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Risiko-Management: Anfor­de­rungen und Heraus­for­de­rungen

Letzte Aktualisierung: 25. Oktober 2024

Serie der Artikel

Die nachfol­genden Artikel sind die vorhe­rigen Beiträge der Serie von Oliver Bauscher:


Bei der Imple­men­tierung von Risikomanagement-Prozessen ist stets ein Trade-Off zwischen der Wirtschaft­lichkeit der Prüfungs­hand­lungen gegenüber der Wesent­lichkeit der Prüfungs­er­geb­nisse einzu­gehen, oder anders formu­liert gilt es, die Effizienz gegenüber der Effek­ti­vität abzuwägen.

Dabei ergeben sich an das Risiko­ma­nagement von Immobilien-Projektentwicklungen zum einen vielfache Anfor­de­rungen sowohl aus dem kaufmän­ni­schen Kalkül der Sponsoren als auch aus der jeweils einschlä­gigen Regula­torik, sowie zum anderen vielfache Heraus­for­de­rungen aus der Komple­xität des Prüfungs­ge­gen­standes und aus der Hetero­ge­nität der verfüg­baren Infor­ma­tionen.

Normen und Standards

Auf der Metho­di­schen Ebene besteht dazu bereits eine normative Regelung für das generische Risiko­ma­nagement insbe­sondere mit der DIN ISO 31000 Risiko­ma­nagement – Leitlinien. Dies ist grund­sätzlich hilfreich, wenngleich auch nicht ausrei­chend, um Risiken aus dem Anwen­dungsfall der Immobilien-Projektentwicklungen hinrei­chend zu erfassen und zu bewerten. Hierzu sind auf der Inhalt­lichen Ebene zahlreiche realwirt­schaft­lichen Normen zu beachten, die hinsichtlich der jewei­ligen fachlichen Teildis­zi­plinen weit aufge­fä­chert und zumeist nicht mitein­ander synchro­ni­siert sind (z.B. BGB, HOAI, AHO, VOB, DIN 276, DIN 277, DIN 69901, DIN ISO 21508, u.v.a.). Zudem sind auch noch die finanz­wirt­schaft­lichen Normen zu beachten, welche bereits sehr detail­liert formu­liert sind und aufgrund von Finanz­krisen etc. stetig weiter­ent­wi­ckelt werden (z.B. KAGB, KWG, MaRisk, KAMaRisk, BelWertV, IDW PS 340, u.v.a.). Initia­tiven von der RICS, dem Baumo­ni­toring e.V. und der HypZert geben erste Empfeh­lungen für eine Standar­di­sierung eines Risiko­ma­nage­ments für Immobilien-Projektentwicklungen, in Form von Bau- oder Risiko-Monitorings, die Imple­men­tierung desselben bleibt jedoch weiterhin Aufgabe des jewei­ligen Sponsors.

Zielsetzung

Die Aufgabe des Risiko­ma­nage­ments von Immobilien-Projektentwicklungen ist grund­sätzlich die Identi­fi­kation, Bewertung, Steuerung und Überwa­chung von Projekt-Risiken. Realwirt­schaftlich wird damit das Ziel verfolgt, etwaige Planab­wei­chung frühzeitig zu erkennen und durch geeignete Maßnahmen so gering wie möglich, im Idealfall bei Null, zu halten. Geeignete Maßnahmen zur Steuerung können hierbei entweder ursachen- oder wirkungs­be­zogen sein und sind jeweils von den Sponsoren oder den durch sie beauf­tragten Planern, Projekt­steuerern, General­un­ter­nehmern, etc. zu veran­lassen. Finanz­wirt­schaftlich wird das Ziel verfolgt die Risiko­trag­fä­higkeit der Projekt­orga­ni­sation aus der Summe der identi­fi­zierten Risiko­po­si­tionen und des verfüg­baren Risiko­de­ckungs­po­ten­zials zu ermitteln und sicher­zu­stellen. Geeignete Maßnahmen zur Steuerung können hierbei ergebnis- oder liqui­di­täts­wirksam sein und sind jeweils von den Sponsoren, insbe­sondere den Kapital­ver­wal­tungs­ge­sell­schaften, den Inves­toren und den Finan­zie­rungs­in­si­tuten zu veran­lassen. Im Zuge eines Risiko­mo­ni­to­rings werden dabei wesent­liche Kennzahlen erfasst, ermittelt, verfolgt und dokumen­tiert.

