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Corona­virus: Wertschöpfung und Geschäfts­mieten

Letzte Aktualisierung: 22. April 2025

Kürzlich haben sich die Rechts­kom­mission des Ständerats und die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Natio­nalrats mit der Frage der Geschäfts­mieten in Zeiten der COVID-19-Krise befasst. Auch wir haben uns mit dieser Frage­stellung ausein­an­der­ge­setzt. Unser Ziel war es, eine statis­tische Grundlage zu bilden, die den Zusam­menhang zwischen der Betrof­fenheit der Branchen (durch die Massnahmen gegen die Verbreitung des Corona­virus) und den Geschäfts­mieten aufge­zeigt. Dabei spielt die Branchen­wert­schöpfung eine zentrale Rolle. Die Wertschöpfung ist die Differenz aus Umsatz und Vorleistung, und wird verwendet für die Bezahlung von Löhnen, Mieten und Schuld­zinsen sowie Abschrei­bungen und Firmen­ge­winne.

Jede 5. Arbeits­stelle ist direkt betroffen

Wüest Partner schätzt, dass vor den ersten Locke­rungen der Massnahmen gegen die Verbreitung des Corona­virus (d.h. vor dem 27. April 2020)  etwas mehr als jede fünfte Arbeits­stunde nicht geleistet werden konnte. Etwa gleich hoch fällt der Wertschöp­fungs­ausfall aus. Darin sind auch Zweit­run­den­ef­fekte aufgrund der tieferen Nachfrage berück­sichtigt, weil Personen, die weiterhin arbeiten können, weniger Umsatz pro Beschäf­tigten erzielen, als dies sonst der Fall wäre. Dies zeigt sich am Beispiel einer Zahnarzt­praxis. Auch wenn während des Lockdowns noch jede dritte Arbeits­stunde geleistet wird, sinkt die Wertschöpfung auf 10% im Vergleich zum Vorjah­res­zeitraum, weil mit Notfall­be­hand­lungen nur ein Bruchteil des normalen Umsatzes erzielt werden kann.

Es ist nicht offen­sichtlich, weshalb der direkt von den Massnahmen des Bundes ausge­löste Beschäf­ti­gungs­ausfall gleich hoch ist wie der Wertschöp­fungs­ausfall, obwohl nur bei Letzterem ein Rückgang des Umsatzes pro Beschäf­tigten berück­sichtigt wurde. Der Grund liegt in der unter­schied­lichen Betrof­fenheit je nach Wertschöpfung: Während etwa die Produktion der wertschöp­fungs­starken Pharma­branche kaum einge­schränkt ist, trifft die Krise viele (bereits vor Corona) ertrags­schwache Branchen deutlicher. Die folgende Abbildung veran­schau­licht, dass von der aktuellen Wirtschafts­krise Branchen mit einer tiefen Wertschöpfung pro Beschäf­tigten tenden­ziell stärker betroffen sind als Branchen mit einer hohen Wertschöpfung.

Coronavirus: Wertschöpfung und Geschäftsmieten

Branchen mit einer tenden­ziell schwä­cheren Wertschöpfung verfügen oft über einen kleineren finan­zi­ellen Spielraum zur Beglei­chung der Fixkosten in Krisen­zeiten. Die Reserven ergeben sich durch die gängigen Margen und die üblichen Gewinne. In der Gastro­nomie etwa ist die Anzahl der Konkurse relativ hoch, ebenso die Betrof­fenheit durch Corona. Darüber hinaus zeigt die nächste Abbildung, dass viele Betriebe mit grosser Betrof­fenheit einen relativ grossen Anteil ihrer Wertschöpfung zur Beglei­chung der Geschäfts­mieten aufwenden.

Coronavirus: Wertschöpfung und Geschäftsmieten

In der zweiten Abbildung wird die Betrof­fenheit über die Geschäfts­mieten abgebildet. Gemessen wird pro Branchen­gruppe der Anteil der Geschäfts­mieten, die für Flächen bezahlt werden, deren Betrieb als direkte Folge der Massnahmen des Bundes nicht wie vorge­sehen verwendet werden können. Die in den Abbil­dungen gezeigten Zusam­men­hänge ergeben sich aus drei Gründen:

  • Erstens beein­trächtigt das «Social Distancing» insbe­sondere Betriebe, die auf viele Begeg­nungen angewiesen sind wie Coiffeur­salons oder Physio­the­rapien. Die damit gefor­derte gute Erreich­barkeit ihrer Geschäfte und der Bedarf an Begeg­nungsraum ist mit hohen Mietkosten verbunden.
  • Zweitens ist der Anteil der vermie­teten Geschäfts­räume bei Betrieben wie jenen des Detail­handels hoch. Einer­seits sind an attrak­tiven Fussgän­ger­zonen die Immobi­li­en­preise so hoch, dass die Geschäfts­be­treiber in der Regel nicht die Eigen­tümer der Liegen­schaft sind. Anderer­seits ist der Vermie­tungs­anteil dort hoch, wo ein aufgrund finan­ziell tiefer Reserven ein hohes Konkurs­risiko herrscht.
  • Drittens geht eine relativ tiefe Wertschöpfung mit einem relativ tiefen Lohn einher. In Branchen wie etwa dem Gastge­werbe ist der Anteil der Wertschöpfung, welcher nicht für Löhne, sondern für Mieten ausge­geben wird, oftmals überpro­por­tional hoch.

Fazit zu den Geschäfts­mieten

Die starke Betrof­fenheit des Detail­handels und des Gastge­werbes ist kein Novum. Dieser Beitrag verdeut­licht nun aber statis­tisch zwei Aspekte: Erstens weisen diese beiden Branchen auch im Normalfall wertschöp­fungs­be­dingt eine finan­ziell vulnerable Natur auf. Und zweitens wenden sie einen überdurch­schnitt­lichen Anteil ihrer Wertschöpfung für Mieten auf. Die aktuelle Frage nach den Geschäfts­mieten bleibt auch vor diesem Hinter­grund relevant.

Hier geht es zur inter­ak­tiven Visua­li­sierung unserer Abschät­zungen und zum Metho­dik­be­schrieb: https://wp-corona.dataview.ch/

Einen weiteren Blogbeitrag zu den wirtschaft­lichen Auswir­kungen der Massnahmen gegen die Verbreitung des Corona­virus finden Sie hier.