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Analyse wohnungs­po­li­ti­scher Massnahmen für den Kanton Zürich

Letzte Aktualisierung: 06. Mai 2025

Die Angebots­mieten steigen, der Neubau hinkt dem Bedarf her, und freie Wohnungen werden immer rarer. In grossen Teilen des Kantons Zürich hat sich diese Situation in den letzten Jahren akzen­tuiert, was den Ruf nach neuen wohnungs­po­li­ti­schen Massnahmen laut werden liess. Doch welche Ansätze können tatsächlich helfen, den steigenden Wohnbedarf zu decken und gleich­zeitig die Mietpreis-Dynamik zu dämpfen?

Eine neue Studie von Wüest Partner im Auftrag der Volks­wirt­schafts­di­rektion und der Baudi­rektion des Kantons Zürich liefert nun zusätz­liche Erkennt­nisse. Sie analy­siert die Wirkung von 22 wohnungs­po­li­ti­schen Massnahmen. Die erwar­teten Auswir­kungen jeder einzelnen wohnungs­po­li­ti­schen Massnahme – unabhängig davon, ob sie bereits in Kraft ist oder künftig umgesetzt werden könnte – wurden dabei anhand von vier zentralen Dimen­sionen bewertet:

  • Mietpreis­dämpfung: Die Massnahmen wirken sich unter­schiedlich stark auf die Entwicklung der Mieten in den einzelnen Mietver­hält­nissen aus.
  • Angebots­aus­weitung: Die Massnahmen können den Wohnungs­be­stand und die Zahl der angebo­tenen Mietwoh­nungen im Kanton Zürich unter­schiedlich stark vergrössern.
  • Wirkungs­in­ten­sität: Die Wirkungs­in­ten­sität zeigt, ob und wie viele Wohnungen im Kanton Zürich unmit­telbar und direkt von der entspre­chenden Massnahme betroffen sind.
  • Weitere Indika­toren und Neben­wir­kungen: Diese Dimension umfasst soziale oder ökolo­gische Folgen, das Kosten-Nutzen-Verhältnis sowie allfällige Neben­wir­kungen.

Das Ergebnis ist eine Veror­tungs­matrix, die alle Massnahmen in den genannten Dimen­sionen einordnet. Mietpreis­dämpfung auf der horizon­talen Achse, Angebots­aus­dehnung auf der Verti­kalen, Wirkungs­in­ten­sität als Kreis­grösse und Neben­wir­kungen als Farbcode. Siehe Legende.


Einschätzung der Wirkung von wohnungs­po­li­ti­schen Massnahmen
Verortungsmatrix zur Einschätzung der Wirkung von wohnungspolitischen Massnahmen

Horizontale Achse: Mietpreis­dämpfung
Diese Massnahmen führen dazu, dass die Mieten in einzelnen Mietver­hält­nissen günstiger ausfallen, oder sie dämpfen indirekt via Angebots­aus­weitung generell das Mietpreis­niveau.
Vertikale Achse: Angebots­aus­weitung
Eine angebots­aus­wei­tende Wirkung bedeutet, dass die jeweilige Massnahme den Wohnungs­be­stand und die Zahl der angebo­tenen (Miet-)Wohnungen im Kanton Zürich dauerhaft vergrössert.
Kreis­grösse: Wirkungs­in­ten­sität
Gibt an, ob und wie viele Wohnungen im Kanton Zürich unmit­telbar und direkt von der Massnahme betroffen sind. Je grösser ein Kreis, desto stärker die Wirkungs­in­ten­sität.
Farbe: Weitere Indika­toren und Neben­wir­kungen
Umfasst soziale oder ökolo­gische Folgen, das Kosten-Nutzen-Verhältnis sowie allfällige Neben­wir­kungen.


Wie erwartet, gehen die Massnahmen wie Mietpreis­deckel und Rendi­te­verbot nicht ohne erheb­liche Neben­wir­kungen einher. Obwohl sie zwar mietpreis­dämpfend auf die Bestan­des­mieten wirken, wirken sie negativ auf den Wohnungs­neubau und auf die Instand­haltung von Bestands­ge­bäuden (Quali­täts­ver­luste bei den Mietwoh­nungen). Neben diesen Massnahmen werden im Beitrag Ansätze unter­schied­licher Wirkung behandelt, die sowohl positive als auch begrenzte Effekte zeigen.

