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Immer mehr Hitzetage: Neuer Index von Wüest Partner zeigt, wo es sich in Deutschland weiter gut leben lässt

Letzte Aktualisierung: 12. Mai 2025

Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht irgendwo im Fernsehen oder im Internet zum aktuellen Wetter­be­richt ein Hinweis auf den Klima­wandel hinzu­gefügt wird. Das ist im Winter so, wenn es wärmer ist als im Mittel der Winter­monate seit Beginn der Wetter­auf­zeich­nungen im Jahr 1881, aber vor allem im Sommer. Dann läuft das Zählwerk der Hitzetage.

An Hitze­tagen werden Tages­höchst­tem­pe­ra­turen von mindestens 30 Grad Celsius erreicht. Nach Zahlen des Deutschen Wetter­dienstes (DWD) wurden hierzu­lande in den Jahren 1991 bis 2020 je nach Region im Durch­schnitt bis zu 22 solcher Hitzetage gezählt. Im Schnitt wurden in Deutschland knapp neun solcher Tage erreicht. Zum Vergleich: Im vergan­genen Jahr waren es im nordba­di­schen Waghäusel-Kirrlach sogar 50 Hitzetage. In diesem Jahr wurden dort bislang mehr als 30 solcher besonders warmen Tage regis­triert.

Seit bald drei Jahrzehnten sind die Sommer zu warm

„Seit nun 27 Jahren werden in Deutschland zu warme Sommer gemessen“, erklärte DWD-Sprecher Uwe Kirsche Ende August die Sommer­bilanz des natio­nalen Wetter­dienstes. „Wieder können wir den Klima­wandel live erleben.“ Grundlage solcher Einschät­zungen sind die Ergeb­nisse von rund 2.000 Wetter­mess­sta­tionen, die der DWD in Deutschland betreibt. Als Referenz­pe­riode werden bei solchen Einschät­zungen nach inter­na­tio­naler Überein­kunft die Jahre 1961 bis 1990 heran­ge­zogen. Das heißt, in jedem Sommer der vergan­genen 27 Jahre war es hierzu­lande wärmer als im Mittel der Sommer­monate in den Jahren 1961 bis 1990. Wenn die Prognosen der meisten Klima­for­scher stimmen, wird die Durch­schnitts­tem­pe­ratur auf der Erde weiter steigen; die Zahl, Dauer und Inten­sität lokaler Hitze­wellen werden zunehmen. Das kann insbe­sondere für vulnerable Bevöl­ke­rungs­gruppen gefährlich werden, die solche Hitze­pe­rioden schlimms­ten­falls nicht überstehen. Was aber tun, wenn man einer solchen Gruppe angehört, also zum Beispiel im Senio­ren­alter ist oder an einer schwe­reren Krankheit leidet? Wegen der zuneh­menden Erwärmung in kühlere Regionen umziehen? Leichter gesagt als getan.

Wüest Partner entwi­ckelt den Urban Heat Vulnerability Index

Wüest Partner entwickelt den Urban Heat Vulnerability Index
Vulnerability Heat Index für die Siedlungs­flächen in Deutschland

Das Beratungs­un­ter­nehmen Wüest Partner hat die zuneh­mende Zahl von Hitze­tagen in Deutschland zum Anlass genommen, den Urban Heat Vulnerability Index zu entwi­ckeln. Der Index zeigt, wo in Deutschland die, wie Wüest Partner sie nennt, „Risiko­räume von Hitze für vulnerable Bevöl­ke­rungs­gruppen“ sind. Um das heraus­zu­finden, haben die Analysten in einem sehr klein­tei­ligen Raster von 100 m mal 100 m großen Quadraten einen Indexwert zwischen null und eins errechnet, der für jede Zelle die relative Hitze­ge­fährdung innerhalb der Siedlungs­flächen Deutsch­lands abbildet. Auf diese Weise kann auf einer deutsch­landweit einheit­lichen Skala analy­siert werden, ob ein Standort im deutsch­land­weiten Vergleich poten­ziell eher stärker oder schwächer gefährdend ist.

