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Vielfältige Förderung des bezahlbaren Wohnens

03. Mai 2019

Bezahlbares Wohnen: Bei der Bereitstellung spielen die gemeinnützigen Wohnbauträger eine gewichtige Rolle. Die meist als Genossenschaft, teilweise auch als Stiftung oder Verein organisierten Eigentümer wenden typischerweise das Prinzip der Kostenmiete an: Die Mieterträge werden zur Deckung der Investitions- und Unterhaltskosten verwendet. Sie vereinen gemäss dem Gebäude- und Wohnungsregister 170’000 Wohnungen in ihrem Angebot, was knapp 4 Prozent des Gesamtwohnungsbestandes entspricht. Zuletzt hat der Marktanteil der gemeinnützigen Wohnbauträger am Gesamtschweizer Wohnungsbestand abgenommen. Dies hängt hauptsächlich mit dem sehr expansiven klassischen Wohnungsbau zusammen. Gerade in den Städten selbst kommt dem gemeinnützigen Wohnungsbau jedoch nach wie vor eine grosse Bedeutung zu: Fast jede zehnte Wohnung in Städten mit mindestens 10’000 Haushalten ist eine Genossenschaftswohnung.

Foerderung bezahlbares Wohnen Grafik

Einen solchen Anteil von 10 Prozent gemeinnützigen Wohnungen fordert die nationale Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» für die schweizweite Neubautätigkeit. Das Parlament lehnte diese Initiative ab und entwickelte einen indirekten Gegenvorschlag. Der Fonds de Roulement, der rückzahlbare Darlehen zur Erstellung von bezahlbaren Wohnungen gewährt, soll um insgesamt 250 Millionen Franken aufgestockt werden.

Die Zahl der politischen Vorstösse zur Förderung des bezahlbaren Wohnens hat jüngst nicht nur auf Ebene Bund, sondern auch in den Kantonen und Gemeinden stark zugenommen. So wurde beispielsweise im Kanton Waadt ein Gesetz zur Förderung des bezahlbaren Wohnens umgesetzt, das ein Vorkaufsrecht des Kantons und der Gemeinden für geeignete Flächen enthält. Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt strebt im neuen Richtplan einen Anteil von mindestens einem Drittel preisgünstigen Wohnraum bei der Entwicklung neuer Wohngebiete an.

Die Gemeinden setzen je länger, je mehr Sonderplanungsverfahren ein, um ihren Anteil am bezahlbaren Wohnen zu erhöhen. Diesbezüglich hat die Stadt Zug vor knapp 10 Jahren eine Vorreiterrolle gespielt: In vier Arealen, die jeweils von einer Landwirtschafts- zu einer Wohnzone eingezont wurden, musste mindestens die Hälfte der Geschossflächen dem Bau erschwinglicher Wohnungen zugeführt werden. Im Gegenzug erhielt die Entwicklerin einen Ausnützungsbonus von 10 Prozent. Vermehrt versuchen Behörden und Politiker, in Verhandlungen mit den Entwicklern mehr gemeinnützigen Wohnraum zu schaffen – wobei der Deal oft lautet: Auf- und Einzonungen gegen einen bestimmten Anteil an bezahlbarem Wohnraum. Diese Tendenz könnte auch als «Investition» vieler Gemeinden betrachtet werden: Der Verzicht auf einen Teil der Mehrwertabgabe oder auf einen marktgerechten Verkaufspreis kann sozusagen als finanzielles Engagement für bezahlbares Wohnen angesehen werden.