Besonders vielver­spre­chend in Bezug auf beide Dimen­sionen Angebots­aus­dehnung und Mietpreis­dämpfung, erscheint uns die Erhöhung der Ausnüt­zungs­ziffer in Kombi­nation mit einem Anteil an preis­güns­tigem Wohnraum. Im Beitrag wird diese Massnahme daher zuerst analy­siert, bevor weitere Ansätze summa­risch betrachtet werden.

Ausnüt­zungs­er­höhung – wirkungsvoll bei geeig­neter Ausge­staltung

Die Erhöhung der Ausnüt­zungs­ziffer in Kombi­nation mit einem Anteil an Kosten­miete wird von uns als die vielver­spre­chendste Massnahme bewertet, um den Wohnungsbau zu fördern und gleich­zeitig die Mietpreis­ent­wicklung zu dämpfen, respektive bezahl­baren Wohnraum direkt bereit­zu­stellen. Besonders effektiv ist diese Massnahme, wenn durch substan­zielle Aufsto­ckungen deutlich mehr Wohnfläche geschaffen wird. Dies steigert die Attrak­ti­vität für Inves­toren und eröffnet den Spielraum für klug gesetzte Neben­be­din­gungen, wie die Vorgabe, einen bestimmten Anteil an preis­güns­tigem Wohnraum bei grösseren Neubauten zu reali­sieren.

Bereits heute erlaubt Art. 49 des kantonal-zürcherischen Planungs- und Bauge­setzes (PBG) den Gemeinden, bei Aufzo­nungen die Schaffung von preis­güns­tigem Wohnraum vorzu­schreiben. Damit diese Massnahme zu einer Win-Win-Win-Situation führt – hohe Inves­ti­ti­ons­at­trak­ti­vität, geför­derte Wohnraum­ent­wicklung und die Bereit­stellung von günstigem Wohnraum – ist es entscheidend, dass die Vorgaben nicht zu restriktiv ausfallen. Die wirtschaft­liche Machbarkeit muss gewähr­leistet sein, damit Bauvor­haben tatsächlich reali­siert werden. Konkret bedeutet dies etwa flexible Defini­tionen, realis­tische Anteile für preis­güns­tigen Wohnraum, angemessene Mehrwert­ab­gaben und gleich­zeitig genügend hohe Ausnüt­zungen.

Darüber hinaus können Aufsto­ckungen und Anbauten das Wohnungs­an­gebot insgesamt erhöhen und gleich­zeitig preis­güns­tigen Wohnraum erhalten und damit graue Emissionen vermeiden – ein ressour­cen­scho­nender Ansatz also. Leider ist in der Praxis oftmals die Wirtschaft­lichkeit nicht gegeben. Die baulichen und energe­ti­schen Anfor­de­rungen sind oftmals zu hoch und die Kosten der Aufsto­ckung recht­fer­tigen den zusätz­lichen Mietertrag nicht. Pragma­ti­schere Ansätze und realis­ti­schere bauliche Vorgaben sind daher künftig notwendig, um diese Poten­ziale zu nutzen. 

Zusam­men­ge­fasst bieten die Erhöhung der Ausnüt­zungs­ziffer und nachhaltige Bauweisen wie Aufsto­ckungen grosse Chancen für den Wohnungs­markt – voraus­ge­setzt, sie werden mit klaren, pragma­ti­schen Rahmen­be­din­gungen umgesetzt.

Bauliche Erleich­te­rungen wirken vor allem angebots­ori­en­tiert

In der Veror­tungs­matrix sind im oberen linken Bereich Massnahmen positio­niert, die auf Angebots­aus­weitung abzielen und den Baumarkt stärken. Zwar wirken sie indirekt und langfristig mietpreis­dämpfend, besitzen aber grosses Potenzial zur Förderung des Wohnungsbaus.  