Hierzu wurde eine Fülle von Daten heran­ge­zogen. Zahlen zu Bevöl­ke­rungs­struktur und ‑dichte sowie Daten zum Abstand von Wohnge­bieten zu kühlenden Wasser­flächen lieferte das Institut für angewandte Sozial­wis­sen­schaft (Infas). Daten über die Größe und Verteilung versie­gelter Flächen sowie zur Dichte des Baumbe­stands kamen vom europäi­schen Erdbe­ob­ach­tungs­pro­gramm Coper­nicus. Der Deutsche Wetter­dienst stellte seine Erkennt­nisse zur Zahl der im 30-jährigen Mittel der Jahre 1991 bis 2020 (Klima­pe­riode) festge­stellten Hitzetage in Deutschland zur Verfügung. Von der schwei­ze­ri­schen Senozon AG bezog Wüest Partner Infor­ma­tionen zur Passan­ten­fre­quenz – also darüber, wo sich die Menschen in Deutschland konkret aufhalten, wenn sie unterwegs sind.

Für den Index gewich­teten die Analysten von Wüest Partner die einzelnen Faktoren je nach ihrer Bedeutung für die Gefährdung vulnerabler Gruppen. In den deutsch­land­weiten Index flossen unter anderem diese Aspekte ein (Reihen­folge nach Gewichtung; höchste Gewichtung zuerst): Versie­ge­lungsgrad, Hitze­ta­ge­ver­teilung (30-jähriges Mittel aus den Jahren 1991–2020), Baumdichte, Passan­ten­fre­quenz, Anteil der über 65-Jährigen, Anteil der unter 14-Jährigen (darunter die vulnerable Gruppe der Klein­kinder), Distanz zum Wasser.

Die meisten Regionen Deutsch­lands sind hinsichtlich der Hitze unbedenklich

Unterm Strich ergibt die Analyse zunächst eine gute Nachricht. Auf der deutsch­land­weiten Index­karte, die die Verteilung der Hitze­ge­fährdung zeigt, sind nur wenige großflä­chige Regionen als Räume mit hoher Gefahr für vulnerable Gruppen ausge­wiesen. Sie sind entspre­chend rot markiert. Aus der Vogel­per­spektive fällt auf, dass besonders warme und dicht­be­völ­kerte Regionen im Rhein-Ruhrgebiet, im Raum Rhein-Main, entlang des Oberrheins (vor allem Rhein-Neckar) und in weiteren Ballungs­räumen wie Berlin, München, Nürnberg oder Stuttgart das höchste Gefah­ren­po­tenzial aufweisen. Im Umkehr­schluss heißt das: Die aller­meisten Regionen Deutsch­lands stellen für vulnerable Bevöl­ke­rungs­gruppen mit Blick auf die zuneh­mende Zahl von Hitze­tagen eher keine Gefahr dar. Die Deutsch­land­karte ist in weiten Teilen also blau, grün und gelb einge­färbt. Das bedeutet, dort gibt es keine, eine geringe oder höchstens eine mittlere Gefährdung für vulnerable Gruppen.

Zu den guten Nachrichten gehört auch: Innerhalb von großen Städten gibt es in der Regel Stadt­teile, die deutlich weniger von Hitze­wellen heimge­sucht werden als andere. Meist sind die stark flächen­ver­sie­gelten Stadt­zentren besonders stark von Hitze betroffen, während in den Außen­be­zirken, in der Nähe von Wald, landwirt­schaftlich genutzten Flächen, Schre­ber­gärten oder Gewässern deutlich weniger Gefähr­dungs­po­tenzial ermittelt wurde.

Die weniger gute Nachricht lautet: Es sind nicht nur die Metro­polen wie Berlin oder München, die zunehmend mit Hitze zu kämpfen haben. Je nach Region können auch kleinere Kommunen betroffen sein. Beispiel Ihringen am Kaiser­stuhl: Die Gemeinde zählt zwar nur rund 6.000 Einwohner, aber mit einer Jahres­mit­tel­tem­pe­ratur von knapp 12°C ist Ihringen einer der wärmsten Orte Deutsch­lands. Obwohl es sich um eine eher kleine Kommune handelt, wird Ihringen in dem Index als poten­ziell gefähr­dender Ort identi­fi­ziert.

