So viel Treibhausgas sondert der Berliner Wohngebäudebestand ab
27. November 2024
Der Klimawandel stellt Deutschland vor große Herausforderungen. Mit dem novellierten Klimaschutzgesetz wurde das ehrgeizige Ziel formuliert, den Treibhausgasausstoß signifikant zu reduzieren und bis 2045 Klimaneutralität in Deutschland zu erreichen. Der Gebäudebestand spielt dabei eine zentrale Rolle, da er einen Großteil des Energiebedarfs und damit auch der Treibhausgasemissionen in Deutschland verursacht.
Um die Klimaziele zu erreichen, setzt die Bundesregierung mit dem aktuellen Gebäudeenergiegesetz (GEG) verstärkt auf erneuerbare Energien als Heizenergiequellen. Bereits ab dem 01.01.2024 müssen alle Bauvorhaben in Neubaugebieten zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien versorgt werden. Für Bestandsgebäude und außerhalb von Neubaugebieten ist die Verpflichtung zur Versorgung von Gebäuden mit erneuerbaren Energien an die kommunale Wärmeplanung geknüpft. Sobald ein kommunaler Wärmeplan vorliegt, gilt die 65-Prozent-Regel grundsätzlich auch für die Genehmigung von Bauvorhaben, wobei der Anschluss an ein Fernwärmenetz, das aus erneuerbaren Energiequellen gespeist wird, als Erfüllung dieser Vorschrift gilt. Nach Ablauf der Fristen für die Kommunen zur Aufstellung von kommunalen Wärmeplanungen – bis zum 30.06.2026 für Kommunen mit mehr 100.00 Einwohnern und bis 30.06.2028 für Kommunen mit weniger als 100.000 Einwohnern – greift die Regelung für alle Neubauvorhaben, unabhängig davon, ob eine Wärmeplanung aufgestellt wurde.
Dies gilt auch für die Hauptstadt Berlin mit ihrem vielfältigen Gebäudebestand, der von historischen Villen bis hin zu energieeffizienten Neubauten reicht. Die Hauptstadt ist gesetzlich dazu verpflichtet, festzulegen, wo Wärmenetze entstehen und wo Liegenschaften künftig dezentral, zum Beispiel mit Wärmepumpen, beheizt werden sollen. Der Berliner Wärmeplan soll bis Anfang 2026 vorgelegt werden. Bereits im kommenden Jahr wird der Berliner Senat voraussichtlich erste Entscheidungen darüber treffen, welche Teile der Hauptstadt auch künftig nicht an das Fernwärmenetz angeschlossen werden sollen. Dies wird voraussichtlich stadtrandnahe Gebiete mit Ein- und Zweifamilienhausbebauung betreffen, in denen sich ein Wärmenetz nicht lohnen würde.
Zur Beschleunigung dieser Planungen und als Unterstützung für Behörden sowie Eigentümer bei ihren Investitionsentscheidungen auf Basis von objektiven Daten, haben wir mit dem Wüest Partner CO2-Rechner ein Modell entwickelt, mit dem der Energiebedarf und die betrieblichen Treibhausgasemissionen für den gesamten deutschen Gebäudebestand möglichst detailliert berechnet werden können. Dies erfolgt nach einem Bottom-Up-Ansatz, ausgehend vom einzelnen Gebäude. Die Energiebedarfe werden basierend auf Informationen zum Standort (inkl. durchschnittliche Monatstemperatur und Sonneneinstrahlung), Gebäudegrundfläche, Nutzungsart, Baujahr, Energieträger des Heizungssystems und Anzahl der Stockwerke modelliert. Graue Emissionen aus Bau oder Sanierung werden in den Berechnungen nicht berücksichtigt.
Bei der flächendeckenden Modellierung wurde ein teilweise generalisierender Ansatz mit überschlägigen Berechnungen verfolgt, um mit möglichst wenig Eingangsdaten eine möglichst breite Abdeckung zu erreichen. Dabei ist zu beachten, dass die modellierten Werte im Einzelfall von der Realität abweichen können. Die Gebäudedaten stammen aus amtlichen sowie weiteren öffentlichen und privatwirtschaftlichen Quellen. Die Plausibilisierung des Modells erfolgte anhand von über 50.000 Energieausweisen, was die Qualität der Ergebnisse sicherstellt.
Aus dem berechneten Energiebedarf können über einen Emissionsfaktor die Treibhausgasemission jedes einzelnen Gebäudes ermittelt werden. Der daraus resultierende Datensatz ermöglicht georeferenzierte, präzise Aussagen über die regionalen und absoluten Emissionen einer beliebigen Region in Deutschland zu treffen und unterstützt damit sowohl Kommunen bei der Wärmeplanung als auch Eigentümer bei der Umsetzung sinnvoller energetischer Sanierungsmaßnahmen.
