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Revision des Wohnraum­för­der­ge­setzes in Basel-Stadt

Veröffentlicht am: 17. November 2021 Letzte Aktualisierung: 12. September 2024

Was in den Westschweizer Kantonen Genf und Waadt schon seit längerem existiert, wird nun auch im Kanton Basel-Stadt einge­führt: Per 1. Januar 2022 setzt Basel-Stadt als erster Deutsch­schweizer Kanton mittels dem revidierten Wohnraum­för­der­gesetz (WRFG) und der dazuge­hö­rigen Wohnraum­schutz­ver­ordnung (WRSchV) eine Bewil­li­gungs­pflicht mit Mietzins­kon­trolle bei Sanie­rungen, Umbauten sowie Abbrüchen von bezahl­baren Wohnungen in Kraft. Doch noch bevor die neue Wohnraum­schutz­ver­ordnung per Anfang nächsten Jahres zur Realität wird, kommt im Stadt­kanton bereits am 28. November erneut eine wohnpo­li­tische Abstimmung an die Urne: Die Initiative «JA zum ECHTEN Wohnschutz!» fordert weitere Verschär­fungen hinsichtlich der Mietzins­re­gu­lie­rungen, die in den Augen der Initi­anten (u. a. der Basler Mieter­verband) nicht weit genug gehen. Im Folgenden wird aufge­zeigt, inwiefern sich das revidierte Wohnraum­för­der­gesetz (WRFG) und die dazuge­hörige Wohnraum­schutz­ver­ordnung (WRSchV) von dem verschärften Geset­zes­vor­schlag unter­scheidet.

Die Wohnraum­schutz­ver­ordnung und neue Geset­zes­in­itiative im Vergleich

Das Wohnraum­för­der­gesetz (WRFG) gibt es im Kanton Basel-Stadt bereits seit 2013. Mit dessen Revision, welche im November 2020 von der Basler Stimm­be­völ­kerung gutge­heissen wurde, wird der Geltungs­be­reich des WRFG auf den Erhalt und die Förderung von bezahl­barem Wohnraum erweitert und durch die dazuge­hörige Wohnraum­schutz­ver­ordnung umgesetzt. Die Verordnung sieht vor, dass bei einem Leerwoh­nungs­be­stand von 1.5 Prozent oder weniger (Wohnungsnot) für die Sanierung, den Umbau oder Abbruch von Liegen­schaften mit «bezahl­baren Wohnungen» in unbewohntem Zustand (Leerkün­digung) eine zusätz­liche Bewil­li­gungs­pflicht – gekoppelt mit einer Mietzins­kon­trolle für fünf Jahre – besteht. Die Bewil­ligung soll in Zusam­menhang mit der Einhaltung von Pauschalen für Mietz­ins­auf­schläge bzw. Mietzinsen und – im Falle von Sanie­rungen und Umbauten – gekoppelt an ein Rückkehr­recht der Mieter in die Liegen­schaft erteilt werden.
Da die Bewil­li­gungs­pflicht nur für unbewohnte Wohnungen gilt, wird so ein Anreiz für Sanie­rungen im bewohnten Zustand geschaffen. Gemeinsam mit der Mietzins­kon­trolle soll dies helfen, Massen­kün­di­gungen und unnötige Sanie­rungen von Liegen­schaften zu verhindern.

Die Geset­zes­in­itiative «JA zum ECHTEN Wohnschutz!» stellt das Gegen­modell zur Wohnraum­schutz­ver­ordnung dar und will in Zeiten der Wohnungsnot durch verschärfte Vorschriften den Inter­essen am Schutz vor Leerkün­di­gungen und der Sicherung von bezahl­barem Wohnraum, wie auch ökolo­gi­schen Aspekten noch stärker Rechnung tragen, als dies durch die Wohnraum­schutz­ver­ordnung umgesetzt wird.
Analog zur Wohnraum­schutz­ver­ordnung besteht auch hier bei einer Sanierung, Umbau oder Abbruch eine Bewil­li­gungs­pflicht gekoppelt an eine Mietzins­kon­trolle und ein Rückkehr­recht der Mieter. Die Mietzins­re­gu­lie­rungen kommen im Vergleich zur Wohnraum­schutz­ver­ordnung auch bei Sanie­rungen und Umbauten in bewohntem Zustand zur Anwendung.

