US-Zölle und Schweizer Konsumentenpreise: Welche Kanäle wirken?
Veröffentlicht am: 04. April 2025

Das von den USA am 2. April 2025 präsentierte Zollpaket setzt die erfolgreichen Schweizer Exportindustrien vor grosse Herausforderungen. Die USA drohen mit Importzöllen von bis zu 31 Prozent auf Schweizer Maschinen, Uhren oder Präzisionsinstrumente (pharmazeutische Erzeugnisse sind zwar vorerst ausgenommen, könnten aber auch noch betroffen sein). Ein Handelskonflikt scheint vom Zaun zu brechen. Dieser Blog fokussiert auf einen spezifischen Aspekt dieses schwellenden Konflikts – den Effekt auf die Schweizer Konsumentenpreise.
Der Begriff „Handelskonflikt“ weckt intuitiv die Erwartung steigender Preise. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat aber noch bei ihrer geldpolitischen Lagebeurteilung im März 2025 die Notwendigkeit betont, mit ihrer Geldpolitik einer drohenden Deflation entgegenzuwirken. Dieser Blog zeigt, inwiefern Zollstreitigkeiten zwischen bedeutenden Handelsblöcken die Inflation in der Schweiz beeinflussen.
Direkte und indirekte Effekte auf den Konsumentenpreisindex
Auf den ersten Blick erscheint es plausibel: Höhere Zölle verteuern importierte Produkte unmittelbar. Zudem fällt der Wettbewerb zwischen den verschiedenen Anbietern weniger intensiv aus und etablierte Lieferketten geraten ins Wanken. Doch der Effekt des Handelskonflikts auf den Schweizer Konsumentenpreisindex (LIK) ist komplexer, das zeigen nachfolgende Überlegungen, die auch indirekte Wirkungen berücksichtigen.
Importzölle und Konsumentenpreise
Mit der jüngsten Ankündigung der US-Regierung stehen für die Schweiz derzeit vor allem Importzölle seitens der USA im Fokus. Die EU, China sowie Kanada und Mexiko drohen im Rahmen von Vergeltungsmassnahmen mit ähnlich hohen Importzöllen auf US-Produkte. In erster Linie führen diese Zölle zu höheren Preisen für die Konsumenten in den Ländern, welche die Importzölle erheben.
Bei Importzöllen auf Konsumgütern wie Autos oder Wein steigen die Konsumentenpreise im importierenden Land unmittelbar an. Viele Waren – wie etwa Stahl oder elektronische Bauteile – werden aber nicht von privaten Konsumenten, sondern hauptsächlich zwischen Unternehmen gehandelt. Wird bei solchen Industriegütern ein Importzoll erhoben, erfolgt die Wirkung indirekt. Ein Beispiel: Ein US-Bauunternehmen importiert aus China Solarpanels und Wechselrichter für die Installation von Photovoltaikanlagen, auf welche im Zuge von Handelsstreitigkeiten substanzielle Importzölle erhoben werden. Diese zusätzlichen Kosten erhöhen unmittelbar die Ausgaben des US-Unternehmens. Im nächsten Schritt versucht dieses, die Mehrkosten entlang der Lieferkette weiterzugeben, was Neubauten und Sanierungen verteuert. Allerdings fliessen die Baukosten nicht direkt in den Konsumentenpreisindex ein – dieser bildet vielmehr die Wohnkosten ab. Zudem beeinflussen erhöhte Baukosten das generelle Mietpreisniveau nicht unmittelbar, da dieses stark von der Zahlungsbereitschaft der Wohnungssuchenden abhängt.
Bislang ist nicht absehbar, dass die Schweiz eigene Importzölle auf Industriegüter einführen wird. Für Schweizer Importeure und Konsumenten wird es infolge der US-Zölle daher nicht unmittelbar teurer. Allerdings kann dies ersten dazu führen, dass Vorprodukte, welche Schweizer Firmen aus den USA importieren, teurer eingekauft werden müssen. Zweitens stellen Zölle auf Industriegüter in einer globalisierten Welt einen Bremsklotz für das Wirtschaftswachstum dar. Sie gefährden etablierte Lieferketten, da Zulieferbeziehungen unter den veränderten Voraussetzungen neu evaluiert werden müssen und verteuern damit die Produktion. Wie Störungen in den Lieferketten zu Produktionslücken führen können, zeigte sich im Rahmen der Corona-Krise. Die Knappheit bestimmter Güter war ein wesentlicher Grund für den auch in der Schweiz beträchtlichen Anstieg der Konsumentenpreise.
