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Inflation und Zinsen im deutschen Immobi­li­en­markt

Letzte Aktualisierung: 12. Mai 2025

Bereits seit mehr als einem Jahr erhöhen sich die Inflati­ons­raten Monat für Monat aufs Neue. Nachdem viele Markt­be­ob­achter noch Mitte des vergan­genen Jahres davon ausge­gangen sind, dass es sich bei der aktuellen Inflation um ein sehr kurzfris­tiges Phänomen handelt, das in der ersten Jahres­hälfte 2022 an Dynamik verliert, deuten derzeit nur wenige Indika­toren auf das unmit­telbare Ende steigender Inflati­ons­zahlen hin. Besonders auffällig ist die aktuelle Entwicklung in den USA, wo die Konsu­men­ten­preise im März 2022 im Vergleich zum Vorjah­res­monat um satte 8,5 Prozent zugelegt haben.
Dabei steigen sie auf breiter Front, bei wichtigen Kompo­nenten wie etwa den Mieten besteht sogar noch „Nachhol­bedarf“. Aber auch in Europa hat die Inflation seit langem nicht mehr gesehene Dimen­sionen erreicht. Die jährliche Teuerungsrate im Euroraum wird gemäß Eurostat im März 2022 auf 7,5 Prozent geschätzt, gegenüber 5,9 Prozent im Februar. In Deutschland lag die Inflati­onsrate im März 2022 geschätzt bei 7,3 Prozent. Damit befindet sie sich hierzu­lande auf dem höchsten Stand seit über 40 Jahren.

Cocktail mit mehreren Zutaten

Dass es gerade jetzt zu solch starken Anstiegen bei den Konsu­men­ten­preisen kommt, ist auf die zeitgleichen Wirkungen der Geldmen­gen­in­flation sowie der Nachfrage- und der Angebotsin­flation zurück­zu­führen. Dazu folgende Erklä­rungen.

Geldmen­gen­in­flation: Nach der Theorie des Ökonomen Irving Fisher ist das Produkt aus Geldmenge und Umlauf­ge­schwin­digkeit des Geldes gleich dem Trans­ak­ti­ons­vo­lumen der Güter multi­pli­ziert mit dem Preis­niveau. Demgemäß steigen die Konsu­men­ten­preise immer dann, wenn die Geldmenge bei gleich­blei­bender Umlauf­ge­schwin­digkeit erhöht wird. Seit der weltweiten Finanz­krise in den Jahren 2007 und 2008 betreiben viele inter­na­tionale Noten­banken eine sehr expansive Geldpo­litik im Zuge derer sich die Geldmengen stark erhöht haben. Dies hat sich während der europäi­schen Schul­den­krise ab 2010 noch einmal verstärkt und mit dem Pandemie-Notfallkaufprogramm einen neuen Höhepunkt erreicht.

Nachfra­ge­inflation: Zu einer Nachfrage-inflation kommt es dann, wenn die gesamt-wirtschaftliche Nachfrage nach Gütern und Dienst­leis­tungen stärker steigt als die Pro-duktionskapazitäten. Die Nachfrage setzt sich zusammen aus dem privaten und staat­lichen Konsum sowie aus der Inves­ti­ti­ons­nach­frage und dem Bedarf aus dem Ausland. Die Nachfra­ge­seite dürfte in vielen Ländern spürbar zu den aktuellen Inflati­ons­raten beitragen.

Angebotsinflation: Eine Angebotsinflation entsteht immer dann, wenn sich die Produk­ti­ons­kosten erhöhen. Dies kann einer­seits bei steigenden Preisen für Energie oder Rohstoffe der Fall sein – aber auch reduzierte Produk­ti­ons­ka­pa­zi­täten oder höhere Distri­bu­ti­ons­kosten können dazu beitragen. Die Angebotsinflation wird oft impor­tiert, beispiels­weise bei steigenden Benzin­preisen.

