Von der Analyse bis zur Strategie: Klimarisiken in der Immobilienwirtschaft managen
Veröffentlicht am: 19. Mai 2025
Die physischen Risiken durch die Auswirkungen des Klimawandels stellen Immobilienbesitzende und Investor:innen vor grosse Herausforderungen. Um Kund:innen eine wissenschaftlich basierte Entscheidungsgrundlage zur Risikoadaption bieten zu können, arbeitet Wüest Partner mit dem ETH Spin-Off CLIMADA Technologies zusammen.
Unter Annahme verschiedener Emissionsszenarien und für Zeithorizonte bis Ende des Jahrhunderts kann so entweder für einzelne Gebäude oder aber für ganze Portfolios das Risiko durch verschiedene Klimagefahren analysiert werden. Relevante Risiken können auf einen Blick identifiziert und die davon ausgehende Gefahr einer Wertminderung durch passende Adaptionsmassnahmen minimiert werden. So lassen sich nicht nur Risiken auf Objektebene erkennen und adressieren, sondern auch fundierte Strategien zur Risikoadaption für ganze Portfolios entwickeln. Gemeinsam schaffen Wüest Partner und CLIMADA Technologies eine belastbare Entscheidungsgrundlage zur Sicherung langfristiger Immobilienwerte.
Klimarisiken verstehen und steuern: Das Offering von Wüest Partner und CLIMADA Technologies
Im ersten Teil unserer Blogserie haben wir aufgezeigt, welche gravierenden Auswirkungen der Klimawandel auf die Immobilienbranche hat – und weshalb ein systematisches Management von Klimarisiken heute unerlässlich ist. Zusätzlich haben wir 2025 in einer Studie im Immo-Monitoring analysiert, wie exponiert der Schweizer Gebäudepark heute und in Zukunft gegenüber dem Risiko von Hitze, Starkregen, Hochwasser und Sturm ist.
Während solche extremen Wetterereignisse zunehmend Gebäude und Infrastrukturen bedrohen, verpflichten regulatorische Vorgaben wie die EU-Taxonomie oder das FINMA-Rundschreiben Unternehmen, diese Risiken transparent offenzulegen. Doch wie schaffen es Eigentümer:innen und Investor:innen, ihre Klimarisiken zu verstehen, informierte Entscheidungen zu treffen und daraus konkrete Handlungsstrategien abzuleiten?
Genau hier setzt das gemeinsame Offering von Wüest Partner und CLIMADA Technologies an. CLIMADA Technologies ist ein Spin-off der ETH (Eidgenössische Technische Hochschule) Zürich, das sich auf wissenschaftlich fundierte Klimarisikoanalysen spezialisiert hat. Die zugrundeliegende Open-Source-Software wird laufend gemeinsam mit der Forschung weiterentwickelt und erlaubt transparente, überprüfbare Resultate – im Gegensatz zu klassischen «Black-Box»-Lösungen. Weitere Hintergründe zur CLIMADA Technologies finden sich im ersten Teil unserer Blogserie.
Zentrales Element von Risikoanalysen, wie etwa durch CLIMADA Technologies, sind Klimamodelle. Solche Modelle sind rechnergestützte Simulationen, die auf physikalischen Gleichungen basieren und verschiedene Komponenten des Erdsystems – wie Atmosphäre, Ozeane, Eisschilde und Landflächen – miteinander verknüpfen. Durch diese Modelle lässt sich der Zustand des Klimas sowie dessen Entwicklung über Jahrzehnte hinweg nachbilden. So kann beispielsweise abgeschätzt werden, wie sich Temperatur, Niederschlag oder Extremwetterereignisse bis zum Ende des Jahrhunderts verändern könnten. Die Ergebnisse solcher Modelle hängen jedoch stark von den zugrunde liegenden Annahmen ab – insbesondere von zukünftigen menschlichen Einflüssen wie Treibhausgasemissionen oder Landnutzungsänderungen. Um diese Unsicherheiten systematisch zu erfassen, arbeiten Klimaforschende mit sogenannten Emissionsszenarien.
Diese Szenarien beschreiben mögliche Entwicklungen von Treibhausgasemissionen basierend auf unterschiedlichen Annahmen zu Wirtschaft, Technologie, Bevölkerungswachstum und Klimapolitik. Besonders bekannt sind jene Szenarien, die vom Weltklimarat (IPCC) verwendet werden, da sie als wissenschaftlicher Standard in internationalen Analysen, Politikberatung und Forschung gelten.