Überangebot
US-Importzölle könnten in der kurzen Frist auch dazu führen, dass betroffene europäische und Schweizer Unternehmen hierzulande ihre Preise senken, um das aufgrund der sinkenden Nachfrage aus den USA entstehende Überangebot loskriegen. Das würde in der Schweiz inflationshemmend wirken.
Dämpfende Effekte über globale Nachfrage und Energiepreise
Ein weiterer wesentlicher Kanal wirkt über die globale Nachfrage. Handelsstreitigkeiten schaffen Unsicherheit, verringern Investitionen und schwächen den Welthandel. Sinkt die weltweite Nachfrage nach Gütern, reduziert sich in der Regel auch der Bedarf an Rohstoffen und Energie – darunter Erdöl. Eine geringere Nachfrage nach Energie führt häufig zu sinkenden Energiepreisen, was wiederum die Inflationsrate in der Schweiz dämpft.
Die bedeutende Rolle des Wechselkurses
Am ersten Handelstag nach Verkündigung des Zollpakets hat der US-Dollar abgewertet, leicht gegenüber dem Euro und noch stärker gegenüber dem Schweizer Franken, der in unsicheren Zeiten als Safe-Haven-Währung begehrt ist. In Krisenzeiten flüchten Anleger in sichere Anlagen, wie Gold oder eben den Schweizer Franken. Diese erhöhte Nachfrage führt zu einer Aufwertung des Frankens gegenüber anderen Währungen, wodurch importierte Güter in der Schweiz preiswerter werden und die Inflation somit dämpft.
Einmaliger Sprung oder Inflationsspirale
Bei der Einführung von Importzöllen kommt es zu einem einmaligen Anstieg des Preisniveaus. Anhaltende Inflation hingegen bedeutet, dass die Preise über mehrere Jahre hinweg steigen. Sobald die neuen Zollkosten in das Preisniveau eingepreist sind, normalisiert sich die Inflationsrate in der Regel wieder – sofern keine weiteren Zölle oder Preisschocks folgen. Solange sich der Handelskrieg nicht weiter hochschaukelt und eine Inflationsspirale in Gang gesetzt wird, führen Importzölle nicht automatisch zu einer dauerhaft höheren Inflation, sondern bewirken vor allem einmalige Anpassungen im Preisgefüge.
Fazit: Geringer Effekt auf Schweizer Konsumentenpreise
Der Einfluss eines Handelskonflikts auf die Konsumentenpreise in der Schweiz ist vielschichtig und verläuft über verschiedene Kanäle. Insgesamt dürfte der Effekt von US-Importzöllen auf die Schweizer Konsumentenpreise aber nicht allzugross sein – zumindest solange die Schweiz keine eigenen Importzölle einführt und der Franken stark bleibt. Ungeachtet dessen ist der aktuelle Protektionismus eine grosse Belastungsprobe für die Schweiz als Exportchampion und kleine, offene Volkswirtschaft. Da mag es eine gewisse Genugtuung sein, dass in all diesen Turbulenzen nicht auch noch mit einer hohen Inflation in der Schweiz zu rechnen ist.
Bedeutung für den Schweizer Immobilienmarkt
Inflation und Inflationserwartungen spielen im Schweizer Immobilienmarkt eine zentrale Rolle, da sie die Zinsentwicklung massgeblich beeinflussen – was wiederum Immobilienpreise, Mieten und die Bautätigkeit prägt. Steigende Inflationserwartungen führen häufig zu höheren Zinsen, was die Finanzierungskosten von Entwicklungsprojekten sowie die Renditeerwartungen von Investoren erhöht. Zugleich ist die aufgelaufene Inflation relevant für laufende Mietverträge: Viele Schweizer Mietverträge sind inflationsgeschützt, und gemäss Schweizer Mietrecht dürfen Vermieter die aufgelaufene Teuerung zu 40% in Form von Mietzinsanpassungen weiterreichen. Der Schweizer Immobilienmarkt reagiert demnach empfindlich auf Inflationsbewegungen.
Mehr ökonomische Analysen und deren Auswirkungen auf den Schweizer Immobilienmarkt erfahren Sie beispielsweise am Wüest Academy Fachkurs «Grundlagen Immobilienmarkt: Marktverständnis in a nutshell» am 9. September 2025 in Zürich.