Zweitwohnungen: Mehrere Gründe für den Boom
18. Januar 2022
Während vieler Jahre sind die Preise für Schweizer Wohnungen in Tourismusgemeinden nur schwach angestiegen. Von Anfang 2012 bis Ende 2019 haben sich die Transaktionspreise für mittelgrosse Zweitwohnungen um 0.9% pro Jahr erhöht; die klassischen mittelgrossen Eigentumswohnungen sind im Gesamtschweizer Trend dagegen jährlich um 2.0% gewachsen.
Diese «Underperformance» der Zweitwohnungen lässt sich vor allem der abwartenden Haltung von Kaufinteressenten zuschreiben: Aufgrund der lange unklaren Umsetzung der «Lex Weber» und wegen der temporär stark intensivierten Neubautätigkeit schien ein Investment in Zweitwohnungsobjekte riskant. Zudem war im Zweitwohnungsmarkt der Trend der «Sharing Economy» angekommen: Plattformen wie Airbnb ermöglichten es, überall auf der Welt, einfach und schnell Ferienwohnungen zu mieten.
Zweitwohnungen begehrt seit dem Ausbruch der Pandemie
Spätestens mit dem Ausbruch der Covid-Pandemie hat das Preiswachstum nun aber markant zugenommen. Im Schnitt der letzten beiden Jahre sind die Preise für Eigentumswohnungen, die als uneingeschränkter Zweitwohnsitz genutzt werden können, um 8.1% pro Jahr gestiegen. Damit war der Preiszuwachs in den Tourismusregionen gar noch höher als der Gesamtschweizer Schnitt, der von Anfang 2020 bis Ende 2021 bei 5.9% pro Jahr lag. Am stärksten waren die Erhöhungen in Graubünden (+8.8%) und in der Innerschweiz (+8.3%).
Starke Preisdynamik auch in den hochpreisigen Regionen
Eine Handvoll Topdestinationen in Graubünden, im Berner Oberland und im Wallis erzielen die höchsten Preise für Zweitwohnungen. Einschlägig bekannt sind die Gemeinden im Oberengadin, die Ortschaft Verbier in der Walliser Gemeinde Bagnes, Zermatt sowie der Ortsteil Gstaad in der Berner Gemeinde Saanen. Viele dieser international ausgerichteten Destinationen haben überdurchschnittliche Preisanstiege verzeichnet, nachdem sie zwischen 2012 und 2018 temporäre Preisrückgänge verbucht hatten. Dabei stammt die aktuelle Nachfrage mehrheitlich aus dem Inland. Aber auch bei der Nachfrage aus dem Ausland – z.B. Deutschland – wurden zusätzliche Impulse beobachtet.
Nachfrageboom
Dass die Nachfrage nach Zweitwohnungen stark angestiegen ist, zeigt sich nicht nur an den Preisen, sondern lässt sich auch an der Entwicklung der Suchabonnements nach Eigentumswohnungen in touristischen Gebieten erkennen. Im Vergleich zum Jahr 2019 sind heute bei den einschlägigen Internetportalen deutlich mehr als doppelt so viele Suchabos eingerichtet, mit denen nach der passenden Eigentumswohnung in einem Tourismusgebiet gesucht wird.
Was sind die Gründe, weshalb die Nachfrage und die Preise so stark gestiegen sind?
- Finanzierungsbedingungen: Das attraktive Fremdfinanzierungsumfeld ist einer der Gründe für die rege Nachfrage und die Preisanstiege. So liegen die Hypothekarzinsen für viele Laufzeiten noch immer auf einem sehr tiefen Niveau, auch wenn sie jüngst leicht gestiegen sind.
