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Baurechtsmodelle müssen zukunftsfähiger gestaltet werden: Ein Lösungsansatz

27. März 2024

Die Wohnraumverknappung prägt das aktuelle Marktumfeld des Schweizer Immobilienbereichs stark. Besonders betroffen sind zentrale und gut erschlossene Lagen. Oft wird die Raumplanung zu einem der Sündenböcke gemacht, die für fehlende Baulandreserven oder für eine zu schwache Förderung der Verdichtung verantwortlich sein soll.

Während unflexible Zonenpläne, eine fehlende übergeordnete, interdisziplinäre städtebauliche Planungskultur, sowie die hohe Komplexität und Langwierigkeit von Sondernutzungsplanungen zurecht in der Kritik stehen, gilt es jedoch noch weitere Faktoren zu beachten. Veränderte Anlagemärkte – als ein weiterer Treiber der Wohnungsknappheit – werden in der Diskussion oft ungenügend berücksichtigt.

Die wenigen verfügbaren Baulandreserven an zentraler Lage befinden sich oft im Eigentum der öffentlichen Hand. Die Vergabe dieser Baulandreserven im Baurecht gewinnt seit einigen Jahren deutlich an Beliebtheit und wird angesichts der Nachfrage nach Wohnraum immer wichtiger. Die Wahl nach dem passenden Modell ist neben weiteren Fragen entscheidend.

Gängige Baurechtsmodelle

Bei den meisten Baurechtsverträgen werden zurzeit zwei Modelle angewendet: das klassische Baurechtsmodell und das Basler Modell, die sich im Wesentlichen durch die Berechnung des Baurechtszinses und die Anpassungsmechanismen unterscheiden.

Das klassische Modell 

Beim klassischen Baurechtsmodell wird der Baurechtszins durch die risikogerechte Verzinsung des hergeleiteten Landwertes ermittelt. Es werden oft Anpassungsmechanismen vereinbart, die eine Adaption des Baurechtszinses periodisch oder bei sich wesentlich verändernden Rahmenbedingungen (z.B. Zinsumfeld) vorsehen. Die Vorteile dieses Modells liegen in den transparenten Anpassungen in regelmässigen Zyklen. Die Nachteile sind hingegen folgende: 

  • die Anpassungsmechanismen sind meist komplex und im Laufe der langen Vertragslaufzeit oft überholt. Beispielsweise wenn der Index nicht weitergeführt wird, an den sich der Baurechtszins anpassen sollte. 
  • die Liegenschaftsperformance wird nur indirekt oder ungenügend berücksichtigt.
  • die Tragbarkeit kann für den Baurechtsnehmer insbesondere bei stark steigendem Zinsumfeld über die Laufzeit gefährdet sein.

Durch diese Nachteile können nicht nur Konflikte, sondern auch Kipppunkte entstehen, die für beide Parteien zum Nachteil gereichen.

Das Basler Modell

Dieses Modell wird oft auch partnerschaftliches Modell genannt, denn es zeichnet sich durch eine gleichberechtigte Partnerschaft von Baurechtsnehmer:in und -geber:in aus. So werden sowohl Risiken wie auch Renditen geteilt, und zwar proportional zum jeweiligen Wertbeitrag der Parteien: Landwert bei Baurechtsgeber:in und Investitionen ins Gebäude bei Baurechtsnehmer:in. Dabei wird der Baurechtszins mit folgender Formel ermittelt: 

Baurechtszins = Nettoertrag * Landwert / (Landwert + Gebäudewert)

Ändern sich die Parameter, wird alle 10 Jahre eine Anpassung des Baurechtszinses vorgenommen.

Seine Fairness ist die Stärke dieses Modells, da beide Parteien gleichmässig an Risiken und Erträgen partizipieren. Es ist jedoch komplex in der Anwendung, hat einen hohen administrativen Aufwand und birgt ein grosses Konfliktpotential bei der Festlegung der Parameter.

Bei beiden Modellen überwiegen also nachteilige Eigenschaften: entweder durch eine Unausgewogenheit zwischen den Parteien oder durch die Komplexität bei der Anwendung. Doch ginge es auch anders?

