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Auswirkungen des Personalmangels auf den Bau- und Immobilienmarkt

03. November 2022

Furniture, Indoors, Table

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Ungeachtet der grossen Unsicherheiten, die derzeit die globale Wirtschaftslage prägen, kann sich die Schweiz auf einen nach wie vor sehr dynamischen Arbeitsmarkt stützen. Sowohl die Zahl der Vollzeitäquivalente als auch die Zahl der Beschäftigten ist im 2. Quartal 2022 gegenüber dem Vorjahresquartal um über 3 Prozent gestiegen. Gleichzeitig hat die Arbeitslosenquote den niedrigsten Stand der letzten 20 Jahre erreicht (1.9 Prozent im September 2022). Grundsätzlich könnte das Beschäftigungswachstum weitergehen, allerdings bekunden immer mehr Firmen Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Arbeitskräften. Im 2. Quartal 2022 waren in der Schweiz insgesamt 127’560 Stellen offen, was eine Zunahme von 45 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal bedeutet. Auch die Quote der offenen Stellen erreichte mit 2.3 Prozent einen Höchststand.

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Unternehmen haben Schwierigkeiten, Mitarbeitende zu finden

Gemäss der Beschäftigungsstatistik des BFS haben derzeit 41 Prozent der Unternehmen Probleme, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden. Die Industrie verzeichnet die stärksten Rekrutierungsschwierigkeiten. Im Dienstleistungssektor geben besonders viele Unternehmen aus dem Gesundheitswesen und dem Gastgewerbe an, kaum geeignete Mitarbeitende zu finden. Neben dem starken Anstieg der Nachfrage nach den entsprechenden Dienstleistungen sind die Schwierigkeiten bei der Einstellung in diesen Branchen auch darauf zurückzuführen, dass die Arbeitsbedingungen hier als wenig attraktiv empfunden werden. Nach der Covid-19-Pandemie versuchen nun viele Arbeitnehmende, in Branchen mit angenehmeren Arbeitszeiten, flexiblen Arbeitszeitmodellen und Homeoffice-Möglichkeiten umzusteigen.

Auswirkungen des Personalmangels

Die Kosten der Knappheit

Die Quote der offenen Stellen (2.3 Prozent) liegt derzeit 1 Prozentpunkt über dem Durchschnitt der letzten 10 Jahre. Nimmt man diesen Wert als Benchmark, zeigt sich, dass derzeit eine Übernachfrage nach 53’160 Arbeitskräften besteht. Geht man weiter davon aus, dass Schweizer Arbeitnehmende durchschnittlich 1500 Stunden pro Jahr arbeiten und 94 Franken Wertschöpfung pro Arbeitsstunde generieren (Quelle: BFS), ergeben sich als Folge des Personalmangels für die Schweizer Wirtschaft Opportunitätskosten von 7.5 Milliarden Franken. Damit bleibt ein Wachstumspotenzial des BIP von 1.0 Prozent ungenutzt (Berechnungen von Wüest Partner).

Was sind die Auswirkungen des Personalmangels auf die Bau- und Immobilienmärkte?

Auswirkungen des Personalmangels I: Verzögerungen von Neubau- und Renovationsprojekten

Derzeit fehlen mehr als 8000 qualifizierte Arbeitskräfte im Bausektor. Dies führt zu Verzögerungen oder sogar zu Streichungen von Neubauprojekten sowie zu höheren Kosten. Langfristig könnte der Personalmangel daher das Angebot an neuen Wohnungen und Gewerbeflächen verringern und so die Aufwärtstendenzen der Immobilienpreise stützen. Dasselbe gilt für Renovationsprojekte, die ebenfalls durch den Personalmangel gebremst werden. Bei Renovationen geht es häufig um Arbeiten an der Gebäudeisolierung oder an der Heizung, die den CO2-Fussabdruck des Gebäudes verringern. Der Mangel an Arbeitskräften im Bausektor könnte deshalb das Erreichen der Klimaziele der Schweiz hinauszögern.

Auswirkung II: Grosse Zusatznachfrage nach Büroflächen

Die erhöhte Anzahl neuer Arbeitsstellen wirkt sich auch stark auf das Büroflächensegment aus. Multipliziert man die Zahl der in jedem Sektor geschaffenen Arbeitsplätze mit dem Prozentsatz der Angestellten, die einen Arbeitsplatz im Büro benötigen, ergibt sich im 2. Quartal 2022 gegenüber dem 2. Quartal im Jahr 2021 eine zusätzliche Nachfrage nach 87’800 Büroplätzen, was einem Anstieg von 3.1 Prozent innerhalb von 12 Monaten entspricht. Diese Zahlen werden jedoch dadurch relativiert, dass einige Arbeitnehmende teilweise oder vollständig im Homeoffice arbeiten, was es den Unternehmen ermöglicht, flexiblere Lösungen wie Desk-Sharing in Betracht zu ziehen.

Daneben könnten Unternehmen jedoch auch bestrebt sein, auf einen überdurchschnittlich attraktiven Arbeitsplatz zu setzen, um angesichts des derzeitigen Fachkräftemangels die besten Mitarbeitenden zu gewinnen. Dies würde die Nachfrage nach Büroflächen insgesamt erhöhen (damit ein Unternehmen zum Beispiel mehr Arbeitsfläche pro Mitarbeiter und Mitarbeiterin anbieten kann), aber auch die Nachfrage an den beliebtesten Lagen (Stadtzentrum, Geschäftsviertel) stimulieren.

Auswirkung III: Zusätzliche Nachfrageimpulse für den Wohnungsmarkt

Auch im Wohnungsmarkt zeigen sich die Auswirkungen des Personalmangels. Da der hiesige Arbeitsmarkt ausgetrocknet ist, besetzen viele Schweizer Unternehmen ihre offenen Stellen mit Bewerberinnen und Bewerbern aus dem Ausland, wodurch sich das Bevölkerungswachstum in der Schweiz beschleunigt.

Auswirkungen des Personalmangels

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