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Stranded Assets: Was Eigen­tümer tun können, damit ihre Immobilien nicht wegen zu hohen CO2-Emissionen zu Problem­fällen werden

Veröffentlicht am: 28. August 2023 Letzte Aktualisierung: 14. August 2025

In der Immobi­li­en­branche geht ein Schreck­ge­spenst um. Es heisst Stranded Assets und versetzt Bestands­halter und Inves­toren in Unruhe. Schliesslich bedeutet der Begriff so viel wie: Eine Immobilie verliert drastisch an Ertrags­kraft, ihr Marktwert sinkt deutlich, und schlimms­ten­falls droht die vollständige Wertlo­sigkeit. Ein Alptraum für jeden Eigen­tümer. Die Ursache können beispiels­weise Baumängel, elementare Schäden oder aber ein schlechter energe­ti­scher Standard verbunden mit einem viel zu hohen Ausstoss des Treib­haus­gases CO2 sein. In diesem Beitrag soll es um den letzt­ge­nannten Aspekt gehen und seine Auswir­kungen auf das Immobi­li­en­ma­nagement. Dabei konzen­trieren wir uns nicht direkt auf den Energie­ver­brauch, sondern auf den Ausstoss von CO2. Der Grund: Mit Blick auf das Pariser Klimaziel, den globalen Tempe­ra­tur­an­stieg seit Beginn der Indus­tria­li­sierung auf 1,5 Grad zu beschränken, ist in erster Linie die Emission von CO2 entscheidend, und erst an zweiter Stelle der Verbrauch von Energie.

Jede zweite Immobilie ist ein Stranded Asset – statis­tisch betrachtet

Zunächst einmal tun Immobi­li­en­ei­gen­tümer gut daran, sich klarzu­machen, dass rein statis­tisch betrachtet etwa jede zweite Immobilie ein Stranded Asset ist. Das ist jedoch kein Grund zu Panik, sondern die logische Folge der Berech­nungs­me­thode der sogenannten Dekar­bo­ni­sie­rungs­pfade (oder CO2-Absen­kungs­pfade) nach dem Carbon Risk Real Estate Monitor (CRREM). Das Tool wurde gezielt dafür geschaffen, die finan­zi­ellen Risiken von schlechter Energie­ef­fi­zienz bei Immobi­li­en­be­ständen zu erkennen. Gemäss CRREM wird zuerst einmal der durch­schnitt­liche Energie­ver­brauch und der daraus abgeleitete durch­schnitt­liche CO2-Ausstoss für definierte Immobi­li­en­klassen in einem Land ermittelt. Dieser CO2-Durch­schnittswert bildet die Ausgangs­basis für den CO2-Absen­kungspfad, an dessen Ende mit Blick auf das Ziel der Klima­neu­tra­lität eine Null steht. Etwa jede zweite Immobilie stösst weniger als den Durch­schnittswert aus, anders­herum emittiert auch ungefähr jede zweite Immobilie mehr als der Durch­schnitt. Nach üblicher Definition ist dann von „stranding“ die Rede, wenn tatsächlich höhere CO2-Bedarfe als im CRREM-Pfad vorge­geben nachge­wiesen werden. Damit ist die zweite Hälfte rechne­risch also bereits heute eine Ansammlung gestran­deter Vermö­gens­werte.

Die meisten gestran­deten Immobilien lassen sich zukunftsfit machen

Doch es gibt Entwarnung. Die aller­meisten Immobilien lassen sich gewis­ser­massen reparieren, also fitmachen für den CO2-Absen­kungspfad. Eine Immobilie, die heute als gestrandet einge­stuft wird, weil ihr CO2-Ausstoss überdurch­schnittlich hoch ist, kann morgen nach erfolgter Sanierung oder zum Beispiel umgestellter Versorgung mit Strom, Wärme oder Kälte eine energe­tisch nachhaltige und perspek­ti­visch sogar klima­neu­trale Immobilie werden. Das heisst, wenn eine Immobilie derzeit wegen ihrer CO2-Emissionen als gestrandet gilt, muss das nicht schlimm sein, wenn der Eigen­tümer zum Beispiel weiss, dass sie im Jahr 2030 ans Fernwär­menetz angeschlossen wird und die Fernwärme CO2-reduziert oder gar CO2-neutral produ­ziert wird. Und noch eine gute Nachricht. Der CO2-Ausstoss von Immobilien in Deutschland verringert sich derzeit und auch in den Folge­jahren automa­tisch, weil der Anteil von regene­rativ erzeugtem Strom und ebenso regene­rativ erzeugter Wärme konti­nu­ierlich wächst.

Wie Sie Ihren CO2-Ausstoss und ‑Absenkpfad von Liegen­schaften und Portfolios berechnen, erfahren Sie hier.