Im Folgenden werden Auszüge aus der Berechnung am Beispiel Berlins dargestellt, um die Vorgehensweise und die zentralen Ergebnisse zu veranschaulichen.
Berlin in Zahlen: Energiebedarf und Emissionen nach Ortsteilen
Die Hauptstadt Berlin bietet mit ihrem vielfältigen Stadtbild und den unterschiedlichen Ortsteilen eine interessante Ausgangssituation, um einen detaillierten Blick auf die modellierten Energiebedarfe und Treibhausgasemissionen der knapp 300.000 Wohngebäude zu werfen. Am Beispiel von zwei Ortsteilen werden die kleinräumigen Analysemöglichkeiten des CO2-Rechners aufgezeigt. Zur besseren Übersicht wurden für die Analyse unter Wohngebäuden Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Mehrfamilienhäuser zusammengefasst. Bei Bedarf sind aber auch separate Auswertungen möglich. Die Treibhausgasemissionen werden als CO2-Äquivalente in Kilogramm pro Quadratmeter pro Jahr angegeben, dies hat sich als internationaler Benchmark etabliert. Betrachtet werden nur die Emissionen aus den Scopes (Bereichen) 1 und 2. Diese umfassen die direkten fossilen Emissionen, die vor Ort anfallen (Scope 1) und die indirekten Emissionen, die bei der Erzeugung von zugekaufter Energie (z. B. Strom) oder Fernwärme (z. B. Abfallverbrennung) anfallen (Scope 2).
Die Abbildungen zeigen die Verteilung der durchschnittlichen (links) und summierten (rechts) Intensität des Energiebedarfs und damit auch der Treibhausgasemissionen, in den jeweiligen Ortsteilen Berlins. Es zeigt sich, dass vor allem im Zentrum und im Norden Berlins im Mittel weniger Treibhausgase ausgestoßen werden als im Süden und in den Randlagen. Dies liegt unter anderem daran, dass in den zentralen Lagen mehr Mehrfamiliengebäude stehen, während in den Randlagen Einfamilienhäuser den Gebäudebestand prägen. Der Vergleich der durchschnittlichen mit den summierten Emissionen zeigt, dass die reine Betrachtung von Durchschnittswerten ein verzerrtes Bild der Emissions-Herde vermitteln kann, wenn nicht auch die tatsächliche Anzahl der Gebäude je Ortsteil berücksichtigt wird.
Im Durchschnitt emittiert ein Berliner Wohngebäude auf Grundlage der verwendeten Daten 62 kg CO2-Äquivalente/m2/Jahr und der durchschnittliche Energiebedarf liegt bei 217 kWh pro Quadratmeter und Jahr. Die besten 15 Prozent der Berliner Wohngebäude liegen unter 29 kg CO2-Äquivalente/m2/Jahr, die schlechtesten 15 Prozent über 98 kg CO2-Äquivalente/m2/Jahr.
Insgesamt belaufen sich die summierten Emissionen der Berliner Wohngebäude aus Scope 1 und 2 auf etwa 14,27 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente/Jahr, bei einem modellierten Heizenergiebedarf von etwa 40,63 Millionen MWh/Jahr.
Zehlendorf: Emissionsintensiv durch ältere Gebäude und fossile Energieträger
Ein Beispiel für einen emissionsintensiven Ortsteil ist Zehlendorf im Südwesten Berlins. Zehlendorf ist als einer der wohlhabenderen Ortsteile Berlins für seine Villen und Landhäuser älteren Baujahrs bekannt. Auf einer Fläche von rund 18,8 km2 verteilen sich etwa 54.700 Einwohner auf ca. 8.600 Wohngebäude. Ein durchschnittliches Wohngebäude in Zehlendorf wurde im Jahr 1940 errichtet und hat eine durchschnittliche Grundfläche von 171 m2.
Für die Wohngebäude in Zehlendorf wurde ein durchschnittlicher Energiebedarf von 268 kWh pro Quadratmeter und Jahr modelliert. Dies entspricht einem Treibhausgasausstoß von 81 kg CO2-Äquivalenten pro Quadratmeter und Jahr und liegt über dem Bundes- und Berliner Durchschnitt.