Vorerst weiter hohe Infla­ti­ons­raten

Derzeit ist es noch umstritten, wie die Inflati­ons­er­war­tungen langfristig aussehen werden. Jedoch sprechen viele Faktoren dafür, dass der Anstieg der Konsu­men­ten­preise zumindest kurz- bis mittel­fristig überdurch­schnittlich hoch bleiben dürfte:

Der Protek­tio­nismus, eine wachsende Skepsis gegenüber der Globa­li­sierung, der damit verbundene Aufbau von Produk­ti­ons­stätten in (teureren) Ländern wie Deutschland oder Schweiz sowie der Kampf gegen die Folgen des Klima­wandels sind ebenfalls Faktoren, die höhere Infla­ti­ons­raten nach sich ziehen könnten.

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Langfristig gehen wir in Deutschland von einer Teuerungsrate von durch­schnittlich 2,0 Prozent pro Jahr aus. Diese Erwartung entspricht dem Inflati­onsziel der Europäi­schen Zentralbank (EZB), die ihr Inflati­onsziel jüngst erhöht hat. Hohe Inflati­ons­raten können sich auf den Immobi­li­en­markt unter­schiedlich auswirken. Abhängig ist dies maßgeblich von folgenden drei Aspekten:

  • Wird die Inflation von den Anstiegen bei Mieten und Immobi­li­en­preisen überkom­pen­siert (Inflati­ons­schutz)?
  • Wie entwi­ckeln sich aufgrund gestie­gener Inflati­ons­raten die Zinsen?
  • Welche überla­gernden Faktoren prägen den Immobi­li­en­markt zum Zeitpunkt der höheren Inflation?

Inves­ti­tionen in Immobilien werden oft auch unter der Prämisse eines Inflati­ons­schutzes getätigt. Ein solcher Effekt ergibt sich dann, wenn Mieterträge und Immobi­li­en­preise stärker wachsen als die Konsu­men­ten­preise. Ob dies tatsächlich der Fall ist, wurde in verschie­denen Studien weltweit unter­sucht – mit diver­gie­renden Forschungs­er­geb­nissen je nach Betrach­tungs­zeitrum und Asset­klasse (Funk 2012). Stark verein­facht lässt sich sagen, dass auf dem Wohnungs­markt sehr häufig (jedoch nicht immer) ein Inflati­ons­schutz nachge­wiesen werden kann, sowohl bei den Preisen von Wohnei­gentum als auch bei Wohnungs­mieten. Meistens reagieren die Kaufpreise und Mieten mit einer Verzö­gerung auf die Inflati­ons­raten.

Bei den Geschäfts­mieten sind die Studi­en­ergeb­nisse deutlich hetero­gener. Teilweise konnte ein schwacher Zusam­menhang zwischen Inflati­ons­raten und Mieten nachge­wiesen werden (Barber et al. 1997, Wüest Partner 2022), der jedoch stark davon abhing, welche Zeitpe­riode betrachtet wurde.

Ob eine gewerb­liche Immobilie einen Inflati­ons­schutz bietet, hängt auch maßgeblich von den Wertsi­che­rungs­klauseln in den Mietver­trägen ab. In der Regel sind die Mietver­träge in Deutschland an den Verbrau­cher­index gekoppelt, sie weisen jedoch oftmals eine 5‑bis-10-Prozent-Hürde auf.

Dies bedeutet, dass Mieterhö­hungen erst ab dem Erreichen dieser Schwel­len­werte möglich sind. Bei einer Unter­su­chung von IPD Global Property Index hat sich zudem heraus­ge­stellt, dass gerade in wirtschaftlich schwie­rigen Zeiten die Durch­setz­barkeit von Indexie­rungen leidet (Funk 2012). Dies würde vor allem in Zeiten einer Stagflation zu spüren sein.

