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Preise für Rendi­te­lie­gen­schaften im Umfeld infla­ti­ons­ge­trie­bener Zinsan­stiege

Letzte Aktualisierung: 22. April 2025

Die Unsicher­heiten am Markt für Rendi­te­lie­gen­schaften sind derzeit gross: Wie negativ wirken sich die Zinsan­stiege 2023 hier aus? Wie positiv schlagen sich die starke Zuwan­derung und die robuste Wirtschaft im Immobi­li­en­markt nieder? Und welche Entwick­lungen sind bei den Preisen von Rendi­te­lie­gen­schaften zu erwarten? Dass diese eng mit der Zinsent­wicklung gekoppelt sind, jedoch auch die realen Verzin­sungen eine Rolle spielen, haben wir im ersten Blogbeitrag zur Wirkung des aktuellen Markt­um­felds auf Rendi­te­lie­gen­schaften im November 2022 bereits thema­ti­siert (vgl. Rendi­te­lie­gen­schaften in turbu­lentem Markt­umfeld). 

Wir haben damals auch darauf hinge­wiesen, dass neben der Zinswirkung ebenso das konjunk­tu­relle Umfeld und der Nutzer­markt zur Beurteilung der Entwicklung der Immobi­li­en­preise von grosser Bedeutung sind. Und genau diese Wirkungen verschie­dener Preis­de­ter­mi­nanten nehmen wir im Folgenden unter die Lupe und schätzen die Effekte eines typischen Szenarios mit erhöhter Inflation und weiteren Zinsan­stiegen auf die Preise von Rendi­te­lie­gen­schaften ab. Um den funda­men­talen Zusam­menhang zwischen Zinsen, Wirtschafts­umfeld und weiteren Einfluss­fak­toren zu beleuchten, blicken wir zurück und versuchen, aus Mustern in histo­ri­schen Zeitreihen Erkennt­nisse für die heutige Situation abzuleiten. Liegen genügend lange Zeitreihen vor, können die Zusam­men­hänge spezi­fi­scher Einfluss­fak­toren analy­siert werden, um darauf aufbauend Szenarien abzubilden. 

Unter­schied­liche Umfeld­ein­flüsse

Zinsen wirken insbe­sondere über die folgenden drei Mecha­nismen auf die Immobi­li­en­preise und ‑renditen ein:Erstens steigt die Rendi­te­er­wartung, wenn Anlage­al­ter­na­tiven zu Immobilien besser verzinst werden. Denn grund­sätzlich führt eine Zinser­höhung zu einem Geldab­fluss aus dem Kapital­markt, was einen Rückgang der inves­ti­ti­ons­ge­trie­benen Nachfrage nach Immobilien zur Folge hat. Zweitens sind Eigen­tü­me­rinnen und Eigen­tümer, die ihre Liegen­schaft mit Fremd­ka­pital finan­ziert haben, mit höheren Zinskosten konfron­tiert, und höhere Fremd­ka­pi­tal­zins­kosten führen zu einer gestei­gerten Rendi­te­er­wartung. Drittens sind in einem infla­tio­nären Umfeld mit steigenden Löhnen und Zinsen typischer­weise auch steigende Mieten zu beobachten. Und über Mietz­ins­an­pas­sungen im Zuge höherer Referenz­zins­sätze sind höhere Bestan­des­mieten reali­sierbar. Insbe­sondere in einem Umfeld wie dem gegen­wär­tigen (lebhafte Wohnungs­nach­frage, eine zu geringe Wohnungs­pro­duktion und sinkende Leerstände) begünstigt der Flächen­markt den Anstieg von Mieten, Mieterträgen und damit auch von Immobi­li­en­preisen. Das aktuelle Markt­umfeld zeigt exempla­risch, wie die diversen Einfluss­fak­toren in unter­schied­licher – und teilweise entge­gen­ge­setzter – Weise auf die Immobi­li­en­preise einwirken.

Statis­ti­sches Modell für die Zusam­men­hangs­analyse

Wie stark ist die Reaktion der Immobi­li­en­preise auf Zinsver­än­de­rungen im Verhältnis zur Reaktion auf andere Einfluss­fak­toren? Diese Frage lässt sich mithilfe einer Kointe­gra­ti­ons­analyse beant­worten, die auf der Annahme basiert, dass zwischen zwei oder mehreren Variablen ein stabiles Gleich­ge­wicht existiert und Abwei­chungen von diesem Gleich­ge­wicht tempo­rärer Natur sind. Darauf aufbauend kann ein Fehler­kor­rek­tur­modell angewendet werden (Vector Error Correction Model), welches sowohl die kurz- als auch die langfris­tigen Bezie­hungen verschie­dener Einfluss­fak­toren schätzt. Denn wie erwähnt hängen Immobi­li­en­preise nicht nur von den Zinsen ab, sondern auch von einer Reihe weiterer Faktoren. In der vorlie­genden Studie haben wir die Preise von Rendi­te­lie­gen­schaften als Funktion der Zinsen, des Brutto­in­land­pro­duktes (BIP), der Leerstände sowie der Angebots­mieten model­liert, basierend auf der Zeitreihe von 1980 bis 2020.

