SNB gibt Richtung vor – Referenzzinssatz folgt
13. Dezember 2024
Die Schweizerische Nationalbank hat am 12. Dezember 2024 den Leitzins von 1.0 auf 0.5 Prozent gesenkt. Der Leitzins, der seinem Namen alle Ehre macht, gibt die Richtung vor, in welche sich die durchschnittlichen Finanzierungskosten entwickeln, was wiederum beeinflusst, wie der Referenzzinssatz verläuft. Während dieser Anfang Dezember nur ganz knapp bei 1.75 Prozent verharrte, ist nach der jüngsten Leitzinssenkung eine Reduktion im März 2025 in Stein gemeisselt.
Doch welche konkreten Konsequenzen wird dies für den Schweizer Mietwohnungsmarkt haben? Für Mieterinnen und Mieter, die nicht umziehen, dürfte eine Senkung des Referenzzinssatzes eine Entlastung der Haushaltsbudgets durch niedrigere Bestandesmietzinsen bringen. Gleichzeitig wird die Reduktion des Referenzzinssatzes den Aufwärtstrend der Angebotsmieten dämpfen.
Im Folgenden werden Hintergründe und Auswirkungen im Kontext der heutigen Leitzinssenkung beleuchtet.
Berechnung des Referenzzinssatzes
Obwohl die Finanzierungskosten bereits seit März 2024 deutlich gesunken sind, wurde der Referenzzinssatz im Dezember noch nicht angepasst. Warum ist das so? Um diese Frage zu klären, betrachten wir die Funktionsweise und Berechnung des Referenzzinssatzes, bevor die Auswirkungen einer Referenzzinssatzsenkung auf den Schweizer Mietermarkt beleuchtet wird.
Der Referenzzinssatz entspricht dem auf ein Viertelprozent kaufmännisch gerundeten, gewichteten Durchschnittszinssatz der Bankenhypotheken. Wichtig ist zu beachten, dass für die Festsetzung jeweils der Durchschnittszins am Ende des vorangehenden Quartals gilt – so basierte die letzte Kommunikation am 2. Dezember 2024 auf dem Durchschnittszins vom 30. September 2024. Zwischen der Publikation im September (Stichtag 30. Juni) hat sich der Durchschnittszins weiter reduziert und lag am 30. September 2024 bei 1.63 Prozent. Er lag damit nur noch ganz knapp über der Grenze von 1.625 Prozent, weshalb der Referenzzinssatz noch nicht auf 1.5 Prozent angepasst wurde.
Der Durchschnittszinssatz wird errechnet, indem die meldepflichtigen Banken in der Schweiz ihre laufenden Hypothekarkredite der SNB melden. Damit zeigt der Referenzzinssatz die durchschnittlichen Finanzierungskosten. Steigen diese im Durchschnitt dann erlaubt der Referenzzinssatz höhere Mieterträge; sinken diese, dann sinken auch die Bestandesmieten.
Der Durchschnittszinssatz unterliegt normalerweise nur trägen Veränderungen. Dies ist jedoch vom Gesetzgeber bewusst zur Stabilisierung der Mieten beabsichtigt. Die Trägheit liegt daran, dass auch langjährige Festhypotheken in die Berechnung einfliessen. Rund 75 bis 80 Prozent der Hypothekarvolumen entfallen auf Festhypotheken. Unter der Annahme einer Laufzeit der Festhypotheken von 7 bis 8 Jahren werden pro Jahr lediglich knapp 12 bis 15 Prozent der Festhypotheken refinanziert. Dies verlangsamt die Anpassung des Durchschnittszinssatzes. Einen schnelleren Einfluss üben hingegen SARON-Hypotheken aus, die etwa 20 bis 25 Prozent des Hypothekarvolumens ausmachen. Bei diesen variablen Finanzierungen basiert der Zins auf dem SARON-Satz, ergänzt durch eine Marge der Banken. Je nach Bonität der Kreditnehmer liegt diese zwischen etwa 0.5 und 1.2 Prozent. Diese Hypotheken passen sich fortlaufend dem aktuellen Zinsumfeld an und wirken somit schneller auf den Durchschnittszins.
