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Eigen­mietwert auf der Kippe: Was erwartet Wohnei­gen­tümer in der Schweiz?

Veröffentlicht am: 14. August 2025 Letzte Aktualisierung: 14. August 2025

Am 28. September 2025 entscheidet die Schweizer Stimm­be­völ­kerung über die Abschaffung des seit Jahrzehnten kontrovers disku­tierten Eigen­miet­werts. Bei einer Zustimmung entfiele die Pflicht für Eigen­heim­be­sit­ze­rinnen und ‑besitzer, fiktive Mieterträge als Einkommen zu versteuern. Im Gegenzug zur Abschaffung des Eigen­miet­werts wären deutliche Kürzungen der Abzüge für Hypothe­kar­zinsen und werterhal­tende Inves­ti­tionen vorge­sehen.
Dieser Beitrag zeigt, wie unter­schiedlich Haushalte mit ausschliesslich selbst­be­wohntem Wohnei­gentum betroffen sind. Dabei stützen wir uns auf eine umfas­sende Einkom­mens­si­mu­lation und zeigen neue Umfra­ge­daten zur Bedeutung der Steuer­erspar­nisse bei Sanie­rungen.

Zwei entschei­dende Kriterien

Um indivi­duell beurteilen zu können, ob sich die Reform für einen Wohnei­gen­tümer positiv oder negativ auswirkt, sind vor allem zwei Dinge relevant:

  1. Höhe des Eigen­miet­werts im Verhältnis zur Summe aus Schuld­zinsen und pauschalem Unter­halts­abzug
  2. Planung und Notwen­digkeit von grösseren Unter­halts­ar­beiten

Die Antwort darauf verrät, ob sich die Steuerlast eines typischen Eigen­tü­mer­haus­halts verringert oder erhöht. Viele Haushalte nutzen überwiegend den Pauschal­abzug für den Unterhalt; nur in Ausnah­me­jahren werden die effektiv anfal­lenden Kosten geltend gemacht. Bei umfang­reichen Renova­tionen können die effektiv abzugs­fä­higen Kosten jedoch ein Mehrfaches des Eigen­miet­werts erreichen.

Stehen keine grösseren Sanie­rungen an, wirkt der System­wechsel für die meisten Eigen­tü­me­rinnen und Eigen­tümer entlastend. Liegt der mittlere Eigen­mietwert derzeit bei rund CHF 19’000, beläuft sich der pauschale Unter­halts­abzug auf etwa CHF 4’000, während die durch­schnitt­lichen Schuld­zinsen rund CHF 9’000 pro Haushalt betragen.

Wohnei­gentum gewinnt bei tiefen Zinsen mit der Reform

Ein weiterer relevanter Faktor sind die Schuld­zinsen. Beim aktuellen durch­schnitt­lichen Hypothe­karzins von 1.5 Prozent resul­tiert selbst bei einer Belehnung von 70 Prozent typischer­weise eine Steuer­ent­lastung. Aller­dings reduziert sich der Steuer­vorteil mit steigender Hypothe­kar­zinslast. Laut Eidge­nös­si­scher Steuer­ver­waltung könnte die Abschaffung des Eigen­miet­werts bei einem Hypothe­karzins ab etwa 3.5 Prozent zu einer finan­zi­ellen Benach­tei­ligung der Mehrheit der Eigen­tümer führen, insbe­sondere bei stark belehnten Immobilien.

Besonders relevant ist der Hypothe­kenzins für jüngere Käufe­rinnen und Käufer mit beschränktem Eigen­ka­pital. Um ihnen den Einstieg ins Wohnei­gentum zu erleichtern, der üblicher­weise eine hohe Fremd­fi­nan­zierung erfordert, sieht der Vorschlag eine spezielle Regelung vor: Ersterwer­bende dürften im Falle des Kaufs einer ausschliesslich selbst bewohnten Liegen­schaft einen Schuldz­ins­abzug geltend machen. Dieser beträgt für Paare im ersten Jahr bis zu CHF 10’000 und verringert sich anschliessend jährlich um jeweils ein Zehntel. Darüber hinaus gibt es noch weitere Möglich­keiten für den Schuld-
zinsabzug, je nach Vermö­gens­si­tuation.