Abbildung 1: Impuls-Response-Funktionen

Impuls-Response-Funktionen
Impuls-Response-Funktionen

In Abbildung 1 wird darge­stellt, wie sich der Preis­index für Wohn- oder Geschäfts­lie­gen­schaften verhält, wenn sich die dafür relevanten Einfluss­fak­toren verändern. Die Preise von Rendi­te­lie­gen­schaften reagieren auf Verän­de­rungen des Zinsni­veaus (rote Linie) im Vergleich zu den anderen Einfluss­fak­toren besonders sensitiv, wobei der Preis­effekt bei Wohnlie­gen­schaften grösser ist als bei Geschäfts­lie­gen­schaften. Besonders bemer­kenswert ist, dass die jewei­ligen Funktionen erst nach rund 5 Jahren konver­gieren. Daraus lässt sich schliessen, dass die Preise von Wohn- und Geschäfts­lie­gen­schaften nicht nur Monate, sondern Jahre brauchen, um nach makro­öko­no­mi­schen Schocks in die Gleich­ge­wichts­be­ziehung zurück­zu­finden. Wirkungs­ver­zö­ge­rungen lassen sich ebenso bei Verän­de­rungen im Leerstand, im BIP und in den Angebots­mieten beobachten, wobei sich erneut eine höhere Sensi­ti­vität im Wohnsegment als bei Geschäfts­lie­gen­schaften beobachten lässt. Bei Letzteren verringern segment­spe­zi­fische Eigen­schaften wie beispiel­weise fixe Vertrags­dauern oder höhere Infla­ti­ons­in­de­xie­rungen bei Geschäfts­miet­ver­trägen die Sensi­ti­vität.

Infla­ti­ons­ge­trie­bener Zinsan­stieg und die Preise von Rendi­te­lie­gen­schaften

Abbildung 1 zeigt jeweils den Effekt einer einzelnen Einfluss­grösse auf den Preis einer Rendi­te­lie­gen­schaft. In der Realität kommt es jedoch immer auf die Gesamt­kon­stel­lation an. So gehen in einem typischen Szenario steigende Zinsen mit einer steigenden Teuerung und damit auch mit steigenden Angebots­mieten einher. 

Ein solches typisches Szenario – wir nennen es «Infla­ti­ons­ge­trie­bener Zinsan­stieg» – bilden wir im Folgenden ab. Es wird hierbei von einer mittleren Teuerungsrate von plus 2.5% über einen Zeitraum von 5 Jahren ausge­gangen und von einem Zinsan­stieg um 250 Basis­punkte, dies jedoch in einem expan­siven Wirtschafts­umfeld mit mittleren realen Wachs­tums­raten von plus 2.0% (nominal plus 4.5%) und in einem soliden Nutzer­markt mit überdurch­schnitt­lichen Mietan­stiegen und sinkendem Wohnungs­leer­stand.

Tabelle 1: Parame­tri­sierung des infla­ti­ons­ge­trie­benen Zinsan­stiegs

Einfluss­faktorMessung über 5 JahreInfla­ti­ons­ge­trie­bener Zinsan­stieg
Wohnungs­leer­standVerän­derung in Prozent­punkten– 0.2 PP
Geschäftsflä­chenleerstandVerän­derung in Prozent­punkten– 1.0 PP
BIP nominalAnnua­li­sierte Wachs­tumsrate+ 4.5 %
InflationAnnua­li­sierte Wachs­tumsrate+ 2.5 %
Rendite Bundesobliga­tionen (10 J.)Verän­derung in Prozent­punkten+ 2.5 PP
Angebots­mieten WohnenAnnua­li­sierte Wachs­tumsrate+ 3.0 %
Angebots­mieten Büro/Verkauf Annua­li­sierte Wachs­tumsrate+ 2.5 %

Aus der Simulation des hier darge­stellten Szenarios «Infla­ti­ons­ge­trie­bener Zinsan­stieg» resul­tieren Preis­rück­gänge bei Wohnlie­gen­schaften um 15% und bei Geschäfts­lie­gen­schaften um 14%. Dies entspricht einer mittleren jährlichen Preis­ver­än­derung von minus 3.0% bei Wohnlie­gen­schaften und von minus 2.8% bei Geschäfts­lie­gen­schaften. Abbildung 2 zeigt den Effekt dieses Szenarios auf die Preise, kumuliert über 5 Jahre.

