Analyse zur Zürcher Wohnschutzinitiative: Value at Risk und Strategien zur Risikominimierung
Letzte Aktualisierung: 12. Mai 2025

Die kantonale Zürcher Wohnschutzinitiative, die voraussichtlich 2026 zur Abstimmung gelangt, dürfte im Fall einer Annahme signifikante Auswirkungen auf Immobilienportfolios haben. Institutionelle Investor:innen und Bestandshalter:innen müssen mögliche Wertminderungen und Einschränkungen bei Mietzinsanpassungen berücksichtigen. Eine präzise Portfolioanalyse hilft, den Value at Risk (VaR) zu bestimmen und gezielte Massnahmen zur Risikoreduktion abzuleiten.
Entstehung und Einreichung
Im Herbst 2023 lancierte der Mieterverband Zürich gemeinsam mit der SP, den Grünen und der AL die Wohnschutzinitiative. Nach dem Sammeln von 20’000 Unterschriften wurde diese im Februar 2024 offiziell eingereicht, womit es spätestens im Herbst 2026 zur Volksabstimmung kommt.
Geplante Regelungen auf Kantonsebene
Die Vorlage sieht eine Anpassung des Gesetzes über Wohnbau- und Wohneigentumsförderung (LS 841) vor. Sie schafft einen Rahmen, in dem Gemeinden zusätzliche Instrumente erhalten, um bezahlbaren Wohnraum sicherzustellen – insbesondere bei:
- Wohnungsengpässen (Leerstand unter 1.5%)
- Renovationen und Umbauten
- Abbrüchen und Ersatzneubauten
- Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen
Im Baubewilligungsverfahren können Gemeinden zeitlich befristete Obergrenzen für Mietzinse festlegen.
Entscheidungsspielraum der Gemeinden
Die kantonale Regelung enthält bloss eine «Kann»-Bestimmung: Jede Gemeinde entscheidet autonom, ob sie Wohnschutzmassnahmen erlassen will. Für jedes kommunale Reglement ist wiederum ein eigener kommunaler Erlass nötig, der dem Referendum unterliegt. Die kantonale Vorlage beschränkt sich auf die grobe Absteckung der Rahmenbedingungen sowie auf Verfahrensfragen wie Rechtsschutz und Sanktionen, währenddem es den Gemeinden obliegt, den genauen Umfang der Wohnschutzbestimmungen zu definieren.
Weil die Initiative stark von Basel-Stadt inspiriert zu sein scheint, erwarten wir, dass sich Gemeinden bei ihrer Umsetzung an den bestehenden Modellen in Basel-Stadt, Genf oder Waadt orientieren.
Auslöser und differenzierte Positionen
Auslöser der Vorlage sind Befürchtungen, dass Mieterinnen und Mieter durch Verkäufe, «Luxussanierungen» und Ersatzneubauten verdrängt werden. Verschiedene Marktteilnehmende weisen darauf hin, dass solche Massnahmen das gewohnte Geschäftsmodell verändern und zusätzliche Risiken für Immobilieninvestor:innen mit sich bringen könnten.
Effekte auf Investitionsanreize und Wohnqualität
Die Einführung von Wohnschutzmassnahmen hat in anderen Kantonen (z. B. Basel-Stadt) zu folgenden Beobachtungen geführt:
- Rückläufige Investitionsbereitschaft: Mietpreisdeckel und Renditebeschränkungen reduzieren die langfristige Ertragsaussicht. Investor:innen verschieben oder reduzieren Neubau- und Sanierungsprojekte, da Projekte weniger rentabel werden und die Wohnraumknappheit dadurch langfristig verschärft wird.
- Abnehmende Instandhaltungsaktivitäten: Eingeschränkte Möglichkeiten zur Mietzinsanpassung dämpfen den Anreiz, bestehende Liegenschaften zu modernisieren. Über die Zeit kann sich dadurch der Gebäudebestand in einem sanierungsbedürftigen und klimaschädlichen Zustand befinden.
- Verstärkter Druck im unregulierten Segment: Neubauten sind in der Regel von solchen Beschränkungen ausgenommen. Dies kann zu überdurchschnittlichen Mietpreissteigerungen in diesem Teilsegment führen und die Schaffung von neuem, erschwinglichem Wohnraum weiter erschweren.
- Auswirkungen auf kommunale Finanzen: Ein Rückgang der Bau- und Sanierungstätigkeit kann zu einem geringeren Steuersubstrat führen, was die öffentlichen Finanzen belastet und den Handlungsspielraum der Kommunen zusätzlich einschränkt.
Analyse wohnungspolitischer Massnahmen für den Kanton Zürich
Die Angebotsmieten steigen, der Neubau hinkt dem Bedarf hinterher, und freie Wohnungen werden immer rarer. In grossen Teilen des Kantons Zürich hat sich diese Situation in den letzten Jahren akzentuiert, was den Ruf nach neuen wohnungspolitischen Massnahmen laut werden liess. Doch welche Ansätze können tatsächlich helfen?
