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Projekt­ent­wick­lungen: Vom Boom zum Still­stand

Veröffentlicht am: 24. Juni 2024 Letzte Aktualisierung: 12. Mai 2025

Abneh­mendes Projekt­vo­lumen

Vor dem Hinter­grund der im maximalen Jahres­ver­gleich gesun­kenen Kaufwerte, gestie­gener Baupreise sowie gestie­gener Energie­preise und gestie­gener Finan­zie­rungs­kosten waren sämtliche Business­pläne für Projekt­ent­wick­lungen in der Branche über Nacht quasi obsolet. Der RIWIS Develo­pment Monitor weist für das Jahr 2023 eine Verrin­gerung der neu gestar­teten Projekt­vo­lumina um 58% gegenüber Vorjahr aus, nachdem diese im Jahre 2022 bereits um rund 20% rückläufig waren. Demnach werden sich für rund 34% der laufenden Wohnpro­jekte zumindest die Projekt­starts und damit auch die Fertig­stel­lungs­zeit­punkte erheblich verzögern. Zudem wird für 89 Projekte mit 0,92 Mio. qm Projekt­ent­wick­lungs­fläche aktuell sogar ein Baustopp angezeigt.

Zurück­ge­hende Projekt­fi­nan­zierung

Neben der Nachfrage nach Immobi­li­en­pro­dukten reduzierte sich auch das Angebot der Kredit­vergabe zu deren Finan­zierung. Das BF Quartals­ba­ro­meter sank in den Jahren 2022 und 2023 auf die histo­rische Tiefst­marke von ‑20,22 und zeigte somit eine überaus stark restriktive Kredit­vergabe an (0,0= ausge­gli­chener Markt). Zum Q1 2024 steht das Barometer bei 16,88 und kündigt somit erste Erhohlung an, bei immer noch sehr niedrigem Niveau im Bereich der restrik­tiven Kredit­vergabe.

Gemäß Statistik der Deutschen Bundesbank waren die Verän­de­rungen der Kredit­vergabe an das Bauge­werbe in Deutschland seit Q4 2021 fast durch­gehend rückläufig. Lediglich im Q1 2023 deutete sich nur kurz ein positiver Trend mit + 0,58% ggü. Vorquartal an, der jedoch im Folge­quartal gleich wieder rückläufig war. Aktuell liegt im Q1 2024 ein ebenfalls leicht positiver Trend mit 0,33% ggü. Vorquartal vor, aller­dings war zuvor ein Rückgang um 0,06% verzeichnet worden. Diese kurzen Trender­ho­lungen in den vergan­genen ersten Quartalen bleiben jedoch deutlich hinter der saiso­nalen Kredit­vergabe zurück, welche typischer­weise im Q4 zurückgeht und im Q1 stärker zuwächst.

Unter­be­wertete Risiken

Bemer­kenswert in dieser Statistik ist der untypische Peak im Q4 2021, mit einem außer­ge­wöhnlich starken Zuwachs der Kredit­vergabe um 11,82%. Dieser Höchstwert geht einher mit dem zuvor darge­stellten histo­risch höchsten Inves­ti­ti­ons­vo­lumen in der Immobi­li­en­wirt­schaft sowie den ebenfalls histo­risch niedrigsten Immobi­li­en­ren­diten für Wohn- und Gewer­be­im­mo­bilien im Neubau und in der Entwicklung. Wie auch die Markt­kenn­zahlen ist dieser Spitzenwert unmit­telbar im Folge­quartal auf den beschrie­benen Abwärts­trend umgekehrt. Offen­sichtlich wurden also kurz vor dem Platzen der zumindest in Teilen vorlie­genden Immobi­li­en­blase auch in den Finan­zierung kritische Risiken mit niedriger Eintritts­wahr­schein­lichkeit und hohem Schadens­po­tenzial, wie z.B. einer Zinswende, nicht ausrei­chend berück­sichtigt.

Erheb­licher Zinseffekt

Mittels zweier generi­scher Modelle unter­sucht Wüest Partner die Zinsef­fekte hinsichtlich der Eigen­ka­pi­tal­rendite einer Immobi­li­en­ge­sell­schaft sowie des Residu­al­wertes einer Immobilien-Projektentwicklung. Daraus zeigt sich, dass die Geschäfts­mo­delle stark sensitiv gegenüber Zinsän­de­rungen sind, wobei die Sensi­ti­vität auf den Residu­alwert sowohl nicht linear als auch erheblich stärker ausge­prägt ist.

Eigen­ka­pi­tal­rendite

Der Zinseffekt auf die Eigen­ka­pi­tal­rendite wird dabei anhand der Formel rEK = (rGK – rFK) * VG berechnet, wobei gilt: rEK = Eigen­ka­pi­tal­rendite, rGK = Gesamt­ka­pi­tal­rendite, rFK = Fremd­ka­pi­tal­rendite (Fremd­ka­pi­tal­zinssatz), VG = Verschul­dungsgrad (FK/EK).