Anfor­de­rungen

In unserer Bewer­tungs­praxis haben wir zahlreiche Projekte betreut, viele Dritt­gut­achten plausi­bi­li­siert und etliche Sponsoren beraten. Dabei haben sich zentrale Anfor­de­rungen an das Risiko­ma­nagement heraus­kris­tal­li­siert oder sind gar normativ gefordert. Demnach soll das Risiko­ma­nagement von Immobilien-Projektentwicklungen folgende Kriterien erfüllen:

  • Unabhängig
  • Kompetent
  • Regel­mäßig
  • Zeitnah
  • Umfassend
  • Nachvoll­ziehbar
  • Normge­recht
  • Handlungs­leitend

Das Risiko­ma­nagement soll unabhängig vom Leistungs­prozess und der Finan­zierung sowie unabhängig von den betei­ligten Organi­sa­tionen und Personen erfolgen. Es muss selbst­ver­ständlich Kompetent ausge­führt werden, dies umfasst vielfältige technische, wirtschaft­liche, recht­liche und metho­dische Exper­tisen. Die Prüfungs­hand­lungen sollen regel­mäßig erfolgen, um eine konti­nu­ier­liche Überwa­chung hinsichtlich einer Risiko­früh­erkennung zu gewähr­leisten, zudem sollen die Risiko­be­richte zeitnah zu den verein­barten Berichts­zeit­punkten erstellt werden. Die Risiko­analyse soll umfassend erfolgen, um möglichst alle syste­ma­ti­schen sowie unsys­te­ma­ti­schen Risiken zu erfassen. Die Risiko­analyse ist für den Empfän­ger­kreis nachvoll­ziehbar durch­zu­führen und darzu­stellen, somit sind auch die Input- und Output- Variablen von quanti­ta­tiven oder stochas­ti­schen Modellen allge­mein­ver­ständlich zu formu­lieren. Das Risiko­ma­nagement ist hinsichtlich des Prüfpro­zesses und der Risiko­kenn­zahlen normge­recht durch­zu­führen, um sowohl formell belastbar als auch materiell nutzbar zu sein. Zuletzt soll das Risiko­ma­nagement handlungs­leitend sein, so das aus den analy­sierten Ursache- Wirkungs- Bezie­hungen geeignete Maßnahmen zur Vermeidung, Verrin­gerung, Verschiebung oder Verein­nahmung von Risiken abgeleitet werden können.

Heraus­for­de­rungen

Aus unserer Bewer­tungs­praxis haben wir vielfältige Erfah­rungen hinsichtlich der tatsäch­lichen Umsetzung im Risiko­ma­nagement gesammelt, Erkennt­nisse aus zahlreichen Projekt­aus­wer­tungen gewonnen, sowie etliche Metastudien zu den Themen­kom­plexen Risiko­ma­nagement, Immobi­li­en­ent­wicklung und Entscheidungs-findung ausge­wertet. Daraus kristal­li­sieren sich folgende typische Heraus­for­de­rungen für das Risiko­ma­nagement von Immobilien-Projektentwicklungen:

  • Begrenzte Prüfungs­res­sourcen
  • Steigende Prüfungs­an­for­de­rungen
  • Unvoll­ständige Infor­ma­tionen
  • Unklare Verant­wort­lich­keiten
  • Fehlende Daten
  • Unein­heit­liche Standards
  • Akzeptanz der Stake­holder
  • Relevanz der Ergeb­nisse

