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Revision des Wohnraumfördergesetzes in Basel-Stadt

17. November 2021

Ein Mann am renovieren

Was in den Westschweizer Kantonen Genf und Waadt schon seit längerem existiert, wird nun auch im Kanton Basel-Stadt eingeführt: Per 1. Januar 2022 setzt Basel-Stadt als erster Deutschschweizer Kanton mittels dem revidierten Wohnraumfördergesetz (WRFG) und der dazugehörigen Wohnraumschutzverordnung (WRSchV) eine Bewilligungspflicht mit Mietzinskontrolle bei Sanierungen, Umbauten sowie Abbrüchen von bezahlbaren Wohnungen in Kraft. Doch noch bevor die neue Wohnraumschutzverordnung per Anfang nächsten Jahres zur Realität wird, kommt im Stadtkanton bereits am 28. November erneut eine wohnpolitische Abstimmung an die Urne: Die Initiative «JA zum ECHTEN Wohnschutz!» fordert weitere Verschärfungen hinsichtlich der Mietzinsregulierungen, die in den Augen der Initianten (u. a. der Basler Mieterverband) nicht weit genug gehen. Im Folgenden wird aufgezeigt, inwiefern sich das revidierte Wohnraumfördergesetz (WRFG) und die dazugehörige Wohnraumschutzverordnung (WRSchV) von dem verschärften Gesetzesvorschlag unterscheidet.

Die Wohnraumschutzverordnung und neue Gesetzesinitiative im Vergleich

Das Wohnraumfördergesetz (WRFG) gibt es im Kanton Basel-Stadt bereits seit 2013. Mit dessen Revision, welche im November 2020 von der Basler Stimmbevölkerung gutgeheissen wurde, wird der Geltungsbereich des WRFG auf den Erhalt und die Förderung von bezahlbarem Wohnraum erweitert und durch die dazugehörige Wohnraumschutzverordnung umgesetzt. Die Verordnung sieht vor, dass bei einem Leerwohnungsbestand von 1.5 Prozent oder weniger (Wohnungsnot) für die Sanierung, den Umbau oder Abbruch von Liegenschaften mit «bezahlbaren Wohnungen» in unbewohntem Zustand (Leerkündigung) eine zusätzliche Bewilligungspflicht – gekoppelt mit einer Mietzinskontrolle für fünf Jahre – besteht. Die Bewilligung soll in Zusammenhang mit der Einhaltung von Pauschalen für Mietzinsaufschläge bzw. Mietzinsen und – im Falle von Sanierungen und Umbauten – gekoppelt an ein Rückkehrrecht der Mieter in die Liegenschaft erteilt werden.
Da die Bewilligungspflicht nur für unbewohnte Wohnungen gilt, wird so ein Anreiz für Sanierungen im bewohnten Zustand geschaffen. Gemeinsam mit der Mietzinskontrolle soll dies helfen, Massenkündigungen und unnötige Sanierungen von Liegenschaften zu verhindern.

Die Gesetzesinitiative «JA zum ECHTEN Wohnschutz!» stellt das Gegenmodell zur Wohnraumschutzverordnung dar und will in Zeiten der Wohnungsnot durch verschärfte Vorschriften den Interessen am Schutz vor Leerkündigungen und der Sicherung von bezahlbarem Wohnraum, wie auch ökologischen Aspekten noch stärker Rechnung tragen, als dies durch die Wohnraumschutzverordnung umgesetzt wird.
Analog zur Wohnraumschutzverordnung besteht auch hier bei einer Sanierung, Umbau oder Abbruch eine Bewilligungspflicht gekoppelt an eine Mietzinskontrolle und ein Rückkehrrecht der Mieter. Die Mietzinsregulierungen kommen im Vergleich zur Wohnraumschutzverordnung auch bei Sanierungen und Umbauten in bewohntem Zustand zur Anwendung.

Nachfolgend werden die wesentlichen Punkte der Wohnraumschutzverordnung sowie der Gesetzesinitiative zusammengefasst:

WohnraumschutzverordnungGesetzesinitiative «JA zum ECHTEN Wohnschutz!»
Allgemeines
Inkrafttreten1. Januar 20226 Monate nach Annahme der Initiative (Abstimmung: 28. November 2021)
AnwendungIn Zeiten der Wohnungsnot (Wohnungsleerstand von 1.5% oder weniger)In Zeiten der Wohnungsnot (Wohnungsleerstand von 1.5% oder weniger)
Geschützte WohnungenNur «bezahlbare Wohnungen» mit Nettomietzinsen unter dem Median, differenziert nach Zimmertyp

