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Wenn die Gefahr den Preis mitbe­stimmt – Natur­ge­fahren & Immobilien in der Schweiz

Letzte Aktualisierung: 06. Juni 2025

Natur­ge­fahren wie Stark­regen, Hochwasser, Erdrutsche, Murgänge und Sturz­er­eig­nisse können in der Schweiz erheb­liche Schäden verur­sachen – und das Risiko dürfte in Zukunft weiter steigen, denn infolge des Klima­wandels nehmen Wetter­ex­treme sowohl an Häufigkeit als auch an Inten­sität zu.

Starke Nieder­schläge als häufigste Gefahr in der Schweiz

Wetter­ex­treme und andere Natur­ge­fahren sind eine besondere Heraus­for­derung für den Immobi­li­en­markt. Zwar kann man sich dank Gebäu­de­ver­si­che­rungen gegen Schäden versi­chern, und auch bauliche Massnahmen von Eigen­tümern oder öffentlich finan­zierte Schutz­bauten können die Vulnerabi­lität von Gebäuden oder die Gefährdung an exponierten Lagen reduzieren. Doch die konkrete Gefährdung einer Liegen­schaft beein­trächtigt oft die Lebens­qua­lität der Bewoh­ne­rinnen und Bewohner. Es ist daher zu erwarten, dass sich diese nutzen­be­zo­genen Faktoren in einer Wertmin­derung nieder­schlagen.




Daten­basis: 28’000 Trans­ak­tionen

Neue Berech­nungen von Wüest Partner beziffern präzise, wie stark Natur­ge­fahren auf den Preis von Einfa­mi­li­en­häusern wirken. Für die Studie werteten wir rund 28’000 Freihand­trans­ak­tionen aus den Jahren 2022 bis 2024 aus. Betrachtet wurden ausschliesslich Einfa­mi­li­en­häuser, weil sie im Schadensfall ganzheitlich betroffen sind und sich deshalb gut vergleichen lassen. Die Gefah­ren­klassen stammen aus den kanto­nalen Natur­ge­fah­ren­karten bezie­hungs­weise aus von der Firma Geotest homoge­ni­sierten Daten. Insgesamt flossen elf verschiedene Natur­ge­fahren in die Studie ein, darunter Hochwasser, Lawinen, Rutschungen sowie Murgänge und Hangmuren.

Mittels eines hedoni­schen Preis­mo­dells – in der Immobi­li­en­branche Standard – wurden Lage‑, Objekt- und Gefah­ren­merkmale vonein­ander getrennt. So lässt sich der reine Preis­effekt der Natur­gefahr isoliert betrachten. Insgesamt haben wir auf diese Weise elf verschiedene Natur­ge­fahren unter­sucht, jede davon in einem separaten hedoni­schen Modell.

Ausführ­liche Kernbe­funde

In den meisten Fällen bleibt der Abschlag zwar moderat – ein bis drei Prozent sind die Regel. In seltenen, besonders gefähr­deten Gebieten kann der Wertverlust jedoch bis zu 30 Prozent erreichen.