Die 15 Prozent der besten Gebäude emittieren 46 kg CO2-Äquivalente, während die schlechtesten 15 Prozent der Gebäude 112 kg CO2-Äquivalente/m2/Jahr ausstoßen. Das 25%- und 75%-Quantil liegen bei 61 kg bzw. 103 kg CO2-Äquivalenten/m2/Jahr. Die folgende Abbildung zeigt die räumliche Verteilung der Emissionen im Ortsteil Zehlendorf:
Emissionen Zehlendorf in kg CO2-Äquivalenten/m2/Jahr
Verteilung der Heizenergieträger in Zehlendorf
Die Siedlungsgebiete mit hohen und mit niedrigen Treibhausgasemissionen lassen sich räumlich relativ gut trennen. Insbesondere Wohngebäude mit auffällig hohen Treibhausgasemissionen konzentrieren sich in Zehlendorf in kleinen lokalen Clustern, zum Beispiel im Nordosten und Südwesten des Ortsteils. Dies spiegelt sich auch in der Verteilung der Heizenergieträger wider, in diesen Clustern werden viele Gebäude mit Öl oder Gas beheizt. Insgesamt wird in Zehlendorf zu 44 Prozent mit Öl und zu 34 Prozent mit Gas geheizt. Angesichts der relativ breiten Verteilung von Fernwärmenetzen könnte ein zukünftiger Anschluss an Fernwärme in den emissionsintensiven Clustern sinnvoll sein. Neben öffentlichen Fernwärmenetzen werden zunehmend auch lokale Nahwärmenetze eingesetzt, die Abwärme aus gewerblichen Prozessen nutzen. Ein Beispiel sind Rechenzentren, die bei den notwendigen Kühlprozessen große Mengen an Abwärme produzieren, die wiederum für Heizzwecke in den umliegenden Gebäuden genutzt werden könnten. Derartigen Wärmequellen in die lokalen Wärmeplanungen einzubeziehen, kann die Effizienz der zu planenden Wärmenetze deutlich erhöhen.
Eindeutige Cluster mit sehr niedrigen Treibhausgasemissionen sind hingegen kaum zu erkennen, stattdessen zeigt sich eine eher durchmischte Verteilung. Die insgesamt hohen durchschnittlichen Emissionswerte des Ortsteils sind vor allem auf die Gebäudenutzung zurückzuführen: Rund 69 Prozent der Wohngebäude in Zehlendorf sind Einfamilienhäuser, darunter viele der für den Ortsteil typischen großzügigen Villen. Diese verursachen aufgrund ihrer großen Hüllfläche und der großzügigeren, offeneren Raumaufteilung höhere Emissionen als kompaktere Mehrfamilienhäuser.
Mahlsdorf: Ein „klimafreundlicherer“ Ortsteil?
Im Kontrast zu Zehlendorf steht der Ortsteil Mahlsdorf im Osten Berlins. Hier stieg die Einwohnerzahl in den vergangenen 15 Jahren um etwa 13 Prozent, während die Einwohnerzahl in Zehlendorf um 6 Prozent gesunken ist. In diesem Zuge erweiterte sich auch der Wohnungsbestand durch Neubauten und Bestandsgebäude wurden (energetisch) saniert. Auf einer Fläche von rund 12,9 km2 verteilen sich ca. 30.400 Einwohner auf etwa 11.300 Wohngebäude. Ein durchschnittliches Wohngebäude in Mahlsdorf wurde 1978 errichtet und hat eine Grundfläche von 104 m2.
Der Anteil der Einfamilienhäuser an den Wohngebäuden ist mit 93 Prozent zwar noch deutlich höher als in Zehlendorf, verursacht aber mit durchschnittlichen Treibhausgasemissionen von 47 kg CO2-Äquivalenten/m2/Jahr nur etwas mehr als die Hälfte der Emissionen aller Zehlendorfer Wohngebäude. Damit liegt Mahlsdorf sowohl unter dem Bundesdurchschnitt als auch unter dem Berliner Durchschnitt. Auch der durchschnittliche Energiebedarf ist mit rund 168 kWh/m2/Jahr um fast 37 Prozent niedriger als in Zehlendorf.