Was machen gute Baurechtsverträge aus?

Unserer Auffassung nach sollte ein guter Baurechtsvertrag marktgerecht und ausgewogen sein. Damit der Vertrag über die lange Zeitdauer des Baurechts ausgewogen ist, die Umsetzbarkeit kostengünstig ist und gleichzeitig ein tiefes Konfliktpotential birgt, sollten folgenden fünf Merkmale gegeben sein:

  1. Einfachheit
  2. Flexibilität
  3. Nachvollziehbarkeit
  4. Fairness
  5. Zukunfsfähigkeit

Die Ausgewogenheit soll nicht nur beim Abschluss des Baurechts, sondern auch während der gesamten Dauer des Vertrags erfüllt sein. Dies kann durch eine Auswahl an geeigneten Anpassungsmechanismen erreicht werden, die das Gleichgewicht möglichst gut wiederherstellen, falls sich die Marktverhältnisse ändern.

Wie wir gesehen haben, erfüllen viele Baurechtsverträge, die sich nach dem klassischen oder Basler Model richten, oft nur einen Teil dieser Anforderungen. Dies aufgrund ihrer Komplexität, ihres Konfliktpotentials oder mangelnder Zukunftsfähigkeit. 

Liegt die Zukunft im ertragsbasierten Baurechtsmodell?

Beim Versuch, ein Baurechtsmodell zu entwerfen, das einfach und zukunftsfähig ist sowie tiefe Konfliktpotentiale beinhaltet, müssen die Vertragsinhalte also fair, nachvollziehbar und möglichst objektiv sein. Dabei ist insbesondere die Entkoppelung des Baurechtszinses von langfristig schwer objektiv einschätzbaren Kennzahlen (z.B. Land- oder Gebäudewert) notwendig.

Eine Kennzahl, die sich anbietet, ist der Mietertrag einer Liegenschaft. Wieso also nicht den Baurechtszins an die künftige Mietertragsentwicklung koppeln und die Liegenschaftserträge verzinsen? Mit dem ertragsbasierten Modell minimiert man die Nachteile aller aktuell gängigen Modelle und behält gleichzeitig die wichtigsten Vorteile bei:

  • Tiefe Komplexität: Die Herleitung des Baurechtszinses und dessen Anpassung ist durch die Verzinsung der jährlichen Erträge sehr einfach und das Prinzip ist in der Immobilienwirtschaft – beispielsweise bei umsatzbasierten Mietverträgen von Retail- oder Gastroflächen – bestens bekannt.
  • Zukunftsfähigkeit: Die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung wohnt in Mietobjekten. Da sich dies in Zukunft kaum ändern dürfte, wird das Modell auch längerfristig seine Gültigkeit behalten.
  • Geringes Konfliktpotential: Die Mieterträge – anders als Land- oder Gebäudewerte – sind objektiv messbare Grössen. Entsprechend ist das Konfliktpotential tief.
  • Fairness: Beide Parteien profitieren gleichermassen bei steigenden oder sinkenden Liegenschaftserträgen. Absicherungen nach unten sind möglich.
  • Intrinsische Motivation: Die Interessen von Baurechtsgeber:in und -nehmer:in werden innerhalb vereinbarter Leitplanken und allfälliger Nutzungsbeschränkungen (z.B. kostengünstige Miete o.ä.) gleichgerichtet. Beide streben intrinsisch nach einem möglichst hohen Miet- bzw. Baurechtsertrag.
  • Vielseitige Anwendbarkeit: Das ertragsbasierte Modell eignet sich sehr gut bei Mietliegenschaften, unabhängig von deren Nutzung. Auch für Baurechtsnehmer:innen ohne Renditeziele (z.B. Genossenschaften) kann das Modell sehr einfach angewendet werden. Hingegen kommt das ertragsbasierte Modell bei selbstgenutzten Liegenschaften an seine Grenzen: Hier muss der Eigenmietwert geschätzt werden, sodass das Kriterium der Objektivität beeinträchtigt wird.

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BWO
Studienverfassung «Baurecht unter der Lupe» im Auftrag des Bundesamts für Wohnungswesen (BWO). Zur Studie

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