Weiter zum Ihnhalt

Schweizer Gebäu­depark: Der aktuelle Stand im Absenkpfad

Letzte Aktualisierung: 08. Mai 2025

Der Schweizer Gebäu­depark befindet sich auf dem Absenkpfad Richtung Netto-Null. Diese erfreu­liche Botschaft ist aller­dings im Kontext der engen Methodik des Treib­haus­gas­in­ventars zu sehen, wonach nur Emissionen aus der Verbrennung von Öl und Gas dem Gebäu­de­sektor angerechnet werden. Der Strom, der in Gebäuden verbraucht wird, oder die grauen Emissionen, die beim Um- und Neubau von Gebäuden entstehen, werden dem Industrie- und nicht dem Gebäu­de­sektor zugeordnet.

Dieser Beitrag erläutert die Defini­tionen, die im Treib­haus­gas­in­ventar verwendet werden und inter­pre­tiert die relevan­testen Zahlen und Entwick­lungen.

Deutlicher Rückgang der Emissionen trotz mehr Fläche

Der Schweizer Gebäu­de­sektor emittierte 2022 total 9.4 Millionen Tonnen CO2-Äquiva­lente1, das sind 22.6 Prozent der CO2- Emissionen der Schweiz. Dieser Wert stammt aus dem Treib­haus­gas­in­ventar, welches das Bundesamt für Umwelt (BAFU) jährlich erstellt. Die neuesten verfüg­baren Daten stammen aus dem Jahr 2022. Ein ausser­ge­wöhnlich milder Winter führte damals zu einem besonders ausge­prägten Rückgang der Emissionen. Solche wetter­be­dingten Schwan­kungen sind üblich und kommen immer wieder vor.

Aber auch der langfristige Trend zeigt in die gleiche Richtung: Zwischen 1990 und 2022 gelang eine Reduktion um 43.8 Prozent (das Jahr 1990 wurde im Pariser Klima­ab­kommen als Referenzjahr definiert). Zu den vielschich­tigen Gründen für den bedeu­tenden Rückgang zählen techno­lo­gische Fortschritte, striktere Bauge­setze und vielver­spre­chende wirtschaft­liche Überle­gungen.

Die Wirtschaft­lichkeit haben wir kürzlich in einer umfas­senden Studie beleuchtet. Demnach sind grosse Inves­ti­tionen zu tätigen, dafür sinken die Heizkosten und steigen die Markt­werte. Insgesamt halten sich Inves­ti­tionen (nach Abzug von Förder­geldern und Steuer­erspar­nissen) und Markt­wert­stei­ge­rungen für die Eigen­tü­mer­schaft in etwa die Waage, jedoch gibt es erheb­liche Unter­schiede nach Objekt. Die Renta­bi­lität für den Eigen­tümer variiert je nach Objekt und Sanie­rungs­mass­nahme, zeigt jedoch klare Muster. Sie sinkt typischer­weise mit der Sanie­rungs­tiefe, steigt jedoch mit der Höhe der staat­lichen Unter­stützung, der Grösse der Liegen­schaft und dem lokalen Preis­niveau.

Der Rückgang der Emissionen ist umso bemer­kens­werter, als die beheizte Gebäu­de­fläche, die sogenannte Energie­be­zugs­fläche (EBF), im gleichen Zeitraum um 46.6 Prozent auf 796 Mio. m2 zugenommen hat (gemäss der auf der Webseite des BFE ausge­wie­senen Schätzung von Wüest Partner). Das bedeutet, dass die Emissi­ons­in­ten­sität, also die Emissionen pro beheizte Flächen­einheit, noch stärker zurückging, und zwar um 61.7 Prozent. Dividiert man die gesamten Emissionen des Gebäu­de­sektors durch die totale Energie­be­zugs­fläche, resul­tierte im Jahr 2022 ein Durch­schnittswert von noch 11.8 kg CO2-Äquiva­lenten pro Quadrat­meter EBF.

