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Dreht der Wind am Markt für Wohnei­gentum?

Letzte Aktualisierung: 22. April 2025

Geht die Phase der Preis­an­stiege beim Wohnei­gentum zu Ende?

Seit 2000 haben sich Eigen­tums­woh­nungen und Einfa­mi­li­en­häuser jedes Jahr um 3.9 Prozent respektive 3.2 Prozent verteuert. Zwischen 6.7 Prozent und 8.3 Prozent waren es alleine in den letzten 12 Monaten. Dieser Anstieg ist bemer­kenswert, aufgrund der Übernach­frage und des Tiefzins­um­felds jedoch nachvoll­ziehbar. Doch nun lassen wichtige Treiber nach. Erstens schwächen sich die Corona-bedingten Nachfra­ge­ef­fekte ab. Namentlich die Suche nach Raum, Qualität und die Orien­tierung am Binnen­markt Schweiz. Diese hat namentlich in den Bergge­bieten zu einer markanten Zusatz­nach­frage geführt. Aktuell werden in der Schweiz insgesamt rund 8 Prozent weniger Suchabos für Einfa­mi­li­en­häuser und 6 Prozent weniger für Eigen­tums­woh­nungen als im Mai 2021 regis­triert. Damals lagen diese auf einem histo­ri­schen Höchst­stand.

Zweitens haben sich die Hypothe­kar­zinsen erhöht. Bei Hypotheken mit längeren Laufzeiten, welche im selbst­ge­nutzten Wohnei­gentum nach wie vor beliebt sind, schlägt dies ordentlich zu Buche. Zehnjährige Festhy­po­theken werden gegen­wärtig fast 40 Basis­punkte höher verzinst als noch vor einem halben Jahr.

Das Wachstum der Zahlungs­be­reit­schaft lässt also nach. Aller­dings bewegt sich die Nachfrage weiterhin auf hohem Niveau, getrieben durch die gute konjunk­tu­relle Lage, das Haushalts­wachstum und die Expansion der für das Wohnei­gentum relevanten oberen Einkom­mens­schichten. Gleich­zeitig bleibt das Markt­umfeld von einer grossen Angebots­knappheit geprägt.

Wohneigentum: Angebot und Nachfrage

Wüest Partner rechnet deshalb im 2022 mit weiteren Preis­an­stiegen, aller­dings auf tieferem Niveau wie bisher. Vor allem im Segment der Eigen­tums­woh­nungen. Bei den Einfa­mi­li­en­häusern sind noch etwas stärkere Preis­auf­triebe zu erwarten. Sinkende Preise sind aktuell eher unwahr­scheinlich, aber in einem Negativ­sze­nario nicht undenkbar. Ein solches könnte beispiels­weise im Zuge einer geopo­li­ti­schen Eskalation oder einer entglei­senden Inflation eintreten.

Wohin ist das Angebot von Wohnei­gentum gegangen?

Der Wohnei­gen­tums­markt ist vielerorts im wahrsten Sinn des Wortes leerge­kauft. In über 40 Prozent aller Schweizer Gemeinden befinden sich derzeit weniger als 3 Eigen­tums­woh­nungen oder Einfa­mi­li­en­häuser in der Vermarktung und in rund 20 Prozent der Gemeinden wird aktuell gar kein Wohnei­gentum angeboten. Im Mittel der Schweiz liegt die Angebots­quote bei den Einfa­mi­li­en­häusern bei histo­risch tiefen 2.3 Prozent (Eigen­tums­woh­nungen: 4.0 Prozent).

Vor allem in den nachfra­ge­starken Wirtschafts­räumen war in jüngster Vergan­genheit ein markanter Angebots­rückgang zu beobachten. Dort ist das Angebot besonders knapp. Im Grossraum Zürich-Zentralschweiz hat sich das Gesamt­an­gebot innert drei Jahren nahezu halbiert. Besonders Einfa­mi­li­en­häuser, aber auch Eigen­tums­woh­nungen verschwanden in grossem Stil vom Markt.

Immer häufiger werden solche Objekte unter der Hand weiter­ver­kauft – oder sie werden vererbt oder vorvererbt. Dies verdeut­lichen auch Erhebungen aus dem Kanton Zürich, die konstant hohe Handän­de­rungs­vo­lumen an selbst­ge­nutzten Wohnei­gen­tums­ob­jekten bei sinkenden Angebots­zahlen zeigen. Wohnei­gentum bleibt also vermehrt in den Familien oder in engeren Netzwerken.

Doch nicht überall in der Schweiz ist diese Verla­gerung zu beobachten. Vergleichs­weise liquide präsen­tieren sich die Märkte in der Süd- und Westschweiz (nicht jedoch am Genfersee). Fast die Hälfte des schweiz­weiten Angebots an Einfa­mi­li­en­häusern entfällt aktuell auf das Tessin, das Wallis und die Waadt. Eine besonders reich­haltige Auswahl an Wohnei­gen­tums­ob­jekten findet man derzeit in den Gemeinden Lugano, Bellinzona und Crans-Montana.

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Wird künftig wieder mehr Wohnei­gentum gebaut?