  • Hochwasser entstehen, wenn stehende oder flies­sende Gewässer aufgrund von Stark­regen oder Schnee­schmelze über die Ufer treten. Bereits ab Gefah­ren­klasse 3 zahlen Käufer im Mittel 0.6% weniger. Steigt die Klassi­fi­zierung auf 4 oder 5, summiert sich der Diskont auf 1.4% bzw. 1.8%.
  • Oberflä­chen­ab­fluss tritt auf, wenn Regen- oder Schmelz­wasser nicht rasch genug im Boden versi­ckern kann und unkon­trol­liert über das Gelände abfliesst. Er sorgt für bis zu 50% der Wasser­schäden. Diese Natur­gefahr macht sich erst ab Klasse 4 mit durch­schnittlich –1.3% bemerkbar; bei erheb­licher Gefährdung (Kl. 5) weitet sich der Effekt auf –2.3% aus.
  • Bei Rutschungen handelt es sich um Materi­al­be­we­gungen an Hängen, die spontan oder über längere Zeiträume erfolgen können. Wegen weniger Trans­ak­tionen wurden die Klassen 3 und 4 zusam­men­gelegt. Das Ergebnis –0.9% zeigt, dass das Risiko zwar einkal­ku­liert wird, sich aber nicht drama­tisch auswirkt. In Klasse 5 steigt der Abschlag dagegen auf –3.0%.
  • Lawinen-Paradoxon: Risiko kann Werttreiber sein
    In beliebten Winter­sport­orten sind Einfa­mi­li­en­häuser der Gefah­ren­klassen 3 und 4 erstaunlich gefragt. Das Modell weist +8.1% (Kl. 3) und +5.3% (Kl. 4) aus – typische Lagen am Pistenrand oder mit Panora­ma­blick kosten also spürbar mehr, obwohl die amtliche Lawinen­gefahr höher ist. Erst wenn das Risiko «erheblich» wird (Kl. 5), kippt die Bilanz auf –1.9%. Das zeigt, wie stark positive Stand­ort­at­tribute das Risiko­be­wusstsein überlagern können – und wie schnell sich dieser Bonus verflüchtigt, sobald die Gefahr als existen­ziell wahrge­nommen wird.
  • Murgang & Hangmure: Extrem­risiko drückt extrem
    Eine Hangmure ist eine Schlamm­lawine aus Wasser, Erde und Geröll mit einem hohen Wasser­anteil. Unter einem Murgang versteht man ein flies­sendes Gemisch aus Schlamm, Wasser, Steinen, Geröll und Holz, das oft in bereits vorhan­denen Bachbetten entsteht. Beide können eine enorme Zerstö­rungs­kraft entwi­ckeln.
    Verkäufe in Gefah­ren­klasse 5 sind rar – nur elf Trans­ak­tionen in drei Jahren –, doch dort, wo sie vorkamen, lag der Preis im Schnitt rund 30% unter dem Wert vergleich­barer Objekte in sicheren Zonen. Bei einem markt­üb­lichen Haus von 1 Mio. Fr. entspricht das einem Minder­erlös von 300 000 Fr. Die geringe Fallzahl mahnt zur Vorsicht, aber die Richtung ist eindeutig.

Trans­ak­ti­ons­preise von Einfa­mi­li­en­häusern: Preis­ab­schlag nach Gefah­ren­klasse


Bautä­tigkeit: An gefähr­deten Lagen wird weiter gebaut


Im Rahmen unserer Analysen über die Beziehung zwischen Immobi­li­en­preisen und Natur­ge­fahren haben wir auch unter­sucht, wie viele Wohnungen sich in den Gefah­ren­klassen 4 und 5 befinden und wie stark die Wohnbau­tä­tigkeit an diesen Lagen ist. Dabei fällt auf, dass der Anteil an projek­tierten, bewil­ligten oder sich im Bau befind­lichen Wohnungen an diesen gefähr­deten Lagen kaum vom Anteil bereits bestehender Wohnungen an solchen Stand­orten abweicht. Das führt dazu, dass der Anteil an Wohnungen an gefähr­deten Stand­orten stabil bleibt. Mögliche Gründe dafür sind:

  • Unzurei­chendes Risiko­be­wusstsein: Akteure sind sich der entspre­chenden Gefahren nicht vollständig bewusst.
  • Kosten­vorteil: Bauland an gefähr­de­teren Lagen ist oftmals so viel günstiger, dass poten­zielle Preis­ab­schläge kompen­siert werden.
  • Knappes Bauland: In bestimmten Regionen gibt es kaum Ausweich­mög­lich­keiten, sodass selbst riskante Lagen genutzt werden.
  • Positive Markt­ent­wicklung: Die höheren Versi­che­rungs­kosten und die meist eher moderaten Preis­ab­schläge werden durch die aktuell positiven Markt­ent­wick­lungen mehr als wettge­macht.
  • Lokale Neube­wertung: Fachleute vor Ort können bei detail­lierten Unter­su­chungen zum Schluss gelangen, dass die tatsäch­liche Gefahr an bestimmten Stellen geringer ist als in den Modell­karten ausge­wiesen.

Erst in Klasse 5, wo die Diskonts zweistellig werden, bricht die Bautä­tigkeit fast völlig ein – hier sind es schweizweit gerade einmal 1 Einfa­mi­li­enhaus (Hangmuren), 20 (Murgänge) und 14 (Lawinen) in Planung.

