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Wie hoch muss der Leerstand sein, damit Mieten und Preise stabil sind?

03. August 2023

Wunderschöne Aussicht über die Altstadt von Nyon mit dem Genfersee im Hintergrund

In der Schweiz dürften die Leerstände in diesem Jahr weiter sinken, was dazu führen wird, dass die Wohnungsmieten weiter steigen. Wie gross müsste der Anteil leer stehender Wohnungen sein, um einen Anstieg zu verhindern? Mit einem statistischen Modell sind wir der Frage nachgegangen, wie hoch der optimale Leerstand sein sollte und haben dabei auch erhebliche kantonale Unterschiede festgestellt.

Für 2023 haben die Schweizer Gemeinden die Zählung der leer stehenden Wohnungen bereits vorgenommen. Das Bundesamt für Statistik (BFS) veröffentlicht die aggregierten Ergebnisse im September. Es ist zu erwarten, dass sich die Leerstandsquote aufgrund der hohen Zuwanderung und wegen der nach wie vor geringen Neubautätigkeit weiter reduziert hat. Ein Indiz dafür ist das weiterhin rückläufige Angebot im Mietsegment. Darüber hinaus deuten die von einigen Kantonen und Gemeinden bereits publizierten Zahlen ebenfalls darauf hin, dass die Leerstände zwischen 2022 und 2023 zurückgegangen sind. Der Kanton Waadt verkündete beispielsweise eine Abnahme der Leerstandsquote von 1.1 Prozent auf 0.98 Prozent, während die Stadt Bern im gleichen Zeitraum einen Rückgang von 0.57 Prozent auf 0.45 Prozent verzeichnete.

Leerstände in diesem Jahr weiter sinken

Leerstand und Mieten

Die Angebotsmieten haben sich in der Schweiz in den letzten 40 Jahren mehr als verdoppelt (+145 Prozent zwischen 1980 und 2022). Dies entspricht einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 2.15 Prozent. Der Anstieg lässt sich zu einem guten Teil mit der allgemeinen Teuerung erklären. Bereinigt man die Entwicklung der Mieten um die Inflation, ist die Entwicklung denn deutlich weniger ausgeprägt: Real sind die Mieten seit 1980 nur um 30 Prozent gestiegen, also um durchschnittlich 0.6 Prozent pro Jahr.

Angebotsmieten und Leerstandsquoten sind eng miteinander verknüpft: Phasen niedriger Leerstands­quoten werden von starken Mietanstiegen begleitet und umgekehrt (Abbildung oben). Ab 2010 hat eine relativ dynamische Bautätigkeit vor allem im Mietwohnungsbereich zu einem Anstieg der Leerstandsquote und damit auch zu einer Entspannung bei den Angebotsmieten beigetragen. Der Trend hat nun jedoch gedreht: Die Bautätigkeit geht zurück, und seit 2020 sinkt auch die Leerstandsquote. Damit dürften die Angebotsmieten ab 2023 auch real wieder zulegen. Wüest Partner prognostiziert für 2023 einen Anstieg der nominalen Angebotsmieten um 3.2 Prozent, was einem realen Anstieg von 0.9 Prozent entspricht.

Bestimmung des optimalen Leerstands

In dieser Analyse definieren wir den Leerstand als optimal, wenn es keine Anzeichen für eine Anspannung des Marktes gibt: Angebot und Nachfrage halten sich die Waage, und die Mieten bewegen sich, real betrachtet, horizontal. Um diese optimale Leerstandsquote zu bestimmen, stehen uns Daten zu Angebotsmieten und Leerstandsquoten aus über 40 Jahren (1980 bis 2022) zur Verfügung. In einem ersten Schritt schätzen wir anhand eines linearen Regressionsmodells die Wirkung der Leerstandsquote auf die reale Entwicklung der Mieten. Im zweiten Schritt berechnen wir dann aufgrund der Ergebnisse der Regressionsanalyse die Leerstandsquote, die zu einem Nullwachstum der realen Mieten führt. Dabei berücksichtigt das Modell mit dem Bevölkerungswachstum und der Arbeitslosenquote zwei weitere Faktoren, die beide nachgewiesenermassen ebenfalls einen Einfluss auf die Entwicklung der Mieten haben. Für die Berechnungen werden sie auf 0.8 bzw. 2.5 Prozent gesetzt, was ihrem Durchschnittswert während des Untersuchungszeitraums entspricht. Ausserdem haben wir die Annahme getroffen, dass die Zahl der neu gebildeten Haushalte pro zusätzlichem Einwohner im Laufe der Zeit weitgehend stabil bleibt.

Der optimale Leerstand beträgt 1.27 Prozent

Die Ergebnisse der Regressionsanalysen zeigen, dass ein Anstieg der Leerstands­quote um 1 Prozentpunkt das reale Wachstum der Mieten um 3.8 Prozentpunkte verringert. Auch die Bevölkerungszahl und die Arbeitslosigkeit haben die erwartete Wirkung: Ein Wachstum der Bevölkerung übt einen Aufwärtsdruck auf die Mieten aus, und ein Anstieg der Arbeitslosigkeit, die den Zustand der Wirtschaft und die Attraktivität des Schweizer Arbeitsmarkts anzeigt, trägt zu einem Abwärtstrend der Mieten bei.