Wüest Partner ermittelt Zeitpunkt, zu dem Immobilien zum Stranded Asset werden

Wenn Immobi­li­en­in­ves­toren auf uns bei Wüest Partner zukommen und uns damit beauf­tragen, ihre Immobilien darauf zu prüfen, wann sie wegen ihres CO2-Ausstosses stranden, also zum eklatanten Problemfall werden könnten, ist das Ergebnis unserer Prüfung stets eine konkrete Jahreszahl. Das Ergebnis kann sein, dass die Immobilie bereits gestrandet ist, oder auch bis 2050 nicht stranden wird, in vielen Fällen nennt es aber einen Stran­ding­zeit­punkt zwischen heute und 2050. Dieser hängt ganz davon ab, wie weit die Immobilien vom CO2-Absen­kungspfad abkommen und ab wann sie zu derje­nigen Hälfte von Immobilien einer bestimmten Nutzungsart gehören, die hinsichtlich CO2-Emissionen überm Durch­schnitt liegt. Da natürlich nicht alle Immobilien saniert werden, kann der Anteil der gestran­deten Immobilien in Zukunft sogar system­be­dingt steigen.

Eigen­tümer bringen ihre Immobilien Schritt für Schritt auf den CO2-Absen­kungspfad

Für die Inves­toren besteht die Kernin­for­mation hierin: Sie können aus der Einschätzung ableiten, wann sie welche Sanie­rungs­schritte in Angriff nehmen sollten, damit ihre Immobilien eben nicht stranden, sondern weiterhin ein attrak­tives Asset bleiben. Wobei hinzu­zu­fügen wäre: Der Begriff des Strandens ist im Kern falsch. Üblicher­weise geht es beim Stranden zwar tatsächlich um Immobilien, die energe­tisch nicht gut sind. Aber in der Regel sind sie sanierbar, sodass sie die Chance haben, auf dem CO2-Absen­kungspfad zu derje­nigen Hälfte zu gehören, die bei der Dekar­bo­ni­sierung im Soll ist. Zusätzlich werden bis 2050 viele einzelne Bauteile ohnehin auszu­tau­schen sein, da sie an ihr erwart­bares Lebensende gelangen. Die neuen Bau- oder Gebäu­de­teile (Fenster, Heizungen, Dächer …) werden dann natürlich nach jeweils aktuellen energe­ti­schen Anfor­de­rungen und Erkennt­nissen eingebaut. Die Immobilien stranden also nicht dauerhaft, sie sind in der Regel kein Problemfall für die Ewigkeit, sondern erfordern vom Eigen­tümer Inves­ti­tionen. Umgekehrt können diese sich üblicher­weise in höheren Netto­mieten nieder­schlagen. Das sorgt für einen wesent­lichen Teil der Refinan­zierung. Der andere Teil stammt womöglich aus öffent­lichen Förder­pro­grammen und gerin­geren CO2-Steuern, mit denen die Dekar­bo­ni­sierung voran­ge­bracht werden soll.

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CRREM-Systematik seit Anfang 2023 verschärft

Die Inves­ti­tionen mit dem unmit­tel­baren oder zumindest mittel­baren Ziel der Klima­neu­tra­lität sollten sich also rechnen. Aller­dings werden die Massnahmen seit der Umstellung der CRREM-Systematik Anfang dieses Jahres tenden­ziell noch früher fällig. Der Grund: Die Umstellung vom Basisjahr 2018 auf das Basisjahr 2020 hat zur Folge, dass Immobilien im Schnitt noch früher stranden als nach der vorhe­rigen Version. Die wesent­liche Erklärung dafür besteht darin, dass der Anteil regene­ra­tiver Energien stärker gestiegen ist als bei der ursprüng­lichen Syste­matik angenommen. Das heisst, der durch­schnitt­liche CO2-Ausstoss ist geringer als zuvor. Also sind per defini­tionem nunmehr auch schon eine Reihe von Immobilien Stranded Assets, die es vorher noch nicht gewesen wären.

Erst das Dach dämmen, dann über Wärme­pumpe nachdenken

Auf dem Weg zur Dekar­bo­ni­sierung von Immobilien ist es generell sinnvoll, mit dem Absenken des Energie­ver­brauchs zu beginnen, und nicht gleich die vollständige Klima­neu­tra­lität in Angriff zu nehmen. Also erst mal das Dach dämmen oder die Gasthermen in den Wohnungen durch eine Zentral­heizung ersetzen. Das hat unmit­telbar grosse Einspar­ef­fekte. Zudem sollten alle Bauteile einer Immobilie die Chance haben, ihre übliche Nutzungs­dauer zu erreichen. Das wäre ansonsten energe­tisch und auch hinsichtlich des CO2-Ausstosses nicht sinnvoll und wenig nachhaltig. Immobi­li­en­ei­gen­tümer sollten bei den Sanie­rungen also mit den Gebäuden anfangen, die energe­tisch den schlech­testen Standard haben. Sie sind am weitesten vom CO2-Absen­kungspfad entfernt und somit am stärksten gefährdet, zu Stranded Assets zu werden. Nach solchen elemen­taren Sanie­rungen ist dann Zeit, sich über den Einbau von Wärme­pumpen Gedanken zu machen, um die Immobilien auf klima­neu­tralen Betrieb umzustellen.