Auswir­kungen simulieren

Die konkreten Auswir­kungen der Reform auf die Steuer­rechnung lassen sich zudem genauer bestimmen, da der Effekt des Steuer­sys­tem­wechsels ohne geplante Gross­sa­nie­rungen für jeden Haushalt model­lierbar ist. Hierbei werden drei zentrale Faktoren mitein­ander verglichen:

  • Eigen­mietwert,
  • Hypothe­kar­zinsen,
  • pauschaler Unter­halts­abzug.

Für diese Analyse verwenden wir Daten aus dem regio­nalen Wüest Partner Kaufkraft­modell für das Jahr 2024.

Resultate nach Haushaltstyp

Nachdem diese Berech­nungen für Hundert­tau­sende Haushalte mit selbst­be­wohntem Wohnei­gentum in der Schweiz durch­ge­führt wurden, erfolgte für unter­schied­liche Haushalts­typen die Ermittlung des Medians zentraler Indika­toren.

Gemäss den Berech­nungen führt die Abschaffung der Eigen­miet­wert­be­steuerung aktuell bei allen Haushalts­typen im Mittel zu einer Steuer­ersparnis. Das heisst, unter obigen Annahmen ist für viele Haushalte der Eigen­mietwert höher als die Schuld­zinsen und der pauschale Unter­halts­abzug – sofern kein grösserer Unterhalt ansteht, gewinnen also die Wohnei­gen­tums­be­sitzer im Durch­schnitt mit einer solchen Reform.

Senioren sparen viel – relativ zum Einkommen

In absoluten Franken gesehen sparen Famili­en­haus­halte am meisten, mit einer durch­schnitt­lichen Reduktion der Bundes­steuern um 700 Franken, bei Senio­ren­haus­halten sind es 500 Franken. Aber bei Famili­en­haus­halten ist das Einkommen viel höher als bei Senio­ren­haus­halten, die ja auch oftmals allein­stehend sind.

Relativ zum Einkommen sowie in Prozenten der Steuer­rechnung profi­tieren Senio­ren­haus­halte also am stärksten. Diese verfügen typischer­weise über ein niedri­geres Einkommen und haben meist einen Grossteil ihrer Hypotheken bereits abbezahlt. Sie verlieren durch die Reform relativ wenig Abzugs­mög­lich­keiten, da sie oftmals eine geringe Belehnung und damit einen niedrigen Schul­den­dienst aufweisen. Zudem ist es weniger wahrscheinlich, dass sie ihre Liegen­schaft umfassend sanieren, obwohl sie ja häufig in einer alten Liegen­schaft wohnen. Gleich­zeitig bewirkt die Abschaffung des Eigen­miet­werts aufgrund der Steuer­pro­gression eine überpro­por­tionale Reduktion ihrer Steuerlast.

Der kantonale Vergleich der relativen Steuer­erspar­nisse für Famili­en­haus­halte zeigt ein regional diffe­ren­ziertes Bild. Im Durch­schnitt sämtlicher Haushalte reduziert sich die Steuer­rechnung im Kanton Zug am stärksten, gefolgt vom Kanton Zürich sowie dem Kanton Schwyz. Trotz der tiefen Steuer­be­lastung wirkt der Einfluss der Eigen­miet­werte als Erhöhung des Einkommens merklich. Dies weil es sich um Kantone mit hohen Immobi­li­en­preisen handelt. In den Kantonen Solothurn, Basel-Land, Freiburg und Jura fallen die Erspar­nisse allein durch die tieferen Markt­werte geringer aus.

Ersparnis der Steuern für Bund, Kanton und Gemeinde durch Wegfall des Eigen­miet­werts, Schuldzinsen- und Unter­halts­abzug; Median für Famili­en­haus­halte

Dunkelrot: sehr hohe relative Ersparnis; Orange: hohe relative Ersparnis; Grau: mittlere relative Ersparnis; Hellblau: niedrige relative Ersparnis; Dunkelblau: sehr niedrige relative Ersparnis.