Entwicklung der Finanzierungskosten und deren Einfluss auf den Durchschnittszins
Die Finanzierungskosten haben sich mit den in diesem Jahr erfolgten vier Leitzinssenkungen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) spürbar reduziert. Dennoch blieben die Hypothekarzinsen im September 2024, verglichen mit der Negativzinsära, zunächst auf einem erhöhten Niveau. Gemäss den Daten der SNB kostete eine durchschnittliche Festhypothek mit einer Laufzeit von zehn Jahren beim Neuabschluss im September im Durchschnitt weiterhin rund 1.9 Prozent. Kurzfristigere SARON-Hypotheken lagen mit 2.1 Prozent sogar noch höher.
Trotz ihres höheren Zinses übten SARON-Hypotheken einen stärkeren Druck auf den Rückgang des Durchschnittszinssatzes aus. Da der Zinssatz bei SARON-Hypotheken normalerweise alle drei Monate dem aktuell gültigen Leitzins angepasst wird, führten die drei bereits erfolgten Leitzinssenkungen jeweils mit leichter Verzögerung zu günstigeren Konditionen und bewirkten, dass der Durchschnittszins seit März 2024 eine rückläufige Tendenz aufweist. Diese Entwicklung setzte sich seit der letzten Publikation des Referenzzinssatzes im Dezember (Stichtag 30. September 2024) fort. Mit der Leitzinssenkung vom 12. Dezember 2024 werden die SARON-Hypotheken erneut günstiger, was eine Senkung des Referenzzinssatzes im März 2025 in Stein meisselt.
Eine gegenläufige Wirkung ging hingegen weiterhin von den Festhypotheken aus. Diese mussten in diesem Jahr trotz der Zinssenkungen häufig zu höheren Konditionen refinanziert werden. Der Grund dafür liegt in den niedrigeren Zinssätzen, zu denen viele der nun fällig werdenden Festhypotheken während der Negativzinsära abgeschlossen wurden. Diese liegen oftmals zwischen 0.8 und 1.5 Prozent, abhängig von der Kreditlaufzeit und der Bonität des Schuldners. Das heutige Zinsniveau übersteigt jenes der Negativzinsära weiterhin, was bei den Refinanzierungen zu einem Anstieg der Finanzierungskosten führte und damit den Durchschnittszinssatz nach oben beeinflusste.
Insgesamt zeigt sich, wie unterschiedlich die beiden Hauptformen der Hypothekarfinanzierung im aktuellen Umfeld auf den Referenzzinssatz wirken. Während die Flexibilität der SARON-Hypotheken in den Jahren zuvor den Anstieg und nun den Rückgang des Referenzzinssatzes begünstigt, stellte die Trägheit der Festhypotheken eine bremsende und stabilisierende Kraft dar.
Einfluss des Referenzzinssatzes auf die Bestandesmieten
Die im März bevorstehende Senkung des Referenzzinssatzes auf 1.5 Prozent wird zahlreichen Mietenden die Möglichkeit eröffnen, eine Reduktion ihrer Mietkosten zu beantragen. Voraussetzung dafür ist, dass der Mietvertrag auf einem Referenzzins von 1.75 Prozent oder höher basiert. Bei Liegenschaften von institutionellen Anlegern waren im 3. Quartal 2024 rund zwei Drittel der Mietverträge an den bisherigen Referenzsatz von 1.75 Prozent gekoppelt. Die Reduktion des Referenzzinssatzes um ein Viertelprozent erlaubt grundsätzlich eine Senkung der Bestandesmieten um 2.91 Prozent. Dennoch dürften die Mietzinsrückgänge in der Realität weniger deutlich ausfallen. Denn Vermieter sind berechtigt, 40 Prozent der seit der letzten Mietzinsanpassung aufgelaufenen Teuerung und die allgemeine Kostensteigerung gegenzurechnen.
