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Was bedeutet die SIA 101 «Ordnung für Leistungen der Bauherren» in der Praxis?

Letzte Aktualisierung: 22. April 2025

Seit April 2020 ist die neue SIA 101 «Ordnung für Leistungen der Bauherren» in Kraft. Die Ordnung fasst einer­seits zusammen, was es bedeutet Bauherr zu sein und welche Leistungen von ihm erwartet werden. Gleich­zeitig klärt sie auch die Schnitt­stellen zwischen Bauherrn und allen weiteren Betei­ligten in allen Phasen 1 – 6 (vgl. SIA 112). Als grosse und wichtige Neuerung kommt hinzu, dass den bisher bekannten Arbeits­schritten eine zusätz­liche Phase 0 «Initia­li­sierung» voran­ge­stellt wird. Diese Phase trägt den wichtigen Vorbe­rei­tungs­ar­beiten des Bauherrn vor dem eigent­liche Planungs­prozess Rechnung.

Was macht gute Bauherren aus?

Zu Recht betonen viele Architekten:innen, dass gute Archi­tektur gute Bauherren voraus­setzt. Doch was macht einen guten Bauherrn aus, was muss er bringen? Auf diese Fragen gibt nun erstmals die SIA-Ordnung für Leistungen des Bauherrn grund­sätz­liche Antworten. Zunächst wird eines klarge­stellt: „Bauherr sein ist eine Führungs­aufgabe“ (2.1) „Er initiiert das Vorhaben und formu­liert die Ziele, die Rahmen­be­din­gungen und die Anfor­de­rungen, welche das Bauvor­haben zu erfüllen hat.“ (1.1.4) Dies erfolgt in einer neu einge­führten Phase 0. Bei ihr geht es darum, eine Vision bezüglich der Wirkung eines Bauwerks in einem integra­tiven Prozess zu entwi­ckeln, und zwar im Bewusstsein der Bedeutung des Bauvor­habens im sozial­räum­lichen Sinne. Dabei wird die Bauherren-Kultur, seine Unter­neh­mens­kultur, Haltung und Persön­lichkeit in den Raum getragen, in Baukultur übertragen. Daraus sind dann – unter Berück­sich­tigung der bauherr­lichen Geschäfts- und Anlage­stra­tegie – klare Zielset­zungen abzuleiten, was quali­tativ und quanti­tativ erreicht werden soll (3.1.4). Schliesslich muss der Bauherr die Zieler­rei­chung konti­nu­ierlich messen (Steuerung und Controlling 3.1.5).

Die folgende Abbildung zeigt nun die sechs Leistungs­be­reiche, zu denen sich der Bauherr äussern und die er dokumen­tieren muss. Als erstes findet eine Ortung statt (4.3.010), wird das Umfeld analy­siert. Die Zusam­men­hänge zwischen Gesell­schaft, Ortschaft, Landschaft und deren Verän­derung und Entwicklung (die Geschichte des Ortes) werden betrachtet. Dabei wird das Eigene, Besondere heraus­ge­ar­beitet, der Genius loci identi­fi­ziert und ebenso die Anspruchs­gruppen und deren Bedürf­nisse. Diese werden ganzheitlich verstanden, umfassen Nutzungs­be­zo­genes, Techni­sches, Quanti­ta­tives ebenso wie Haltungs- und Wirkungs­be­zo­genes, Kultu­relles (Werte, Normen, Verhal­tens­weisen), Emotio­nales (Image, Atmosphäre), also Quali­ta­tives. Letztlich geht es darum, den Raum / das Umfeld mit seinen Menschen und seiner Ausge­staltung ganzheitlich wahrzu­nehmen und zu verstehen.

Bauherren: Verschiedene Leistungen

Quelle: Auszug aus SIA 101 «Ordnung für Leistungen der Bauherren»

Im wohl zentralsten Leistungs­be­reich geht es um die inhalt­liche Positio­nierung des Bauherrn bezogen auf das Bauvor­haben und sein Umfeld (4.3.012). Hier gilt es eine Vision zu skizzieren mit groben Vorstel­lungen zum Bauvor­haben, seiner Nutzung, Bedeutung und Wirkung. Schluss­endlich geht es darum, übergrei­fende Ziele festzu­legen, also eine areal- und projekt­be­zo­genen Bauherren-Strategie zu erarbeiten. Diese muss konform sein mit der Geschäfts- und Anlage­stra­tegie und ein Bezugs­system definieren, das die Bedürf­nisse der eigner- und umfeld­be­zo­genen Anspruchs­gruppen sowie der Zielgruppen hinsichtlich ökono­mi­scher, ökolo­gi­scher und sozio­kul­tu­reller Aspekte aufein­ander abstimmt. Aus einem solchen komplexen und anspruchs­vollen Analyse- und Entwick­lungs­prozess entsteht bei erfolg­reichem Verlauf ganzheitlich-nachhaltige Baukultur.

