Auswirkungen des Bundesgerichtsentscheids auf die Überwälzung von Sanierungskosten
10. Dezember 2024
Der Bundesgerichtsentscheid (BGE) vom 30.07.2024 bringt Neuerungen für die Überwälzung von Sanierungskosten mit sich. Das Bundesgericht bestätigt damit seinen Entscheid aus dem Jahr 2020, welcher sich auf die maximal erzielbare Nettorendite bezog. «Die Praxisänderung von 2020 begründete das Bundesgericht massgeblich mit dem über die Jahre nachhaltig gesunkenen Referenzzinssatz […] und dem ansonsten unangemessenen Ertrag für Vermieter.»
Mit dem Entscheid vom Juli 2024 wird dessen Anwendbarkeit präzisiert und auf den wertvermehrenden Anteil von Sanierungen erweitert und «entspricht dem vom Gesetzgeber angestrebten Ziel, für Vermieter einen Anreiz zu schaffen, die Immobilie zu unterhalten und Renovationsarbeiten durchzuführen».
Vorbemerkungen: Was ist wertvermehrend und was werterhaltend?
Sämtliche Kosten für Sanierungen einer Liegenschaft lassen sich in einen wertvermehrenden und einen werterhaltenden Anteil unterteilen. Wenn in einer Altbauwohnung ohne Geschirrspüler neu ein solcher eingebaut wird, sind die Kosten dafür zu 100% wertvermehrend und 0% werterhaltend. In den meisten Fällen ist diese Unterteilung derweil nicht ganz einfach, da es sich um Ersatzinvestitionen handelt (bspw. werden alte, schlecht isolierende Fenster durch neue, gut isolierende Fenster ersetzt).
Art. 14, VMWG, zählt die «Mehrleistungen des Vermieters», insbesondere «a. Massnahmen zur Verminderung der Energieverluste der Gebäudehülle; b. zur rationelleren Energienutzung; c. zur Verminderung der Emissionen bei haustechnischen Anlagen; d. zum Einsatz erneuerbarer Energien [sowie] e. der Ersatz von Haushaltgeräten mit grossem Energieverbrauch durch Geräte mit geringerem Verbrauch» konkret auf, für andere Sanierungsmassnahmen ist diese Aufzählung aber nicht ausreichend.
Aus diesem Grund wurde vom Mieterinnen- und Mieterverband (MV) und dem Hauseigentümerverband (HEV) gemeinsam die paritätische Lebensdauertabelle erarbeitet. Neben der erwarteten Lebensdauer von verschiedenen Bauteilen und Materialien sind dort für ausgewählte Ersatzmassnahmen auch Richtwerte für den wertvermehrenden Anteil hinterlegt. Ein Auszug davon ist hier zu finden. Diese Tabelle kann jedoch nicht abschliessend sein, weil für jede Massnahme entscheidend ist, was vorher Bestand hatte und was neu Bestand haben wird und nicht jede Kombination davon abgedeckt werden kann.
Art. 14, VMWG erwähnt ausserdem, dass die «Kosten umfassender Überholungen in der Regel zu 50-70 Prozent als wertvermehrende Investitionen gelten». Allerdings ist auch hier nicht in jedem Fall eindeutig, was als «umfassend» gilt und was nicht.
Entsprechend umstritten ist die Bestimmung des wertvermehrenden Anteils im Einzelfall oftmals.
Was bedeutet das Urteil nun aber konkret?
Wertvermehrende Anteile von Sanierungen können entsprechend ihrer Lebensdauer und Verzinsung auf den bestehenden Mietzins aufgeschlagen werden. Für die Ermittlung der zulässigen Mietzinserhöhung sind folgende drei Faktoren entscheidend:
- Wertvermehrender Anteil: Dieser Anteil bildet die Grundlage für Mietzinsaufschläge. Aus rein werterhaltenden Massnahmen ist hingegen keine Mietzinserhöhung zulässig.
- Lebensdauer bzw. Amortisation: Die Lebensdauer des Bauteils sollte individuell für jeden Eingriff ermittelt oder, bei umfassenderen Massnahmen, entsprechend gewichtet werden. Dabei bietet die paritätische Lebensdauertabelle (siehe oben) hilfreiche Anhaltspunkte.
- Zinssatz: Der Zinssatz setzt sich aus dem Referenzzinssatz des Bundesamtes für Wohnungswesen und einem Zuschlag zusammen. Bisher konnte der wertvermehrende Anteil von Sanierungskosten mit einem Zuschlag von 0.50 Prozentpunkten auf den aktuellen Referenzzinssatz verzinst werden. Dies bedeutete bei einem Referenzzinssatz von 1.75% eine Verzinsung von 2.25%. Durch das neue Urteil wird dieser Zuschlag auf 2.00 Prozentpunkte erhöht, solange der Referenzzinssatz bei 2.00% oder darunter liegt. Damit kann bei einem aktuellen Referenzzinssatz von 1.75% eine Nettorendite von bis zu 3.75% erzielt werden. Welcher Zuschlag angewendet wird, wenn der Referenzzinssatz über 2.00% steigt, wird mit dem Bundesgerichtsentscheid nicht beantwortet.
Gemäss diesem Beispiel erhöht sich der mögliche Zuschlag bei gleicher Voraussetzung um CHF 4’125 p.a. oder knapp 17%.
Berücksichtigung und Sensitivitäten weiterer Faktoren
Wie im Rechenbeispiel ersichtlich, spielen neben dieser Verzinsung weitere Faktoren wie der oben erwähnte wertvermehrende Anteil der Sanierungen sowie die Lebensdauer der Bauteile eine wesentliche Rolle.
Setzt man bei gleicher Verzinsung und gleicher Lebensdauer einen wertvermehrenden Anteil von 60% statt 50% ein, also 20% höher, erhöht sich der mögliche Zuschlag um CHF 5’729 p.a. oder ebenfalls 20%:
Ändert man bei gleicher Verzinsung und gleichem wertvermehrenden Anteil die Lebensdauer von 30 auf 25 Jahre, erhöht sich der mögliche Zuschlag um CHF 3’667 p.a. oder rund 13%:
Fazit
Der Bundesgerichtsentscheid vom Juli 2024 wirkt sich im aktuellen Zinsumfeld direkt auf die Berechnung der zulässigen Mietzinserhöhung nach Sanierungen aus. Oben dargestellte Beispiele zeigen aber, dass die anderen Faktoren wie der wertvermehrende Anteil sowie die angewendete Lebensdauer von Bauteilen isoliert betrachtet ähnlich grosse Effekte auf die Berechnung der Zuschläge haben.
Durch den Bundesgerichtsentscheid dürften Sanierungen im aktuellen Zinsumfeld attraktiver werden. Da gerade Sanierungsmassnahmen, die zur energetischen Verbesserung des Gebäudeparks beitragen i.d.R. hohe wertvermehrende Anteile enthalten, könnte diese Entwicklung dazu beitragen, Sanierungsprojekte zu beschleunigen und somit nicht zuletzt einen wichtigen Schritt in Richtung Erreichung der Klimaziele zu leisten.
Hinweis: Kantone mit strikteren Mietgesetzen
Es ist zu beachten, dass in den Kantonen Genf, Waadt und Basel-Stadt strengere Mietgesetze in Kraft sind, welche nicht der Regelung nach OR folgen. Solange bei einem Vorhaben also die dort geltenden Regeln zur Berechnung der zulässigen Mietzinserhöhung (LDTR Genf, LPPPL Waadt, WRFG Basel-Stadt) zur Anwendung kommen, hat der BGE vom 30.07.2024 demzufolge keinen Einfluss.