Im November 2024 betrug die Teuerung im Vergleich zum Vorjahr 0.7 Prozent und dient als Indikator, wie hoch im März die Teuerung im Vergleich zum Dezember 2023 ungefähr ausfallen könnte. Die Veränderung des Landesindex für Konsumentenpreise zwischen Dezember 2023 und März 2025 wird bei einem Anstieg des Referenzzinssatzes relevant sein, da der letzte Anstieg des Referenzzinssatzes und damit in vielen Fällen die letzte Mietzinsanpassung im Dezember des vergangenen Jahres vorgenommen wurde. Hinzu wird die allgemeine Kostensteigerung kommen, die je nach Region und Ortsüblichkeit zwischen 0.25 und 1.0 Prozent liegt. Unter Berücksichtigung einer Inflationsrate von 0.7 Prozent und der Weitergabe der allgemeinen Kostensteigerung von 0.5 Prozent dürften die Mieten also bereits nur noch um etwa 2.1 Prozent sinken, wenn ein Herabsetzungsbegehren eingereicht wird. Zudem erlauben auch allfällige Umbauinvestitionen eine Erhöhung der Bestandesmieten.
Die Bestandesmieten werden in jenen Objekten, bei welchen keine Umbauinvestitionen vorgenommen wurden, künftig wieder zurückgehen. Der Rückgang dürfte jedoch noch nicht ausreichen, um die starken Zuwächse des Jahres 2023 auszugleichen.
Die Mietzinsanpassung erfolgt jedoch nicht automatisch. Falls die Vermieterschaft das nicht proaktiv angeht, können Mietende selbst aktiv werden und ein formelles Herabsetzungsbegehren einreichen. In vielen Mietverträgen wird dies jedoch nicht umgehend oder gar nicht umgesetzt. Dies führt dazu, dass der Spielraum für Mietzinsanpassungen teilweise länger ungenutzt bleibt. Weiter hängt der Zeitpunkt, zu dem die Senkung des Referenzzinssatzes tatsächlich wirksam wird, massgeblich vom nächsten Kündigungstermin ab. Aufgrund der in der Schweiz üblichen Kündigungsfrist von drei Monaten wird sich der Effekt auf die Bestandesmieten verzögern. Selbst wenn Mietende im März postwendend ein Herabsetzungsbegehren einreichen, dürften Anpassungen in der Regel frühestens auf Anfang Juli 2025 wirksam werden.
Indirekter Effekt auf Angebotsmieten
Obwohl der Referenzzinssatz keinen unmittelbaren Einfluss auf die Entwicklung der Angebotsmieten hat, zeigt eine kürzlich im Swiss Real Estate Journal publizierte Studie mit dem Titel «Mietpreisentwicklungen: Auf der Suche nach den fundamentalen Erklärungsfaktoren» (Dubois & Weinert, 2024), dass er eine wichtige Determinante für die Entwicklung der Angebotsmieten darstellt. Gemäss der Analyse führt ein Anstieg des Referenzzinssatzes um ein Prozentpunkt zu einer Erhöhung der Angebotsmieten um etwas mehr als ein Prozent. Die bevorstehende Senkung des Referenzzinssatzes dürfte daher auch indirekt auf die Angebotsmieten wirken. Eine Senkung des Referenzzinssatzes um 25 Basispunkte würde demnach die Angebotsmieten um 0.25 Prozent reduzieren.
Unter Berücksichtigung sämtlicher Einflussfaktoren, wie beispielsweise den anhaltend tiefen Leerstandszahlen und dem weiterhin robusten Bevölkerungswachstum, nimmt Wüest Partner für 2025 einen durchschnittlichen Anstieg der Angebotsmieten von 1.9 Prozent an. Wir rechnen also mit weiteren Steigerungen der Angebotsmieten. Allerdings dürfte sich das Tempo, nicht zuletzt aufgrund der Referenzzinssatzsenkung im kommenden März, im Vergleich zum laufenden Jahr 2024 etwas verlangsamen.
Ob am Ende des Jahres aufgrund veränderter Wohnkosten tatsächlich mehr Geld im Portemonnaie der Haushalte verbleibt, hängt jedoch nicht nur von der Mietpreisentwicklung, sondern auch von der Entwicklung der Nebenkosten ab.
Die Nebenkosten hängen zu grossen Teilen vom jeweiligen Heizsystem und dem entsprechenden Energieträger ab. Diese Kosten haben sich im November 2024 je nach Heizsystem der Liegenschaft unterschiedlich entwickelt.
