Weiter zum Ihnhalt

Baurechts­mo­delle müssen zukunfts­fä­higer gestaltet werden: Ein Lösungs­ansatz

Veröffentlicht am: 27. März 2024 Letzte Aktualisierung: 27. Januar 2025

Die Wohnraum­ver­knappung prägt das aktuelle Markt­umfeld des Schweizer Immobi­li­en­be­reichs stark. Besonders betroffen sind zentrale und gut erschlossene Lagen. Oft wird die Raumplanung zu einem der Sünden­böcke gemacht, die für fehlende Bauland­re­serven oder für eine zu schwache Förderung der Verdichtung verant­wortlich sein soll.

Während unfle­xible Zonen­pläne, eine fehlende überge­ordnete, inter­dis­zi­plinäre städte­bau­liche Planungs­kultur, sowie die hohe Komple­xität und Langwie­rigkeit von Sonder­nut­zungs­pla­nungen zurecht in der Kritik stehen, gilt es jedoch noch weitere Faktoren zu beachten. Verän­derte Anlage­märkte – als ein weiterer Treiber der Wohnungs­knappheit – werden in der Diskussion oft ungenügend berück­sichtigt.

Die wenigen verfüg­baren Bauland­re­serven an zentraler Lage befinden sich oft im Eigentum der öffent­lichen Hand. Die Vergabe dieser Bauland­re­serven im Baurecht gewinnt seit einigen Jahren deutlich an Beliebtheit und wird angesichts der Nachfrage nach Wohnraum immer wichtiger. Die Wahl nach dem passenden Modell ist neben weiteren Fragen entscheidend.

Gängige Baurechts­mo­delle

Bei den meisten Baurechts­ver­trägen werden zurzeit zwei Modelle angewendet: das klassische Baurechts­modell und das Basler Modell, die sich im Wesent­lichen durch die Berechnung des Baurechts­zinses und die Anpas­sungs­me­cha­nismen unter­scheiden.

Das klassische Modell 

Beim klassi­schen Baurechts­modell wird der Baurechtszins durch die risiko­ge­rechte Verzinsung des herge­lei­teten Landwertes ermittelt. Es werden oft Anpas­sungs­me­cha­nismen vereinbart, die eine Adaption des Baurechts­zinses periodisch oder bei sich wesentlich verän­dernden Rahmen­be­din­gungen (z.B. Zinsumfeld) vorsehen. Die Vorteile dieses Modells liegen in den trans­pa­renten Anpas­sungen in regel­mäs­sigen Zyklen. Die Nachteile sind hingegen folgende: 

  • die Anpas­sungs­me­cha­nismen sind meist komplex und im Laufe der langen Vertrags­laufzeit oft überholt. Beispiels­weise wenn der Index nicht weiter­ge­führt wird, an den sich der Baurechtszins anpassen sollte. 
  • die Liegen­schafts­per­for­mance wird nur indirekt oder ungenügend berück­sichtigt.
  • die Tragbarkeit kann für den Baurechts­nehmer insbe­sondere bei stark steigendem Zinsumfeld über die Laufzeit gefährdet sein.

Durch diese Nachteile können nicht nur Konflikte, sondern auch Kipppunkte entstehen, die für beide Parteien zum Nachteil gereichen.

Das Basler Modell

Dieses Modell wird oft auch partner­schaft­liches Modell genannt, denn es zeichnet sich durch eine gleich­be­rech­tigte Partner­schaft von Baurechtsnehmer:in und ‑geber:in aus. So werden sowohl Risiken wie auch Renditen geteilt, und zwar propor­tional zum jewei­ligen Wertbeitrag der Parteien: Landwert bei Baurechtsgeber:in und Inves­ti­tionen ins Gebäude bei Baurechtsnehmer:in. Dabei wird der Baurechtszins mit folgender Formel ermittelt: 

Baurechtszins = Netto­ertrag * Landwert / (Landwert + Gebäu­dewert)

Ändern sich die Parameter, wird alle 10 Jahre eine Anpassung des Baurechts­zinses vorge­nommen.

Seine Fairness ist die Stärke dieses Modells, da beide Parteien gleich­mässig an Risiken und Erträgen parti­zi­pieren. Es ist jedoch komplex in der Anwendung, hat einen hohen adminis­tra­tiven Aufwand und birgt ein grosses Konflikt­po­tential bei der Festlegung der Parameter.

Bei beiden Modellen überwiegen also nachteilige Eigen­schaften: entweder durch eine Unaus­ge­wo­genheit zwischen den Parteien oder durch die Komple­xität bei der Anwendung. Doch ginge es auch anders?

Was machen gute Baurechts­ver­träge aus?