Pragma­tische Prozesse und einfache Abläufe sind essen­ziell, um Bauherren zu motivieren. Weniger Bürokratie – etwa durch die Reduzierung invol­vierter Ämter und frühzeitige Klärungen im Dialog statt kompli­zierter Formulare – kann Baupro­jekte erheblich beschleu­nigen. Zusätz­liche Baufreiheit und eine Beschleu­nigung der Dynamik lässt sich durch die Erhöhung der Ausnüt­zungs­ziffer und gelockerte Lärmvor­schriften schaffen, insbe­sondere an gut erschlos­senen Stand­orten.  Planungs­si­cherheit ist ein weiterer Schlüssel: Schnellere Verfahren und klare Regeln, wie eine zweistufige Bewil­ligung mit einge­schränkten Rekurs­mög­lich­keiten, senken das unter­neh­me­rische Risiko und fördern die Umsetzung von Bauvor­haben. Zudem können speditive Revisionen von Bau- und Zonen­ord­nungen Inves­ti­ti­ons­hemm­nisse abbauen. Zügige und trans­pa­rente Entschei­dungen schaffen Anreize, Projekte recht­zeitig zu reali­sieren.  

Diese Massnahmen liefern wichtige Impulse für den Wohnungsbau und unter­stützen ein ausge­wo­genes Markt­wachstum, indem das Angebot auf Nachfra­ge­im­pulse reagieren kann.

Gemein­nüt­ziger Wohnungsbau: Punktuell wirksam

Auf der Veror­tungs­matrix finden sich einige Massnahmen zur Förderung des gemein­nüt­zigen Wohnraums auf der rechten Seite, das heisst mietpreis­dämpfend. Langfristig mietpreis­güns­tigere Alter­na­tiven gelingen den gemein­nüt­zigen Wohnbau­trägern durch tiefere Eigen­ka­pi­tal­ver­zinsung und durch das Konzept der Kosten­miete, bei der Mietpreise nur die laufenden Kosten decken und auf die Abschöpfung von Mehrzahl­ungen verzichtet wird. Unter­stützt wird dies teils durch staat­liche Förde­rungen, die jedoch öffent­liche Ressourcen binden und unter­schiedlich effizient sind, respektive Oppor­tu­ni­täts­kosten mit sich bringen.

Ineffi­zient sind hingegen Subven­tio­nie­rungen von Bauland, da sie angesichts hoher Bauland­preise im Kanton Zürich ein schlechtes Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweisen. Die staat­liche Wohnungs­pro­duktion selbst wird ebenfalls als weniger zielführend betrachtet, da keine wirtschaft­lichen Vorteile gegenüber nicht­staat­lichen Akteuren bestehen. Vielmehr sollte der Staat die Rahmen­be­din­gungen schaffen, um privaten und gemein­nüt­zigen Bauträgern die Reali­sierung von zusätz­lichem Wohnraum zu erleichtern. Solche Ansätze gewähr­leisten eine langfristige und vielfältige Wohnraum­ver­sorgung.

Zusam­men­fassend lässt sich sagen, dass gemein­nüt­ziger Wohnraum zwar gezielt bestimmte Haushalte entlasten kann, jedoch nur eine einge­schränkte Wirkung auf den gesamten Wohnungs­markt zeigt.

Mietpreis­deckel und Rendi­te­verbot: Mietpreis­dämp­fungen mit «hohem Preis»

Zwei Massnahmen stechen durch ihre starke mietpreis­dämp­fende Wirkung hervor: Mietpreis­deckel und Rendi­te­verbot. Beide können Haushalts­budgets kurzfristig entlasten, bringen jedoch erheb­liche Risiken und Neben­wir­kungen mit sich.  

Mietpreis­deckel führen zwar zu niedri­geren Mieten, mindern jedoch langfristig die Inves­ti­ti­ons­an­reize, was weniger Neubau, schlechtere Wohnungs­qua­lität und geringere Markt­be­weg­lichkeit zur Folge hat. Fehlan­reize wie das Verbleiben in günstigen Wohnungen verschärfen das Problem. Zudem können Baupro­jekte in nicht-regulierte Regionen abwandern, wie das Beispiel Basel-Stadt zeigt. Auch die öffent­lichen Finanzen werden durch ein reduziertes Steuer­sub­strat belastet. Anfäng­liche Unsicher­heiten verstärken die hemmende Wirkung auf Bauak­ti­vi­täten zusätzlich. 

Rendi­te­verbote, die die zulässige Rendite auf Wohnim­mo­bilien begrenzen, können ebenfalls kurzfristig preis­dämpfend wirken. Zwar sollen sie missbräuch­liche Mietzinsen verhindern, doch sie bergen das Risiko, Inves­ti­tionen unattraktiv zu machen, was langfristig die Wohnraum­qua­lität und das Angebot erheblich beein­trächtigt.  