So gehen wir vor

Wüest Partner befasst sich schon seit Jahrzehnten mit den ökono­mi­schen und ökolo­gi­schen Entwick­lungen der Immobi­li­en­wirt­schaft und hat mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung unzählige Bauherren bei Bauvor­haben unter­stützt. Dies insbe­sondere auch in Vorbe­reitung auf einen anste­henden Planungs- und Bauprozess, im Sinne der Phase «Initia­li­sierung», wie sie nun durch den SIA mit der Ordnung 101 festge­halten ist. Die SIA Ordnung 101 fordert den Bauherrn auf, die Projekt­vor­gaben klarer als bisher zu definieren, was auch in Briefings von Archi­tek­tur­wett­be­werben einfliessen sollte. Die Aspekte der Bedeutung und Wirkung von Bauvor­haben werden ganzheit­licher und nachhal­tiger betrachtet, umfassen auch die Raumge­staltung in einem strate­gi­schen Sinne.

Als Antwort darauf hat Wüest Partner in Zusam­men­arbeit mit Dieter Pfister (Berater und Leiter Bauherren-Programm Univer­sität St. Gallen) ein Vorgehen entwi­ckelt, bei dem alle Strategie-Fragen, die sich der Bauherr in der Phase 0 stellen muss beant­wortet werden (siehe nächste Abbildung).

Bauherren: Wie geht man bei der Vision und bei der Strategie vor?

Mit einem solchen effizi­enten Bauherrenstrategie-Management werden die Anliegen von SIA-101 in die Praxis getragen und inhaltlich klar struk­tu­riert und ausfor­mu­liert.

  • Schritt 1: Analysen
    • Standort / Areal
    • Immobi­li­en­markt (Angebot)
    • Bevöl­kerung, Beschäf­tigung, Wirtschaft (Nachfrage)
    • Konkur­renz­an­gebote
  • Schritt 2: Entwicklung Bauher­ren­vision & ‑strategie
    • Bauher­ren­vision
    • Bauher­ren­stra­tegie:
      • Raumge­staltung
      • Zielgruppe
      • Nutzung
      • Wirtschaft­lichkeit

In einem Prozess wird der Bauherr darin unter­stützt, eine Bauher­ren­vision zu erarbeiten und auf deren Basis eine struk­tu­riere Bauher­ren­stra­tegie für das Bauvor­haben zu formu­lieren.
Grundlage hierfür bildet eine Analyse von Standort- und Areal, Immobi­li­en­markt (Angebot), Bevöl­kerung, Beschäf­tigung und Wirtschaft (Nachfrage) sowie eine Konkur­renz­analyse. Parallel dazu findet eine umfas­sende Analyse des Ortes hinsichtlich Quali­täten, Identität, bestehende Baukultur etc. statt. Auf Basis dieser Analysen wird zusammen mit dem Bauherrn in einem gemein­samen Workshop die Bauher­ren­stra­tegie und ‑vision erarbeitet. Es wird so die Brücke zwischen Haltung und Gestaltung, Bauher­ren­kultur und Baukultur, Geschäfts- und Analage­stra­tegie bewusster und konkreter geschlagen als bisher.

Fachkurs: Bauher­ren­kom­petenz

Dieser Kurs bietet Ihnen eine Übersicht über die komplexen Aufgaben eines Bauherrn während des Planungs‑, Bau- und Nutzungs­pro­zesses einer Immobilie. Sie haben die Gelegenheit, Ihre Kennt­nisse über alle Aspekte der Nachhal­tigkeit in Bezug auf Immobilien zu erweitern, auf ökono­mi­scher wie auch auf ökolo­gi­scher und sozio­kul­tu­reller Ebene.

Der nächste Fachkurs findet am 09. April 2025 in Zürich statt. Weitere Infor­ma­tionen sowie das Anmel­de­for­mular finden Sie hier.