. Für eine einheitliche Beurteilung wird deren Klimawirkung in CO2-Äquivalente umgerechnet. ↩︎
  2. Diese Methodik orientiert sich an den sogenannten GreenHouseGas-Richtlinien des Rahmenübereinkommens UNFCCC (United Nations Framework Convention on Climate Change).  ↩︎