Nachfolgend werden die wesent­lichen Punkte der Wohnraum­schutz­ver­ordnung sowie der Geset­zes­in­itiative zusam­men­ge­fasst:

Wohnraum­schutz­ver­ordnungGeset­zes­in­itiative «JA zum ECHTEN Wohnschutz!»
Allge­meines
Inkraft­treten1. Januar 20226 Monate nach Annahme der Initiative (Abstimmung: 28. November 2021)
AnwendungIn Zeiten der Wohnungsnot (Wohnungs­leer­stand von 1.5% oder weniger)In Zeiten der Wohnungsnot (Wohnungs­leer­stand von 1.5% oder weniger)
Geschützte WohnungenNur «bezahlbare Wohnungen» mit Netto­miet­zinsen unter dem Median, diffe­ren­ziert nach Zimmertyp

Median Netto­mietzins:
1–1.5 Zi-Whg: CHF 700
2–2.5‑Zi-Whg: CHF 1’026
3–3.5‑Zi-Whg: CHF 1’261
4–4.5 Zi-Whg: CHF 1’645
5–5.5 Zi-Whg: CHF 2’169
Ab 6‑Zi-Whg: CHF 2’636
Umfasst allen bestehenden Mietwohnraum
Ausnahmen- Gemein­nützige Wohnungen
- Einfa­mi­li­en­häuser
- Liegen­schaften mit 5 oder weniger Wohnungen
- Gemein­nützige Wohnungen
- Für höchstens 3 Monate gemietete Wohnungen
- Luxuriöse Wohnungen mit 6 oder mehr Wohnräumen (ohne Küche)
- Liegen­schaften mit 3 oder weniger Wohnungen
Dauer Mietzins­kon­trolle5 Jahre5 Jahre
Sanie­rungen und Umbauten
Anwen­dungs­be­reichNur in unbewohntem ZustandSowohl in unbewohntem als in bewohntem Zustand
Mietz­ins­auf­schläge pro Monat1–1.5 Zi-Whg: CHF 0 – CHF 109
2–2.5‑Zi-Whg: CHF 0 – CHF 153
3–3.5‑Zi-Whg: CHF 0 – CHF 191
4–4.5 Zi-Whg: CHF 0 – CHF 246
Ab 5‑Zi-Whg: CHF 0 – CHF 279
1–2.5 Zi-Whg: CHF 0 – CHF 80
3–3.5‑Zi-Whg: CHF 0 – CHF 120
Ab 4 Zi-Whg: CHF 0 – CHF 160
Zusätz­liche Mietz­ins­auf­schläge- Um bestimmtes Mass überschrei­tende Mehrkosten aus Massnahmen der Hinder­nis­freiheit, Erdbe­be­n­er­tüch­tigung und Denkmal­pflege
- Über das gesetzlich erfor­der­liche Mass hinaus­ge­hende energe­tische Sanie­rungen
- Anpassung (Reduktion/Erhöhung) der Mietz­ins­auf­schläge möglich, falls diese die «überwie­genden Bedürf­nisse der Wohnbe­völ­kerung» nicht oder nicht genügend wieder­geben
- Separate Beurteilung im «umfas­senden Bewil­li­gungs­ver­fahren», ob und in welchem Umfang die Mietz­ins­auf­schläge ausfallen
Rückkehr­rechtJaJa
Abbruch/Ersatzneubau
Mietzins pro Monat1–1.5 Zi-Whg: CHF 923
2–2.5‑Zi-Whg: CHF 1’290
3–3.5‑Zi-Whg: CHF 1’671
4–4.5 Zi-Whg: CHF 2’187
Ab 5‑Zi-Whg: CHF 2’500
Orien­tierung an «preis­güns­tigen Neubau­woh­nungen», wobei diese den «überwie­genden Bedürf­nissen der Wohnbe­völ­kerung» zu entsprechen haben
Weiteres
Stock­werk­ei­gentumKeine Bestim­mungenDie Begründung von Stock­werk­ei­gentum ist bewil­li­gungs­pflichtig und die Liegen­schaft hat einen für «Stock­werk­ei­gentum angemes­senen Standard» aufzu­weisen