Die Inflation ist einer der Haupt­einfluss­größen auf die Zinsent­wicklung, denn an der Teuerung richtet sich die Geldpo­litik maßgeblich aus. Das Hauptziel der Geldpo­litik ist in vielen Ländern die Preis­ni­veau­sta­bi­lität. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat kürzlich ihr Inflati­onsziel angepasst: Sie strebt künftig eine Konsumen-tenpreisteuerung von 2,0 Prozent im mittel­fris­tigen Durch­schnitt an.

Zuvor lag das Ziel bei unter, aber nahe der 2,0‑Prozent-Grenze. Damit stellt die 2‑Prozent-Marke keine Obergrenze mehr dar. Die Inflation könnte nach einer Phase mit tiefen Werten auch für längere Zeit über dieser Marke liegen, ohne dass die Zinsen erhöht werden müssten.

Dies bedeutet, dass die EZB trotz temporär hoher Inflation weiterhin eine expansive Geldpo­litik betreiben kann. Mit dem russi­schen Invasi­ons­krieg in der Ukraine ist die Wahrschein­lichkeit einer stark restrik­tiven Geldpo­litik gesunken, da diese die wirtschaft­liche Leistung noch stärker in Mitlei­den­schaft ziehen könnte als sie dies ohnehin schon aufgrund des Krieges und der hohen Inflati­ons­raten ist.

Wie sich Zinser­hö­hungen konkret auf die Immobi­li­en­werte auswirken, kann nicht abschließend beurteilt werden. Verschiedene Unter­su­chungen kommen auch hier zu unter­schied­lichen Ergeb­nissen – je nach Beobach­tungs­zeitraum, betrach­teten Zinssätzen (Zinsen auf Staats­an­leihen, Hypothe­kar­zinsen et cetera) und Nutzung.

Eine jüngst erschienene Studie in der Schweiz zeigt, dass die Markt­werte von Mehrfa­mi­li­en­häusern um 14 Prozent und die Markt­werte von Geschäfts­flächen um 12 Prozent sinken, wenn sich die Renditen auf Staats-anleihen (mit zehnjäh­riger Laufzeit) verdoppeln.

Höhere Zinssen­si­ti­vität als in der Vergan­genheit

In Zeiten von steigenden Zinsen erhöhen sich in der Regel auch die Markt­mieten, zumindest wenn es der Wirtschaft gut geht. Höhere Mietein­nahmen dürften einen Teil des allei­nigen Zinsef­fekts auf die Markt­werte kompen­sieren. Mit höheren Mietein­nahmen wachsen ebenfalls die Netto-Cash-flow-Renditen. Sprich die Verän­derung im Total Return fällt bei einem Zinsan­stieg typischer­weise geringer aus als die Markt­wert­ver­än­derung durch die Zinsän­derung.

Bei Betrachtung einzelner Zeitpe­rioden in der Vergan­genheit zeigt sich, dass Zinsan­stiege nicht kausal zu deutlich negativen Markt­wert­ver­än­de­rungen bei Rendi­te­lie­gen­schaften führen müssen. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die Zinssen­si­ti­vität heute höher ist als in der Vergan­genheit. Denn erstens ist die Preis­sen­si­ti­vität von Rendi­te­lie­gen­schaften auf Zinsän­de­rungen bei einem niedrigen Zinsaus­gangs­niveau stärker. Zweitens ist der Markt für Rendi­te­lie­gen­schaften trans­pa­renter und folglich effizi­enter geworden, da eine breitere Daten­basis zu Kaufpreisen und zu den darin implizit enthal­tenen Rendi­te­er­war­tungen vorhanden ist.

Und so ist es plausibel, dass der Inves­to­ren­markt heute schneller und direkter auf Zinsver­än­de­rungen reagiert als etwa noch in den achtziger und neunziger Jahren. Damals prägten die Entwick­lungen auf dem Nutzer­markt die Entwick­lungen der Kauf-preise stärker als dies heute der Fall ist.
Grund­sätzlich befindet sich der deutsche Immobi­li­en­markt auf stabilem Fundament, auch wenn in den einzelnen Segmenten unter­schied­liche Risiken lauern.

