Weiter zum Ihnhalt

Corona­virus: Einschätzung der kommenden Entwick­lungen

Veröffentlicht am: 24. März 2020 Letzte Aktualisierung: 14. August 2025

Die Schweiz wird wahrscheinlich eine Rezession in Kauf nehmen müssen, um die Verbreitung des Corona­virus zu verlang­samen. Dies dürfte auch der Immobi­li­en­markt zu spüren bekommen, weil in einer Rezession die Nachfrage nach Flächen unter Druck gerät. Welche Auswir­kungen zu erwarten sind, hängt grund­sätzlich davon ab, wie lange die Pandemie die Schweizer Wirtschaft beein­trächtigt. Die Konse­quenzen, die das für die Nutzer- und die Anlage­märkte hat, sind je nach Segment sehr unter­schiedlich.

Corona­virus: Ausgangslage

Das gesell­schaft­liche Leben und die Wirtschaft werden durch die jüngsten Anord­nungen der Behörden anlässlich der Coronavirus-Pandemie stark einge­schränkt. Das Abgleiten der Wirtschaft in eine Rezession erscheint aus der jetzigen Per­spektive wahrscheinlich. Es ist deshalb auch mit einem tempo­rären Anstieg der Arbeits­lo­sigkeit zu rechnen, insbe­sondere in den Wirtschafts­be­reichen, die von den aktuellen Mass­nahmen faktisch zum Still­stand gebracht worden sind. Dies zieht für die Schweizer Bau- und Immobi­li­en­märkte Folgen nach sich, die sich je nach Segment unter­scheiden; gemäss heutiger Infor­ma­ti­onslage muss aller­dings von einer zwischen­zeit­lichen Beein­träch­tigung der Märkte ausge­gangen werden, die alle Segmente betrifft.

Die Dauer der Pandemie und die behörd­lichen Einschrän­kungen werden massgeblich bestimmen, wie stark die Schweizer Bau- und Immobi­li­en­märkte beein­trächtigt werden. Kurzzeitige Konjunk­tur­rück­gänge können die Märkte durchaus verkraften; dies zeigt die jüngere Geschichte. Wüest Partner geht davon aus, dass die Einschrän­kungen mehrere Monate andauern und eine Erholung im zweiten Halbjahr 2020 eintritt. Vorstellbar sind auch negativere oder positivere Szena­rien; diese sind jedoch nicht Gegen­stand der Ausfüh­rungen in der vorlie­genden Einschätzung.

Die aktuelle Coronavirus-Krise trifft die Schweizer Wirtschaft zu einem Zeitpunkt, in der sie sich in einer relativ guten Verfassung befindet. Der reale Anstieg des Brutto­in­land­pro­dukts betrug im letzten Jahr 0.9 Prozent. Damit kann auf eine ganze Dekade mit stetigem Wirtschafts­wachstum zurück­ge­blickt werden. Parallel dazu ist die Beschäf­tigung in dieser Phase durch­schnittlich um 1.0 Prozent pro Jahr gewachsen. Die Arbeits­lo­sigkeit befand sich im Januar 2020 bei tiefen 2.3 Prozent der Erwerbs­per­sonen. Das Wachstum der letzten Dekade war gepaart mit Lohner­hö­hungen bei tiefer Inflation, was dazu beigetragen hat, dass die Reinver­mögen pro Kopf um 31 Prozent stiegen (zwischen 2009 und 2018). Zudem konnten der Bund und viele Kantone in den letzten Jahren Haushalts­über­schüsse erwirt­schaften.

In den folgenden Ausfüh­rungen wird auf mögliche Konse­quenzen für den Immobi­li­en­markt einge­gangen. Nach Einschät­zungen zum Anlage- und zum Baumarkt folgen Analysen der Segmente Mietwoh­nungen, Wohnei­gentum und Geschäfts­flächen.
Zum Schluss greifen wir einige Aspekte auf, die als Folge der aktuellen Ausgangslage zu länger­fris­tigen Trends werden könnten.