Im Fünften Sachstandsbericht des IPCC (AR5) aus dem Jahr 2014 kamen die sogenannten RCP-Szenarien («Representative Concentration Pathways») zum Einsatz. Diese Szenarien basieren auf der Höhe des zusätzlichen Strahlungsantriebs – also der zusätzlichen Energiemenge, die durch Treibhausgase im Erdsystem verbleibt – bis zum Jahr 2100. So geht das RCP2.6‑Szenario von einer ambitionierten Reduktion der Emissionen aus und rechnet mit einem zusätzlichen Strahlungsantrieb von 2,6 W/m². Dem gegenüber steht das RCP8.5‑Szenario, das stark steigende Emissionen annimmt und einen Strahlungsantrieb von 8,5 W/m² erwartet. Diese Unterschiede wirken sich direkt auf die globale Durchschnittstemperatur aus: Während unter RCP2.6 ein Temperaturanstieg von etwa 1,6 °C (relativ zum vorindustriellen Niveau von 1850–1900) erwartet wird, prognostiziert RCP8.5 einen Anstieg von rund 4.3°C bis Ende des Jahrhunderts.
Einen etwas anderen Ansatz bieten die sogenannten SSP («Shared Socioeconomic Pathways») Szenarien, die im sechsten Sachbestandberichts des IPCC (AR6) verwendet wurden. Diese Szenarien treffen verschiedene Annahmen über die Entwicklung zentraler sozioökonomische Faktoren wie etwa internationale Zusammenarbeit, Bildungsstand, technologische Entwicklung und Bevölkerungswachstum.
- SSP1: Nachhaltigkeit/«Taking the Green Road». Dieses Szenario beschreibt eine Welt, die einen nachhaltigen Pfad einschlägt, mit Schwerpunkt auf umweltfreundlichen Praktiken und globaler Zusammenarbeit.
- SSP2: «Middle of the Road». Hierbei folgt die Welt einem mittleren Entwicklungspfad, in dem bestehende Trends weitgehend unverändert bleiben.
- SSP3: Regionale Rivalität/«A Rocky Road». Dieses Szenario geht von einer fragmentierten Welt mit starken regionalen Unterschieden und geringerer internationaler Kooperation aus.
- SSP4: Ungleichheit/«A Road Divided». Charakterisiert durch wachsende Ungleichheiten sowohl innerhalb als auch zwischen Ländern, mit unterschiedlichen Entwicklungsniveaus und Zugang zu Technologien.
- SSP5: Fossilgetriebene Entwicklung/«Taking the Highway». Dieses Szenario beschreibt eine Welt mit starkem wirtschaftlichem Wachstum, das hauptsächlich auf der intensiven Nutzung fossiler Brennstoffe basiert.
Diese SSP-Szenarien können nun mit den Emissions- und Strahlungsantriebszielen der RCP-Szenarien kombiniert werden etwa SSP1‑2.6, SSP2‑4.5 oder SSP5‑8.5, welche für die Periode 2081–2100 einer Temperaturabweichung relativ zum vorindustriellen Mittel von 1850–1900 von 1.3–2.4°C, 2.1–3.5°C oder 3.3–5.7°C (IPCC6) einher geht.
Abbildung 1: Globale Temperaturabweichung relativ zum vorindustriellen Mittel (1850–1900). Die graue Linie zeigt die Abweichungen basierend auf der ERA5-Reanalyse (Credit: C3S/ECMWF 1). Die blauen und orangenen Linien zeigen geglättete 20-Jahres-Mittel verschiedener CMIP6-Klimamodelle: Die blaue Linie stellt den historischen Verlauf dar, die orangenen Linien zeigen Projektionen für die Zukunft unter Annahme der Emissionsszenarien SSP1‑2.6, SSP2‑4.5 und SSP5‑8.5.
Die CMIP6-Daten stammen aus dem 6. IPCC-Sachstandsbericht (Abbildung 8, Summary for Policymakers). Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (CC BY 4.0) 2 3.
Bei der Erstellung von Klimaprojektionen wird nicht nur ein einzelnes Klimamodell verwendet. Vielmehr kommen sogenannte Modell-Ensembles zum Einsatz – Sammlungen verschiedener Klimamodelle, die ein gemeinsames Emissionsszenario durchrechnen. Jedes dieser Modelle basiert auf leicht unterschiedlichen Annahmen und Modellierungsansätzen, wodurch sich gewisse Stärken und Schwächen ergeben, etwa in der Simulation von Niederschlag, Temperatur oder Windgeschwindigkeiten. Durch die Analyse der Ergebnisse über alle Modelle hinweg entsteht ein differenziertes Bild möglicher Entwicklungen. Diese Ensemble-Ansätze sind Standard in wissenschaftlichen Publikationen sowie in den Berichten des IPCC und erlauben eine robustere Einschätzung der Klimazukunft – inklusive Bandbreiten für Temperaturanstiege oder Extremereignisse.