Generell bestehen für das Risiko­ma­nagement nur begrenzte Prüfungs­res­sourcen, da neben der Effek­ti­vität der Prüfungs­er­geb­nisse auch die Effizienz der Prüfungs­hand­lungen gewähr­leistet sein muss. Dazu gegen­läufig steigen regel­mäßig die Prüfungs­an­for­de­rungen, sei es in bestimmten Markt­phasen durch erhöhte Risiko­aversion der Sponsoren oder durch die sich konti­nu­ierlich verschär­fende Regula­torik. Anders als in vielen sonstigen Sektoren sind in der Immobi­li­en­wirt­schaft unvoll­ständige Infor­ma­tionen oder Infor­ma­ti­ons­asym­me­trien eher die Regel als die Ausnahme. Damit einher­gehen auch unklare Verant­wort­lich­keiten oder Offen­le­gungs­pflichten bezüglich der Infor­ma­ti­ons­be­schaffung. Dies basiert zumeist auf unvoll­stän­digen Verträgen zwischen den Projekt­be­tei­ligten. Zudem erzeugen fehlende Daten im Immobi­li­en­markt je nach Immobi­li­en­klasse immer noch Daten­lücken bezüglich der Analysen. Wie zuvor angesprochen besteht noch keine in sich abgeschlossene normierte Methodik für das Risiko­ma­nagement von Immobilien-Projektentwicklungen, so dass Analysen aufgrund der verwen­deten unein­heit­lichen Standards nicht unmit­telbar mitein­ander vergleichbar sind. Die Kombi­nation der genannten Punkte führt zu einer unter­schied­lichen Akzeptanz der Stake­holder, d.h. der Sponsoren, Entwickler, Nutzer und Regula­toren, die wiederum jeweils unter­schied­liche Infor­ma­ti­ons­be­dürf­nisse besitzen. Daraus folgt häufig, dass die Relevanz der Ergeb­nisse nicht bei allen Stake­holdern gegeben ist.

Risiko­ori­en­tierter Prüfungs­ansatz

Zur Syste­ma­ti­sierung eines Risiko­mo­ni­to­rings wurde bereits durch den Baumo­ni­toring e.V. die in der Wirtschafts­prüfung üblichen Vorge­hens­weise des risiko­ori­en­tierten Prüfungs­an­satzes empfohlen. Dieser Ansatz unter­scheidet sich erheblich von den üblichen Projektmanagement- und Projektcontrolling-Techniken in der Bau- und Immobi­li­en­wirt­schaft, bietet aber genau deshalb eine wesent­liche Erwei­terung der Risiko-Perspektiven auf weitere relevante Prüfungs­felder. Zudem bietet dieser Ansatz aufgrund der starken Forma­li­sierung eine sehr gute Nachvoll­zieh­barkeit der Prüfungs­hand­lungen sowie eine sehr hohe Akzeptanz der Prüfungs­er­geb­nisse. Zentrale Aufgabe des Prüfers oder Risiko­mo­nitors ist hierbei, die Infor­ma­tionen aus dem Projekt fachlich richtig in prüfbare Sachver­halte zu überführen und zu plausi­bi­li­sieren.

Der risiko­ori­en­tierte Prüfungs­ansatz basiert auf den Prüfungs­stan­dards des Instituts der Wirtschafts­prüfer (IDW), welche auf den Regelungen der Inter­na­tional Standards on Auditing (ISA) aufsetzen. Abstrakt formu­liert der ISA 315 „Identi­fi­zierung und Beurteilung der Risiken wesent­licher falscher Darstel­lungen aus dem Verstehen der Einheit und ihres Umfelds“ sowie der ISA 330 „Die Reaktion des Abschluss­prüfers auf beurteilte Risiken“.

Insbe­sondere in der MaRisk AT 1.7 für Finanz­in­stitute sowie in der KaMaRisk 3.1. für Invest­ment­ge­sell­schaften wird gefordert: „Prüfungen sind daher auf der Basis eines risiko­ori­en­tierten Prüfungs­an­satzes durch­zu­führen“. Dies ist gemäß MaRisk BTO 3.2.1.2. sowie KaMaRisk 5.2.6. ausdrücklich auch auf Projekt­ri­siken anzuwenden.

