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Entspannung bei den Baupreisen

Veröffentlicht am: 23. Juni 2023 Letzte Aktualisierung: 20. Dezember 2024

Innert Jahres­frist sind die Baupreise im Hochbau um 4.2 Prozent gestiegen. Dies zeigt der am 22. Juni vom Bundesamt für Statistik (BfS) für den April 2023 veröf­fent­lichte Baupreis­index. Im Vergleich zur letzten Publi­kation im Oktober 2022 bedeutet dies nur noch einen geringen Anstieg um 1.0 Prozent. Welche Kompo­nenten sind für diese Entwicklung verant­wortlich? Was bedeutet dies für die tatsäch­lichen Erstel­lungs­kosten, und wie haben sich diese jüngst entwi­ckelt?

Rückgang der Materi­al­preise

Match­ent­scheidend für die Baupreise sind die Materi­al­preise, da diese erstens deutlich fluktu­ieren und zweitens einen grossen Anteil an den Kosten der Baupro­jekte ausmachen. Entspre­chend bedeutsam ist es, dass der Materi­al­preis­index seinen Höchst­stand mittler­weile klar überschritten hat. Im Mai 2022 verzeichnete der Materi­al­preis­in­dizes den höchsten Zuwachs seit Beginn der Daten­er­fassung im Jahr 2002. Seither waren die Anstiege im Vorjah­res­ver­gleich rückläufig. Im April 2023 lagen die Materi­al­preise nun erstmals seit Dezember 2020 wieder unter dem Vorjah­res­niveau. Dieser Rückgang ist einer­seits darauf zurück­zu­führen, dass Liefer­ket­ten­un­ter­brüche behoben werden konnten und die Produktion in China wieder Schwung aufge­nommen hat. So ist beispiels­weise der Preis für Stahl­pro­dukte um rund einen Drittel gefallen. Anderer­seits liegt diesem Rückgang aufgrund der hohen Preise im Vorjahr auch ein Basis­effekt zugrunde.

Anstieg der Energie­preise gebremst

Nachdem die Energie­preise gemäss Landes­index für Konsu­men­ten­preise (LIK) im November 2022 im Vorjah­res­ver­gleich noch 18.6 Prozent höher lagen, sind es im Mai 2023 noch 3.7 Prozent. Haupt­ver­ant­wortlich für die Verlang­samung der Energie­preis­an­stiege sind die Treib­stoff­kosten, welche aufgrund des gefal­lenen Ölpreises im Vorjah­res­ver­gleich um 12.7 Prozent billiger wurden. Die zukünftige Entwicklung der Energie­preise ist jedoch unter anderem aufgrund des anhal­tenden Krieges in der Ukraine mit viel Unsicherheit verbunden.

Lohnkosten steigen

Während die Material- und Energie­preise eine seitwärts bis leicht rückläufige Bewegung zeigen, dürfte die Lohnkom­po­nente die Baupreise im laufenden Jahr erhöhen. Im vergan­genen Jahr resul­tierte gemäss dem Schwei­ze­ri­schen Lohnindex im Bauge­werbe ein Anstieg der Nominal­löhne um 0.4 Prozent. Real betrachtet, stellt dies ein Rückgang der Löhne um 2.4 Prozent dar. Im laufenden Jahr dürften die Löhne im Bausektor daher bereits aufgrund eines Teuerungs­aus­gleichs merkbar ansteigen. Parellel beklagen weiterhin viele Bauun­ter­nehmen Schwie­rig­keiten bei der Rekru­tierung von neuen Mitar­bei­tenden. Der Fachkräf­te­mangel sorgt für eine bessere Verhand­lungs­po­sition der Arbeit­neh­menden und führt zu weiterem Aufwärts­druck auf die Löhne.

Tatsäch­liche Erstel­lungs­kosten stiegen in der Vergan­genheit stärker als die Baupreise

Der Baupreis­index des BFS ist quali­täts­be­reinigt und unter­schätzt somit den Anstieg der tatsäch­lichen Erstel­lungs­kosten pro Wohneinheit, denn faktisch steigt die Qualität der Neubauten laufend. Der Wohnbau­in­ves­ti­ti­ons­index von Wüest Partner bietet einen anderen Blick auf den Baumarkt. Er zeigt auf, wie hoch die Erstel­lungs­kosten einzelner Einfa­mi­li­en­häuser, Eigen­tums­woh­nungen und Mietwoh­nungen tatsächlich sind. Der Wohnbau­in­ves­ti­ti­ons­index basiert auf den in bewil­ligten Bauge­suchen ausge­wie­senen geplanten Bauin­ves­ti­tionen und wird für ein Objekt an mittlerer Makro- und Mikrolage sowie mittlerem Wohnungs­vo­lumen ausge­wiesen. Für eine detail­lierte Beschreibung der Methodik siehe den Artikel im Swiss Real Estate Journal oder die Beiträge im Immo-Monitoring.