Unserer Auffassung nach sollte ein guter Baurechts­vertrag markt­ge­recht und ausge­wogen sein. Damit der Vertrag über die lange Zeitdauer des Baurechts ausge­wogen ist, die Umsetz­barkeit kosten­günstig ist und gleich­zeitig ein tiefes Konflikt­po­tential birgt, sollten folgenden fünf Merkmale gegeben sein:

  1. Einfachheit
  2. Flexi­bi­lität
  3. Nachvoll­zieh­barkeit
  4. Fairness
  5. Zukunf­sfä­higkeit

Die Ausge­wo­genheit soll nicht nur beim Abschluss des Baurechts, sondern auch während der gesamten Dauer des Vertrags erfüllt sein. Dies kann durch eine Auswahl an geeig­neten Anpas­sungs­me­cha­nismen erreicht werden, die das Gleich­ge­wicht möglichst gut wieder­her­stellen, falls sich die Markt­ver­hält­nisse ändern.

Wie wir gesehen haben, erfüllen viele Baurechts­ver­träge, die sich nach dem klassi­schen oder Basler Model richten, oft nur einen Teil dieser Anfor­de­rungen. Dies aufgrund ihrer Komple­xität, ihres Konflikt­po­ten­tials oder mangelnder Zukunfts­fä­higkeit. 

Liegt die Zukunft im ertrags­ba­sierten Baurechts­modell?

Beim Versuch, ein Baurechts­modell zu entwerfen, das einfach und zukunfts­fähig ist sowie tiefe Konflikt­po­ten­tiale beinhaltet, müssen die Vertrags­in­halte also fair, nachvoll­ziehbar und möglichst objektiv sein. Dabei ist insbe­sondere die Entkop­pelung des Baurechts­zinses von langfristig schwer objektiv einschätz­baren Kennzahlen (z.B. Land- oder Gebäu­dewert) notwendig.

Eine Kennzahl, die sich anbietet, ist der Mietertrag einer Liegen­schaft. Wieso also nicht den Baurechtszins an die künftige Mietertrags­ent­wicklung koppeln und die Liegen­schafts­er­träge verzinsen? Mit dem ertrags­ba­sierten Modell minimiert man die Nachteile aller aktuell gängigen Modelle und behält gleich­zeitig die wichtigsten Vorteile bei:

  • Tiefe Komple­xität: Die Herleitung des Baurechts­zinses und dessen Anpassung ist durch die Verzinsung der jährlichen Erträge sehr einfach und das Prinzip ist in der Immobi­li­en­wirt­schaft – beispiels­weise bei umsatz­ba­sierten Mietver­trägen von Retail- oder Gastro­flächen – bestens bekannt.
  • Zukunfts­fä­higkeit: Die Mehrheit der Schweizer Bevöl­kerung wohnt in Mietob­jekten. Da sich dies in Zukunft kaum ändern dürfte, wird das Modell auch länger­fristig seine Gültigkeit behalten.
  • Geringes Konflikt­po­tential: Die Mieterträge – anders als Land- oder Gebäu­de­werte – sind objektiv messbare Grössen. Entspre­chend ist das Konflikt­po­tential tief.
  • Fairness: Beide Parteien profi­tieren gleicher­massen bei steigenden oder sinkenden Liegen­schafts­er­trägen. Absiche­rungen nach unten sind möglich.
  • Intrin­sische Motivation: Die Inter­essen von Baurechtsgeber:in und ‑nehmer:in werden innerhalb verein­barter Leitplanken und allfäl­liger Nutzungs­be­schrän­kungen (z.B. kosten­günstige Miete o.ä.) gleich­ge­richtet. Beide streben intrin­sisch nach einem möglichst hohen Miet- bzw. Baurechts­ertrag.
  • Vielseitige Anwend­barkeit: Das ertrags­ba­sierte Modell eignet sich sehr gut bei Mietlie­gen­schaften, unabhängig von deren Nutzung. Auch für Baurechtsnehmer:innen ohne Rendi­te­ziele (z.B. Genos­sen­schaften) kann das Modell sehr einfach angewendet werden. Hingegen kommt das ertrags­ba­sierte Modell bei selbst­ge­nutzten Liegen­schaften an seine Grenzen: Hier muss der Eigen­mietwert geschätzt werden, sodass das Kriterium der Objek­ti­vität beein­trächtigt wird.

Wüest Partner unter­stützt Landeigen­tümer bei der Baurechts­vergabe
Planen Sie ein Grund­stück im Baurecht zu vergeben? Wüest Partner begleitet und berät die öffent­liche Hand und private Inves­toren im Verga­be­prozess von Baurechten. Weitere Infor­ma­tionen.

BWO
Studi­en­ver­fassung «Baurecht unter der Lupe» im Auftrag des Bundesamts für Wohnungs­wesen (BWO). Zur Studie

Kontak­tieren Sie unsere Expert:innen für weitere Insights.