Daraus ergeben sich folgende Erkennt­nisse: Es besteht ein linearer Zusam­menhang zwischen den Parametern. Bei gleich­blei­bendem Verschul­dungsgrad sinkt die Eigen­ka­pi­tal­rendite in gleichem Maße, in dem die Fremd­ka­pi­tal­kosten steigen. Bei steigendem Verschul­dungsgrad sinkt die die Eigen­ka­pi­tal­rendite zusätzlich um dessen Faktor. Steigen die Fremd­ka­pi­tal­zinsen über die Gesamt­ka­pi­tal­rendite, so wird die Eigen­ka­pi­tal­rendite negativ. Dies ist aktuell bei vielen Business­plänen sowohl im Bestand als auch in der Entwicklung der Fall. Ausgehend von einem Basis-Szenario von Verschul­dungsgrad 1,0 (FK/EK = 50/50) und einer Gesamt­ka­pi­tal­rendite von 3,0% sowie Fremd­ka­pi­tal­zinsen von 3,0% ergibt sich folgende Darstellung:

Residu­alwert

Der Zinseffekt auf den Residu­alwert einer Projekt­ent­wicklung wird anhand der verein­fachten Formel RES = MW – HK – WG – FinBau – FinGrd berechnet, wobei gilt: RES = Residu­alwert, MW = Marktwert nach Fertig­stellung einschließlich Vermarktung und Vermietung bzw. Verkauf, HK = Herstel­lungs­kosten, WG = Wagnis und Gewinn, FinBau = Finan­zie­rungs­kosten des Bauwerks, FinGrd = Finan­zie­rungs­kosten des Grund­stücks. 

Ausgehend von einem Basis-Szenario von typischen Projekt­pa­ra­metern ergeben sich folgende Erkennt­nisse: Es besteht ein nicht linearer Zusam­menhang zwischen den Parametern. Bei gleich­blei­bendem LTV sinkt der Residu­alwert überpro­por­tional, mit steigenden Baufi­nan­zie­rungs­kosten. Bei steigendem LTV sinkt der Residu­alwert zusätzlich um dessen nicht linearen Faktor. Steigen die Baufi­nan­zie­rungs­zinsen über die Zinsen in der Projekt­kal­ku­lation, so sinkt der Residu­alwert. Eine Zinsän­derung von 4,0% auf 5,0%, d.h. um 1,0%-Punkte würde in einer Residu­al­wert­än­derung um rund ‑11% resul­tieren. Eine Änderung auf 6,0% würde in einer Abwertung von ‑22%, sowie eine Änderung auf 8,0% eine Abwertung von ‑42% bewirken. Bei erhöhtem LTV würden sich diese Abwer­tungen entspre­chend stärker auswirken.

Bezieht man den aktuellen Rückgang der Markt­werte mit ein, ergibt sich ein noch drasti­scheres Bild. Bei angenommen gleich­blei­bendem LTV (hier 0,60) und angenom­mener Zinser­höhung von 4,0% auf 6,0% geht der Residu­alwert wie beschrieben um ‑22% zurück. Verringert sich jedoch auch der Marktwert um ‑10%, so geht der Residu­alwert um ‑36% zurück. Im ausge­wie­senen Extrem-Szenario von Kredit­zinsen zu 8,0% und einer Abwertung von 40% geht der Residu­alwert um ‑87% zurück.

Dieser Zusam­menhang ist aktuell bei vielen Business­plänen in der Entwicklung der Fall. In Folge werden vielfach Werte von Kredit­si­cher­heiten unter­schritten, Kredite dadurch nicht ausge­zahlt oder verlängert oder ausge­weitet. Dies resul­tiert meist in der Illiqui­dität der Projekt­ge­sell­schaft und führt häufig, wie oben beschrieben, in die Insolvenz.

Steigende Insol­venzen

Wo Bestands­halter mit langlau­fenden Finan­zie­rungen solche Markt- und Zinsent­wick­lungen zumindest vorrü­ber­gehend aussitzen können, werden insbe­sondere Projekt­ent­wickler mit typischer­weise kurzlau­fenden Finan­zie­rungen davon hart getroffen. Dadurch ausgelöst wurde eine Insol­venz­welle von Projekt­ent­wicklern, welche laut RIWIS Develo­pment Monitor aktuell 15 Entwickler und 76 Projekte mit 0,63 Mio. qm Projekt­ent­wick­lungs­fläche umfasst, darunter Signa, Gerch­group, Hansea­tische Treuhand, Project, Inter­boden, uvm. Die Immobi­li­en­zeitung berichtet im 1. Quartal 2024 zudem von insgesamt 630 Insol­venzen von Bauun­ter­nehmen, Entwicklern und Immobi­li­en­dienst­leistern, davon entfallen 326 Insol­venzen auf das Segment Bau, Bauträger und Projekt­ent­wickler und damit rund 16% mehr als Im Vorjah­res­quartal.

Konse­quenzen

Diese deutlich negative Entwicklung lässt Projekte aktuell still­stehen und enthält dem Immobi­li­en­markt dringend benötigte moderne oder revita­li­sierte Flächen vor. Zudem verzögert sich dadurch die wichtige Dekabo­ni­sierung der Immobi­li­en­wirt­schaft. Die größte Branche der deutschen Volks­wirt­schaft wird folgend in ihrem Wachstum gebremst, dies gefährdet Wohlstand und Beschäf­tigung. Auch beschä­digen steigende Insol­venzen die Reputation einzelner Akteure sowie der Branche insgesamt.

Theore­tisch besteht durch die aktuelle Immobi­li­en­krise auch die Gefahr der Infizierung der Finanz­in­dustrie, wobei dies aufgrund umfang­reicher regula­to­ri­scher Vorgaben zur Risiko­vor­sorge – anders als in der Finanz­krise 2007 – aktuell als gering einge­schätzt wird.

Gleichwohl liegt ein großes Finanzierungs- und Inves­ti­ti­ons­vo­lumen aktuell brach und es erfordert gezielte juris­tische, finan­zielle und operative Maßnahmen, um dieses Volumen wieder markt­gängig zu machen. Dabei rückt insbe­sondere das Risiko­ma­nagement wieder in den Fokus, da weder bestehende noch neue Inves­toren und Finan­zierer weitere Risiko­po­si­tionen aufnehmen oder diese zumindest angemessen einpreisen wollen.

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