Median Nettomietzins:
1-1.5 Zi-Whg: CHF 700
2-2.5-Zi-Whg: CHF 1’026
3-3.5-Zi-Whg: CHF 1’261
4-4.5 Zi-Whg: CHF 1’645
5-5.5 Zi-Whg: CHF 2’169
Ab 6-Zi-Whg: CHF 2’636
Umfasst allen bestehenden Mietwohnraum
Ausnahmen– Gemeinnützige Wohnungen
– Einfamilienhäuser
– Liegenschaften mit 5 oder weniger Wohnungen
– Gemeinnützige Wohnungen
– Für höchstens 3 Monate gemietete Wohnungen
– Luxuriöse Wohnungen mit 6 oder mehr Wohnräumen (ohne Küche)
– Liegenschaften mit 3 oder weniger Wohnungen
Dauer Mietzinskontrolle5 Jahre5 Jahre
Sanierungen und Umbauten
AnwendungsbereichNur in unbewohntem ZustandSowohl in unbewohntem als in bewohntem Zustand
Mietzinsaufschläge pro Monat1-1.5 Zi-Whg: CHF 0 – CHF 109
2-2.5-Zi-Whg: CHF 0 – CHF 153
3-3.5-Zi-Whg: CHF 0 – CHF 191
4-4.5 Zi-Whg: CHF 0 – CHF 246
Ab 5-Zi-Whg: CHF 0 – CHF 279
1-2.5 Zi-Whg: CHF 0 – CHF 80
3-3.5-Zi-Whg: CHF 0 – CHF 120
Ab 4 Zi-Whg: CHF 0 – CHF 160
Zusätzliche Mietzinsaufschläge– Um bestimmtes Mass überschreitende Mehrkosten aus Massnahmen der Hindernisfreiheit, Erdbebenertüchtigung und Denkmalpflege
– Über das gesetzlich erforderliche Mass hinausgehende energetische Sanierungen
– Anpassung (Reduktion/Erhöhung) der Mietzinsaufschläge möglich, falls diese die «überwiegenden Bedürfnisse der Wohnbevölkerung» nicht oder nicht genügend wiedergeben
– Separate Beurteilung im «umfassenden Bewilligungsverfahren», ob und in welchem Umfang die Mietzinsaufschläge ausfallen
RückkehrrechtJaJa
Abbruch/Ersatzneubau
Mietzins pro Monat1-1.5 Zi-Whg: CHF 923
2-2.5-Zi-Whg: CHF 1’290
3-3.5-Zi-Whg: CHF 1’671
4-4.5 Zi-Whg: CHF 2’187
Ab 5-Zi-Whg: CHF 2’500
Orientierung an «preisgünstigen Neubauwohnungen», wobei diese den «überwiegenden Bedürfnissen der Wohnbevölkerung» zu entsprechen haben
Weiteres
StockwerkeigentumKeine BestimmungenDie Begründung von Stockwerkeigentum ist bewilligungspflichtig und die Liegenschaft hat einen für «Stockwerkeigentum angemessenen Standard» aufzuweisen

Die bedeutendsten Unterschiede zwischen dem Verordnungs- und dem Initiativtext liegen im Anwendungsbereich sowie in der unterschiedlichen Beschränkung der pauschalen Mietzinsaufschläge. Wo sich der geschützte Wohnraum in der Wohnraumschutzverordnung auf die günstigere Hälfte der Mietwohnungen beschränkt, so wird dieser im Initiativtext der Verschärfung auf sämtliche Mietwohnraum erweitert – mit jeweilig entsprechenden Ausnahmen. Zusätzlich zu dieser Erweiterung kommt, dass aufgrund der strengeren Mietzinsaufschläge ein geringerer Anteil der Sanierungskosten auf die Miete überwälzt werden kann. Sowohl die Höhe der Mietzinsaufschläge als auch der Anfangsmietzins eines Ersatzneubaus sollen sich dabei am Begriff der «überwiegenden Bedürfnisse der Wohnbevölkerung» orientieren. Ebenfalls wird mit dem neuen Gesetz auch der Umgang mit dem Stockwerkeigentum reglementiert, womit Umwandlungen erschwert bis verunmöglicht werden.

Eine zum Initiativtext gehörende Verordnung liegt noch nicht vor, weshalb keine abschliessenden Aussagen zu den direkten Auswirkungen gemacht werden können. Gerade die Definitionen von Begrifflichkeiten wie diejenige der «überwiegenden Bedürfnisse der Wohnbevölkerung» wird massgeblichen Einfluss auf die Effekte haben. Grundsätzlich kann aber festgehalten werden, dass mit der Initiative «JA zum ECHTEN Wohnschutz!» eine weitere Verschärfung in Anlehnung an die Genfer LDTR erfolgt, womit zumindest teilweise Parallelen gezogen werden können.

Die Initiative kommt am 28. November 2021 zur Abstimmung.

Exkurs LDTR

In Genf zeigt sich, dass mit dem LDTR die Mieten in vielen Wohnungen auf einem sehr tiefen Niveau liegen. Jedoch führt das LDTR damit auch dazu, dass die Umzugshäufigkeit (Fluktuationsrate) in Genf stark unterdurchschnittlich ist, weil die Haushalte den Anreiz haben, in den günstigen Wohnungen zu bleiben. So ist die durchschnittliche Belegungsdauer in einer Mietwohnung in der Stadt Genf mehr als doppelt so hoch wie der Schweizer Schnitt (7 Jahre). In der Folge ist es gerade für diejenigen, die von ausserhalb Genfs in die Stadt ziehen möchten, besonders schwierig eine Wohnung zu finden. Das LDTR ist damit ein Grund, weshalb es zu einer Zweitteilung im Markt gekommen ist.
Der Genfer Immobilienmarkt ist ebenfalls dadurch gekennzeichnet, dass ein sehr grosser Anteil aller Wohnungen noch nicht renoviert wurden. Während in der Schweiz mehr als zwei Drittel aller Wohnungen, die vor 1980 gebaut wurden, mittlerweile gesamtsaniert sind, sind es in Genf nur ein Drittel. Auch diese Entwicklung kann zumindest teilweise dem LDTR zugeschrieben werden. Gerade im Hinblick auch die Erreichung der Klimaziele ist ein höhere Renovationsquote anzustreben, um den CO2-Ausstoss zu senken. Schlussendlich ist die Regulierung auch ein Grund dafür, weshalb die Neubauquote verhältnismässig tief ist. Dies erhöht nicht nur die Wohnungsnot in der Stadt Genf, sondern auch in den umliegenden Gemeinden.

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