Die zentrale Rolle der Heizung

Die Reduktion der Treib­haus­gas­emis­sionen von Gebäuden ist in erster Linie auf die verwen­deten Heiztech­no­logien zurück­zu­führen. Als Folge der neuen kanto­nalen Bauge­setze, die sich auf die MuKEn 2014 abstützen, werden Öl- und Gashei­zungen am Lebensende mittler­weile mehrheitlich durch erneu­erbare Systeme ersetzt. In Neubauten werden schon seit einiger Zeit vor allem Wärme­pumpen, Fernwärme oder Holzschnit­zel­hei­zungen einge­setzt. Mit der Substi­tution der fossilen Wärme­er­zeuger Öl und Gas verschwinden deren Emissionen aus dem Treib­haus­gas­in­ventar.

Dämmungen reduzieren Wärme­bedarf

Ebenfalls einen Effekt haben Sanie­rungen der Gebäu­de­hülle. Der Einbau neuer Fenster sowie das Dämmen von Fassade und Dach reduzieren den Wärme­bedarf eines Gebäudes typischer­weise um mehr als die Hälfte. Der reduzierte Energie­bedarf senkt bei fossil beheizten Liegen­schaften die Treib­haus­gas­emis­sionen. Auch Dämmungen leisten einen wichtigen Beitrag zu den Energie­zielen.

Gemäss den Energie­per­spek­tiven 2050+ des Bundes soll der Wärme­bedarf von Gebäuden, in Quadrat­meter EBF gerechnet, zwischen 2020 und 2050 um 35 Prozent verringert werden. Die Energie­per­spek­tiven 2050+ haben aber eine tiefere Verbind­lichkeit und Legiti­mation als ein Gesetz.

Klimaziel: Netto-Null bis 2050

Nachdem die Stimm­be­völ­kerung am 18. Juni 2023 das Bundes­gesetz über die Ziele im Klima­schutz, die Innovation und die Stärkung der Energie­si­cherheit (KIG) angenommen hat, sind die Absenk­ziele nun auch auf Geset­zes­stufe kodifi­ziert. Gemäss Artikel 4 des KIG darf der Gebäu­depark 2040 nur noch 18 Prozent der Treib­haus­gas­emis­sionen von 1990 ausstossen, was bedeutet, dass die Emissionen zwischen 2022 und 2040 immer noch um 67.9 Prozent reduziert werden müssen. Ab 2050 gilt dann das Netto-Null-Ziel, welches besagt, dass die Schweiz ab 2050 nicht mehr Treib­hausgase in die Atmosphäre ausstossen darf, als durch natür­liche und technische Speicher aufge­nommen werden können.

Für 2030 gibt es kein auf Stufe Gesetz veran­kertes Ziel für den Sektor Gebäude. Es gibt aber einen Eintrag in einem Verord­nungs­entwurf. Gemäss dem sich aktuell in der Vernehm­lassung befind­lichen Verord­nungs­entwurf über das CO2-Gesetz für die Jahre 2025 bis 2030, sollen die Emissionen des Gebäu­de­parks 2030 noch die Hälfte des Werts von 1990 betragen.

Bishe­riges Tempo reicht, um auf dem Absenkpfad zu bleiben

Dieses Zwischenziel dürfte der Gebäu­depark erreichen. Das letzte Zwischenziel, das in der Verordnung zum letzten CO2-Gesetz publi­ziert worden war, sah einen Rückgang der Emissionen um 40 Prozent bis 2020 vor (vergleiche Tabelle 1 in der Botschaft zur Revision des CO2-Gesetzes). Zwar verpasste der Gebäu­depark diesen Zielwert knapp, er erreichte ihn jedoch im Jahr 2022.