Von Klimamodellen zum Risiko: Wie CLIMADA Technologies Risiken quantifiziert
CLIMADA Technologies nutzt Ensembles aus verschiedenen Klimamodellen unter Annahme von SSP- und RCP-Szenarien, um die Entwicklung einer breiten Palette immobilienrelevanter Klimarisiken bis zum Jahr 2100 zu simulieren. Dazu gehören unter anderem Hitzeextreme, Starkregen, Hochwasser, Hangrutsche, Sturm, Waldbrand oder der Meeresspiegelanstieg.
Diese Analyse erfolgt ortsspezifisch und über verschiedene Zeithorizonte hinweg. Im nächsten Schritt werden diese klimatischen Veränderungen – etwa eine projizierte Temperaturzunahme oder steigende Niederschlagsmengen – in konkrete Risikowerte übersetzt. CLIMADA Technologies hat dafür eigene, risikofaktorspezifische Bewertungsmethoden entwickelt. Das Resultat ist ein standardisiertes Risikorating für jeden untersuchten Risikotyp. Dieses Rating reicht von 1 (sehr geringes Risiko) bis 5 (sehr hohes Risiko) und ermöglicht eine klare, vergleichbare Einschätzung.
Neben einem Rating des Risikos werden zudem die potenziellen finanziellen Schäden, die durch klimabedingte Extremereignisse entstehen können, quantifiziert. Dafür kommen sogenannte Schadenskurven zum Einsatz. Diese zeigen auf, wie hoch der prozentuale Wertverlust eines Gebäudes bei einer bestimmten Intensität eines Ereignisses – etwa Hochwasser oder Sturm – ausfallen könnte. Die Kurven basieren auf empirischen Daten, unter anderem aus der Versicherungswirtschaft, und konzentrieren sich auf die finanziell relevantesten Schadenereignisse.
Ein Beispiel: Für ein Hochwasser mit einer Intensität von 1 Meter könnte ein durchschnittlicher Wertverlust von etwa 20 % angenommen werden, während bei einer Intensität von 3 Metern ein Verlust von bis zu 70 % realistisch sein kann. Dabei werden die Schadenskurven zusätzlich an gebäudespezifische Merkmale angepasst. So führt beispielsweise eine Holzkonstruktion bei derselben Hochwasserintensität tendenziell zu höheren Schäden als eine massive Betonkonstruktion.
Von der Analyse zur Handlung: Wie Wüest Partner Klimarisiken nutzbar macht
Auf Basis der von CLIMADA Technologies berechneten Daten, erstellt Wüest Partner anwendungsorientierte Auswertungen für einzelne Liegenschaften oder ganze Portfolios. Dazu werden die Risikoratings und finanziellen Schadensprognosen georeferenziert an den Objektstandorten bei CLIMADA Technologies abgefragt. Anschliessend wird automatisch ein übersichtlicher PDF-Report generiert, der die klimatische Risikoexponierung zusammenfasst. Dieser Bericht fasst die relevanten Gefahrenlagen übersichtlich zusammen – inklusive einer Differenzierung nach Emissionsszenarien und zeitlichen Entwicklungspfaden. So erhalten Investor:innen, Eigentümer:innen und Finanzinstitute eine belastbare Entscheidungsgrundlage, um Risiken gezielt zu erkennen und zu managen.
Ein Beispiel einer solchen Auswertung – hier für ein Teilset der verfügbaren Risikovariablen – ist in Abbildung 2 dargestellt. Analysiert wurde ein Beispielportfolio mit 100 Gebäuden in der DACH-Region, jeweils für das Referenzjahr 2000 sowie für das Jahr 2050 unter pessimistischen Annahmen (SSP5‑8.5). Die Ergebnisse zeigen auf einen Blick:
- Waldbrand, Dürre und Hochwasser stellen keine relevanten Risiken dar,
- das Frost-Risiko nimmt künftig ab,
- die Sturmgefahr bleibt über beide Zeiträume hinweg etwa gleich,
- Hitzewellen, Starkregen und Rutschungen gewinnen in Zukunft deutlich an Relevanz.