Stand: 2025. Quellen: Struk­tur­er­hebung BFS (2018–2022), Wüest Partner

Weniger Sanie­rungen…

Ergänzend zum Eigen­mietwert und den Schuld­zinsen steht auch bei der steuer­lichen Behandlung von Bauin­ves­ti­tionen ein Paradig­men­wechsel zur Diskussion. So würde die Abschaffung des Eigen­miet­werts die natio­nalen Abzugs­mög­lich­keiten für den Unterhalt einer Wohnim­mo­bilie verschwinden lassen (ausser für Denkmal­schutz). Möglich wären weiterhin kantonale Abzüge. So oder so wird die Inves­ti­ti­ons­be­reit­schaft für werterhal­tende Instand­set­zungen und energe­tische Sanie­rungen sowie Unter­halts­ar­beiten sinken.

Welchen Stellenwert die Steuer­abzüge bei der Entscheidung für eine energe­tische Sanierung haben, zeigen Umfra­ge­er­geb­nisse aus dem Immo-Barometer 2025. Dort nannten rund 480 Wohnei­gen­tums­be­sitzer die Gründe, weshalb sie eine energe­tische Sanierung bereits reali­siert oder geplant haben. Steuer­liche Vorteile erweisen sich dabei als ein bedeu­tender Einfluss­faktor: Für 22 Prozent der Befragten waren sie ausschlag­gebend für die Sanierung; bei weiteren 45 Prozent waren Steuer­erspar­nisse von Bedeutung bei der Planung. Noch häufiger wurden die Aussicht auf sinkende Energie­kosten, die Verfüg­barkeit von Eigen­ka­pital sowie das persön­liche Interesse an einer verbes­serten ökolo­gi­schen Nachhal­tigkeit als ausschlag­ge­bende Faktoren genannt.

Das Thema Sanierung ist speziell für Einfa­mi­li­en­häuser von Bedeutung, da rund 80 Prozent dieser Gebäude vor dem Jahr 2000 errichtet wurden. Dagegen weisen Eigen­tums­woh­nungen, von welchen 41 Prozent neueren Baujahrs (nach 2000) sind, eine modernere Bausub­stanz auf. Sollte zwischen Abstim­mungs­er­gebnis und Inkraft­treten der Reform ausrei­chend Zeit verbleiben, ist kurzfristig mit einer Zunahme der Sanie­rungs­tä­tigkeit zu rechnen. Bereits in jüngster Zeit haben viele Eigen­tümer entspre­chende Inves­ti­tionen vorge­zogen, um noch von der aktuellen Regelung zu profi­tieren.

…und damit mehr Ersatz­neu­bauten

Wenn Sanie­rungen durch die Reform an Attrak­ti­vität verlieren, dürften Ersatz­neu­bauten von Einfa­mi­li­en­häusern an Bedeutung gewinnen, da oft zwischen den Optionen Sanie­rungen und Ersatz­neubau entschieden wird. Der bereits bestehende Trend zur Nachver­dichtung in Einfa­mi­li­en­haus­quar­tieren würde sich dadurch weiter verstärken.

Steigende Markt­werte, primär bei modernen Objekten an guten Lagen

Bei den aktuell tiefen Zinssätzen reduziert sich für Wohnei­gen­tums­be­sitzer in der Summe die Einkom­mens­steuer. Folglich würde der vorge­schlagene Paradig­men­wechsel das Wohnei­gentum aktuell stärken. Die niedri­geren Nutzungs­kosten erhöhen zudem die grund­sätz­liche Zahlungs­be­reit­schaft für Wohnei­gentum und damit dessen Markt­werte. Dabei verändern sich die Markt­werte je nach Segment unter­schiedlich, wie zwei Beispiele zeigen.

  • Die Reform dürfte die Bewer­tungs­un­ter­schiede zwischen modernen, nachhal­tigen Immobilien und solchen, die renovie­rungs­be­dürftig oder weniger nachhaltig sind, vergrössern.
  • Zusätzlich sind Markt­wert­stei­ge­rungen in Regionen mit hohen Eigen­miet­werten wahrscheinlich, und damit tenden­ziell in Regionen mit hohen Immobi­li­en­preisen. Die aktuell tiefen Zinsen verstärken diesen Effekt, weil die in den hochprei­sigen Regionen in Franken gemessene Verschuldung weniger ins Gewicht fällt.

