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Bezahlbare Wohnungen: Analysen zum Wohnungs­an­gebot

Letzte Aktualisierung: 26. Februar 2025

Die Volks­ab­stimmung «Mehr bezahlbare Wohnungen» steht unmit­telbar bevor. Am 9. Februar 2020 wird die Schweizer Stimm­be­völ­kerung darüber entscheiden, ob mindestens 10 Prozent der neuen Wohnungen von Wohnbau­ge­nos­sen­schaften erstellt werden sollen. Zudem sollen Kantone und Gemeinden ermächtigt werden, zur Förderung des gemein­nüt­zigen Wohnungsbaus für sich ein Vorkaufs­recht für geeignete Grund­stücke einzu­führen. Die nachfol­genden Statis­tiken sollen einige Fakten zur Ausgangslage liefern.

Defini­ti­ons­versuch für die «Bezahl­barkeit»

Eine allgemein gültige Definition, was unter bezahl­barem Wohnraum zu verstehen ist, existiert bis heute nicht. Klar ist aber, dass auch die tiefsten Einkom­mens­klassen sich das Wohnen leisten können müssen. Oftmals wird «bezahl­barer Wohnraum» mit «gemein­nüt­zigem Wohnraum» gleich­ge­setzt. Auch der Initia­tivtext verwendet beide Begriffe synonym. Während aber «gemein­nüt­ziger Wohnraum» nur von gemein­nüt­zigen Organi­sa­tionen angeboten wird (in der Regel sind dies Wohnbau­ge­nos­sen­schaften), können bezahlbare Mietwoh­nungen auch von privaten und institu­tionellen Anlegern angeboten werden.

Nachfolgend soll folgende Definition gelten: Bezahl­barer respektive erschwing­licher Wohnraum umfasst die Wohnein­heiten, deren Kosten auch für Haushalte mit niedrigen Einkommen in einem spezi­fi­schen Gebiet tragbar sind. Drei Bezugs­grössen sind dabei zentral: Einkommen, Haushalts­grösse und Gemeinde (Lage).

Nicht nur Mietwoh­nungen, sondern auch Wohnei­gentum kann erschwinglich sein. Beispiels­weise bekommt ein beacht­licher Teil der Schweizer Wohnbe­völ­kerung Wohnei­gentum vererbt. Im Allge­meinen bilden aber die beiden Teilseg­mente des gemein­nüt­zigen Wohnungsbaus und des regulären Mietwoh­nungs­marktes die Basis des bezahl­baren Wohnan­gebots. In der Gesamt­schweiz stehen heute rund 170’000 gemein­nüt­zigen etwa 2.1 Mio. reguläre Mietwoh­nungen im Bestand gegenüber. Im Folgenden soll auf den letzt­ge­nannten Markt fokus­siert werden. Wüest Partner hat bereits im Oktober 2018 Unter­su­chungen zu den Anteilen der Wohnkosten an den Haushalts­budgets durch­ge­führt (Immo-Monitoring 2019 | 1). Die Ergeb­nisse zeigten, dass sich für die drei häufigsten Wohnformen der Single‑, Paar- und Famili­en­haus­halte in Klein‑, Mittel- und Gross­woh­nungen natür­liche Grenzen bei den Mieten von monatlich 1’000.- für Singles, 1’500.- für Paare und 2’000.- (Netto­mieten) für Familien auch in tiefen Einkom­mens­klassen, beispiels­weise bei Mindest­löhnen Anteile von rund einem Drittel an den Haushalts­budgets, ergeben. Ausgehend von diesen Bezahl­bar­keits­grenzen wurden in der Schweiz die Anteile der bezahl­baren Mietwoh­nungen erhoben, die auf den Inter­net­platt­formen und in Print­medien inseriert waren.

40 Prozent aller Mietwoh­nungen bezahlbar

Insgesamt konnte zwischen dem 3. Quartal 2016 und dem 3. Quartal 2019 eine Gesamt­menge von 1.3 Mio. Mietwoh­nungs­in­se­raten in der gesamten Schweiz ausge­wertet werden. Der Anteil der preis­güns­tigen Mietwoh­nungen innerhalb der definierten Mietgrenzen lag durch­schnittlich bei 40 Prozent. Am höchsten waren die Anteile preis­güns­tiger Mietwoh­nungen in der 3 bis 3.5 Zimmer Kategorie mit 46 Prozent, etwas tiefer in der Kategorie der Klein­woh­nungen mit 40 Prozent und am tiefsten in der Kategorie der grösseren Wohnungen mit mindestens 4 Zimmern bei 35 Prozent.