Rigide wohnpo­li­tische Massnahmen mit starken Neben­wir­kungen können die Verläss­lichkeit und Attrak­ti­vität des Stand­ort­kantons Zürich insgesamt schwächen. Besonders proble­ma­tisch sind lokale oder kantonale Ansätze, die nicht mit umlie­genden Regionen abgestimmt sind. Sie fördern räumliche Fehlent­wick­lungen und bremsen die Innen­ent­wicklung. Wohnbau­in­ves­ti­tionen verlagern sich in weniger regulierte, oft schlechter erschlossene Gebiete, was die nachhaltige Siedlungs­struktur schwächt.  

Diese stark begren­zenden Massnahmen sind daher mit grosser Vorsicht anzuwenden, da ihre langfris­tigen Nachteile die kurzfris­tigen Vorteile deutlich überwiegen.

Fazit: Bezahlbare Mieten und genügend Wohnraum bedingen höhere Ausnützung

Die Analyse zeigt, dass keine der unter­suchten wohnungs­po­li­ti­schen Massnahmen als univer­selle Lösung für die Heraus­for­de­rungen des Wohnungs­marktes im Kanton Zürich dienen kann. Einzelne Massnahmen wie das kommunale Vorkaufs­recht weisen zwar punktuelle Effekte auf, schneiden jedoch insgesamt schlecht ab, da sie zu Unsicher­heiten führen und nur geringe mietpreis­dämp­fende Wirkungen erzielen. Ebenso zeigen Instru­mente wie die Wohnei­gen­tums­för­derung oder die Limitierung von Wohnungs­grössen nur eine bescheidene Wirkung auf die zentralen Zielgrössen.

Welche wohnpo­li­ti­schen Massnahmen erscheinen nun zielführend anzuwenden? Ein sequen­zi­eller Ansatz, der zunächst die Schaffung von zusätz­lichem Wohnraum priori­siert, erachten wir als sinnvoll. Obwohl Neubauten häufig mit hohen Anfangs­mieten verbunden sind und dies auf den ersten Blick kontrain­tuitiv erscheinen mag, entlasten sie den Markt segmen­tüber­greifend und tragen langfristig zur Mietpreis­dämpfung, zum Quali­täts­erhalt und zur adäquaten Wohnraum­ver­sorgung bei.

Zum einen werden durch den Umzug einkom­mens­stär­kerer Haushalte in Neubauten ältere Bestan­des­woh­nungen frei, was das Angebot erweitert und die Mietpreis­dy­namik dämpft. Zum anderen entsteht langfristig durch das «Filtering-down» zusätz­licher bezahl­barer Wohnraum. Denn Wohnungen, die im Laufe der Zeit und mit der Alterung erschwing­licher werden, bilden die wichtigste Grundlage für günstigen Wohnraum. Ohne ein generelles Wachstum des Wohnungs­an­gebots bleibt die Knappheit insgesamt bestehen, was die Stabi­li­sierung der Mietpreise verhindert.

Langfristig bleibt das Ziel von genügend Wohnraum und niedriger Mieten im Kanton Zürich eine grosse Heraus­for­derung. Moderate Mieten ziehen zusätz­liche Haushalte an und fördern den Pro-Kopf-Verbrauch an Wohnfläche. Eine nachhaltige Wohnungs­po­litik muss diesen komplexen Markt­me­cha­nismen Rechnung tragen. Der Kanton Zürich muss Lösungen finden, die den Wohnraum­bedarf, die Anfor­de­rungen des Arbeits­marktes und die Prinzipien einer nachhal­tigen Siedlungs­ent­wicklung mitein­ander in Einklang bringen – mit einem klaren Fokus auf ein ausrei­chendes Wohnungs­an­gebot und bezahlbare Mieten. Verschiedene wohnpo­li­tische Instru­mente können dazu beitragen, das Ziel zu erreichen. Eine gezielte, substan­zielle und zeitnahe Erhöhung der Ausnützung dürfte unver­zichtbar werden. Im Gegenzug können Vorgaben für preis­güns­tiges Wohnen gemacht werden, sofern diese ausrei­chend attraktiv für die Entwicklung von Wohnei­gentum ausge­staltet werden.

Studie «Wirkung wohnungs­po­li­ti­scher Massnahmen»

Die vollständige Studie finden Sie hier:

Die Studie wurde am 12. Dezember 2024 an einer Medien­kon­ferenz des Kanton Zürich vorge­stellt:

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