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Der Wohnbau­saldo dürfte kleiner ausfallen als erwartet

Letzte Aktualisierung: 02. Mai 2025

In der Schweiz wird das Wohnraum­an­gebot immer knapper. Ende 2015 standen pro Quartal noch 74 Wohnein­heiten pro 1000 Haushalte zur Verfügung, heute sind es nur noch 43. Damit ging die Inser­ti­ons­menge im Verhältnis zu allen bestehenden Haushalten um rund 42% zurück. Ob Miet‑, Eigen­tums­woh­nungen oder Einfa­mi­li­en­häuser: Wer ein neues Zuhause sucht, braucht derzeit viel Geduld.



Neue Hoffnung dank steigenden Neubau­be­wil­li­gungen

Angesichts der angespannten Markt­si­tuation wirken die jüngsten Entwick­lungen im Neubau­markt zumindest etwas positiv. Gemäss Infopro Digital und Model­lie­rungen von Wüest Partner dürfte die Anzahl Wohnein­heiten in den Neubau­be­wil­li­gungen im letzten Jahr bei rund 49’000 gelegen haben – ein klarer Anstieg gegenüber 2023. Dieser Wert liegt zudem 2.1% über dem Durch­schnitt der vergan­genen zehn Jahre. Aller­dings ist zu berück­sich­tigen, dass in den letzten fünf Jahren zu wenig gebaut wurde, wodurch die Wohnungs­leer­stände nach 2020 rückläufig waren.

Nachfra­ge­überhang und Bevöl­ke­rungs­wachstum dämpfen Euphorie

Obwohl neue Bauge­suche und ‑bewil­li­gungen Anlass zur Hoffnung geben, bestehen auch Zweifel. Erstens hat sich in den letzten fünf Jahren ein beträcht­licher Nachfra­ge­überhang aufge­staut, der sich selbst bei reger Bautä­tigkeit nur langsam abbauen liesse. Zweitens wächst die Bevöl­kerung aufgrund zahlreicher offener Stellen nach wie vor erheblich, auch wenn die Zuwachs­raten leicht sinken. Die Nachfrage nach zusätz­lichem Wohnraum bleibt somit weiterhin gross.

Wandel im Neubau: Mehr Ersatz­neubau statt Neubau auf der grünen Wiese

Weitere Zweifel ergeben sich in Anbetracht der Verän­derung des Wohnungsbaus: Wurde vor 5 Jahren noch vorwiegend auf der grünen Wiese gebaut, entstehen neue Wohnungen heute oft durch Ersatz­neubau, Aufsto­ckungen oder Anbauten. Die sogenannte Greenfield-Bautätigkeit nimmt damit stetig ab, während Brownfield-Projekte zunehmen. Beim Ersatz­neubau müssen bestehende Wohnein­heiten abgerissen werden, bevor neue entstehen können, wodurch der Wohnbau­saldo tiefer ausfällt als bei gleich grossen Neubau­pro­jekten auf unbebautem Land.

Abbruch­zahlen als Schlüssel zum Wohnbau­saldo

Um die effektive Differenz zwischen Neubau­tä­tigkeit und Nachfrage zu ermitteln, sind verläss­liche Daten zu den Abbruch­zahlen unerlässlich. Für die gesamte Schweiz fehlen aller­dings aktuell aussa­ge­kräftige Zahlen. Zwar publi­ziert das Bundesamt für Statistik entspre­chende Werte, doch ein Vergleich mit den offizi­ellen Daten des statis­ti­schen Amts des Kantons Zürich legt nahe, dass schweizweit von einer Unter­schätzung der Abbrüche auszu­gehen ist.



Steigender Abbruch­anteil im Kanton Zürich verringert Netto­zugang

Ein Blick auf die Zahlen des Kantons Zürich zeigt, dass hier die Abbruchrate im Verhältnis zu den neu erstellten Wohnungen wächst. In den letzten fünf Jahren lag der relative Wohnbau­saldo noch bei durch­schnittlich 73% (nach 82% von 2010 bis 2014). 2024 wurden im Kanton Zürich 7500 Neubau­woh­nungen erstellt und 2100 abgebrochen – ein Netto­zugang von 5400 Einheiten. Damit wird klar: Eine zuneh­mende Neubau­tä­tigkeit führt nicht automa­tisch zu entspre­chend mehr zusätz­lichem Wohnraum, weil immer öfter bestehende Wohnein­heiten weichen müssen. In Gross­zentren, steuer­at­trak­tiven Gemeinden und zunehmend auch in Agglo­me­ra­tionen sind Abbrüche immer häufiger die Voraus­setzung für neue Baupro­jekte.



Ersatz­neubau als Strategie für die Innen­ent­wicklung

Mit der revidierten Raumplanung, die eine Siedlungs­ent­wicklung nach innen anstrebt, ist der Ersatz­neubau vielfach die einzige Möglichkeit, um spürbar zusätz­lichen Wohnraum zu schaffen. Zwar bieten An- und Aufbauten ebenfalls Potenzial, doch ein Komplett­neubau ermög­licht in der Regel eine effizi­entere Ausnutzung des Grund­stücks und Bauvo­lumens. Bestehende Gebäu­de­struk­turen sind oft nicht für höhere Lasten ausgelegt, und Vorschriften wie Mindest­ab­stände oder Geschoss­zahlen schränken Anbauten und Aufsto­ckungen stärker ein als ein Neubau­projekt auf demselben Areal.

Ökolo­gische Vorteile von An- und Aufbauten

Trotzdem kann es aus ökolo­gi­scher Sicht sinnvoll sein, auf An- oder Aufbauten zu setzen, wenn die Vorteile eines Ersatz­neubaus nicht zum Tragen kommen. Denn das Weiter­ver­wenden einer bestehenden Tragstruktur reduziert den Ressour­cen­ver­brauch und mindert die graue Energie, die bei einem Abriss und anschlies­senden Neubau höher ausfallen kann.

Bauen in die Höhe als Zukunfts­stra­tegie

Der wachsende Anteil an Abbrüchen bei gleich­zeitig reger Neubau­tä­tigkeit, das begrenzte Potenzial von Anbauten und Aufsto­ckungen und die ökolo­gi­schen Vorteile bei der Wieder­ver­wendung von Gebäu­de­sub­stanz zeigen, dass vertikale Verdichtung immer wichtiger wird. Höhere Ausnüt­zungs­ziffern und flexi­blere Bauvor­schriften sind entscheidend, um die Innen­ent­wicklung voran­zu­treiben und dennoch genügend Wohnraum zu schaffen. Andern­falls reduzieren unver­meid­liche Abbrüche den Netto­zu­wachs so stark, dass trotz starker Bautä­tigkeit nur ein geringes Plus an Wohnflächen entsteht. Bauen in die Höhe ermög­licht nicht nur eine effizi­entere Nutzung bereits erschlos­sener Standorte, sondern ist meist die einzige Chance, die Ziele der Raumplanung – Verdichtung und Eindämmung der Zersiedlung – mit den Bedürf­nissen einer wachsenden Bevöl­kerung in Einklang zu bringen.

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