Der Wohnbau­in­ves­ti­ti­ons­index zeigt, dass die nominalen Erstel­lungs­kosten pro Wohneinheit in den 2010er-Jahren trotz praktisch stabiler Baupreise signi­fikant gestiegen sind. Heute wird real über 10 Prozent mehr in eine neue Wohneinheit inves­tiert als noch 2008. Zurück­zu­führen ist dies auf zuneh­mende Ansprüche der Nutzenden, strengere Vorgaben der Regulierung sowie langan­haltend tiefe Zinsen.


Bauin­ves­ti­tionen bei Einfa­mi­li­en­häusern steigen weiter deutlich an, bei Wohnungen hingegen flachen sie ab

Am aktuellen Rand zeigt sich eine unter­schied­liche Entwicklung: Während die nominalen Bauin­ves­ti­tionen pro Wohneinheit bei Einfa­mi­li­en­häusern im April 2023 weiterhin deutlich angestiegen sind, ist bei Mietwoh­nungen ein Abflachen zu beobachten und Eigen­tums­woh­nungen verzeichnen einen leichten Rückgang. Gegenüber dem Vorjah­res­stand liegen die nominalen Bauin­ves­ti­tionen pro Einfa­mi­li­enhaus im April 2023 bei 9.6 Prozent, während der BFS-Baupreisindex um 4.2 Prozent gestiegen ist. Somit resul­tiert bei Einfa­mi­li­en­häusern ein realer Anstieg der Bauin­ves­tition pro Objekt von 5.4 Prozent. Bei Einfa­mi­li­en­häusern sind Quali­täts­stei­ge­rungen somit auch weiterhin im Gange. Bei Wohnungen zeigt sich hingegen ein Abbremsen der Quali­täts­stei­gerung. Gegenüber dem Vorjah­res­stand sind die nominalen Bauin­ves­ti­tionen pro Mietwoh­nungen nur noch um 2.4% und bei Eigen­tums­woh­nungen um 0.4% gestiegen. Real resul­tiert bei den Wohnungen somit ein Rückgang der Bauin­ves­ti­tionen pro Wohneinheit.

Rolle der Baupreise

Der Rückgang der Bauin­ves­ti­tionen bei Wohnungen könnte durch die aktuell hohen Baupreise begründet sein. Diese können Anlass geben, gewisse Quali­täts­ab­striche vorzu­nehmen, um einen zu starken Anstieg der Stück­preise abzufedern. Dabei dürfte es sich aber um einen kurzfris­tigen Effekt handeln, der sich rever­siert, sobald sich die Baupreise wieder auf dem vorhe­rigen Niveau einpendeln. Analysen von Wüest Partner zeigen, dass temporär hohe Baupreise eine reduzie­rende Wirkung auf Bauin­ves­ti­tionen haben – entweder durch Aufschieben von Projekten bis die Baupreise wieder tiefer sind oder durch die Redimen­sio­nierung von Projekten.

Bei Einfa­mi­li­en­häusern hingegen übertrifft aktuell die Nachfrage womöglich das Angebot so stark, dass selbst bei hohen Baupreisen immer noch hohe Quali­täten verbaut werden. Es fand eine breit abgestützte Preis­stei­gerung statt. Insbe­sondere im hochprei­sigen Segment waren deutliche Zunahmen zu beobachten. Dies kann damit zusam­men­hängen, dass Einfa­mi­li­en­häuser oft von Privat­per­sonen für die Eigen­nutzung gebaut werden, während Wohnungen typischer­weise einen insti­tu­tio­nellen Bauherrn haben. Privat­per­sonen haben im Vergleich zu insti­tu­tio­nellen Bauherren eine geringere Verhand­lungs­macht und mussten in Zeiten von Liefer­schwie­rig­keiten hohe Preise bezahlen, um überhaupt bedient zu werden. Ausserdem könnten Private auch bei hohen Preisen eher bereit sein, sich hohe Quali­täten zu leisten, da sie sich ihren Traum vom Eigenheim ohne Abstriche verwirk­lichen wollen.

Ausblick

Mittel­fristig dürften die realen Bauin­ves­ti­tionen pro Wohneinheit aufgrund der Forcierung nachhal­tiger Bauweisen wie hochste­hender Wärme­dämmung und klima­neu­traler Wärme­er­zeugung sowie steigender Ansprüche der Nutzer in allen Segmenten ansteigen.

Für das laufende Jahr erwartet Wüest Partner nochmals einen leichten Anstieg der Baupreise, mittel­fristig wird mit einer Norma­li­sierung der Baupreise gerechnet. Das hat Auswir­kungen: Gewisse aufge­schobene Projekte könnten mit Verzö­gerung doch noch reali­siert werden. Eine Norma­li­sierung der Baupreise dürfte damit die Wohnungs­knappheit, über die aktuell viel gesprochen wird, etwas lindern. Denn die Analyse von Zeitreihen bestätigt: Erhöhte Baupreise dämpfen die Bautä­tigkeit.

Wüest Partner erstellt segment­spe­zi­fische Baupro­gnosen in Zusam­men­arbeit mit Docu Media: