Abschaffung des Eigenmietwerts: Zehn wahrscheinliche Auswirkungen auf den Bau- und Immobilienmarkt
Veröffentlicht am: 29. September 2025 Letzte Aktualisierung: 29. September 2025

Mit dem Volksentscheid vom 28. September 2025 für die neue Verfassungsgrundlage zu kantonalen Liegenschaftssteuern auf überwiegend selbstgenutzten Zweitliegenschaften ist der Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung beschlossen: Die Besteuerung des Eigenmietwerts wird abgeschafft; im Gegenzug werden Unterhalts- und Schuldzinsenabzüge stark eingeschränkt. Die genaue Ausgestaltung erfolgt über ein Bundesgesetz und kantonale Umsetzungen, inklusive allfälliger Zweitwohnungssteuern. Detaillierte Informationen wie Abstimmungstext und regionale Abstimmungsergebnisse finden Sie hier.
Dies sind zehn wahrscheinliche Auswirkungen auf den Schweizer Bau- und Immobilienmarkt.
1. Entlastung bei der Einkommenssteuer stärkt Nachfrage leicht
Ohne Eigenmietwert sinken – bei moderaten Zinsen – die laufenden Wohnkosten vieler Eigentümerhaushalte. Die Zahlungsbereitschaft für selbstgenutztes Wohneigentum steigt tendenziell. Der preistreibende Effekt dürfte nur im einstelligen Prozentbereich liegen, ist aber nicht punktgenau bezifferbar. Er dürfte je nach Region und Segment variieren und kann durch andere, stärker wirkende Faktoren wie Zinsniveau, Neubautätigkeit, Baukosten, Beschäftigungs- und Bevölkerungsentwicklung sowie Tragbarkeitsregeln und andere Marktregulierungen überlagert werden.
2. Boomende Sanierungen bis zum Inkrafttreten
Bis zum Inkrafttreten der neuen Regeln ist mit einer spürbaren Vorverlagerung von ohnehin bald anstehenden Renovationen und Unterhaltsarbeiten zu rechnen, um die heute noch gültigen Abzugsmöglichkeiten letztmals zu nutzen. Das stützt die Auftragslage in der Baubranche bis zum Inkrafttreten. Diese «Use-it-or-lose-it»-Dynamik wird vor allem in den Monaten vor dem Stichtag zu einer hohen Nachfrage- und Kapazitätsauslastung führen (Terminverdichtung, teils längere Wartezeiten und Preisdruck).
Im Schnitt der letzten 5 Jahre wurden jährlich für die Renovationen von Einfamilienhäusern über 2.4 Mia. Franken sowie für die Sanierungen von Mehrfamilienhäusern rund 5.2 Mia. Franken investiert. Insbesondere bei den Einfamilienhäusern ist kurzfristig mit einem spürbaren Anstieg zu rechnen.
3. Baumarkt mittelfristig: Weniger werterhaltende Instandsetzungen
Mit dem Inkrafttreten der Reform – und dem weitgehenden Wegfall der steuerlichen Abzugsfähigkeit für Unterhalt und energetische Sanierungen bei selbstbewohnten Objekten – sinken die Anreize für Renovationen. Besonders betroffen sind Innenausbauten wie Küche, Bad und Oberflächen. Entsprechend ist mittelfristig von einem rückläufigen Sanierungsvolumen auszugehen.
Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass energetische Sanierungen auch ohne die bisherigen Steuerabzüge wirtschaftlich sinnvoll sein können – insbesondere bei einem einfachen Heizungsersatz (siehe Studie: Energetische Sanierungen im Wohngebäudepark und deren ökonomische Auswirkungen). Darüber hinaus können weiterhin Förderprogramme und kantonale Steuerabzüge zur Verfügung stehen, die entsprechende Investitionen stützen.
4. «Zustand» gewinnt an Gewicht beim Marktwert
Wenn Instandhaltungsanreize abnehmen, driften Marktwerte stärker nach Bauzustand und Nachhaltigkeitsstandard auseinander: Moderne, energieeffiziente Objekte werden relativ begünstigt; sanierungsbedürftige Liegenschaften werden mit höheren Abschlägen bewertet.
5. Mehr Ersatzneubauten bei Eigentümerwechseln
Nach dem Liegenschaftskauf dürfte die Neigung zu Ersatzneubauten anstelle umfassender Renovationen zunehmen. Gründe dafür sind die geringere steuerliche Attraktivität von Renovationen, ein tendenziell sinkender durchschnittlicher Gebäudezustand sowie eine wachsende Wertdifferenz zwischen Alt- und Neubauten.
6. Mehr Anreize im Eigentum zu bleiben
Für Rentnerinnen und Rentner mit weitgehend amortisierten Hypotheken sinken die Netto-Nutzungskosten; der Anreiz, im Eigentum zu bleiben, steigt. Finanzielle Gründe als Umzugsmotiv in kleinere Wohnungen relativieren sich jedoch: Angesichts der knappen Angebotslage lassen sich die Wohnkosten durch einen Umzug derzeit nur selten (wenn überhaupt) senken.
7. Insgesamt tiefere Belehnung bei Haushalten
Mit dem Wegfall der Zinsabzugslogik sinkt der steuerliche Anreiz für eine hohe Fremdfinanzierung. Im Durchschnitt ist daher eine etwas tiefere Belehnung zu erwarten. Steigende Marktwerte schwächen die Dämpfung des aggregierten Hypothekarvolumens (Basis- und Folgerefinanzierungen) ab.
8. Offene Ausgestaltung der Zweitwohnungssteuern mit unterschiedlicher Wirkung auf die Marktwerte
Die Kantone erhalten die Kompetenz, eine besondere Liegenschaftssteuer auf überwiegend selbstgenutzten Zweitliegenschaften einzuführen. Je nach Höhe respektive Ausgestaltung werden die regionalen Marktwerte unterschiedlich beeinflusst (insbesondere in Tourismus- und Bergkantonen).
9. Übergang, Zeitplan und Rechtsklarheit sind entscheidend
Die Wirkung auf Haushalte und Märkte hängt von der Umsetzung (Übergangsfristen, Detailregeln zu Abzügen, kantonale Lösungen) ab. Bis zum Inkrafttreten bleiben die bisherigen Regeln gültig; der Bund legt den Zeitplan fest. Dabei stützen Rechtssicherheit und klare Kommunikation Planung und Investitionen.
10. Unterschiedliche Betroffenheit
Die Reform hat weitreichende Auswirkungen auf die individuelle steuerliche Belastung. Für die meisten Haushalte bleiben jedoch die Effekte begrenzt, solange der bisherige Eigenmietwert in etwa den Hypothekarzinsen plus pauschalem Unterhaltsabzug entspricht. Deutlichere Veränderungen ergeben sich bei einzelnen Haushalten, etwa wenn in den nächsten Jahren eine umfassende Sanierung geplant ist (Wegfall der Abzüge) oder wenn ein hoher Eigenmietwert versteuert wurde und die Hypothek bereits weitgehend amortisiert ist (Wegfall der Belastung, da keine Zinsabzüge mehr bestehen). Weitere Details zu den Haushaltseffekten finden sich im Blogbeitrag «Eigenmietwert auf der Kippe».
Die zehn gezeigten Auswirkungen verdeutlichen die Relevanz des beschlossenen Paradigmenwechsels in der Besteuerung von Wohneigentum. Gleichzeitig verdeutlichen die Relativierungen, dass die grundlegenden Mechanismen im Schweizer Markt für selbstgenutztes Wohneigentum sich nicht wesentlich verändern.
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