Bei den finanziell relevantesten Risiken – insbesondere Hochwasser und Sturm – hängt die Summe der Schäden, welche im Durchschnitt alle 100 Jahre erwartet werden, wesentlich von bestimmten Gebäudeeigenschaften ab. In Abbildung 3 vergleichen wir die Schadenssumme für 100 Gebäude mit einem jeweiligen Wert von 5 Millionen CHF. Die Summe der Schäden durch Hochwasser im Jahr 2050 (unter Annahme des SSP5-Szenarios) liegt bei 4.7 Millionen CHF, wenn alle Gebäude im Portfolio über einen Keller verfügen – und bei 3.7 Millionen CHF, wenn keines der Objekte einen Keller hat. Auch der Konstruktionstyp beeinflusst die Schadenshöhe, etwa bei den Schäden durch Sturm: Während für 100 Gebäude basierend auf einer Betonkonstruktion kein Schaden zu erwarten ist, würde man für 100 Gebäude mit einer Holzkonstruktion etwa mit 45’000 CHF Schaden alle 100 Jahre rechnen.
Abbildung 2: Analyse einer Auswahl verschiedener Klimarisiken anhand eines Beispielportfolios mit 100 Gebäuden in der DACH-Region. Für jeden Risikotyp wird die Anzahl Gebäude pro Risiko Rating gezeigt. Für jedes Risiko zeigt der linke («2000») Balken die Exponierung im Referenzzeitraum, während der rechte Balken («2050») jeweils die Exponierung in der Zukunft unter Annahme des SSP5‑8.5 Emissionsszenarios zeigt.
Abbildung 3: Summe der Schäden, die im Jahr 2050 (Emissionsszenario SSP5) alle 100-Jahre zu erwarten sind, bezogen auf das Risiko durch Hochwasser oder Sturm. Es wurde jeweils angenommen, dass alle Gebäude entweder einen Keller bzw. keinen Keller sowie entweder eine Beton- oder Holzkonstruktion aufweisen.
Aufbauend auf den identifizierten Risiken und unserer langjährigen Erfahrung mit der Werterhaltung von Immobilien, entwickeln wir schliesslich einen massgeschneiderten Katalog an Vorschlägen für konkrete Adaptionsmassnahmen. Diese Empfehlungen zielen darauf ab, potenzielle Wertverluste mit Hilfe von passenden baulichen Massnahmen zu vermeiden oder zu minimieren. Damit schaffen wir einen echten Mehrwert – und legen die Grundlage für eine vorausschauende, klimaresiliente Immobilienstrategie.
Fazit: Klimarisiken aktiv managen – fundiert, zukunftsgerichtet und regulatorisch konform
Mit dem gemeinsamen Offering von Wüest Partner und CLIMADA Technologies steht der Immobilienbranche ein wissenschaftlich fundiertes Instrument zur Verfügung, das nicht nur hilft, physische Klimarisiken systematisch zu erkennen und zu bewerten, sondern auch konkrete Handlungsempfehlungen für die Risikoadaption liefert. Durch die robuste Methodik, transparente Datenbasis und klare Risikoklassifikation ermöglicht das Tool eine fundierte Entscheidungsgrundlage – für einzelne Objekte ebenso wie für ganze Portfolios. Darüber hinaus unterstützt es Eigentümer:innen und Investor:innen dabei, den wachsenden regulatorischen Anforderungen wie der EU-Taxonomie oder den Vorgaben von FINMA gerecht zu werden. So wird Klimarisikomanagement nicht nur zur Pflicht, sondern zum strategischen Vorteil für eine langfristige Wertsicherung.
- Copernicus ↩︎
- IPCC, 2021: Summary for Policymakers. In: Climate Change 2021: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Masson-Delmotte, V., P. Zhai, A. Pirani, S. L. Connors, C. Péan, S. Berger, N. Caud, Y. Chen, L. Goldfarb, M. I. Gomis, M. Huang, K. Leitzell, E. Lonnoy, J.B.R. Matthews, T. K. Maycock, T. Waterfield, O. Yelekçi, R. Yu and B. Zhou (eds.)]. Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA, pp. 3−32, doi:10.1017/9781009157896.001. ↩︎
- Fyfe, J.; Fox-Kemper, B.; Kopp, R.; Garner, G. (2021): Summary for Policymakers of the Working Group I Contribution to the IPCC Sixth Assessment Report – data for Figure SPM.8 (v20210809). NERC EDS Centre for Environmental Data Analysis, 1.4.2025. doi:10.5285/98af2184e13e4b91893ab72f301790db. ↩︎