Abbildung 2: Erwartete Auswir­kungen des Szenarios infla­ti­ons­ge­trie­bener Zinsan­stieg auf die Markt­werte von Rendi­te­lie­gen­schaften

Obwohl sich die Preise von Wohnlie­gen­schaften gemäss dieser Model­lierung um 15% reduzieren, führen die gestie­genen Markt­mieten über 5 Jahre hinweg zu einer Nettocashflow-Rendite von insgesamt circa plus 20%, woraus ein Total Return von nominal (kumuliert über den genannten Zeitraum) knapp plus 5% resul­tiert (vor gross­zy­kli­schen Instand­set­zungs­mass­nahmen). Teuerungs­be­reinigt resul­tiert im Total Return ein Verlust von über 10%, da die höheren Mieten eben auch mit höheren Infla­ti­ons­raten einher­gehen. In Abbildung 3 wird die simulierte Entwicklung des Preis­ef­fektes, der Nettocashflow-Rendite und des Total Returns kumuliert über 5 Jahre darge­stellt.

Abbildung 3: Entwicklung der mittleren Total Returns Szenario infla­ti­ons­ge­trie­bener Zinsan­stieg (kumuliert über 5 Jahre)

Fazit

Noch vor Kurzem war das von uns abgebildete Szenario «Infla­ti­ons­ge­trie­bener Zinsan­stieg» ein theore­ti­sches Szenario. Inzwi­schen ist es nicht mehr unrea­lis­tisch. Zwar besteht nach wie vor die Hoffnung auf eine Eindämmung der Teuerung und auf nur noch schwache Zinsan­stiege. Doch sollten sich die Teuerung und vor allem die erhöhten Zinsen hartnäckig halten, so könnte eine Entwicklung wie die darge­stellte eintreten. In diesem Falle wäre gemäss Modell­rechnung mit einem Preis­rückgang bei Wohnlie­gen­schaften von rund 15% zu rechnen. Immerhin generieren die Liegen­schaften auch während der oben betrach­teten 5 Jahre im Durch­schnitt (nominal) positive Cashflow-Returns – dank Mietpreis­an­stiegen und Leerstands­rück­gängen (und unter Ausklam­merung grossyz­kli­scher Sanie­rungs­mass­nahmen).

Obwohl die reale Dynamik in den Immobi­li­en­märkten bedeutend komplexer ist als hier model­liert, lassen sich inter­es­sante Erkennt­nisse aus den Ergeb­nissen gewinnen. Dazu gehören, abgesehen von der Grössen­ordnung der zu erwar­tenden Preis­wirkung, die zu erwar­tenden Wirkungs­ver­zö­ge­rungen: Die Preise für Rendi­te­lie­gen­schaften reagieren zeitlich deutlich verzögert auf Zins- und Umfeld­än­de­rungen, und Anpas­sungs­pro­zesse zur Wieder­her­stellung von Gleich­ge­wichts­zu­ständen brauchen mehrere Jahre. Damit sind die Preise von Rendi­te­lie­gen­schaften auch entscheidend von der Dauer und Inten­sität makro­öko­no­mi­scher Entwick­lungen abhängig. Der Effekt eines Zinsan­stiegs ist also immer im Kontext der gesamt­wirt­schaft­lichen Lage und der Markt­kräfte zu betrach­teten. Das solide realwirt­schaft­liche Umfeld und die grosse und ungedeckte Wohnungs­nach­frage dürften die Immobi­li­en­preise im gegen­wär­tigen Umfeld erheblich stützen. Dennoch fällt die Zinssen­si­ti­vität im Verhältnis zu den genannten Faktoren ungleich stärker aus. Und sie dürfte heute auch stärker ausfallen als in der Vergan­genheit. Denn einer­seits hat bei den aktuell tiefen Diskon­tie­rungs­sätzen jeder Anstieg der Zinssen­si­ti­vität einen stärkeren prozen­tualen Effekt auf die Immobi­li­en­preise. Ander­seits wird die erhöhte Trans­parenz auf den Immobi­li­en­märkten zu einer besseren Infor­ma­ti­onslage und damit zu tenden­ziell kürzeren Anpas­sungs­zeiten im Inves­to­ren­markt führen. So bleibt die Hoffnung, dass die Phase der Verun­si­cherung und der Anpas­sungs­pro­zesse am Schweizer Markt für Rendi­te­lie­gen­schaften zügig zu Ende geht und eine neue Zuver­sicht entsteht. 

Weitere Infor­ma­tionen

Wenn auch Sie Ihr Immobi­li­en­port­folio gemäss der oben vorge­stellten Methodik einem Stresstest unter­ziehen möchten, dann kontak­tieren Sie uns.

Weitere Erklä­rungen zu den hier vorge­stellten Zahlen samt mathe­ma­ti­scher Erklärung finden Sie im Grund­la­gen­be­richt «Rendi­te­lie­gen­schaften ökono­misch erklärt». So wird etwa auf den Seiten 37/38 beleuchtet, wie sich in den letzten 40 Jahren die Preise von Rendi­te­lie­gen­schaften in Zeiten steigender Zinsen entwi­ckelt haben. Ab Seite 41 zeigen wir den mathe­ma­ti­schen Zusam­menhang zwischen Zinsen und Diskon­tie­rungs­sätzen auf.

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