Immobilien auf dem Anlage­markt

Es wird davon ausge­gangen, dass die Trans­ak­ti­ons­vo­lumen von Rendi­te­lie­gen­schaften als Folge der aktuellen Situation zurück­gehen. Entspre­chend anspruchsvoll ist es, die Verän­derung der Rendi­te­er­war­tungen und der Zahlungs­be­reit­schaft exakt zu bestimmen.

In vielen Teilseg­menten ist mit zwischen­zeitlich einge­schränkten Mietpo­ten­zialen zu rechnen, die aber mittel- oder länger­fristig wieder ansteigen werden. Was die Rendi­te­er­war­tungen betrifft, so sind gegen­sätzlich wirksame Einflüsse zu beobachten, weshalb sich diesbe­züglich vorerst wenig bewegen dürfte: Zwar sind höhere Risiken erkennbar, doch die Renditen für Staats­an­leihen bleiben auf tiefem Niveau.

Mit der Coronavirus-Pandemie hat sich die Aussicht auf noch tiefere Zinssätze verfestigt. Einige Noten­banken, wie zum Beispiel jene in den Verei­nigten Staaten oder in Gross­bri­tannien, haben den Leitzins bereits gesenkt.

In den ersten beiden Monaten des Jahres 2020 (nach dem Ausbruch der ersten Krank­heits­fälle) sind die Renditen auf Staats­an­leihen in vielen Ländern gefallen. Die jüngsten gegen­läu­figen Anstiege der Renditen sind unter anderem auf die enormen Unsicher­heiten im Kapital­markt, auf die notwendig gewor­denen Adjus­tie­rungen in den Anlage­port­folios sowie auf den gestie­genen Liqui­di­täts­bedarf einzelner Inves­toren zurück­zu­führen. Mittel­fristig dürften die Renditen für Bundes­ob­li­ga­tionen in der Schweiz aber auf sehr tiefem Niveau verharren.

Corona Einschaetzungen Grafikrenditen

Immobi­li­en­an­lagen sind nicht nur aufgrund der tiefen Zinsen verhält­nis­mässig attraktiv, sondern auch deswegen, weil Mietein­nahmen sicherere Einnah­me­quellen darstellen als die Einnahmen klassi­scher Unter­nehmen. Wenn sich der Franken in seiner Funktion als sicherer Hafen weiter aufwertet, sind die Aussichten für Immobi­li­en­ei­gen­tümer im Vergleich zu Nutzern von anderen Anlage­mög­lich­keiten in der Schweiz etwas besser, da die Immobi­li­en­be­sitzer ihre Erträge in Schweizer Franken erwirt­schaften.

Wertkor­rek­turen: Segmente reagieren unter­schiedlich

Ein starker Einbruch der Werte von Immobi­li­en­an­lagen ist nicht zu erwarten. Grund­sätzlich schwanken Immobi­li­en­werte weniger stark als die Werte anderer Anlage­klassen. Deshalb und auch wegen der langfris­tigen Perspektive vieler Inves­toren ist nicht mit einer Verkaufs­welle zu rechnen.

Stärker unter Druck geraten könnten jedoch die Markt­werte von Gewerbe- oder Geschäfts­lie­gen­schaften an B‑Lagen, von Hotel- und Spezi­al­lie­gen­schaften in besonders exponierten Branchen und von Detail­han­dels­im­mo­bilien mit grossen Non-Food-Anteilen. Bei den Wohnlie­gen­schaften sind nach heutiger Infor­ma­ti­onslage geringere Korrek­turen der Markt­werte zu erwarten.

Grund­sätzlich dürften Core-Liegenschaften mit stabilen Cashflows den aktuellen Entwick­lungen weniger stark ausge­setzt sein. Gerade quali­tativ hochste­hende Objekte werden auf lange Sicht wieder sehr gesucht sein.