Text, Number, Symbol
  • Im Wohnungsbau fiel die Neubau­quote im vergan­genen Jahr geringer aus als noch im Vorjahr. Ursache sind unter anderem die Beein­träch­ti­gungen des Bauge­werbes während der Corona-Pandemie. Es ist weiterhin damit zu rechnen, dass die Neubau­ak­ti­vi­täten den steigenden Wohnungs­bedarf nicht ausrei­chend decken.
  • Infolge von Materi­al­eng­pässen und steigenden Preisen im Bauge­werbe ist eine Verschärfung dieser Entwicklung möglich, wodurch auch die Mietpreise wieder anziehen könnten.
  • Wohnei­gen­tums­ob­jekte sind weiterhin beliebte Kapital­an­lagen. Dies liegt unter anderem an dem noch immer attrak­tiven Niedrig­zins­umfeld und der expan­siven Geldpo­litik.
  • Die aktuelle und zukünftige Rolle des Homeoffice in der Arbeitswelt könnte mittel­fristig die Nachfrage nach dezen­traler gelegenen Wohnob­jekten erhöhen.
  • Die hohe urbane Verdichtung trägt bei Neubauten zu einer Fokus­sierung auf Mehrfa­mi­li­en­häuser bei.
  • Die Büroflä­chen­nach­frage hat sich nach einem deutlichen Einbruch im Vorjahr aufgrund der Corona-Pandemie stabi­li­siert. Aller­dings könnten die negativen Auswir­kungen des Krieges in der Ukraine auf die deutsche Wirtschaft den zusätz­lichen Büroflä­chen­bedarf wieder etwas dämpfen.
  • Weitere Unsicher­heits­fak­toren betreffen die Rückkehr aus dem Homeoffice an die Arbeits­plätze.

Als Fazit lässt sich somit festhalten: Eine hohe Inflation kann sich über verschiedene Wege auf den Immobi­li­en­markt auswirken. Auch hier gilt – wie fast immer bei Immobilien: Es zählt der Einzelfall. Doch der deutsche Immobi­li­en­markt ist entspre­chend aufge­stellt, um alle möglichen Turbu­lenzen der nahen und mittleren Zukunft gut zu überstehen.

Dieser Artikel wurde zuerst in der „Immobilien und Finan­zierung“ veröf­fent­licht.

Litera­tur­an­gaben:
Barber, C./Robertson, D./Scott, A.(1997): Property and
Inflation: The Hedging Charac­te­ristics of U.K. Commercial
Property, in: Journal of Real Estate Finance and Economics, 15/1 1997, S. 59–76.
Bargel, M. (2009): Wohnim­mo­bilien guter Schutz von Inflation, in: Postbank Research (Hrsg.): Research Spezial, Juli 2009, S. 3.
Bulwi­enGesa (2010) in Immobilien Zeitung Nr 1 vom 7. Januar 2010, S. 7. Fama, E.F./Schwer, G.W. (1977): Asset Returns and Inflation, in: Journal of Financial Economics, 5. Jg., 1977, S. 115*146.
Funk, B. (2012): Immobilien zwischen Inflation und Deflation: Inflation Risk Management, in: Rottke, N.B./ Voigt­länder, M. (Hrsg.), Immobi­li­en­wirt­schafts­lehre (Band II): Ökonomie, S. 329–354.
Wüest Partner (2021): Immo-Monitoring 2021–1 (Winter-Update), Spezi­al­studie: Preis­ent­wicklung bei Rendi­te­lie­gen­schaften ökono­misch erklärt. S.26–35. Wüest Partner (2022): Immo-Monitoring 2022–2 (Frühlingsausgabe).

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