Wie sind die Rückgänge der letzten Jahre im Vergleich zum angestrebten zukünf­tigen Absenkpfad einzu­ordnen? Damit die vom Gebäu­depark emittierten 9.4 Millionen Tonnen CO2 ‑Äquiva­lente aus dem Jahr 2022 bis 2050 auf null reduziert werden können, müssen die Emissionen jedes Jahr um 340’000 Tonnen gesenkt werden. Das ist weniger als in den letzten Jahren: Zwischen 2010 und 2022 betrug der durch­schnitt­liche Rückgang 420’000 Tonnen pro Jahr. Das Tempo des Rückgangs der 2010er Jahre wäre also ausrei­chend, um dem vorge­se­henen Absenkpfad zu folgen. Die häufig gemachte Aussage, wonach die Sanie­rungsrate zu tief sei oder zu wenig inves­tiert werde, stimmt also nicht bezüglich den Klima­zielen für den Betrieb des Gebäu­de­parks. Dieser ist auf dem Pfad, um die anhand des Treib­haus­gas­in­ventars gemes­senen Klima­ziele zu erreichen. Das ist vielver­spre­chend.

Zudem war über die letzten drei Dekaden eine Beschleu­nigung des Rückgangs zu beobachten. In den Nuller­jahren betrug der durch­schnitt­liche Rückgang lediglich 200’000 Tonnen pro Jahr, und zwischen 1990 und 2000 war gar noch ein Anstieg von 20’000 Tonnen pro Jahr zu verzeichnen. Bei dieser vielver­spre­chenden Einschätzung sind drei teils wider­sprüch­liche Aspekte zu beachten:

  1. Einer­seits gilt auch bei der Vermeidung von Emissionen das Pareto-Prinzip, wonach die Effizienz von energe­ti­schen Sanie­rungen zwar bei einem Teil der Liegen­schaften hoch ist, aber bei einem anderen Teil der Liegen­schaften deutlich tiefer ausfällt. Diese relativ schwer zu sanie­renden Liegen­schaften werden tenden­ziell später energe­tisch auf den neuesten Stand gebracht. So zeigt etwa der Blick auf die tiefe wirtschaft­liche Profi­ta­bi­lität der energe­ti­schen Sanierung einer selten genutzten Ferien­wohnung, dass das Halten des Reduk­ti­ons­tempos keine Selbst­ver­ständ­lichkeit darstellt.
  2. Es sind weitere techno­lo­gische Fortschritte zu erwarten. Beispiele aus der jüngsten Vergan­genheit sind etwa die gesun­kenen Preise von Photo­vol­ta­ik­an­lagen oder die stetig steigende Leistung von Wärme­pumpen.
  3. Mit der Umstellung auf elektrisch betriebene Wärme­pumpen reduzieren sich zwar die Emissionen des Gebäu­de­parks, aller­dings findet auch eine gewisse Verschiebung statt: So zählt der Strom, mit dem die Wärme­pumpen betrieben werden, zum Indus­trie­sektor.

In der Tat ist die Einteilung in Sektoren entscheidend, um die vielver­spre­chende Einschätzung bezüglich Gebäu­depark und Absenkpfad richtig einzu­ordnen.

Methodik des Treib­haus­gas­in­ventars

Die in der Schweiz anfal­lenden Treib­haus­gas­emis­sionen werden verschie­denen Sektoren zugeteilt. Wenn man die Logik des Treib­haus­gas­in­ventars auf den häufig verwen­deten Begriff der Scopes überträgt, könnte man sagen, dass für den Gebäu­de­sektor nur Scope-1-Emissionen berück­sichtigt werden.

Bei Gebäuden sind Scope-1-Emissionen solche, die direkt vor Ort bei der Verbrennung von Öl und Gas entstehen, um die Gebäude zu beheizen und Warmwasser aufzu­be­reiten. Viele Emissionen, die im Zusam­menhang mit Gebäuden entstehen, werden nicht dem Gebäu­de­sektor zugeordnet. Dies gilt etwa für Emissionen, die bei der Produktion von Elektri­zität anfallen, die zwar in Gebäuden gebraucht, aber an einem anderen Ort erzeugt wird (Scope 2). Darüber hinaus werden Emissionen aus der Güter­pro­duktion in Gewerbe- oder Indus­trie­bauten ebenso wenig berück­sichtigt wie dieje­nigen aus dem Einbau neuer Bauteile, die sogenannten «grauen Emissionen» (Scope 3)2.