- Mehr Ersparnisse und höheres Vermögen: Trotz der negativen wirtschaftlichen Begleiterscheinungen durch die Pandemiebekämpfung sind heute viele Haushalte finanziell besser oder gleich gut gestellt wie zu Beginn der Pandemie. Sie hatten folglich die Mittel, um Wohneigentum zu erwerben. Bei der «Immo-Barometer»-Befragung 2021 gaben 52.7% der befragten Schweizer Personen an, dass sich ihre finanzielle Situation nicht verändert habe. Bei 28.9% hat sich die finanzielle Situation seit Beginn der Pandemie sogar verbessert. Gründe dafür sind erstens die staatlichen Unterstützungsmassnahmen im letzten Jahr. Zweitens wurde weniger Geld für Reisen, Freizeitaktivitäten und private Anschaffungen ausgegeben, wodurch mehr gespart werden konnte. Und drittens waren an den Kapitalmärkten starke Gewinnmitnahmen möglich, die ebenfalls zur Erhöhung der Vermögen beigetragen haben.
- Mobiles Arbeiten & Workation: Nach der Coronakrise möchten 80% der Personen, denen Homeoffice möglich ist, zumindest teilweise ausserhalb des Büros ihrer Arbeit nachgehen. Das zeigt die «Immo-Barometer-Befragung» bei 1040 Haushalten. Konkret wünschen sich die Befragten, dass sie zwischen 30% und 35% ihres Pensums im Homeoffice tätig sein können.
Das Homeoffice muss sich dabei nicht nur auf den Erstwohnsitz fokussieren. Immer mehr Zweitwohnungssitze werden für das mobile Arbeiten genutzt. Hier lässt sich zudem auch Arbeit und Ferien (Workaktion) flexibel verbinden. - Persönlicher Nutzen von Zweitwohnungen wieder wichtiger: Zweitwohnungen werden in der Schweiz von jeher deshalb gekauft, weil sie unterschiedliche persönliche Mehrwerte liefern. Bei Befragungen werden vor allem die Ermöglichung von Vergnügen, die Stärkung von Beziehungen zu Familie und Freunde sowie Unabhängigkeit und Privatsphäre als wichtigste Kaufgründe genannt. Gerade diese Werte sind während der Covid-Pandemie wieder stärker ins Zentrum des Lebens vieler Menschen gerückt, weshalb heute der Wunsch nach einer Zweitwohnung wieder erstarkt ist.
- «Lex Weber»: Seitdem für klassische Zweitwohnungen (ohne Nutzungsbeschränkung) vielerorts keine Neubaubewilligungen mehr erteilt werden dürfen, ist die Wohnungsproduktion eingebrochen. Nicht nur im Vergleich zum temporären Neubauboom zwischen der Annahme der Initiative und deren Inkraftsetzung, sondern auch gegenüber der Situation vor 2012 hat es sich markant reduziert.
Die «Lex Weber» hat damit – rund zehn Jahre nach ihrer Annahme durch das Schweizer Stimmvolk – dazu geführt, dass das Angebot im Vergleich zur Nachfrage viel zu gering ist. Dies zeigt sich eindrücklich an den Leerstandszahlen in den Tourismusgebieten: Im 2021 standen im Vergleich zu 2019 rund 25% weniger Objekte leer, was die stark gesunkene Marktliquidität illustriert. Während in Graubünden, im Berner Oberland und in der Innerschweiz die Auswahl besonders klein ist, sind die Erfolgschancen bei der Suche nach einer Zweitwohnung im Wallis oder im Tessin höher.
Zweitwohnungen: Erwartungen für das Jahr 2022
Auch im laufenden Jahr ist mit einer intakten Nachfrage nach Zweitwohnungen zu rechnen, obschon der Einmaleffekt durch die neuen Arbeitsformen langsam nachlassen könnte. Da auf der Angebotsseite weiterhin kein Zusatzangebot zur uneingeschränkten Nutzung geschaffen werden, dürften auch im 2022 die Preise steigen. Derart starke Anstiege wie in den letzten beiden Jahren sind allerdings unwahrscheinlich.
Wie stark die Preise in einer Destination mittel- bis langfristig steigen werden, dürfte vor allem von den Standortfaktoren abhängig sein:
- Touristische Infrastruktur: unter anderem Gastronomie, Bergbahnkapazitäten, Skigebiete, Wellness.
- Klima: Sonnentage, Schneesicherheit.
- Natur- und Ortsbild: Seeanstoss, Panorama, Ortscharakter.
- Anbindung an die Wirtschaftszentren der Schweiz.