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Trägt das Zweit­woh­nungs­gesetz zum Mangel an Mietwoh­nungen bei?

Letzte Aktualisierung: 22. April 2025

Der Mietwoh­nungs­mangel prägt nicht nur das dicht besie­delte Schweizer Mittelland, sondern in beson­derem Masse auch viele Touris­mus­ge­meinden. So liegt die Angebots­quote für Mietwoh­nungen in Desti­na­tionen wie Zermatt, Scuol, Saanen oder Davos nicht nur unter dem aktuell sehr tiefen natio­nalen Mittel, sondern sogar noch unter dem Stand von Gross­städten wie Zürich und Genf. Sowohl für die Bevöl­kerung als auch für viele Saison­ar­bei­te­rinnen und Saison­ar­beiter ist es unter diesen Umständen oft beinahe aussichtslos, in einer Touris­mus­ge­meinde eine passende Wohnung zu finden.

Die «Lex Weber» und ihre Folgen für den Mietwoh­nungs­markt

Vor diesem Hinter­grund stellt sich die Frage, ob es einen Zusam­menhang zwischen der Einführung des Zweit­woh­nungs­ge­setzes (Lex Weber) und dem stark rückläu­figen Angebot an Mietwoh­nungen in touris­ti­schen Gemeinden gibt. Nach der Annahme der Zweit­woh­nungs­in­itiative im März 2012 trat per 1. Januar 2013 eine provi­so­rische Verordnung über Zweit­woh­nungen in Kraft, auf die am 1. Januar 2016 das Bundes­gesetz über Zweit­woh­nungen folgte. Damit ist der Neubau von klassi­schen, frei nutzbaren Zweit­woh­nungen in Gemeinden mit einem Zweit­woh­nungs­anteil von über 20 Prozent seit Anfang 2013 verboten.
Es ist gut vorstellbar, dass das Zweit­woh­nungs­gesetz (ZWG) unbeab­sich­tigte kolla­terale Folgen für den Bau von Mietwoh­nungen hatte, denn vor der Inkraft­setzung des Gesetzes erlaubten viele Gemeinden (wie beispiels­weise Sils oder Crans-Montana) den Bau von Zweit­woh­nungen nur unter der Bedingung, dass ein Teil der neu erstellten Objekte als Erstwohnsitz verkauft oder vermietet wird. Mit solchen Regelungen wurde der Bau von Mietwoh­nungen gefördert, und weil für Zweit­woh­nungen überdurch­schnittlich hohe Preise erzielt werden können (in vielen Alpen­ge­meinden liegen die Preise für Zweit­woh­nungen zwischen 24 und 47 Prozent über denje­nigen von Erstwoh­nungen), waren sie auch für Inves­toren attraktiv. Der gesetzlich verordnete Stopp des Zweit­woh­nungsbaus 2013 hat diese Art von Quersub­ven­tio­nierung für den Bau von Mietwoh­nungen verun­mög­licht.

Entwicklung der Bautä­tigkeit

Um die Neubau­tä­tigkeit von Mietwoh­nungen zu messen, wurden die Gesamtzahl der Baube­wil­li­gungen sowie die Anzahl Bauge­suche pro 1000 Einwohner zwischen 2005 und 2021 unter­sucht (Abbildung 1). Die Resultate dieser Berech­nungen ermög­lichen einen Vergleich der Entwicklung von Gemeinden, die unter das ZWG fallen, mit der Entwicklung von Gemeinden, die diesem nicht unter­stehen.
Es zeigte sich, dass die Zahl der Bauge­suche und der Baube­wil­li­gungen zwischen Mitte 2012 und 2014 einen Höchst­stand erreichte, der in direktem Zusam­menhang mit der Abstimmung über das ZWG steht: Damals hofften viele Entwickler, noch vor Inkraft­treten des Gesetzes eine Baube­wil­ligung zu erhalten. Dieser temporäre Anstieg ist nicht in die empirische Analyse einge­flossen, um die Ergeb­nisse nicht zu verzerren. Die deskriptive Analyse zeigt nun, dass die Bauge­suche und die Baube­wil­li­gungen für Mietwoh­nungen in den Jahren nach der Einführung des ZWG in den Gemeinden, die von diesem Gesetz nicht betroffen sind, weiter steigen, während sie in den betrof­fenen Gemeinden zu stagnieren scheinen.

Entwicklung der Bautätigkeit

Methode und Modell

Die Methode der doppelten Diffe­renzen (difference-in-differences) ermög­licht es, den Effekt einer Massnahme (hier: die Einführung des ZWG) zu messen, indem die Entwicklung der betrof­fenen Gruppe (hier: Gemeinden mit mehr als 20 Prozent Zweit­woh­nungen) und der Kontroll­gruppe (hier: Gemeinden mit weniger als 20 Prozent Zweit­woh­nungen) vor und nach Einführung der Massnahme mitein­ander verglichen werden.
Das Regres­si­ons­modell hat die folgende Form (wobei i sich auf die Gemeinde und t sich auf das Jahr bezieht):

Yi,t= a + b1*Webert + b2*Mehr20ZweitWohni + b3*(Webert*Mehr20ZweitWohni) + ei,t

Yi,t steht für die Bautä­tigkeit von Mietwoh­nungen (Anzahl Bauge­suche und Bau­bewilligungen). Webert ist eine binäre Variable, die vor der Einführung der Lex Weber (d. h. zwischen 2005 und 2011) den Wert 0 und danach (2015 bis 2021) den Wert 1 annimmt. Die Jahre 2012 bis 2014 flossen aufgrund ihrer temporär ausser­ge­wöhn­lichen Entwicklung nicht in die Analyse mit ein. Mehr20ZweitWohni ist ebenfalls eine binäre Variable, die den Wert 1 für Gemeinden mit mehr als 20 Prozent Zweit­woh­nungen und den Wert 0 für die anderen Gemeinden annimmt. Was uns besonders inter­es­siert, ist die Inter­aktion zwischen den Variablen Webert und Mehr20ZweitWohni, die es ermög­licht, die unter­schied­lichen Auswir­kungen der Lex Weber auf den Bau von Mietwoh­nungen in Gemeinden, die von diesem Gesetz betroffen sind, und solchen, die nicht betroffen sind, zu messen.

Analyse und Ergeb­nisse

Die Ergeb­nisse der Regression (Abbildung 2) deuten auf einen signi­fi­kanten negativen diffe­ren­ti­ellen Effekt des ZWG auf die Neubau­tä­tigkeit in den vom ZWG betrof­fenen im Vergleich zu den nicht betrof­fenen Gemeinden hin. Betrachtet man die Zahl der laut Neubau­be­wil­li­gungen geplanten Mietwoh­nungen, so bedeutet der Koeffi­zient –0.871, dass die vom ZWG betrof­fenen Gemeinden nach Einführung des Gesetzes 0.871 weniger Mietwoh­nungen pro 1000 Einwohner bewil­ligten als die nicht betrof­fenen Gemeinden. Diese Zahl mag auf den ersten Blick gering erscheinen, aber es gilt zu bedenken, dass der Schweizer Durch­schnitt der Baube­wil­li­gungen für Mietwoh­nungen pro 1000 Einwohner bei 2.1 liegt. Ein Unter­schied von 0.871 hat daher grosse Auswir­kungen;  im Verhältnis zum Durch­schnitt entspricht dies einem Rückgang der Baube­wil­li­gungen für Mietwoh­nungen in den Touris­mus­ge­meinden nach der Einführung des Zweit­woh­nungs­ge­setzes um rund 40%.

Analyse und Ergebnisse

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