Nachhaltige Lösungen: Selbst Strom produ­zieren und Anschluss an Fernwärme

Ein weiterer Teil der Lösung ist das Erzeugen von regene­ra­tiver Energie auf oder an Immobilien, beispiels­weise mit Photo­vol­ta­ik­an­lagen. Solcherlei trägt nicht nur dazu bei, Gebäude CO2-reduziert oder gar CO2-neutral mit Energie zu versorgen, sondern kann auch günstiger für die Nutzer der Immobilien sein, als der Bezug von Energie bei einem externen Versorger. Aller­dings funktio­niert die Methode Eigen­strom­nutzung dann am besten, wenn sich die Gebäu­de­nutzer verpflichten, diesen Strom auch wirklich abzunehmen. Unter der Annahme von 100% Einspeisung der Energie ins Netz rechnet sich die Inves­tition etwa in eine Photo­vol­ta­ik­anlage erst deutlich später.

Auf eine solche Verpflichtung können Eigen­tümer auch stossen, wenn in einer Stadt ein neues Fernwär­menetz geplant ist, das zumindest perspek­ti­visch CO2-neutral betrieben wird. Auch hier funktio­niert die gute Idee der regene­ra­tiven Wärme­ver­sorgung nur, wenn viele Anlieger des Netzes das Angebot auch nutzen. Wer an einem solchen Standort Immobilien hat, kann sich glücklich schätzen, denn die Gefahr von Stranded Assets aufgrund zu hoher CO2-Emissionen ist gebannt, ohne selbst initiativ werden zu müssen, sofern man an ein solches Netz auch angeschlossen ist.

Inklu­siv­mieten helfen, energe­tische Sanie­rungen von Wohnungs­be­ständen zu finan­zieren

Noch ein Blick auf die Situation von Eigen­tümern grösserer Wohnungs­be­stände. Sie stehen vor der Heraus­for­derung, ihre Immobilien mit Sanie­rungen und techni­schen Umstel­lungen so auf den CO2-Absen­kungspfad zu führen, dass Mieter und Umwelt gleicher­massen von den Inves­ti­tionen profi­tieren – und sich der Einsatz für sie selber rechnet. Hier spricht viel dafür, dass Vermieter vermehrt auf das Thema Inklu­siv­mieten setzen, also ihren Mietern auch gleich die ohnehin benötigte Energie mit der Miete verkaufen. Die Idee dabei: Wenn die Sanie­rungs­kosten zumindest zum Teil auf die Kaltmiete aufge­schlagen werden und im Gegenzug die Neben­kosten sinken, weil weniger Strom und Wärme benötigt werden, muss sich an der Gesamt- oder Inklu­siv­miete und mithin an der Brutto­mietlast der Mieter nicht viel ändern. Der Nachteil besteht aller­dings darin, dass es dann weniger Anreiz für die Mieter gibt, Energie zu sparen. Dem lässt sich jedoch mit Energie­budgets begegnen, die jedem Nutzer zur Verfügung gestellt werden. Reichen die Budgets aufgrund zu hohen Verbrauchs nicht aus, müssen die Nutzer nachzahlen.

Alles zum Thema Nachhal­tig­keits­be­ratung finden Sie hier.

Nur wer weiss, wann ein Asset stranden könnte, kann etwas dagegen tun

Unterm Strich bedeutet all das: Ja, es besteht in vielen Fällen die Gefahr, dass Immobilien wegen ihrer CO2-Emissionen zu „Stranded Assets“ werden könnten, aber die Bestands­halter können auch viel tun, damit das nicht passiert. Und noch wichtiger: Eine Adres­sierung des Themas birgt auch Chancen bis hin zu neuen Business­mo­dellen, die Vorteile für die Umwelt, den Nutzer und den Eigen­tümer von Immobilien bieten. Wir bei Wüest Partner helfen Ihnen gerne dabei, diese Chancen zu identi­fi­zieren und Art- und Zeitpunkte der wirtschaft­lichsten Massnahmen objekt­spe­zi­fisch für Ihre Immobilien zu ermitteln. So haben Sie die Chance, an ihren Immobilien trotz aller Heraus­for­de­rungen beim Absenken der CO2-Emissionen auch langfristig noch viel Freude zu haben.

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