Gebäu­de­sektor mit stärkerer Reduktion als Verkehr und Industrie

Am meisten Emissionen verur­sachte der Verkehr mit 32.9 Prozent im Jahr 2022, gefolgt von der Industrie mit 23.2 Prozent. Während der Gebäu­depark seine Emissionen seit 1990 um 46.6 Prozent reduzieren konnte, verzeichnete der Verkehr einen Rückgang von 7.9 Prozent und die Industrie einen solchen von 27.3 Prozent. Im Sektor «Übrige», zu dem etwa die Landwirt­schaft oder die Abfall­be­wirt­schaftung gehören, betrug der Rückgang 12.6 Prozent. Angelehnt an die unter­schied­lichen Entwick­lungen in der Vergan­genheit sehen die eidge­nös­si­schen Klima­ziele für Gebäude auch für die Zukunft raschere Senkungen vor als für die anderen Sektoren (vergleiche nachfol­gendes Säulen­dia­gramm).

Emissionen nach Sektor in Zehnjah­res­schritten. Index, totale Emissionen 1990 von 55.1 Mio Tonnen CO2-Äquivalente=100. Quellen: reali­siert bis 2020 gemäss Treib­haus­gas­in­ventar BAFU, Ziele gemäss Verord­nungs­entwurf CO2-Gesetz für 2030 sowie KIG für 2040 und 2050). *2050: Keine Daten für den Sektor «Übrige»

An dieser Stelle gilt es festzu­halten, dass die Bauwirt­schaft nicht zum Gebäu­de­sektor, sondern zur Industrie gerechnet wird. Der Bau und die Sanierung von Gebäuden verur­sachen bedeu­tende CO2-Emissionen. Die Reduktion dieser aus Sicht der Immobilien grauen Emissionen ist nötig, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen. Die Dekar­bo­ni­sierung der Bauwirt­schaft schreitet voran, insbe­sondere durch die Wahl der Materialien. Wir schätzten in einer Studie, dass Emissionen im Umfang von 1.2 Prozent des Treib­haus­gas­in­ventars einge­spart würden, wenn es gelingen sollte, den Anteil von Holz als Bauma­terial in der Schweiz zu verdoppeln.

Die Rolle und Heraus­for­derung der Kreis­lauf­wirt­schaft

Da vollständig CO2-neutrales Bauen derzeit kaum reali­sierbar ist, gewinnt die Kreis­lauf­wirt­schaft zunehmend an Bedeutung. Das bedeutet, dass bestehende Gebäude möglichst lange genutzt oder mit rezyklierten Materialien saniert statt neu gebaut werden sollten. Angesichts der dynami­schen Siedlungs­ent­wicklung in der Schweiz und der Tatsache, dass viele Bauteile so stark mitein­ander verklebt sind, dass sie nur schwer getrennt und wieder­ver­wendet werden können, stellt dies jedoch eine erheb­liche Heraus­for­derung für die Bauwirt­schaft dar. Im Vergleich dazu ist der Austausch von Heizsys­temen wesentlich einfacher. Auf diesem Weg kann der Gebäu­de­sektor den Absenkpfad Richtung Netto-Null einhalten.

Wie wichtig es zur Errei­chung der Klima­ziele ist, dass der Betrieb des Gebäu­de­parks den Absenkpfad einhalten kann, zeigt sich an dessen hohem Anteil an den Gesamt­emis­sionen: Zwischen 1990 und 2010 war der Gebäu­de­sektor im Durch­schnitt für 30 Prozent der im Treib­haus­gas­in­ventar verzeich­neten Emissionen verant­wortlich.

  1. Es gibt neben Kohlen­dioxid weitere Treib­hausgase wie Methan oder Lachgas, die für eine Erwärmung des Klimas sorgen. Für eine einheit­liche Beurteilung wird deren Klima­wirkung in CO2-Äquiva­lente umgerechnet. ↩︎
  2. Diese Methodik orien­tiert sich an den sogenannten GreenHouseGas-Richtlinien des Rahmen­über­ein­kommens UNFCCC (United Nations Framework Convention on Climate Change).  ↩︎