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Wie hoch muss der Leerstand sein, damit Mieten und Preise stabil sind?

Letzte Aktualisierung: 22. April 2025

In der Schweiz dürften die Leerstände in diesem Jahr weiter sinken, was dazu führen wird, dass die Wohnungs­mieten weiter steigen. Wie gross müsste der Anteil leer stehender Wohnungen sein, um einen Anstieg zu verhindern? Mit einem statis­ti­schen Modell sind wir der Frage nachge­gangen, wie hoch der optimale Leerstand sein sollte und haben dabei auch erheb­liche kantonale Unter­schiede festge­stellt.

Für 2023 haben die Schweizer Gemeinden die Zählung der leer stehenden Wohnungen bereits vorge­nommen. Das Bundesamt für Statistik (BFS) veröf­fent­licht die aggre­gierten Ergeb­nisse im September. Es ist zu erwarten, dass sich die Leerstands­quote aufgrund der hohen Zuwan­derung und wegen der nach wie vor geringen Neubau­tä­tigkeit weiter reduziert hat. Ein Indiz dafür ist das weiterhin rückläufige Angebot im Mietsegment. Darüber hinaus deuten die von einigen Kantonen und Gemeinden bereits publi­zierten Zahlen ebenfalls darauf hin, dass die Leerstände zwischen 2022 und 2023 zurück­ge­gangen sind. Der Kanton Waadt verkündete beispiels­weise eine Abnahme der Leerstands­quote von 1.1 Prozent auf 0.98 Prozent, während die Stadt Bern im gleichen Zeitraum einen Rückgang von 0.57 Prozent auf 0.45 Prozent verzeichnete.

Leerstände in diesem Jahr weiter sinken

Leerstand und Mieten

Die Angebots­mieten haben sich in der Schweiz in den letzten 40 Jahren mehr als verdoppelt (+145 Prozent zwischen 1980 und 2022). Dies entspricht einem durch­schnitt­lichen jährlichen Wachstum von 2.15 Prozent. Der Anstieg lässt sich zu einem guten Teil mit der allge­meinen Teuerung erklären. Bereinigt man die Entwicklung der Mieten um die Inflation, ist die Entwicklung denn deutlich weniger ausge­prägt: Real sind die Mieten seit 1980 nur um 30 Prozent gestiegen, also um durch­schnittlich 0.6 Prozent pro Jahr.

Angebots­mieten und Leerstands­quoten sind eng mitein­ander verknüpft: Phasen niedriger Leerstands­quoten werden von starken Mietan­stiegen begleitet und umgekehrt (Abbildung oben). Ab 2010 hat eine relativ dynamische Bautä­tigkeit vor allem im Mietwoh­nungs­be­reich zu einem Anstieg der Leerstands­quote und damit auch zu einer Entspannung bei den Angebots­mieten beigetragen. Der Trend hat nun jedoch gedreht: Die Bautä­tigkeit geht zurück, und seit 2020 sinkt auch die Leerstands­quote. Damit dürften die Angebots­mieten ab 2023 auch real wieder zulegen. Wüest Partner prognos­ti­ziert für 2023 einen Anstieg der nominalen Angebots­mieten um 3.2 Prozent, was einem realen Anstieg von 0.9 Prozent entspricht.

Bestimmung des optimalen Leerstands

In dieser Analyse definieren wir den Leerstand als optimal, wenn es keine Anzeichen für eine Anspannung des Marktes gibt: Angebot und Nachfrage halten sich die Waage, und die Mieten bewegen sich, real betrachtet, horizontal. Um diese optimale Leerstands­quote zu bestimmen, stehen uns Daten zu Angebots­mieten und Leerstands­quoten aus über 40 Jahren (1980 bis 2022) zur Verfügung. In einem ersten Schritt schätzen wir anhand eines linearen Regres­si­ons­mo­dells die Wirkung der Leerstands­quote auf die reale Entwicklung der Mieten. Im zweiten Schritt berechnen wir dann aufgrund der Ergeb­nisse der Regres­si­ons­analyse die Leerstands­quote, die zu einem Nullwachstum der realen Mieten führt. Dabei berück­sichtigt das Modell mit dem Bevöl­ke­rungs­wachstum und der Arbeits­lo­sen­quote zwei weitere Faktoren, die beide nachge­wie­se­ner­massen ebenfalls einen Einfluss auf die Entwicklung der Mieten haben. Für die Berech­nungen werden sie auf 0.8 bzw. 2.5 Prozent gesetzt, was ihrem Durch­schnittswert während des Unter­su­chungs­zeit­raums entspricht. Ausserdem haben wir die Annahme getroffen, dass die Zahl der neu gebil­deten Haushalte pro zusätz­lichem Einwohner im Laufe der Zeit weitgehend stabil bleibt.

Der optimale Leerstand beträgt 1.27 Prozent

Die Ergeb­nisse der Regres­si­ons­ana­lysen zeigen, dass ein Anstieg der Leerstands­quote um 1 Prozent­punkt das reale Wachstum der Mieten um 3.8 Prozent­punkte verringert. Auch die Bevöl­ke­rungszahl und die Arbeits­lo­sigkeit haben die erwartete Wirkung: Ein Wachstum der Bevöl­kerung übt einen Aufwärts­druck auf die Mieten aus, und ein Anstieg der Arbeits­lo­sigkeit, die den Zustand der Wirtschaft und die Attrak­ti­vität des Schweizer Arbeits­markts anzeigt, trägt zu einem Abwärts­trend der Mieten bei.