Höchste Gefähr­dungen in Ludwigs­hafen, Mannheim und Speyer

Die Kommunen mit dem höchsten Mittelwert des Urban Heat Vulnerability Indexes, also mit der höchsten Gefährdung für vulnerable Gruppen, sind nach der Analyse Ludwigs­hafen am Rhein, Mannheim und Speyer. Hier trifft ein hoher Versie­ge­lungsgrad auf hohe Passan­ten­fre­quenzen, ein hohes Aufkommen gefähr­deter Perso­nen­gruppen, eine hohe Anzahl von Hitze­tagen sowie eine geringe Baumbe­de­ckungs­dichte und (trotz des Rheins) wenige kühlende Wasser­flächen. Auf den Rängen vier bis zehn folgen: Mainz, Frankfurt am Main, Frankenthal (Pfalz), Karlsruhe, Regensburg, Offenbach und München.

Höchste Gefährdungen in Ludwigshafen, Mannheim und Speyer
Die Hitze­karte für die Stadt Frankfurt und den Umkreis

Auf der anderen Seite sind die Mittel­werte des Urban Heat Vulnerability Indexes nirgends so gering wie in den Landkreisen Oberallgäu, Garmisch-Partenkirchen und Schleswig-Flensburg. Dort trifft ein vergleichs­weise geringer Versie­ge­lungsgrad auf eher geringe Passan­ten­fre­quenzen, ein geringes Aufkommen gefähr­deter Perso­nen­gruppen, eine niedrige Anzahl von Hitze­tagen sowie viel Baumbe­stand und größere kühlende Wasser­flächen. Auf den Plätzen vier bis zehn folgen die Landkreise Freyung-Grafenau (Nieder­bayern), Miesbach, Nordfriesland, Vorpommern-Rügen, Regen (Nieder­bayern), Vulkan­eifel und Plön (Schleswig-Holstein).

Berlin und München: Großes Gefähr­dungs­ge­fälle zwischen City und Stadtrand

Berlin und München: Großes Gefährdungsgefälle zwischen City und Stadtrand

Ein genauerer Blick auf die generell als gefährdend einge­stuften Metro­polen Berlin und München zeigt, dass sich in der Haupt­stadt die Zonen, die für vulnerable Gruppen auf Dauer proble­ma­tisch werden könnten, auf die zentralen Stadt­be­zirke konzen­trieren. Ausnahmen sind zum Beispiel Lagen direkt am Tiergarten. Jenseits der zentralen Stadt­be­zirke weist die indexierte Berlinkarte vor allem im Westen (Grunewald/Havel, Tegeler Forst/Tegeler See), Norden (Frohnau/Blankenfelde) und Osten (Fried­richs­hagen, Großer Müggelsee, Werns­dorfer See) große Gebiete ohne nennens­werte Gefähr­dungslage aus. Ganz ähnlich stellt sich das Bild in München dar. Die Lagen mit hoher Gefährdung befinden sich im Stadt­zentrum sowie nach außen ausfransend Richtung Milberts­hofen, Neuperlach und Sendling. Demge­genüber sind vor allem Standorte am Engli­schen Garten, im äußersten Nordosten und Südosten sowie im Westen (Freiham, Aubing, Lochhausen) ohne nennens­werte Gefährdung durch Hitze.  

Generell befinden sich die Regionen mit der geringsten Belastung für vulnerable Gruppen durch Hitze an den Küsten von Nord- und Ostsee, in den Mittel­ge­birgen vom Harz über den Thüringer Wald bis zum Schwarzwald sowie in den Alpen und im Alpen­vorland. Aber auch in vergleichs­weise dünn besie­delten und vor allem landwirt­schaftlich geprägten Gegenden etwa in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nieder­sachsen und Nordrhein-Westfalen signa­li­siert die Index­karte Entspannung. Keine rot einge­färbten Hitzehot­spots, sondern viel Grün und blasses Gelb. Das bedeutet: geringe Gefährdung durch Hitze.   

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