Wie erwähnt spielt bei der Beurteilung, ob genügend bezahlbare Wohnungen vorhanden ist, neben der Haushalts­grösse und dem verfüg­baren Einkommen auch die Lage eine zentrale Rolle. Die räumliche Auswertung auf Stufe Gemeinde zeigt erwar­tungs­gemäss, dass abseits der nachfra­ge­starken Grosstädte der Anteil preis­güns­tiger Wohnungen auf deutlich überdurch­schnitt­lichem Niveau liegt. Gerade in älteren Bestan­des­lie­gen­schaften sind die Mieten vielerorts deutlich unter Druck geraten. In der Folge sind die Anteile an bezahl­baren Wohnungen teilweise auf 50 Prozent und mehr gestiegen. Anders sieht es in einigen Touris­mus­ge­meinden und in den inneren Agglo­me­ra­tionen der starken Wirtschafts­räume aus. Hier bewegen sich die Anteile an bezahl­baren Mietwoh­nungen auf deutlich unter­durch­schnitt­lichem Niveau, aber meist immer noch bei über 10 Prozent. Im Mittel der Schweizer Gross­städte können 19 Prozent aller Mietwoh­nungen gemäss den definierten Klassen als bezahlbar bezeichnet werden. In den Hotspots Genf und Zürich liegt der Anteil tiefer, aber immer noch bei 12 respektive 14 Prozent. Hier inter­es­sieren auch die absoluten Zahlen an inserierten Wohnungen: In Genf waren im Schnitt der letzten drei Jahre rund 1300 und in Zürich 2800 Mietwoh­nungen innerhalb der definierten Mietpreis­grenzen von 1000 Franken für Klein­woh­nungen, 1500 Franken für mittlere und 2000 Franken für grössere Mietwoh­nungen zu finden.

Einordnung und Ausblick

Mehr bezahlbare Wohnungen wird es aller Voraus­sicht nach mit oder ohne Volks­in­itiative geben. Denn trotz abgeschwächtem Wachstum im Schweizer Baumarkt dürfte der Netto­zugang an Mietwoh­nungen auch 2020 und darüber hinaus über der Nachfrage liegen. Somit werden die Mieten (bei den angebo­tenen Mietwoh­nungen) im Mittel der Schweiz weiter sinken. Nichts­des­to­trotz bleiben die Wohnungs­märkte in vielen Städten angespannt. Das Angebot an gemein­nüt­zigen Wohnungen liegt dort bereits auf überdurch­schnittlich hohem Niveau. Im Mittel der grössten Städte mit mehr als 30’000 Haushalten bewegt es sich gemäss Erhebungen des Bundes­amtes für Statistik und des Bundes­amtes für Wohnungs­wesen aktuell bereits bei rund 10 Prozent. Die Gefahr bei der Umsetzung der Initiative könnte darin bestehen, dass es zu einem ungewollten Effekten kommt: Kaum eine Wohnbau­ge­nos­sen­schaft oder eine Gemeinde würde in einem mit bezahl­barem Wohnen bereits überver­sorgten Markt bauen wollen. Um den Mindest­anteil von 10 Prozent gemein­nüt­zigem Wohnungsbau am Neubau zu erreichen, müsste sich die gemein­nützige Wohnbau­tä­tigkeit somit auf die Städte konzen­trieren. Dort könnte es in der Folge zu einer Verknappung im regulären Mietwoh­nungs­markt kommen. Genau dies würde parado­xer­weise ein weiteres Ansteigen der Mietpreise im freien Markt mit sich bringen.


Quellen mit weiteren Analysen und Erkennt­nissen zum Thema «Bezahlbare Wohnungen»

avenir suisse (2019): Was wäre, wenn… – 13 mögliche Entwick­lungen und ihre Konse­quenzen für die Schweiz.

avenir suisse (2015): Gemein­nüt­ziger Wohnungsbau nützt den Ärmsten wenig. Publi­ziert in NZZ domizil.

BWO/sotomo (2017): Gemein­nüt­ziges Wohnen im Fokus. Ein Vergleich zu Miete und Eigentum.

Lehmann Niels (2019): Die Oppor­tu­ni­täts­kosten der Wohnbau­för­derung in Zürich – Berechnung alter­na­tiver Förder­mo­delle für das Bezahlbare Wohnen. Master­arbeit am CUREM

NZZ (2020): ERKLÄRT – Die Initiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» auf einen Blick. Zeitungs­ar­tikel vom 29. Januar 2020.

Republik (2020): Auf lange Sicht: Wie stark sind die Mieten gestiegen?

Wüest Partner (2018): Bezahl­bares Wohnen – Ein Fakten­check. Publi­ziert im Immo-Monitoring 2019 | 1.

Wüest Partner (2013): Preis­güns­tiges Wohnen. Publi­ziert im Immo-Monitoring 2014 | 1.

Wüest Partner (2019): Vielfältige Förderung des bezahl­baren Wohnens. Blogbeitrag.

Wüest Partner (2016): Preis­güns­tiges Wohnen: Die richtigen Hebel in Bewegung setzen. Blogbeitag.