Die bedeu­tendsten Unter­schiede zwischen dem Verordnungs- und dem Initia­tivtext liegen im Anwen­dungs­be­reich sowie in der unter­schied­lichen Beschränkung der pauschalen Mietz­ins­auf­schläge. Wo sich der geschützte Wohnraum in der Wohnraum­schutz­ver­ordnung auf die günstigere Hälfte der Mietwoh­nungen beschränkt, so wird dieser im Initia­tivtext der Verschärfung auf sämtliche Mietwohnraum erweitert – mit jeweilig entspre­chenden Ausnahmen. Zusätzlich zu dieser Erwei­terung kommt, dass aufgrund der stren­geren Mietz­ins­auf­schläge ein gerin­gerer Anteil der Sanie­rungs­kosten auf die Miete überwälzt werden kann. Sowohl die Höhe der Mietz­ins­auf­schläge als auch der Anfangs­mietzins eines Ersatz­neubaus sollen sich dabei am Begriff der «überwie­genden Bedürf­nisse der Wohnbe­völ­kerung» orien­tieren. Ebenfalls wird mit dem neuen Gesetz auch der Umgang mit dem Stock­werk­ei­gentum regle­men­tiert, womit Umwand­lungen erschwert bis verun­mög­licht werden.

Eine zum Initia­tivtext gehörende Verordnung liegt noch nicht vor, weshalb keine abschlies­senden Aussagen zu den direkten Auswir­kungen gemacht werden können. Gerade die Defini­tionen von Begriff­lich­keiten wie diejenige der «überwie­genden Bedürf­nisse der Wohnbe­völ­kerung» wird massgeb­lichen Einfluss auf die Effekte haben. Grund­sätzlich kann aber festge­halten werden, dass mit der Initiative «JA zum ECHTEN Wohnschutz!» eine weitere Verschärfung in Anlehnung an die Genfer LDTR erfolgt, womit zumindest teilweise Paral­lelen gezogen werden können.

Die Initiative kommt am 28. November 2021 zur Abstimmung.

Exkurs LDTR

In Genf zeigt sich, dass mit dem LDTR die Mieten in vielen Wohnungen auf einem sehr tiefen Niveau liegen. Jedoch führt das LDTR damit auch dazu, dass die Umzugs­häu­figkeit (Fluktua­ti­onsrate) in Genf stark unter­durch­schnittlich ist, weil die Haushalte den Anreiz haben, in den günstigen Wohnungen zu bleiben. So ist die durch­schnitt­liche Belegungs­dauer in einer Mietwohnung in der Stadt Genf mehr als doppelt so hoch wie der Schweizer Schnitt (7 Jahre). In der Folge ist es gerade für dieje­nigen, die von ausserhalb Genfs in die Stadt ziehen möchten, besonders schwierig eine Wohnung zu finden. Das LDTR ist damit ein Grund, weshalb es zu einer Zweit­teilung im Markt gekommen ist.
Der Genfer Immobi­li­en­markt ist ebenfalls dadurch gekenn­zeichnet, dass ein sehr grosser Anteil aller Wohnungen noch nicht renoviert wurden. Während in der Schweiz mehr als zwei Drittel aller Wohnungen, die vor 1980 gebaut wurden, mittler­weile gesamt­sa­niert sind, sind es in Genf nur ein Drittel. Auch diese Entwicklung kann zumindest teilweise dem LDTR zugeschrieben werden. Gerade im Hinblick auch die Errei­chung der Klima­ziele ist ein höhere Renova­ti­ons­quote anzustreben, um den CO2-Ausstoss zu senken. Schluss­endlich ist die Regulierung auch ein Grund dafür, weshalb die Neubau­quote verhält­nis­mässig tief ist. Dies erhöht nicht nur die Wohnungsnot in der Stadt Genf, sondern auch in den umlie­genden Gemeinden.

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