Die besten 15 Prozent Wohngebäude in Mahlsdorf emittieren weniger als 26 kg CO2-Äquivalente, die schlechtesten 15 Prozent mehr als 90 kg CO2-Äquivalente/m2/Jahr. Das 25%- und 75%-Quantil liegen bei 28 kg bzw. 51 kg CO2-Äquivalenten/m2/Jahr. Die folgende Abbildung zeigt die räumliche Verteilung der Emissionen im Ortsteil Mahlsdorf:
Emissionen Mahlsdorf in kg CO2-Äquivalenten/m2/Jahr
Verteilung der Heizenergieträger in Mahlsdorf
In Mahlsdorf ist die räumliche Verteilung der Treibhausgasemissionen je Gebäude deutlich homogener als in Zehlendorf. Während sich im Westen des Ortsteils, in Richtung Berlin-Mitte, eher Gebäude mit hohen Treibhausgasemissionen befinden, nehmen die Treibhausgasemissionen nach Osten hin ab. Außerdem sind die Cluster mit niedrigen Treibhausgasemissionen deutlicher ausgeprägt als in Zehlendorf.
Ein wesentlicher Unterschied zu Zehlendorf zeigt sich im Alter und der Bauweise der Gebäude: In Mahlsdorf gibt es kaum große, sehr alte Villen und ein Großteil der Wohngebäude ist in den letzten 20 bis 30 Jahren entstanden. Im Durchschnitt sind die Wohngebäude etwa 38 Jahre jünger als in Zehlendorf. Diese jüngeren Gebäude sind in der Regel in der Fläche kompakter und bereits nach energiesparenderen Standards errichtet wurden als die Wohngebäude in Zehlendorf. Auch die Heizenergieträger unterscheiden sich deutlich: In Mahlsdorf wird nur zu 11 Prozent mit Öl, jedoch zu 65 Prozent mit Gas geheizt. Der Anteil an sonstigen Energieträgern wie Wärmepumpen, Holzpellets oder Strom, ist bedeutend höher als in Zehlendorf. Dieser Wechsel hin zu klimafreundlicheren Heizträgern schlägt sich sichtbar in den Emissionszahlen der Gebäude nieder, wie die jeweiligen Abbildungen verdeutlichen.
Fazit
Am Beispiel der beiden Berliner Ortsteile konnte auf Basis der Informationen zu Art und Bauweise der Gebäude, dem Baujahr und der dominierenden Energieträger der Heizsysteme mit dem CO2-Rechner die wesentlichen Energiebedarfe und Emissionen auf Gebäudeebene ermittelt werden. Dadurch können nicht nur der absolute Energiebedarf und CO2-Bedarf, sondern auch deren adressgenaue räumliche Verortung und der lokale Kontext zu bestehenden Wärmenetzen und Nahwärmequellen in die Analyse einbezogen werden. Diese Zusammenhänge sollten insbesondere bei der Planung von Wärmenetzen und bei der Umstellung von Einzelobjekten auf alternative, erneuerbare Energiequellen eine wesentliche Rolle spielen.
Die Ergebnisse am Beispiel Berlins zeigen eindrücklich, wie wichtig es ist, energetische Sanierungen vernetzt und im Kontext der umliegenden Gebäude und Nahwärmequellen zu betrachten. Durch frühzeitige, detaillierte Analysen lassen sich für die Umstellung auf erneuerbare Energieträger Gebiete identifizieren, in denen Wärmenetze sinnvoll und wahrscheinlich sind, und solche, in denen individuelle Stand-Alone-Lösungen wie Wärmepumpen die bessere Wahl sind.
Der CO2-Rechner bietet mit seinen detaillierten Analysemöglichkeiten eine wertvolle Grundlage, um die Treibhausgasemissionen von einzelnen Gebäuden, Immobilienbeständen und Kommunen präzise zu erfassen und zielgerichtete Maßnahmen zur Reduktion zu identifizieren. Die Daten können nicht nur als Grundlage für kommunale Wärmeplanungen, sondern auch für die vorrausschauende und zielgerichtete Planung von individuellen Sanierungsmaßnahmen mit Umstellung der Heizenergieträger dienen. Zudem schaffen die Auswertungen erstmalig lokale und regionale Benchmarks für die Einordnung absoluter Bedarfszahlen in ihren direkten Kontext – von der Gebäudeadresse über Quartiere bis hin zu Kommunen und Landkreisen. Dies ist auch vor dem Hintergrund der aktuellen Vorschriften für den europäischen Gebäudebestand aus der in diesem Frühjahr verabschiedeten Energy Performance of Buildings Directive (EPBD) von großem Interesse für Eigentümer und Portfoliomanager. Ein weiterer Mehrwert liegt in der Möglichkeit, die Analysen regelmäßige fortzuschreiben und so ein kontinuierliches Monitoring der Fortschritte bei der Senkung der Treibhausgasemissionen zu gewährleisten.
Weitere Informationen zu den Treibhausgasemissionen des deutschen Gebäudebestands sowie zur Methodik und Datengrundlage sind in unserer Studie zu finden. Für individuelle Analysen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.