Die Verknappung der Bauland­re­serven nach Annahme des neuen Raumpla­nungs­ge­setzes war absehbar. Zu langsam ging der System­wechsel von der Ein- zur Aufzonung. Und das Instrument der Mehrwert­abgabe ist gerade erst umgesetzt worden. Es wäre also vorschnell und zu kurz gegriffen, den Kantonen, Städten und Gemeinden die Schuld für das schwin­dende Angebot zuzuschieben. Der System­wechsel braucht Zeit. Und die Verdichtung im Bestand bleibt für alle Betei­ligten höchst anspruchsvoll. Wird stärker verdichtet, kommen negative Effekte ins Spiel, Einsprachen und Verzö­ge­rungen erschweren die Entwicklung. Wird schwächer verdichtet, sind Auflagen und Kosten im Verhältnis zur Wirkung oft im Ungleich­ge­wicht. Mit der steigenden Erfahrung in der Innen­ver­dichtung und vor allem mit steigenden Landpreisen dürften mittel­fristig wieder mehr Entwick­lungs­mög­lich­keiten geschaffen werden.

Bauen die Inves­toren also wieder mehr Wohnei­gentum? Bekann­ter­weise und nachvoll­ziehbar haben sich diese in der Vergan­genheit dem Mietwoh­nungsbau zugewandt – angetrieben von stetig sinkenden Kapital­markt­zinsen. Inzwi­schen hat der Wind gedreht. Die Zinsen haben angezogen. Anlage­im­mo­bilien mit stetigen Cashflows werden dennoch weiterhin gefragt bleiben, nicht zuletzt als Folge Wahrnehmung dieser Anlage­klasse, aber auch im Zuge der Profes­sio­na­li­sierung der gesamten Branche. Doch ihre relative Attrak­ti­vität, namentlich im Vergleich zu Anleihen, wird sich sukzessive abschwächen. Wohnei­gentum könnte damit wieder stärker in den Fokus der Inves­toren geraten. Der Netto­zugang an Wohnei­gen­tums­ob­jekten und damit die Wirkung auf dem Markt dürfte dennoch gering bleiben. Weshalb? Für die Reali­sierung von Neubauten werden vermehrt Bestan­des­ob­jekte aus dem Segment des Wohnei­gentums abgerissen. Eine echte Entspannung im Markt ist insofern nicht zu erwarten.

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Was bewirken die jüngsten Zinsan­stiege und der antizy­klische Kapital­puffer?

Steigende Zinsen verteuern die Finan­zierung von Wohnei­gentum. Wüest Partner hat diesen Effekt im Jahr 2015 unter­sucht und ist zum Schluss gekommen, dass ein Zinsan­stieg von 100 Basis­punkten zu Preis­rück­gängen von rund 8 bis 10 Prozent im Wohnei­gentum führt. Die jüngsten Zinsan­stiege hätten somit das Potenzial einer Preis­re­duktion von etwas 3 Prozent. Da aber das Angebot an Wohnei­gentum derzeit weiter dünner wird, ist nicht mit sinkenden Preisen zu rechnen.

In Ergänzung zu den bishe­rigen Ausfüh­rungen sei hier auf das messbare Verhältnis zwischen Suchabos und Angeboten hinge­wiesen. Die so gemessene Markt­an­spannung liegt in der Schweiz aktuell bei 8.1 Suchabos für Einfa­mi­li­en­häuser je inseriertes Objekt (Eigen­tums­woh­nungen: 4.5). Aus diesem Grund ist davon auszu­gehen, dass die Zinsan­stiege in der jetzigen Grössen­ordnung zwar zu einer Abschwä­chung der Preis­an­stiege führen, nicht jedoch zu sinkenden Markt­preisen.

Und welche Wirkung wird der antizy­klische Kapital­puffer entfalten, der im Herbst 2022 wieder einge­führt werden soll? Dieser bedeutet eine höhere Kapital­un­ter­legung bei den Hypothe­kar­banken und soll das Gesamt­system stabi­li­sieren. Er führt zu steigenden Kapital­kosten bei den Banken und damit zu einer zusätz­lichen Erhöhung der Hypothe­kar­zinsen – was ja genau die Absicht dahinter ist. Aller­dings ist auch hier von begrenzten Effekten auf die Markt­preise auszu­gehen. Denn die Konkurrenz und vor allem die Vergleich­barkeit am Hypothe­kar­markt durch Pensi­ons­kassen und Versi­che­rungen ist heute ungleich grösser als vor 5 Jahren. Und letztere sind vom antizy­kli­schen Kapital­puffer nicht betroffen.

Aktuell deuten alle Faktoren darauf hin, dass das Preis­wachstum im Wohnei­gentum eine Fortsetzung findet. Tiefere Wachs­tums­raten sind absehbar, ein Rückgang der Preise hingegen würde stärkere Zinsan­stiege voraus­setzen. Die Zukunft wird zeigen, ob die Schweiz hier auch weiterhin ihre Sonder­rolle behält. Wer auf tiefere Preise im Wohnei­gentum hofft, dürfte jedoch mit einiger Wahrschein­lichkeit enttäuscht werden. Zu stark bleibt die Nachfrage und zu dünn das Angebot.


Eco Talk – Ende des Immobi­li­en­booms

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Geht der Boom weiter oder kommt die grosse Korrektur? Welche Folgen hätte ein Preis­rutsch für die Eigen­tümer, die Miete­rinnen und die Volks­wirt­schaft? Diese Fragen hat Reto Lipp im «Eco Talk» mit Andrea Martel, @patrickschnorf und Martin Neff disku­tiert.

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