Fazit

Von der Reform profi­tieren insbe­sondere langjährige oder vermö­gende Haus- und Wohnungs­be­sitzer, deren Hypothe­kar­schulden weitgehend amorti­siert sind. Aktuell können sie kaum Schuld­zinsen steuerlich geltend machen, während der Eigen­mietwert ihr steuer­bares Einkommen erhöht. Besonders Rentner­haus­halte, welche typischer­weise einen Grossteil ihrer Hypotheken bereits abbezahlt und gleich­zeitig ein limitiertes Einkommen haben, erzielen durch eine Abschaffung des Eigen­miet­werts deutliche Steuer­erspar­nisse, sofern keine umfang­reichen Renova­tionen geplant sind. Haushalte, die hingegen vor umfas­senden werterhal­tenden Renova­tionen mit hohen Inves­ti­tionen stehen, würden durch die Reform finan­ziell benach­teiligt. In einer überge­ord­neten Betrachtung dürfte die Abschaffung des Eigen­miet­werts insgesamt zu höheren quali­täts­be­rei­nigten Markt­werten für Wohnei­gentum führen, gleich­zeitig die Sanie­rungs­ak­ti­vi­täten bremsen und die durch­schnitt­liche Belehnung senken.

Hinweise zur Volks­ab­stimmung

Zum Schluss gehen wir noch auf zwei Beson­der­heiten dieser Volks­ab­stimmung vom 28. September ein: Erstens die Verknüpfung des Entscheids über die Reform an eine andere Abstim­mungs­frage und zweitens eine Statistik zum überpro­por­tio­nalen Anteil der Wohnei­gen­tums­be­sitzer in der Stimm­be­völ­kerung.

Abschaffung Eigen­mietwert bedingt Zweit­woh­nungs­steuer

Für die Kantons­fi­nanzen hätte ein solcher System­wechsel beträcht­liche fiska­lische Auswir­kungen. Um poten­zielle Steuer­aus­fälle, insbe­sondere in touris­mus­in­ten­siven Regionen, zu kompen­sieren, bedingt die Reform, dass die Stimm­be­völ­kerung der Möglichkeit zur Einführung einer Liegen­schafts­steuer auf Zweit­woh­nungen zustimmt. In Regionen mit vielen Ferien­woh­nungen trägt der Eigen­mietwert aktuell erheblich zum Steuer­auf­kommen bei; sein Wegfall würde Einnah­me­lücken verur­sachen. Eine gezielte Zweit­woh­nungs­steuer könnte diese Ausfälle auffangen, ohne dauerhaft bewohnte Erstwoh­nungen zusätzlich zu belasten. Je nachdem, wie sich allfällige neue Zweit­woh­nungs­steuern im Vergleich zu den heutigen Eigen­miet­werten verhalten, werden die Markt­werte kantonal unter­schiedlich beein­flusst.

Eigen­tums­an­teile regional unter­schiedlich, und höher bei Schweizer Haushalten

Direkt betroffen vom System­wechsel sind Wohnei­gen­tümer, deren Anteil in der Schweiz mit 36 Prozent inter­na­tional betrachtet relativ gering ist. Somit betrifft die Reform direkt zwar nur eine Minderheit der Gesamt­be­völ­kerung, sie verändert aber die Steuer­rechnung von rund 1.4 Millionen Privat­haus­halten mit selbst­be­wohntem Wohnei­gentum in der Schweiz merklich.
Bei der Wohnei­gen­tums­quote sind kantonale Unter­schiede deutlich sichtbar: Während im Wallis und im Appenzell-Innerrhoden Eigen­tums­quoten von über 50 Prozent erreicht werden, liegen diese in Genf und Basel-Stadt bei unter 20 Prozent. Diese regio­nalen Unter­schiede sind auch hinsichtlich des erfor­der­lichen Stände­mehrs relevant. Zudem spielt es für das Abstim­mungs­er­gebnis eine Rolle, dass der Anteil an Wohnei­gen­tümern innerhalb des stimm­be­rech­tigten Bevöl­ke­rungs­an­teils (43 Prozent) deutlich höher ist als bei nicht-schweizerischen Haushalten (15 Prozent).