Umgang mit Natur­ge­fahren: Versi­cherung gegen Natur­ge­fahren nicht in der ganzen Schweiz obliga­to­risch

Um sich als Eigen­tü­merin oder Eigen­tümer einer Immobilie gegen die finan­zi­ellen Folgen von Natur­er­eig­nissen und Wetter­ri­siken zu schützen, bietet sich in erster Linie eine Gebäu­de­ver­si­cherung an. Damit wird das Risiko von einem Individuum auf ein Kollektiv übertragen. In 19 Kantonen besteht dafür eine öffentlich-rechtliche kantonale Gebäu­de­ver­si­cherung, die für Immobi­li­en­ei­gen­tümer obliga­to­risch ist. In den anderen Kantonen, den sogenannten GUSTAVO-Kantonen (GE, UR, SZ, TI, AI, VS, OW), übernehmen Privat­ver­si­cherer diese Aufgabe. In den Kantonen Genf, Tessin, Appenzell Inner­rhoden und Wallis ist die Gebäu­de­ver­si­cherung aller­dings nicht verpflichtend.

Nicht versi­chertes Risiko als Grund für Preis­ab­schläge?

Obwohl eine Versi­cherung das Schadens­risiko mindert, zeigt sich, dass Preis­ab­schläge für Einfa­mi­li­en­häuser an exponierten Lagen – von Ausnahmen abgesehen – bis zu rund 5% erreichen können. Das übersteigt in vielen Fällen die zusätz­lichen Kosten für den Versi­che­rungs­schutz. Eine Police deckt also nicht stets das gesamte Risiko ab. Eine unzurei­chende Abdeckung oder nicht gedeckte Schäden (z. B. Aufräum­ar­beiten) können zu finan­zi­ellen Mehrbe­las­tungen für den Eigen­tümer führen. Gleich­zeitig lassen sich keine abschlies­senden Aussagen darüber treffen, ob Natur­ge­fahren und die durch den Klima­wandel zuneh­menden Wetter­ex­treme bereits vollständig in die Immobi­li­en­preise einge­rechnet sind.

Beschränkte bauliche Massnahmen

Neben einer Versi­cherung sind auch bauliche Massnahmen wichtig, um die Gefährdung oder die Vulnerabi­lität zu senken. Der Handlungs­spielraum ist hier aller­dings begrenzt. Die öffent­liche Hand kann beispiels­weise durch Gewäs­ser­kor­rek­turen, Renatu­rie­rungen, Lawinen­ver­bau­ungen oder Hangsta­bi­li­sie­rungen die Risiken an besonders gefähr­deten Orten reduzieren. Auch die Immobi­li­en­ei­gen­tümer verfügen über Möglich­keiten: Bei drohenden Überschwem­mungen lassen sich kritische Stellen an einem Gebäude abdichten oder durch Dämme schützen. Gegen Hagel helfen geprüfte Materialien, und Storen lassen sich schützen, indem sie bei Regen oder Sturm automa­tisch hochge­zogen werden.

Klima­wandel als Beschleu­niger

Durch den anhal­tenden Klima­wandel dürften die Gefahren durch Extrem­wet­ter­er­eig­nisse weiter zunehmen. Um die Auswir­kungen für die Immobi­li­en­branche voraus­schauend zu bewerten und robuste Manage­ment­stra­tegien zu entwi­ckeln, arbeitet Wüest Partner mit CLIMADA Techno­logies, einem Spin-off der ETH Zürich für Klima­ri­si­ko­ana­lysen, zusammen. Die Koope­ration ermög­licht eine frühzeitige Identi­fi­kation der zuneh­menden physi­schen Risiken des Klima­wandels und deren poten­zielle Auswir­kungen, sodass fundierte Entschei­dungen zur Risiko­min­derung und zur Einhaltung regula­to­ri­scher Vorgaben getroffen werden können. Mehr Infor­ma­tionen finden Sie hier.

Immo-Monitoring

Lesen Sie mehr über die angewandte Methodik und das daraus resul­tie­rende Umnut­zungs­po­tenzial im neuen Immo-Monitoring.

Klima­ri­siken in der Immobi­li­en­wirt­schaft

Sie möchten prüfen, welche Ihrer Liegen­schaften klima­be­dingten Risiken ausge­setzt sind und wie Sie diesen strate­gisch begegnen können? In Zusam­men­arbeit mit CLIMADA Techno­logies bieten wir belastbare Risiko­ana­lysen und konkrete Handlungs­emp­feh­lungen für einzelne Objekte oder ganze Portfolios.

Mehr Infor­ma­tionen zum gemein­samen Angebot finden Sie hier: Von der Analyse bis zur Strategie: Klima­ri­siken in der Immobi­li­en­wirt­schaft managen.

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