Die optimale Leerstandsquote, die sich aus dieser Analyse ergibt, beläuft sich auf 1.27 Prozent. Im Beobachtungszeitraum 1980 bis 2022 erreichte die Leerstandsquote jedoch durchschnittlich nur 1.07 Prozent. Das deutet darauf hin, dass der strukturelle Leerstand in der Schweiz zu tief ist, um die Preise stabil zu halten. Damit kann nun auch der reale Anstieg der Mieten um gesamthaft 30 Prozent beziehungsweise um durchschnittlich 0.6 Prozent pro Jahr erklärt werden.


Im Juni 2022 lag die Leerstandsquote bei 1.31 Prozent, also sehr nahe an der optimalen Quote. Nominal sind die Angebotsmieten im Jahr 2022 kaum gestiegen, real sind sie sogar um 2.3 Prozent gesunken. Der absehbare Rückgang der Leerstandsquote unter den optimalen Wert dürfte im Jahr 2023 zu einer Trendumkehr und zu einem Anstieg der realen Angebotsmieten führen.

Unterschiede zwischen Miete und Eigentum

Das Grundmodell stützt sich auf die Leer­standsquote sämtlicher Wohneinheiten (Miete und Eigentum zusammengenommen). Diesem Ansatz wurde der Vorzug gegeben, da der entsprechende Wert in der Öffentlichkeit am häufigsten verwendet wird. Darüber hinaus sind Daten seit 1980 verfügbar, was eine robuste Analyse über einen langen Zeitraum ermöglicht.

Zusätzlich führten wir jedoch noch eine weitere Analyse durch, die auf einer ähnlichen Methode beruht. Sie ermöglichte eine Differenzierung in Miet- und Eigentumssegment. Die Berechnungen ergaben für den Mietwohnungsmarkt eine optimale Leerstandsquote von 1.73 Prozent. Beim Wohneigentum betrug der entsprechende Wert nur 0.6 Prozent.

Dieser Unterschied rührt unter anderem daher, dass Wohneigentum in der Regel nur dann gebaut wird, wenn die Wahrscheinlichkeit, einen Käufer zu finden, sehr hoch ist. Diese Projekte werden grösstenteils fremdfinanziert, weshalb umso dringlicher ein Käufer gefunden werden muss. Viele Wohneigentumsobjekte, vor allem Einfamilienhäuser, werden darüber hinaus von den Eigentümerinnen selbst gebaut, die ihre Objekte anschliessend auch selber nutzen. Dagegen können Investoren, die auf dem Mietwohnungsmarkt agieren, leichter mit dem Leerstandsrisiko umgehen. Einkommenseinbussen sind hier meist vorübergehend und nicht so kritisch wie auf dem Eigentumsmarkt.

Dass die optimale Leerstandsquote im Mietwohnungsmarkt höher liegt als im Wohneigentumsmarkt, hat noch einen weiteren Grund: die Nutzungsdauer. Während Mieterinnen ihrer Wohnung im Mittel 8 Jahre treu bleiben, beträgt die mittlere Wohndauer in einer Eigentumswohnung 16 Jahre und in einem Einfamilienhaus sogar 19 Jahre. Die häufigeren Umzüge im Mietwohnungssegment führen zu einem grösseren Bedarf an leer stehenden Wohnungen, um den Markt liquid zu halten.

Grosse Diskrepanzen zwischen Kantonen

Eine Analyse auf kantonaler Ebene zeigt, dass die optimale Leerstandsquote auch zwischen den Kantonen stark variiert. In eher ländlichen Kantonen wie Thurgau, Glarus, Jura oder Solothurn gibt es eine ausgeprägte Heterogenität sowohl in Bezug auf die Standortqualität der einzelnen Bezirke als auch in Bezug auf die Qualität der Wohnungen. Demnach ist eine grössere Anzahl an leer stehenden Wohnungen erforderlich, damit jede und jeder eine Wohnung finden kann, die den eigenen Bedürfnissen entspricht. Die optimale Leerstandsquote liegt in diesen Kantonen folglich bei über 2 Prozent.

In stark urbanisierten Kantonen wie Genf und Zürich dagegen reicht eine vergleichsweise geringe Leerstandsquote von 0.75 beziehungsweise 0.77 Prozent aus, um einen funktionierenden Markt zu gewährleisten. Und wenn die zur Miete ausgeschriebenen Wohnungen überwiegend von hoher Qualität sind wie beispielweise in den Kantonen Zürich und Zug, führt dies zu einer relativ grossen Homogenität des Angebots, was eine zusätzliche Erklärung für das tiefe Niveau der optimalen Leerstandsquote in diesen Kantonen bietet.



Weitere Informationen zur Analyse finden Sie im Sommer-Update des Immo-Monitorings 2023

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