Ansatz zur quantitativen Risikoanalyse
Eine Analyse der finanziellen Auswirkungen der Wohnschutzinitiative auf einzelne Portfolios erfordert eine differenzierte Betrachtung der Faktoren, die sich auf die Immobilienwerte und die erwarteten Cashflows auswirken. Zudem wird die Eintretenswahrscheinlichkeit der Umsetzung der Initiative in den einzelnen Gemeinden abgeschätzt.
Die Herleitung der kommunalen Umsetzungswahrscheinlichkeit und des zu erwartenden Zeithorizonts basiert auf Faktoren aus vergangenen Abstimmungsverhalten, aktuell laufenden kommunalen Bestrebungen und Initiativen sowie Marktdaten zu Einkommen und Wohnkostenbelastung.
Wird die Initiative auf Kantonsebene angenommen, dürften Zürich und Winterthur voraussichtlich zu den ersten Gemeinden zählen, welche kommunale Wohnschutzbestimmungen erlassen. Anschliessend dürften weitere Gemeinden wie Uster oder Schlieren folgen.
Einflussbereiche der regulatorischen Änderungen
Die aus der Regulierung folgenden Auswirkungen wirken sich vor allem in zwei Bereichen aus:
Wertänderungen: In Märkten, die verschärfter reguliert werden, nimmt die Marktfähigkeit von Liegenschaften in der Regel ab – das Interesse von Kapitalanlegern sinkt, und Umsetzungs- sowie Folgeregulierungsrisiken steigen. In der Bewertung führt dies zu einer höheren Risikoprämie (Diskontierungssatz). Anhand empirischer Beobachtungen und vergleichbarer Regulierungsprozesse in anderen Kantonen lässt sich ein Zuschlag prognostizieren. Sein Ausmass variiert je nach Objektzustand: Gut unterhaltene Immobilien verzeichnen einen moderaten Anstieg, während sanierungsbedürftige Objekte deutlich stärkere Risikoaufschläge erfordern.
Einnahmen: Mietpreisbremsen beschränken mögliche Mieterhöhungen nach Sanierungen und dämpfen damit sowohl laufende Erträge als auch den Objektwert. Umfangreiche Renovationen werden voraussichtlich unrentabler, sodass Anlegende eher zu passiven Haltestrategien (nur zwingend notwendige Unterhaltsarbeiten) tendieren. Für eine belastbare Analyse sollten Objekte nach Alter und bisherigen Sanierungsintervallen segmentiert werden, um Hypothesen zu künftigen Zyklus-Zeitpunkten abzuleiten. Szenarien mit umfassendem Renovationsbedarf nach Inkrafttreten der Initiative können zu erheblichen Cashflow-Einbussen führen. Frühzeitige Investitionsentscheidungen und präventive Instandsetzungen lassen sich jedoch nutzen, um die Effekte abzumildern.
Aktuell ist auf Projektentwicklungen ohne Abbruch bestehender Wohnungen kein Regulierungsimpact zu erwarten. Der Initiativtext sieht keine zusätzlichen Massnahmen für Neubauten vor.
Value at Risk-Berechnung für das Portfolio
Mittels gewichteter Eintrittswahrscheinlichkeiten von Wohnschutzbestimmungen pro Gemeinde und potenziellen Wert-Impacts lässt sich der gesamte Value at Risk eines Portfolios ermitteln. Dieser Ansatz kombiniert die lokal unterschiedlichen Regulierungschancen mit den jeweiligen Wertverlustrisiken.
Portfolioanalyse als Schlüssel zur Risikominimierung
In Abhängigkeit vom Standort und der Sanierungsstrategie können gemäss ersten Auswertungen die erwarteten Wertverluste zwischen –5 % und –20 % pro Objekt liegen. Auf Gesamtportfolioebene hängt der Wertverlust stark von der Diversifikation und den Standorten sowie den jeweiligen Objektzuständen ab. Eine strukturierte Portfolioanalyse hilft, regulatorische Risiken zu begrenzen. Dies umfasst:
- Identifikation risikobehafteter Objekte: Geografische und strukturelle Segmentierung hebt Liegenschaften mit besonders hohem Wert-Impact hervor.
- Quantifizierung möglicher Ertragsausfälle: Detaillierte Szenarioanalysen legen potenzielle Mietausfälle und Wertminderungen in unterschiedlichen, realistischen Fällen offen.
- Entwicklung alternativer Strategien: Dazu zählen gezielte Diversifikation nach Region oder Objektart, vorgezogene Sanierungsprojekte und Anpassungen in der Ertragsplanung.
Fazit
Die Wohnschutzinitiative bringt komplexe Herausforderungen für Immobilienanleger:innen. Nur durch datenbasierte Modelle in Kombination mit tiefgehender Marktkenntnis lassen sich Risiken frühzeitig erkennen und wirksame Gegenmassnahmen entwickeln. Eine strukturierte Portfolioanalyse ist der Schlüssel, um langfristig den Erhalt der Immobilienwerte zu sichern.
Lesen Sie mehr über die kurz- und langfristigen Perspektiven des Schweizer Wohnungsmarktes im Immo-Monitoring.