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Was goldene Wasser­hähne mit der CO2-Bilanz verbindet

Veröffentlicht am: 22. August 2022 Letzte Aktualisierung: 01. August 2025

Die Klima­ziele der Immobi­li­en­branche sind erreichbar, sofern ein radikales Umdenken statt­findet. Wie sich das auf die Bewertung auswirkt und welche Wege man dafür beschreiten kann, erklärt Rüdiger Hornung, Partner und Geschäfts­führer Wüest Partner Deutschland.

Natürlich kann die CO2-Bilanz der Immobi­li­en­wirt­schaft ausrei­chend gesenkt werden, nur: Will man das auch? Die Lambor­ghinis, Ferraris und das Steak-Restaurant, das man auf dem Weg zum Vortragsort passieren konnte, ließen eher auf ein Nein tippen. Aber mit „business as usual“ wird man die Klima­ziele nicht erreichen, meinte Rüdiger Hornung zur Einleitung seiner Keynote. Er identi­fi­zierte einen aktuell vorherr­schenden Wider­spruch: Berater hätten mehrheitlich Anfragen zu Gebäuden, die nach dem Jahr 2000 errichtet wurden. Diese stellen aber rund 10 Prozent aller Immobilien dar. Für die Umwelt­be­lastung ist aber überwiegend der ältere Bestand verant­wortlich.

Immobi­li­en­be­stand vor 2000 belastet die Umwelt überpro­por­tional

Die meisten Immobilien in Deutschland wurden zwischen 1949 und 1978 gebaut, gleich­zeitig sind das auch die mit der schlech­teren CO2-Bilanz. Genau diese müsse man in Angriff nehmen, um CO2-neutral zu werden denn sich nur auf die nach „Neubauten“ zu konzen­trieren, wird nicht reichen, weil sie nur einen geringen Teil des Bestands ausmachen und ohnehin ausrei­chend gute energe­tische Quali­täten aufweisen. Die Gesamt­wirt­schaft­liche CO2-Bilanz lässt sich nur ausrei­chend über den älteren Bestand wesentlich verringern und so sollte man keinen Bogen vor dem Altbau machen, sondern sie frontal angehen.

Umdenken gefragt – auch bei den Messsys­temen

Eine Heraus­for­derung sind die aktuellen Messsysteme. Egal ob beim Energie­ausweis, der KfW oder der EU-Taxonomie: Alle betrachten die Bilanz im Betrieb einer Immobilie. Weder ziehen sie den Aufwand für den Bau oder die Sanierung eines Gebäudes in Betracht, noch den Effekt eines Rückbaus. Dies hat zur Folge, dass sich jede energe­tische Maßnahme positiv auf das Ergebniss auswirkt, auch wenn die Sanierung wegen einens zu kurzen Lebens­zyklus über die Zeit sogar negativ auf die CO2 Bilanz auswirkt. Aus Sicht einer Immobi­li­en­be­wertung ist also der alleinige Fokus auf den Betrieb viel zu eng. Der ganze Lebens­zyklus einer Immobilie muss ins Blickfeld genommen werden, um stich­haltige Aussagen über sinnvolle und wirtschaft­liche Maßnahmen treffen zu können.

Ein gutes Beispiel dafür sind erhoffte Wertstei­ge­rungen durch energe­tische Sanie­rungen. Wichtiger als die Neuerungen, die eingebaut werden, ist das System, das ersetzt wird. Bezie­hungs­weise die Ineffi­zienz dieser, denn eine Sanie­rungs­maß­nahme ist um so wirtschaft­licher, je unwirt­schaft­licher die Immobilie zuvor war. Eine längst amorti­sierte Heizungs­anlage aus den 80er-Jahren in einem Mehrfa­mi­li­enhaus zu ersetzen bringt mehr, als eine Anlage die weniger als 10 Jahre alt ist durch eine Wärme­pumpe zu ersetzen. Da energe­tische Baumaß­nahmen knapp und wertvoll sind, siehe Rohstoff- und Fachkräf­te­mangel, liegt das meiste Wertstei­ge­rungs­po­tenzial in der Optimierung der schlech­teren Liegen­schaften. Dennoch besteht das täglich Brot von Immobi­li­en­be­ratern häufiger aus Verbes­se­rungen an vergleichs­weisen guten Immobilien.