Das Asset­ma­nagement – insbe­sondere im Geschäfts­flä­chen­markt – dürfte deutlich anspruchs­voller und in den kommenden Wochen und Monaten auch äusserst turbulent werden. Es könnten neue recht­liche Frage­stel­lungen auftauchen, für die es Lösungen zu finden gilt.

Kein Einbruch der Baukon­junktur

Die Schweizer Baukon­junktur wird im laufenden Jahr voraus­sichtlich eine zwischen­zeit­liche Abkühlung erfahren. Aufgrund der kleineren Bauvo­lumen hat sich bereits letztes Jahr abgezeichnet, dass heuer weniger Inves­ti­tionen in den Hochbau getätigt werden. Die konjunk­tu­rellen Unsicher­heiten dürften nun zu weiteren Verzö­ge­rungen und Sistie­rungen von Bauvor­haben seitens der Auftrag­geber führen. Dazu trägt auch der aktuell etwas einge­schränkte Infor­ma­ti­ons­aus­tausch zwischen den Baumarkt­ak­teuren bei. Die behördlich angeordnete Schliessung der Baustellen in verschie­denen Kantonen belasten die Bau­unternehmen zusätzlich.

Ein Einbruch der Baukon­junktur ist aus aktueller Sicht nicht zu erwarten, eine temporäre Abkühlung scheint aller­dings unaus­weichlich. Nach zwei witte­rungs­be­dingt guten Arbeits­mo­naten Januar und Februar 2020 sollten nach der zwischen­zeit­lichen Coronavirus-Baisse viele angefangene Arbeiten weiter­ge­führt werden können. Unter der Voraus­setzung, dass sich die Pandemie in abseh­barer Zeit eindämmen lässt, sollte die Zuver­sicht zurück­kehren und dürften zurück­ge­stellte Inves­ti­tionen in Neu- und Umbau fortge­führt werden. Die im Vergleich zu anderen Branchen langen Planungs- und Reali­sie­rungs­zeiten im Bau­gewerbe wirken stabi­li­sierend auf die Baukon­junktur.

Rückläufige Bauak­ti­vi­täten sind in erster Linie im Segment der Gewer­be­bauten zu erwarten, aber auch in den aktuell besonders exponierten Teilseg­menten wie der Hotel­lerie. Im Wohnungsbau ist eine zwischen­zeit­liche Abkühlung wahrscheinlich. Bereits im grösseren Umfang geplante energe­tische Sanie­rungen und der Staat als Auftrag­geber könnten für die Bauwirt­schaft im Jahr 2020 zu einer wichtigen Stütze werden.

Corona Einschaetzungen Grafikbaubewilligungen

Anspruchs­volle Zeiten

Trotz der guten Auftragslage in den letzten Jahren dürfte für viele Bauun­ter­nehmen sowie für den gesamten Immobi­li­en­markt eine anspruchs­volle Zeit anbrechen. Instru­mente wie die Kurzar­beits­ent­schä­di­gungen werden sie zumindest teilweise entlasten. Für die überwie­gende Zahl der Angestellten in der Bauin­dustrie wird der Schutz durch Lohnfort­zah­lungen bei Kurzarbeit und durch die Arbeits­lo­sen­ver­si­cherung gut funktio­nieren.

Finden Sie in der gesamten Einschätzung weitere Ausfüh­rungen zu den Entwick­lungen in den einzelnen Segmenten.


Weitere Infor­ma­tionen

Zusätz­liche Infor­ma­tionen zum Gesund­heits­wesen Schweiz werden im bereits publi­zierten Blog (publi­ziert im Dezember 2019) zum Thema «Die neuen Spitäler: Chancen und Heraus­for­de­rungen» thema­ti­siert.

Angaben zur aktuellen Arbeits­weise von Wüest Partner sind in der 2. Ausgabe des Newsletters zu finden.