Bei Gas- und Ölheizungen sind die Nebenkosten im Vergleich zum Vorjahr spürbar gesunken, liegen jedoch weiterhin deutlich über den Niveaus vor der Coronapandemie. Grund dafür ist die leichte Entspannung auf den Energiemärkten, nachdem die Preise in den Vorjahren unter anderem durch den Krieg in der Ukraine sehr stark in die Höhe getrieben worden waren. Dagegen sind die Elektrizitätskosten, die vor allem bei Gebäuden mit Wärmepumpen und bei der Verrechnung des Allgemeinstroms eine Rolle spielen, im Jahr 2024 um 18 Prozent gestiegen. Für 2025 rechnet die Eidgenössische Elektrizitätskommission jedoch mit einem Rückgang der Strompreise um etwa 10 Prozent.
Dennoch bleibt eine abschliessende Prognose für die künftige Nebenkostenentwicklung schwierig, da geopolitische Herausforderungen und die damit verbundene Volatilität der Energiepreise weiterhin für viel Unsicherheit sorgen.
Ausblick
Damit der Referenzzinssatz ein zweites Mal gesenkt wird, müsste der Durchschnittszins unter 1.375 Prozent fallen. Für die nahe Zukunft erscheint dies jedoch unwahrscheinlich. Viele Finanzierungen werden weiterhin über dem Durchschnittszinssatz abgeschlossen, und SARON-Hypotheken, die sich direkt an das Zinsniveau anpassen, üben ohne zusätzliche Leitzinssenkungen keinen weiteren Abwärtsdruck aus. Ohne weitere Leitzinssenkungen dürfte der Durchschnittszins aufgrund der fortlaufenden Refinanzierungen von Festhypotheken sogar wieder ansteigen.
Wir erachten jedoch mindestens eine weitere Leitzinssenkung im Jahr 2025 als realistisch. Die Inflation hat sich 2024 normalisiert und ein allfälliger Rückgang der Bestandesmieten dürfte weiter dazu beitragen, dass die Mieten nicht mehr im gleichen Ausmass Aufwärtsdruck auf die Inflationsraten ausüben werden, wie noch im laufenden Jahr.
Zusätzliche Leitzinssenkungen dürften den Durchschnittszins über die SARON-Hypotheken, die sich maximal innert 3 Monaten anpassen, wiederum moderat senken. Im Bereich der Festhypotheken hingegen sind die erwarteten Leitzinssenkungen weitgehend eingepreist. Daher ist es unwahrscheinlich, dass zusätzliche Leitzinssenkungen in diesem Segment zu signifikant tieferen Konditionen führen. Es werden aber weiterhin sehr günstige Festhypotheken aus der Negativzinsära fällig. Der Aufwärtsdruck dieser Refinanzierungen auf den Durchschnittszins wird jedoch angesichts der seit Ende September 2024 beobachteten weiteren erheblichen Reduktionen der Langfristzinsen abnehmen.
Eine zweite Senkung des Referenzinssatzes dürfte unter den zuvorgenannten Zinsprognosen erst mittelfristig ab 2026 realistisch sein. Diese Prognose ist aber mit Unsicherheit verbunden. Denn Verhaltensänderungen der Kreditnehmenden, beispielsweise von kurzfristigen Festhypotheken hin zu tendenziell teureren längeren Laufzeiten, könnten den Prozess weiter abbremsen und eine umgekehrte Verhaltensweise oder zusätzliche Leitzinssenkungen würden hingegen zu einer beschleunigten Entwicklung führen.
Fazit
Die Senkung des Leitzinssatzes wird sich unter anderem über den Referenzzinssatz auf den gesamten Mietermarkt auswirken. Im Mittel dürften die Bestandesmieten jedoch nur moderat sinken, während die Angebotsmieten weiterhin ansteigen, wenn auch aufgrund der Referenzzinssatzsenkung etwas weniger stark. Dies wiederum hat einen Rückkopplungseffekt auf die Inflation, da die Mieten im folgenden Jahr aller Voraussicht nach weniger Aufwärtsdruck auf den Landesindex der Konsumentenpreise ausüben, was der Nationalbank wiederum mehr Spielraum verschafft.
Lesen Sie mehr über die kurz- und langfristigen Perspektiven des Schweizer Wohnungsmarktes im Immo-Monitoring.