Prüfungs­risiko

Der risiko­ori­en­tierte Prüfungs­an­satze geht demnach von drei wesent­lichen Prüfungs­hand­lungen aus, der system­ori­en­tierten Prüfung, der analy­ti­schen Prüfung sowie der indivi­du­ellen Prüfung. Im Zuge der system­ori­en­tierten Prüfung werden insbe­sondere die internen Kontroll­systeme auf deren Wirksamkeit unter­sucht, hier geht es also um die Identi­fi­kation der wesent­lichen zu unter­su­chenden Prüffelder. Im Zuge der analy­ti­schen Prüfung werden Sachver­halte in bestimmten Prüffeldern aggre­giert und statis­tisch hinsichtlich der Abwei­chungen und Auswir­kungen ausge­wertet, hier geht es also um Kennzah­len­analyse und deren Plausi­bi­li­sierung. Daraus ergeben sich Hinweise für etwaige indivi­du­ellen Prüfung, bei welcher einzelne Sachver­halte und Geschäfts­vor­fälle, wie z.B. Verträgen, Kalku­la­tionen, Buchungen, etc. dezidiert unter­sucht und bewertet werden.

Das Prüfungs­risiko wird demnach beschrieben als Produkt aus dem Fehler­risiko und dem Entde­ckungs­risiko:

Prüfungs­risiko                 = Fehler­risiko x Entde­ckungs­risiko

Das Fehler­risiko beschreibt dabei das Risiko, dass ein Fehler oder eine Abwei­chung innerhalb eines Prüffeldes auftreten (inhärentes Risiko) und diese nicht mittels des unter­neh­mens­in­ternen Kontroll­systems (IKS) erkannt werden (Kontroll­risiko):

Fehler­risiko                       = inheräntes Risiko x Kontroll­risiko

Das Entde­ckungs­risiko wiederum beschreibt das Risiko, dass ein Fehler oder eine Abwei­chung durch die Prüfungs­hand­lungen des Abschluss­prüfers nicht erkannt werden. Bei den Prüfungs­hand­lungen des Abschluss­prüfers wird hierbei grund­sätzlich zwischen analy­ti­schen Prüfungs­hand­lungen (analy­ti­sches Risiko) sowie Einzelfall-Prüfungshandlungen (Einzel­fall­risiko) unter­schieden.

Entde­ckungs­risiko      = analy­ti­sches Risiko x Einzel­fall­risiko

Auch wenn diese Methodik ursprünglich zur Prüfung von Jahres­ab­schlüssen konzi­piert wurde, ist sie generisch anwendbar auf den Sachverhalt der Projektentwicklungs-Organisation mit ihrer Immobilien-Projektentwicklung. Dabei ist es selbst­redend erfor­derlich, das spezi­fische Geschäfts­modell der Projekt­ent­wicklung struk­tu­riert abzubilden und die wesent­lichen inheränten Risiken zu identi­fi­zieren. Zu diesem Zweck haben wir aus der Empirie vielfach unter­suchter Projekt­ent­wick­lungen die Theorie einer modularen Risiko-Matrix induziert. Diese Matrix erlaubt nun ein einheit­liches Vorgehen und liefert gleich­zeitig aggre­gierte Bench­marks für einzelne Kennzahlen. Zudem erfolgt für den Prüfungs­ge­gen­stand, ähnlich einem Konten­rahmen, die struk­tu­rierte Analyse der Einzel­ri­siken sowie die sachge­rechte Synthese in ein Gesamt­risiko.

Lösungs­ansatz Risiko­mo­ni­toring

Zuvor haben wir erkannt, dass im Risiko­ma­nagement eine Leistungs­lücke zwischen Realwirt­schaft und Finanz­wirt­schaft besteht, hier haben wir nun die spezi­fi­schen Anfor­de­rungen und Heraus­for­de­rungen für das Risiko­ma­nagement von Immobilien-Projektentwicklungen zusam­men­ge­fasst. Dabei stellen wir fest, dass sowohl formale als auch fachliche Normen einzu­halten sind und dass unter­schied­liche Kennzahlen für sowohl realwirt­schaft­liche als auch finanz­wirt­schaft­liche Zwecke abgeleitet werden müssen. Zudem haben wir das Prinzip der risiko­ori­en­tierten Prüfung vorge­stellt, welches Grundlage für die Ausge­staltung eines Risiko­mo­ni­toring sein sollte. Im nächsten Kapitel formu­lieren wir, wie ein effek­tives und effizi­entes Risiko­mo­ni­toring ausge­staltet wird, dass diese formalen Anfor­de­rungen erfüllt und dabei die fachlichen Heraus­for­de­rungen beherrscht.

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