analyse
Ein entschei­dender Faktor der Energie­ef­fi­zienz: die Nutzer:innen

Zusätzlich sollten die Nutzer:innen einer Immobilie in den Fokus rücken, denn diese bestimmen maßgeblich die tatsäch­lichen Verbräuche. Anhand von 12 anony­mi­sierten Beispielen aus der Praxis von Wüest Partner zeigte Hornung verschiedene Szenarien, bei denen sich die Nutzungen stark unter­schieden. Dass eine Kita, die 50 Prozent eines Gebäudes ausmacht, mehr heizen und lüften muss als Privat­woh­nungen, leuchtet zum Beispiel ein. Dass ein Bestands­halter irritiert ist, wenn in einer frisch energe­tisch sanierten Wohnanlage 90 Prozent der Nutzer:innen im Winter die Schaf­zim­mer­fenster die ganze Nacht kippen, ist ebenfalls verständlich. Dann gibt es wiederum Beispiele von Nutzer:innen, die erheblich weniger als erwartet verbrauchen. Bedarf und Verbrauch sind also nicht gleich­zu­setzen, sondern müssen beide geprüft und ins Verhältnis gesetzt werden. Mit dem Tool Wüest Climate zur Energie­be­darf­be­rechnung lässt sich das bewerk­stel­ligen.

Immobilien-Nutzer:innen sind Teil der Lösung

Ein bisher noch zu selten verfolgter Ansatz zur Errei­chung der Klima­ziele ist die Einbe­ziehung der Nutzer:innen, um so zu hohe Verbräuche in den Griff zu bekommen. Hier bieten sich Incen­ti­vie­rungs­systeme, die bessere Trans­parenz oder techno­lo­gische Lösungen zur Unter­stützung der Nutzer an. In einem Plus-Energie-Mehrfamilienhaus in Frankfurt ist eine Funktion der Haus-Software besonders beliebt: Das Energieverbrauch-Ranking der 74 Wohnein­heiten. Damit bekommen die Bewohner:innen in Ihrer eigenen Wohnung angezeigt, welchen Platz sie aktuell im Vergleich zu Ihren Nachbarn in Bezug auf den Energie­ver­brauch belegen – von allen Menüpunkten gehört dieses zu den am häufigsten ausge­wählten. Ein Beispiel von Gamifi­cation, das der Umwelt zu Gute kommt.

Wie Vermieter:in, Mieter:in und die Umwelt profi­tieren

Dank der langjäh­rigen Erfahrung von Wüest Partner Schweiz lässt sich auf die “Drei Gewinner Studie” zurück­greifen. Wie können Vermieter:innen, Mieter:innen und Umwelt als Gewinner:innen aus energe­ti­schen Maßnahmen hervor­gehen? Die Umwelt profi­tiert immer von Energie­ef­fi­zienz. Wie sehr Mieter:innen und Vermieter:innen gewinnen, hängt vom Effizi­enz­zu­wachs ab, den die Maßnahmen bringen. Je höher dieser ist, desto höher ist die Wahrschein­lichkeit, dass Mieter und Vermieter profi­tieren – und somit die mögliche Wertstei­gerung.

Goldene Wasser­hähne und CO2-Bilanz

Ein Hemmnis zur Errei­chung der Klima­neu­tra­lität ist die Sorge der Eigen­tümer, dass die notwen­digen Inves­ti­tionen sich nicht im Immobi­li­enwert nieder­schlagen. Das sprechenden Sinnbild hierzu sind die goldenen Wasser­hähne: das Symbol für eine Maßnahme, die zwar teuer in der Anschaffung ist, aber wenig Auswirkung auf den Wert einer Immobilie hat.

Solch unwirt­schaft­lichen energe­tische Sanie­rungen gilt es zu vermeiden. Wie man Sanie­rungs­maß­nahmen und energe­tische Eigen­schaften mit Blick auf Wertstei­ge­rungen am besten beurteilt, gilt es heraus­zu­finden.

Die Rolle von Immobilienbewerter:innen ist es hier nicht Augen und Ohren zu verschließen, sondern sich aktiv mit der Wertaus­wirkung dieser Immobi­li­en­ei­gen­schaften ausein­an­der­zu­setzen. Ein Gutachter, der dies heute nicht tut, wird weder seiner profes­sio­nellen noch seiner gesell­schaft­lichen Verant­wortung gerecht.

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