Die optimale Leerstands­quote, die sich aus dieser Analyse ergibt, beläuft sich auf 1.27 Prozent. Im Beobach­tungs­zeitraum 1980 bis 2022 erreichte die Leerstands­quote jedoch durch­schnittlich nur 1.07 Prozent. Das deutet darauf hin, dass der struk­tu­relle Leerstand in der Schweiz zu tief ist, um die Preise stabil zu halten. Damit kann nun auch der reale Anstieg der Mieten um gesamthaft 30 Prozent bezie­hungs­weise um durch­schnittlich 0.6 Prozent pro Jahr erklärt werden.


Im Juni 2022 lag die Leerstands­quote bei 1.31 Prozent, also sehr nahe an der optimalen Quote. Nominal sind die Angebots­mieten im Jahr 2022 kaum gestiegen, real sind sie sogar um 2.3 Prozent gesunken. Der absehbare Rückgang der Leerstands­quote unter den optimalen Wert dürfte im Jahr 2023 zu einer Trend­umkehr und zu einem Anstieg der realen Angebots­mieten führen.

Unter­schiede zwischen Miete und Eigentum

Das Grund­modell stützt sich auf die Leer­standsquote sämtlicher Wohnein­heiten (Miete und Eigentum zusam­men­ge­nommen). Diesem Ansatz wurde der Vorzug gegeben, da der entspre­chende Wert in der Öffent­lichkeit am häufigsten verwendet wird. Darüber hinaus sind Daten seit 1980 verfügbar, was eine robuste Analyse über einen langen Zeitraum ermög­licht.

Zusätzlich führten wir jedoch noch eine weitere Analyse durch, die auf einer ähnlichen Methode beruht. Sie ermög­lichte eine Diffe­ren­zierung in Miet- und Eigen­tums­segment. Die Berech­nungen ergaben für den Mietwoh­nungs­markt eine optimale Leerstands­quote von 1.73 Prozent. Beim Wohnei­gentum betrug der entspre­chende Wert nur 0.6 Prozent.

Dieser Unter­schied rührt unter anderem daher, dass Wohnei­gentum in der Regel nur dann gebaut wird, wenn die Wahrschein­lichkeit, einen Käufer zu finden, sehr hoch ist. Diese Projekte werden gröss­ten­teils fremd­fi­nan­ziert, weshalb umso dring­licher ein Käufer gefunden werden muss. Viele Wohnei­gen­tums­ob­jekte, vor allem Einfa­mi­li­en­häuser, werden darüber hinaus von den Eigen­tü­me­rinnen selbst gebaut, die ihre Objekte anschliessend auch selber nutzen. Dagegen können Inves­toren, die auf dem Mietwoh­nungs­markt agieren, leichter mit dem Leerstands­risiko umgehen. Einkom­mens­ein­bussen sind hier meist vorüber­gehend und nicht so kritisch wie auf dem Eigen­tums­markt.

Dass die optimale Leerstands­quote im Mietwoh­nungs­markt höher liegt als im Wohnei­gen­tums­markt, hat noch einen weiteren Grund: die Nutzungs­dauer. Während Miete­rinnen ihrer Wohnung im Mittel 8 Jahre treu bleiben, beträgt die mittlere Wohndauer in einer Eigen­tums­wohnung 16 Jahre und in einem Einfa­mi­li­enhaus sogar 19 Jahre. Die häufi­geren Umzüge im Mietwoh­nungs­segment führen zu einem grösseren Bedarf an leer stehenden Wohnungen, um den Markt liquid zu halten.

Grosse Diskre­panzen zwischen Kantonen

Eine Analyse auf kanto­naler Ebene zeigt, dass die optimale Leerstands­quote auch zwischen den Kantonen stark variiert. In eher ländlichen Kantonen wie Thurgau, Glarus, Jura oder Solothurn gibt es eine ausge­prägte Hetero­ge­nität sowohl in Bezug auf die Stand­ort­qua­lität der einzelnen Bezirke als auch in Bezug auf die Qualität der Wohnungen. Demnach ist eine grössere Anzahl an leer stehenden Wohnungen erfor­derlich, damit jede und jeder eine Wohnung finden kann, die den eigenen Bedürf­nissen entspricht. Die optimale Leerstands­quote liegt in diesen Kantonen folglich bei über 2 Prozent.

In stark urbani­sierten Kantonen wie Genf und Zürich dagegen reicht eine vergleichs­weise geringe Leerstands­quote von 0.75 bezie­hungs­weise 0.77 Prozent aus, um einen funktio­nie­renden Markt zu gewähr­leisten. Und wenn die zur Miete ausge­schrie­benen Wohnungen überwiegend von hoher Qualität sind wie beispiel­weise in den Kantonen Zürich und Zug, führt dies zu einer relativ grossen Homoge­nität des Angebots, was eine zusätz­liche Erklärung für das tiefe Niveau der optimalen Leerstands­quote in diesen Kantonen bietet.



Weitere Infor­ma­tionen zur Analyse finden Sie im Sommer-Update des Immo-Monitorings 2023

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