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Ambulantes Senio­ren­wohnen gewinnt an Bedeutung – große Mietspreizung laut Pflegeheim-Atlas 2025

Veröffentlicht am: 15. Oktober 2025 Letzte Aktualisierung: 15. Oktober 2025

  • Durch­schnitt­liche Kaltmieten für betreutes Wohnen reichen in Deutschland von 8,60 bis etwa 20 Euro pro Quadrat­meter
  • Ausschlag­gebend für Mietniveau und Rendi­te­po­tenzial sind Lage, Ausstattung und Service­konzept
  • Der Markt wächst, bleibt aber selektiv: stabile Nachfrage trifft auf begrenztes Angebot

Immer mehr ältere Menschen möchten selbst­be­stimmt leben, auch dann, wenn sie Unter­stützung brauchen. Ambulantes Senio­ren­wohnen entwi­ckelt sich laut Pflegeheim-Atlas Deutschland 2025 von Wüest Partner zu einer zentralen Ergänzung der statio­nären Pflege­ver­sorgung. Ergän­zende Analysen von TERRANUS und KDA/BfS bestä­tigen den Trend: Der Bedarf steigt, die Mieten driften weiter ausein­ander.

Wachsende Nachfrage und spätere Umzugs­ent­schei­dungen

Schon heute wünschen sich immer mehr Senio­rinnen und Senioren, möglichst lange in der eigenen Wohnung oder in einem betreuten Umfeld leben zu können. Die Entscheidung für einen Umzug in eine betreute Wohnform fällt ihnen zunehmend schwerer und wird immer wieder aufge­schoben. Die Daten der KDA/BfS-Studie „Betreutes Senio­ren­wohnen 2022“ zeigen, dass über die Hälfte der Bewoh­ne­rinnen und Bewohner 80 Jahre oder älter ist, mehr als ein Zehntel sogar über 90 Jahre.

Neben emotio­nalen Gründen für einen späteren Auszug spielt die Mietbe­lastung eine entschei­dende Rolle: Wer nur auf Renten­ein­kommen angewiesen ist, kann sich die Kosten für betreutes Wohnen oft nicht leisten. Sozial­hil­fe­träger unter­stützen nicht geför­derte Wohnformen bislang nicht, wodurch ein großer Teil der Senio­rinnen und Senioren von diesen Angeboten ausge­schlossen bleibt.

Lage und Ausstattung bestimmen Rendi­te­po­tenzial

Wie auf dem klassi­schen Wohnungs­markt entscheidet auch beim betreuten Wohnen die Lage maßgeblich über die Mieten. Nach Auswer­tungen der KDA/BfS-Studie betragen die durch­schnitt­lichen Kaltmieten in städti­schen Regionen 10,47 Euro pro Quadrat­meter, in ländlichen Regionen 8,60 Euro. Sehr hochpreisige Angebote von über 20 Euro pro Quadrat­meter kommen fast ausschließlich in Städten vor. Abhängig von Ausstattung und Service liegen die Mieten im betreuten Wohnen zwischen 10 und 50 Prozent über den Vergleichs­mieten.

Für Inves­toren gilt: Stand­ort­qua­lität und Konzept entscheiden über den wirtschaft­lichen Erfolg. Barrie­re­freie Grund­risse, funktio­nie­rende Quartiers­an­bindung, Service­flächen und Gesund­heits­an­gebote schaffen Mehrwert, erhöhen aber zugleich die Kosten­struktur. „Wir müssen nicht nur mehr, sondern vor allem bezahlbare Wohnungen für ältere Menschen schaffen. Am besten dort, wo die soziale Infra­struktur stimmt“, sagt Thomas Lehmann, Director bei Wüest Partner. „Ambulante Wohnformen können helfen, Pflege­be­dürf­tigkeit hinaus­zu­zögern und die Kosten im System zu senken. Dafür brauchen wir Inves­toren, die Wirtschaft­lichkeit und Gemeinwohl zusam­men­bringen.“

Fallbei­spiel Dortmund: 36 Prozent über Mietspiegel

Wie groß die Unter­schiede ausfallen können, zeigt eine Fallstudie von TERRANUS am Beispiel Dortmunds, die im Pflegeheim-Atlas 2025 darge­stellt ist. Für die Analyse wurden 22 Anlagen für betreutes Wohnen unter­sucht. Im Durch­schnitt liegen die Kaltmieten 36 Prozent über dem örtlichen Mietspiegel. Besonders teuer sind Gebäude aus den Jahren 1995 bis 2009 mit einem Aufschlag von 46 Prozent, während neuere Anlagen aus den Jahren 2015 bis 2019 mit 27 Prozent über dem Mietspiegel deutlich moderater kalku­liert sind.

Die Unter­schiede sind auf verschiedene Markt­phasen zurück­zu­führen. In den 2000er-Jahren war der Dortmunder Wohnungs­markt weitgehend stabil, sodass Betreiber ihre Mietpreise unabhängig vom allge­meinen Mietniveau festsetzen konnten. Jüngere Projekte orien­tieren sich dagegen stärker an aktuellen Vergleichs­mieten und zeigen eine engere Markt­kopplung.

68 Prozent der unter­suchten Anlagen werden von freige­mein­nüt­zigen Trägern betrieben, von denen jedoch nur vier gleich­zeitig Eigen­tümer der Immobilien sind. In der Hälfte aller Fälle vermieten private Eigen­tümer die Objekte an gemein­nützige Betreiber. Ein Modell, das stabile Erträge bei begrenztem Betrei­ber­risiko ermög­licht.

Auch im Betreuten Wohnen wird geför­derter Wohnraum angeboten. Nach der nordrhein-westfälischen Wohnraum­för­der­be­stimmung von 2019 dürfen Mieten für geför­derte Wohnungen je nach Einkom­mens­gruppe und Gemeinde zwischen 5,00 und 7,00 Euro pro Quadrat­meter betragen. In Dortmund bieten das DRK Service­wohnen Lütgen­dortmund und der Blinden- und Sehbe­hin­der­ten­verein Westfalen e. V. Wohnungen in diesem Preis­segment an.

Inves­ti­ti­ons­umfeld: Wachstum bei hoher Selek­ti­vität

Während der klassische Pflege­heimbau vielerorts stagniert, eröffnen ambulante Wohnkon­zepte neue Perspek­tiven für Kommunen und Kapital­an­leger. Bestehende Quartiere können weiter­ent­wi­ckelt, Synergien mit sozialen Infra­struk­turen geschaffen und stabile Cashflows erzielt werden. Entscheidend sind dabei gute Lagen, verläss­liche Betrei­ber­struk­turen und funktio­nie­rende Netzwerke – insbe­sondere die Nähe zu Ärzten, Apotheken und Einkaufs­mög­lich­keiten.

„Betreutes Wohnen ist längst kein Nischen­thema mehr“, sagt Anja Sakwe Nakonji, Geschäfts­füh­rerin der TERRANUS GmbH. „Der Markt wächst rasant, doch die Schere zwischen Mieten und Kaufkraft geht weiter auf. Nur wenn Projekte bezahlbar bleiben, profi­tieren Bewohner, Betreiber und Inves­toren gleicher­maßen.“