Bezahlbares Wohnen in den 6 grössten Schweizer Städten

  • Zürich: Der bereits hohe Anteil an gemeinnützigem Wohnen soll bis 2050 auf 33 Prozent erhöht werden. Das Reglement «Grundsätze betreffend die Unterstützung des gemeinnützigen Wohnungsbaues» sieht folgende Massnahmen vor: Baulandabgaben, Bestellung von Baurechten, Gewährung von Darlehen sowie Kapitalbeteiligungen an Institutionen des gemeinnützigen Wohnens. Das Stadtzürcher Modell zur Berechnung der Baurechtszinsen sieht tiefe Mietzinsen und eine tiefe Heimfallentschädigung vor. Ein Vorkaufsrecht wie in der Romandie existiert noch nicht. Die Ziele und Stossrichtungen des «Programms Wohnen» aus dem Jahr 2012 bleiben bestehen und werden ab 2018 erweitert. So soll beispielsweise ein kommunaler Fonds zur Bereitstellung preisgünstiger Wohnungen geschaffen werden. Planungsrechtliche Werkzeuge (Vorschriften für Mindestanteile an preisgünstigem Wohnen bei Auf- und Umzonungen) sind in Bearbeitung.
  • Genève: Der Kanton Genf investiert aktiv in bezahlbares Wohnen («logements à caractère social») und verwaltet diese über die Gérance immobilière municipale («GIM»). Die Zuteilung der Sozialwohnungen durch das GIM erfolgt aufgrund von Belegungs- und Einkommensvorschriften. Im Kanton gilt ein Vorkaufsrecht zum Zwecke des gemeinnützigen Wohnens. Die Stadt Genf sieht zudem für Teilgebiete explizite Vorschriften für einen substanziellen Anteil an gemeinnützigen Wohnungen vor.
  • Basel: Der Stadtkanton fördert das gemeinnützige Wohnen direkt und indirekt (Gesetz über die Wohnraumförderung, 5.6.2013, «WRFG»). Die wichtigsten Instrumente umfassen Beratungsangebote, Abgabe von Land im Baurecht, Darlehen, Bürgschaften und steuerliche Erleichterungen (Handänderungssteuer). Zudem sind Abbrüche und Umnutzungen von Wohnbauten bewilligungspflichtig. Die am 10.6.2018 angenommene Initiative «Recht auf Wohnen» schreibt in der Kantonsverfassung ein Recht auf bedarfsgerechten Wohnraum mit tragbarem Mietzins für alle in Basel-Stadt wohnhaften und angemeldeten Personen vor. Die Umsetzung ist offen.
  • Lausanne: Die Stadt Lausanne hat kein kodifiziertes Ziel für einen bestimmten Anteil an gemeinnützigen Wohnungen. Die Wohnbaupolitik wird vom Kanton Waadt geprägt. Per 1.1.2018 tritt das «LPPPL» in Kraft. Damit erhält Lausanne ein Vorkaufsrecht und kann 10 Prozent Ausnützungsboni bei 15 Prozent gemeinnützigen Wohnungen festlegen. Die Stadt übernimmt zudem eine aktive Rolle in der Objekt- (Service du logement et des gérances, SLG) und Subjekthilfe (Aide individuelle au logement, AIL).
  • Bern: Es gibt in keinem formellen Erlass konkrete Ziele für einen bestimmten Anteil an gemeinnützigen Wohnungen, die Stadt fördert jedoch den Bau preisgünstiger Wohnungen. Gemäss den neuen Legislaturrichtlinien 2017–2020 sollen sich bis zum Ende der Legislaturperiode 500 gemeinnützige Wohnungen neu im Bau befinden. Das bestehende Reglement über den Fonds für Boden- und Wohnbaupolitik sieht folgende Instrumente vor: Landabgabe im (günstigen) Baurecht, Darlehen und Bürgschaften. Die Initiative «Für bezahlbare Wohnungen» wurde am 18.05.2014 angenommen und sieht ein Drittel preisgünstiges Wohnen bei Um- und Neueinzonungen und einen Ausnützungsbonus von 20 Prozent bei der Erstellung von Wohnungen in Kostenmiete vor. Weil gegen die Initiative ein Beschwerdeverfahren läuft, trat sie jedoch noch nicht in Kraft.
  • Winterthur: Noch liegen keine Erlasse vor, die einen bestimmten Anteil an gemeinnützigen Wohnungen vorschreiben. Bei Sonderplanungsverfahren können jedoch Anteile an preisgünstigem Wohnen vorgeschrieben werden. So wurden zum Beispiel ein Drittel gemeinnütziges Wohnen beim Gestaltungsplan Sulzerareal Werk 1 vorgeschrieben. Die Stadt fördert zudem mit einem am 30.11.2014 genehmigten Rahmenkredit von 10 Millionen Franken über Darlehen den gemeinnützigen Wohnund Gewerberaum. Im November 2018 kommt die Vorlage «Baurecht statt Landverkäufe» zur Abstimmung; sie verlangt, dass städtische Grundstücke in Zukunft im Baurecht abzugeben sind.

Wüest-Partner-Fachkurse

Zur Vertiefung zum «Bezahlbaren Wohnen» organisiert Wüest Partner in Kooperation mit den Wohnbaugenossenschaften Schweiz eine kostenpflichtige Weiterbildungsveranstaltung. Ziel ist eine Darstellung der Faktenlage und eine konstruktive Diskussion über geeignete Fördermassnahmen in den Schweizer Städten und Gemeinden. Hier gelangen Sie zur Anmeldung.

Weitere Wüest-Partner-Fachkurse:

Diese Weiterbildung gehört zu einer Reihe an Fachkursen, die Wüest Partner in Zürich anbietet. Die Flyer der drei anderen ausgeschriebenen Fachkurse können hier geöffnet werden:

05.06.2019: Bauherrenkompetenzen
20.06.2019: Der Schweizer Immobilienmarkt. In a nutshell
05.09.2019: Wohneigentum: Preise, Vermarktung und Hypothekarvergabe

Weiterführende Beiträge

Wüest-Partner-Blog: Preisgünstiges Wohnen: Die richtigen Hebel in Bewegung setzen

NZZ: Mehr als preisgünstiges Wohnen

BWO: Regionale Ansätze zur Förderung des preisgünstigen Wohnraums